Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Coronavirus (Covid-19)
  • Gesundheitspolitik

Akteure

  • Maurer, Ueli (svp/udc) BR EFD / CF DFF

Prozesse

53 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Die Ankündigung der ersten von insgesamt vier von-Wattenwyl-Gesprächen im Jahr 2022 im Februar 2022 glich derjenigen des Vorjahres. Nicht nur der Ort war aufgrund der Covid-19-Pandemie noch immer nicht das namengebende Von-Wattenwyl-Haus, sondern erneut der Bernerhof, sondern auch die hauptsächlichen Traktanden der Gespräche zwischen den Parteispitzen und einer Bundesratsdelegation – im Februar bestehend aus dem frisch gekürten Bundespräsidenten und Aussenminister Ignazio Cassis, Gesundheitsminister Alain Berset und Energieministerin Simonetta Sommaruga sowie dem Bundeskanzler Walter Thurnherr – waren gleich wie im Vorjahr. Diskutiert wurde nämlich über die sich langsam entspannende gesundheitspolitische Lage sowie das in seiner neuen Stossrichtung formulierte Ziel der Regierung, die bilateralen Beziehungen zur EU zu stabilisieren. Einen weiteren aussenpolitischen Diskussionspunkt stellte der geplante Sitz der Schweiz im UNO-Sicherheitsrat (2023–2024) dar. Simonetta Sommaruga informierte über die geplanten Vorhaben zur Senkung der Treibhausgasemissionen auf Netto-Null bis 2050 (Revision des CO2-Gesetzes und Schaffung des Bundesgesetzes über sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien).
Im Mai 2022 fanden die Gespräche nach über zwei Jahren wieder im Von-Wattenwyl-Haus statt. Und auch die Themen hatten sich innert Monaten aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs stark verschoben. Bundespräsident Ignazio Cassis, Simonetta Sommaruga, Guy Parmelin sowie Walter Thurnherr diskutierten mit den Vertretungen der Bundesratsparteien über die aussenpolitischen, wirtschaftlichen und energiepolitischen Auswirkungen des Konflikts. Konkrete Diskussionsgegenstände waren die neutralitätspolitische Ausrichtung der Schweiz, die Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Lugano, der weltweite Teuerungsdruck und die Energieversorgungssicherheit – neben dem bereits im Februar diskutierten Stromversorgungsgesetz, dessen Umsetzung beschleunigt werden sollte, informierte die Energieministerin dabei über die geplanten Massnahmen zur Gasversorgungssicherheit.
Wie vor der Covid-19-Pandemie üblich traf sich die Landesregierung für die Von-Wattenwyl-Gespräche im Herbst in corpore und in Klausur mit den Parteispitzen. Neben dem Krieg und seinen Auswirkungen standen die Versorgungssicherheit, die Finanzplanung, wirtschaftspolitische Folgen der Inflation, die gesundheitspolitische Lage sowie einmal mehr die Europapolitik auf der Traktandenliste. In der bundesrätlichen Bilanz zu sechs Monaten Krieg nahm Justizministerin Karin Keller-Sutter Stellung zu den Migrationsbewegungen und dem Schutzstatus S, der rund 62'000 Personen gewährt worden sei; Verteidigungsministerin Viola Amherd betonte ihrerseits den Wandel der «europäischen Sicherheitsarchitektur» und die Bedeutung multilateraler Organisationen auch für die Schweiz; Aussenminister Ignazio Cassis berichtete über die Lugano-Konferenz. Die energetische Versorgungssicherheit wurde von Energieministerin Simonetta Sommaruga erörtert. Massnahmen seien etwa eine Wasserkraftreserve, Einrichtung von Reservekraftwerken und Plänen zur Bewältigung einer möglichen Gasmangellage; die Stromversorgung sei momentan aber sichergestellt. Wirtschaftsminister Guy Parmelin erklärte die steigenden Energiepreise zur Hauptursache für die ansteigende Inflation, die zwar mit 3.4 Prozent unter dem europäischen Mittel liege, aber auch in der Schweiz auf die Kaufkraft drücke. Über die schwierige Lage der Bundesfinanzen, denen ab 2024 strukturelle Defizite in Milliardenhöhe drohten, berichtete Finanzminister Ueli Maurer. Auch in der sich momentan beruhigenden Situation in der Covid-19-Pandemie gehe es weiterhin darum, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, gab Gesundheitsminister Alain Berset zu bedenken. Schliesslich informierte Aussenminister Ignazio Cassis auch über die Sondierungsgespräche mit der EU: Es bestünden weiterhin erhebliche Differenzen.
Die vierte Gesprächsrunde der Von-Wattenwyl-Gespräche fand am 11. November statt. Die Bundesratsparteispitzen liessen sich dabei über die Reise von Bundespräsident Ignazio Cassis in die Ukraine und die Weiterführung des Schutzstatus S informieren. Erneut wurde auch über die Massnahmen zur Verhinderung einer Strommangellage diskutiert, darunter etwa das Reservekraftwerk in Birr oder der Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmungen, aber auch über den Verzicht, Unternehmen oder Private aufgrund der hohen Energiepreise oder der Inflation zu unterstützen. Auch die laufenden Sondierungsgespräche mit der EU, die «besorgniserregende Haushaltsentwicklung» und die nach wie vor angespannte gesundheitspolitische Lage waren wie schon im Herbst Gegenstand der Diskussionen.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Jahresrückblick 2022: Institutionen und Volksrechte

Spätestens seit dem Rücktritt von Ueli Maurer als Bundesrat Ende September dominierte die Suche nach seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger den Themenbereich «Institutionen und Volksrechte» (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Mit dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga Ende November standen im Dezember 2022 gleich zwei Bundesratsersatzwahlen an. Maurer hatte seinen Rücktritt mit dem Wunsch begründet, noch einmal etwas Neues machen zu wollen, und Simonetta Sommaruga hatte sich entschieden, in Folge eines Schlaganfalles ihres Mannes ihr Leben neu auszurichten. Wie bei Bundesratsersatzwahlen üblich, überboten sich die Medien mit Spekulationen, Expertisen, Interpretationen und Prognosen. Bei der SVP galt die Kandidatur von Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der sich 2021 aus der Politik zurückgezogen hatte, als Überraschung. Dennoch zog ihn die SVP-Fraktion anderen Kandidatinnen und Kandidaten vor und nominierte ihn neben dem Favoriten Albert Rösti (svp, BE) als offiziellen Kandidaten. Bei der SP sorgte der sehr rasch nach der Rücktrittsrede von Simonetta Sommaruga verkündete Entscheid der Parteileitung, mit einem reinen Frauenticket antreten zu wollen, für Diskussionen. Die medialen Wogen gingen hoch, als Daniel Jositsch (ZH) dies als «Diskriminierung» bezeichnete und seine eigene Bundesratskandidatur verkündete. Die SP-Fraktion entschied sich in der Folge mit Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) und Eva Herzog (sp, BS) für zwei Kandidatinnen. Zum Nachfolger von Ueli Maurer wurde bereits im 1. Wahlgang Albert Rösti mit 131 von 243 gültigen Stimmen gewählt. Hans-Ueli Vogt hatte 98 Stimmen erhalten (Diverse: 14). Für die SP zog Elisabeth Baume-Schneider neu in die Regierung ein. Sie setzte sich im dritten Wahlgang mit 123 von 245 gültigen Stimmen gegen Eva Herzog mit 116 Stimmen durch. Daniel Jositsch hatte in allen drei Wahlgängen jeweils Stimmen erhalten – deren 6 noch im letzten Umgang. Die Wahl der ersten Bundesrätin aus dem Kanton Jura wurde von zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern nicht nur als Überraschung gewertet, sondern gar als Gefahr für das «Gleichgewicht» der Landesregierung kommentiert (Tages-Anzeiger). Die rurale Schweiz sei nun in der Exekutive übervertreten, wurde in zahlreichen Medien kritisiert.

Der Bundesrat stand aber nicht nur bei den Wahlen im Zentrum des Interesses. Diskutiert wurde auch über Vor- und Nachteile einer Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, wie sie eine parlamentarische Initiative Pa.Iv. 19.503 forderte – es war bereits der sechste entsprechende Vorstoss in den letzten 30 Jahren. Die Begründungen hinter den jeweiligen Anläufen variieren zwar über die Zeit – der neueste Vorstoss wollte «die Konkordanz stärken», also mehr Spielraum für parteipolitische aber auch für gendergerechte Vertretung schaffen – die Projekte nahmen bisher aber stets denselben Verlauf: Auch in diesem Jahr bevorzugte das Parlament den Status quo.
Verbessert werden sollte hingegen die Krisenorganisation des Bundesrates. Dazu überwiesen beide Kammern gleichlautende Motionen und Postulate der GPK beider Räte, die Rechtsgrundlagen für einen Fach-Krisenstab sowie eine Gesamtbilanz der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Corona-Pandemie verlangten.

Auch das Parlament sollte als Lehre aus der Pandemie krisenresistenter gemacht werden. Aus verschiedenen, von Parlamentsmitgliedern eingereichten Ideen hatte die SPK-NR eine einzige Vorlage geschnürt, die 2022 von den Räten behandelt wurde. Dabei sollten aber weder der Bundesrat in seiner Macht beschränkt, noch neue Instrumente für das Parlament geschaffen werden – wie ursprünglich gefordert worden war. Vielmehr sah der Entwurf Möglichkeiten für virtuelle Sitzungsteilnahme im Falle physischer Verhinderung aufgrund höherer Gewalt und die Verpflichtung des Bundesrates zu schnelleren Stellungnahmen bei gleichlautenden dringlichen Kommissionsmotionen vor. Umstritten blieb die Frage, ob es statt der heutigen Verwaltungsdelegation neu eine ständige Verwaltungskommission braucht. Der Nationalrat setzte sich für eine solche ein, der Ständerat lehnte sie ab – eine Differenz, die ins Jahr 2023 mitgenommen wird.
Nicht nur die Verwaltungskommission, auch die Schaffung einer ausserordentlichen Aufsichtsdelegation war umstritten. Die vom Nationalrat jeweils mit grosser Mehrheit unterstützte Idee, dass es neben der PUK und den Aufsichtskommissionen ein mit starken Informationsrechten ausgerüstetes Gremium geben soll, das als problematisch beurteilte Vorkommnisse in der Verwaltung rasch untersuchen könnte, war beim Ständerat stets auf Unwille gestossen. Auch nach einer Einigungskonferenz konnten sich die Räte nicht auf eine Lösung verständigen, woraufhin der Ständerat das Anliegen versenkte, zumal er die bestehenden Instrumente und Akteure als genügend stark erachtete.

Seit vielen Jahren Zankapfel zwischen den Räten ist die Frage nach der Höhe der Löhne in der Bundesverwaltung. In diesem Jahr beendete der Ständerat eine beinahe sechsjährige Diskussion dazu, indem er auf eine entsprechende Vorlage der SPK-SR auch in der zweiten Runde nicht eintrat, obwohl der Nationalrat deutlich für eine Obergrenze von CHF 1 Mio. votiert hatte. Die SPK-NR sorgte in der Folge mit einer neuerlichen parlamentarischen Initiative für ein Verbot von «goldenen Fallschirmen» für Bundeskader dafür, dass diese Auseinandersetzung weitergehen wird.

In schöner Regelmässigkeit wird im Parlament auch die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit diskutiert. Zwei entsprechende Motionen wurden in diesem Jahr von der Mehrheit des Ständerats abgelehnt, da das aktuelle System, in welchem die Letztentscheidung dem direktdemokratischen Element und nicht der Judikative überlassen wird, so gut austariert sei, dass ein Verfassungsgericht nicht nötig sei. Freilich ist sich das Parlament der Bedeutung der obersten Bundesgerichte durchaus bewusst. Ein Problem stellt dort seit einiger Zeit vor allem die chronische Überlastung aufgrund der hohen Fallzahlen dar. Daher werde gemäss Justizministerin Karin Keller-Sutter mittelfristig eine Modernisierung des Bundesgerichtsgesetzes geprüft, kurzfristig sei eine Entlastung aber nur durch eine Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter zu erreichen. Eine entsprechende parlamentarische Initiative der RK-NR hiessen beide Kammern gut, allerdings jeweils gegen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die in der Erhöhung lediglich «Flickwerk» sah.

Die mittels direktdemokratischer Abstimmungen verhandelte Schweizer Politik zeigte sich 2022 einigermassen reformresistent. Nachdem im Februar gleich beide zur Abstimmung stehenden fakultativen Referenden (Gesetz über die Stempelabgaben und Medienpaket) erfolgreich waren, wurde in den Medien gar spekuliert, ob die Bundespolitik sich nun vermehrt auf Blockaden einstellen müsse. Allerdings passierten dann im Mai und im September 4 von 5 mittels Referenden angegriffenen Bundesbeschlüsse die Hürde der Volksabstimmung (Filmgesetz, Organspende, Frontex, AHV21). Einzig die Revision des Verrechnungssteuergesetzes wurde im September an der Urne ausgebremst. 2022 war zudem die insgesamt 25. Volksinitiative erfolgreich: Volk und Stände hiessen die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» gut. Die beiden anderen Volksbegehren (Massentierhaltungsinitiative, Initiative für ein Verbot von Tier- und Menschenversuchen) wurden hingegen abgelehnt.

Dass in der Schweizer Politik manchmal nur ganz kleine Schritte möglich sind, zeigen die erfolglosen Bemühungen, den Umfang an Stimm- und Wahlberechtigten zu erhöhen. Der Nationalrat lehnte zwei Vorstösse ab, mit denen das Stimmrecht auf Personen ohne Schweizer Pass hätte ausgeweitet werden sollen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Stimmrechtsalter in naher Zukunft auf 16 gesenkt werden wird, hat sich im Jahr 2022 eher verringert: Zwar wies eine knappe Mehrheit des Nationalrats den Abschreibungsantrag für eine parlamentarische Initiative, welche eine Senkung des Alters für das aktive Stimmrecht verlangt und welcher 2021 beide Kammern Folge gegeben hatten, ab und wies sie an die SPK-NR zurück, damit diese eine Vorlage ausarbeitet. In zwei Kantonen wurde die Senkung des Stimmrechtsalters im Jahr 2022 an der Urne aber deutlich verworfen: in Zürich im Mai mit 64.8 Prozent Nein-Stimmenanteil, in Bern im September mit 67.2 Prozent Nein-Stimmenanteil.

Allerdings fielen 2022 auch Entscheide, aufgrund derer sich das halbdirektdemokratische System der Schweiz weiterentwickeln wird. Zu denken ist dabei einerseits an Vorstösse, mit denen Menschen mit Behinderungen stärker in den politischen Prozess eingebunden werden sollen – 2022 nahmen etwa beide Kammern eine Motion an, mit der Einrichtungen geschaffen werden, die helfen, das Stimmgeheimnis für Menschen mit Sehbehinderung zu gewährleisten. Zudem gaben National- und Ständerat einer parlamentarischen Initiative für die Barrierefreiheit des Live-Streams der Parlamentsdebatten Folge, damit auch hörgeschädigte Menschen diesen folgen können. Andererseits verabschiedete der Bundesrat die Verordnung zu den künftigen Transparenzbestimmungen bei Wahlen und Abstimmungen. Ob und wie die erstmals für die eidgenössischen Wahlen 2023 bzw. für das Finanzjahr 2023 vorzulegenden Kampagnen- und Parteibudgets die politischen Debatten beeinflussen werden, wird sich weisen.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2022

In der Herbstsession 2022 behandelten National- und Ständerat den ersten Teil des Nachtrags II zum Voranschlag 2022 im Rahmen einer von der SVP-Fraktion beantragten ausserordentlichen Session (22.9015). Die ausserordentliche Session war einberufen worden, nachdem die FinDel den dringlichen Kredit zur Elektrizitätswirtschaft, also den Nachtragskredit über CHF 4 Mrd. sowie den Verpflichtungskredit über CHF 10 Mrd. für den Rettungsschirm für die Elektrizitätswirtschaft, gutgeheissen hatte. Da das Parlament den Verpflichtungskredit in der Zwischenzeit genehmigt hatte und die übrigen Kredite des Nachtrags II erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt wurden, wurde in der Herbstsession lediglich über den Nachtragskredit für die Elektrizitätswirtschaft diskutiert und abgestimmt.

Im Nationalrat legten Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) sowie Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) die Position der Mehrheit der FK-NR dar: Wie im Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft diskutiert worden sei, sei der Kredit zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung der Schweiz nötig. Der Kredit selbst war denn auch bei den meisten Fraktionen nicht umstritten, auch wenn sie sich davon wenig begeistert zeigten. Drei Minderheiten Egger (svp, SG) wollten jedoch Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe definieren, unter anderem um die Axpo «an die ganz kurze Leine» zu nehmen, wie Lars Guggisberg (svp, BE) betonte. So sollten erstens die Kantone als Eigentümerinnen der drei betroffenen Energieunternehmen die Hälfte des Kredits übernehmen. Da die Kantone während Jahren die Dividenden eingestrichen hätten, sollten sie jetzt auch für die Risiken aufkommen müssen, verlangte Minderheitssprecher Egger. Weil bisher keine gründliche Risikoprüfung stattgefunden habe, verlangte eine zweite Minderheit überdies eine solche. Und schliesslich sollte es den Unternehmen drittens während der Dauer der Gewährung dieser Darlehen verboten werden, spekulative Eigenhandelsgeschäfte zu tätigen. So habe eine Studie entsprechende Handelsgeschäfte der Axpo aufgedeckt, diese seien der Grund für ihre fehlende Liquidität, argumentierte Mike Egger. Die meisten Kommissions- und Fraktionssprechenden sprachen sich gegen die Minderheitsanträge aus, zumal diese bereits bei der Schaffung des entsprechenden Gesetzes abgelehnt worden seien. Schliesslich erläuterte Finanzminister Maurer den Rahmen des Geschäfts: Die Alpiq habe im Jahr 2021 beinahe innerhalb von Stunden einen Kredit zur Sicherstellung ihrer Liquidität benötigt. Anschliessend habe der Bundesrat befürchtet, dass solche Fälle zukünftig vermehrt auftreten könnten. Da die Kantone nicht innerhalb weniger Tage solche Beträge bereitstellen könnten, habe man sich mit ihnen geeinigt, dass der Bund die Zuständigkeit für Axpo, Alpiq und BKW übernehme, während die Kantone für die übrigen rund sechzig an der Börse gehandelten Stromversorgenden verantwortlich bleiben. Darüber hinaus sei beispielsweise bezüglich der Axpo eine kantonale Lösung schwierig zu erreichen, weil diese zuerst die Parlamente der acht Eignerkantone passieren müsste. Aufgrund der Grösse der drei Unternehmen und der daraus resultierenden Gefahr eines Dominoeffekts bei Ausfall eines der drei Unternehmen bestehe überdies nicht nur ein regionales, sondern ein schweizweites Interesse an ihrem Überleben. Entsprechend sei der erste Antrag der Minderheit Egger abzulehnen. Auch die anderen beiden Minderheitsanträge beantragte die Regierung zur Ablehnung, etwa da eine gründliche Risikoprüfung durch externe Fachleute stattgefunden habe. Der Finanzminister betonte darüber hinaus, dass die drei Unternehmen «nur im absoluten Notfall auf das Darlehen zurückgreifen» würden, da man die entsprechenden Bedingungen sehr unvorteilhaft ausgestaltet habe.
Im Anschluss an die Debatte zum Kredit für den Rettungsschirm schritt der Nationalrat zur Abstimmung: Mit 137 zu 46 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich für Annahme des Nachtragskredits aus, wobei die Mehrheit der SVP-Fraktion ablehnend votierte. Die drei Minderheitsanträge zu den Voraussetzungen für die Darlehensgewährung fanden nur in der SVP-Fraktion Zustimmung und wurden jeweils mit 134 zu 50 Stimmen abgelehnt.

Im Ständerat blieb zwei Tage später trotz ausserordentlicher Session eine Diskussion über den ersten Teil des Nachtrags II aus, es lagen auch keine Minderheitsanträge vor. Nachdem Johanna Gapany (fdp, FR) und Finanzminister Maurer die Vorlage präsentiert hatten, nahm die kleine Kammer den Nachtragskredit mit 29 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an. Hier waren die parteipolitischen Fronten jedoch weniger deutlich, so stammten die ablehnenden Stimmen sowie die Enthaltungen von einzelnen Mitgliedern der SVP-, der FDP.Liberalen- sowie der Mitte-Fraktion. Die übrigen Kredite des Nachtrags II zum Voranschlag 2023 wird das Parlament in der Wintersession beraten.

Nachtrag II zum Voranschlag 2022 (BRG 22.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament die Änderung des Finanzhaushaltgesetzes zum Abbau der coronabedingten Verschuldung. Bei der ersten Beratung im Ständerat lagen ähnliche Anträge vor wie zuvor bei der Beratung im Erstrat. Jedoch hatte sich die Ausgangslage verändert: Während der Bundesrat und auch der Nationalrat bei seiner Erstberatung davon ausgegangen waren, die ausserordentlichen Ausschüttungen der SNB für den Covid-19-Schuldenabbau verwenden zu können, hatte der Bundesrat in der Zwischenzeit als Antwort auf eine Frage von Gerhard Andrey (gp, FR) bekannt gegeben, dass Bund und Kantone gemäss den vorläufigen, bis Juni 2022 vorliegenden Zahlen von der SNB am Ende des Jahres weder den Grundbetrag noch Zusatzausschüttungen erhalten würden – diese Zahlen könnten sich aber bis Ende Jahr durchaus noch ändern, wie der Bundesrat betont hatte. Die FK-SR rechnete in der Folge jedoch nicht mehr mit den entsprechenden Geldern, was die Dauer des Schuldenabbaus deutlich verlängern würde, wie verschiedene Sprechende betonten. Dennoch beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, die Corona-bedingten Schulden, die sich Ende 2022 auf etwa CHF 26 Mrd. belaufen werden, mithilfe der zukünftigen ordentlichen Überschüsse abzubauen und dabei auf eine Verwendung eines Teils der bisherigen ordentlichen Überschüsse auf dem Ausgleichskonto, wie sie der Nationalrat vorgeschlagen hatte, zu verzichten. Entsprechend wollte die Mehrheit der FK-SR die Dauer des Schuldenabbaus ebenfalls wie vom Bundesrat vorgesehen bis 2035, bei ausserordentlichen Ereignissen bis 2039 verlängern. Sowohl Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) als auch Finanzminister Maurer äusserten sich zum Vorschlag der Kommissionsmehrheit. Letzterer argumentierte, dass auf dem Ausgleichskonto nicht wirklich Geld liege, «sondern das ist einfach die Statistik des ordentlichen Bundeshaushalts». Folglich wäre die Verrechnung der beiden Konten ein «Signal, dass wir bereit sind, in der Finanzpolitik die Zügel zu lockern». Diese Befürchtung teilte eine Minderheit I Hegglin (mitte, ZG), die in Übereinstimmung mit dem Nationalrat die Hälfte der Schulden auf dem Amortisationskonto durch die ordentlichen Überschüsse finanzieren und im Gegenzug die Abbaufrist verkürzen wollte, nicht. Vielmehr entwickelte sich eine Diskussion zur Frage, welche Massnahme die grösste Freiheit für das Parlament mit sich bringe: die Beibehaltung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto oder eine schnelle Tilgung der Schulden auf dem Amortisationskonto. Eine Minderheit II Herzog (sp, BS) wollte überdies nicht nur einen Teil, sondern gar den ganzen Überschuss auf dem Ausgleichskonto zum Covid-19-Schuldenabbau verwenden, um den mittel- oder langfristig grösstmöglichen Handlungsspielraum zu schaffen. Die Minderheitensprecherin zog ihren Antrag jedoch später zurück. Mit 28 zu 16 Stimmen sprach sich der Ständerat anschliessend für den Mehrheitsantrag und somit gegen eine Verwendung des Überschusses auf dem Ausgleichskonto aus.

Noch in der Herbstsession folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat in dieser Frage. Die Kommissionsmehrheit beantragte, an der ursprünglichen Position des Nationalrats festzuhalten und weiterhin eine Verrechnung eines Teils des Überschusses auf dem Ausgleichskonto mit dem Amortisationskonto vorzunehmen und im Gegenzug die Frist für den Schuldenabbau zu kürzen. Eine Minderheit Guggisberg (svp, BE) wollte jedoch dem Bundesrat folgen, unter anderem da eine Vermischung der beiden Konten der von der Stimmbürgerschaft angenommenen Idee der Schuldenbremse widerspreche, wie Lars Guggisberg argumentierte. Mit 105 zu 83 Stimmen sprach sich der Nationalrat für diesen Minderheitsantrag und somit gegen eine Verrechnung der beiden Konten aus und bereinigte damit die einzige Differenz zum Ständerat. Die SP-, Grünen- und Grünliberalen-Fraktionen sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion waren dabei der Kommissionsmehrheit gefolgt.

In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat die Änderung des FHG mit 152 zu 23 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) an, der Ständerat einstimmig (45 zu 0 Stimmen). Die Gegenstimmen und Enthaltungen im Nationalrat stammten von Mitgliedern der Grünen Fraktion.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

«Vielfalt» war eines der Mottos des Präsidialjahres von Ignazio Cassis und ebendieses Motto war auch leitend für den vom Bundespräsidenten organisierten Bundesrats-Ausflug 2022, der am 30. Juni ganz im Norden der Schweiz begann und am 1. Juli ganz im Süden endete. Einer Bootsfahrt am Rheinfall folgte eine Begegnung mit der Schaffhauser Bevölkerung und ein Mittagessen mit der Kantonsregierung. Normalerweise führt das «Bundesratsreisli» in den Heimatkanton des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin. Da Schaffhausen allerdings bisher noch nie ein Bundesratsmitglied stellte, wollte Cassis dem Kanton die Referenz erweisen. Das Tessin war dann freilich die nächste Station des Ausflugs, die mit einem Extrazug erreicht wurde. Am Nachmittag des ersten Tages besuchten die Regierungsmitglieder nämlich das nationale Jugendsportzentrum in Tenero und nahmen dort an einem Bogenschiesswettkampf teil. Anschliessend ging die Reise noch weiter in den Süden: In Mendrisio besuchte der Bundesrat am zweiten Tag der Reise die Accademia di architettura, wo der Architekt Mario Botta ein Referat zur Geschichte der Akademie hielt. Auch in Mendrisio traf sich die Landesregierung mit der ansässigen Bevölkerung und dem kantonalen Regierungsrat. Mit einem Mittagessen im kleinen Kreis wurde der Ausflug beschlossen.
Für das Treffen mit der Bevölkerung in Schaffhausen hatte auch der Präsident der Corona-Massnahmen-skeptischen Organisation «Mass-Voll», Nicolas A. Rimoldi, seinen Besuch angemeldet. Tatsächlich kam Rimoldi mit Alain Berset und Ueli Maurer ins Gespräch, was von den Medien festgehalten wurde. Selbst dieses Treffen sei – abgesehen von ein paar Buh-Rufen – «massvoll verlaufen», berichtete der Blick. Solange so lockere Gespräche möglich seien, sei «unser Land noch in Ordnung», fand die Sonntagszeitung; sei die Schweiz tatsächlich eine Diktatur, wie Mass-Voll behaupte, dann sei sie «die angenehmste der Welt».

Bundesratsreise

Der Nationalrat befasste sich in der Sommersession 2022 mit der Motion der FK-SR nach einer Finanzhilfe für die SBB. Peter Schilliger (fdp, LU) beantragte im Namen der Mehrheit der FK-NR, die Motion abzulehnen. Ein erster Grund für die Ablehnung liege darin, dass die SBB keine sofortige Finanzspritze benötigten. Zweitens habe der Bundesrat zugesichert, dass die SBB ihre Nettoverschuldung bis ins Jahr 2030 aufgrund einer bundesrätlichen Vorlage zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der SBB ausgleichen könnten. Schliesslich ziele diese Motion auf die Finanzen des BIF ab, dieser sei aber nicht dasselbe wie die SBB. Auch der Kommission sei es ein wichtiges Anliegen, dass die ausreichende finanzielle Ausstattung des BIF gesichert sei. Der Bundesrat habe indes bestätigt, dass «die Vergünstigung der Trassenpreise durch Direkteinlagen vom Bund in den Fonds voll kompensiert» würde. Felix Wettstein (gp, SO) bat den Rat im Namen der Kommissionsminderheit um Annahme der Motion. Diverse Infrastrukturprojekte seien aufgrund der Pläne des Bundesrates gefährdet; damit werde der Handlungsspielraum der SBB zu stark eingeengt. Finanzminister Maurer wiederum argumentierte, dass die Motion der FK-SR auf einem Missverständnis beruhe. Wie bereits von Peter Schilliger ausgeführt, dürfe man die SBB und die Infrastruktur nicht miteinander vermischen. Auch habe der Sprecher der Kommissionsmehrheit richtig ausgeführt, dass die fehlenden Gelder im BIF ausgeglichen würden. Maurer versicherte dem Rat, dass der STEP-Ausbauschritt 2035 vollumfänglich realisiert werde. Die Worte des Finanzministers vermochten den Rat jedoch nicht zu überzeugen; mit 115 zu 64 Stimmen bei 7 Enthaltungen nahm er die Motion an. Gegen den Vorstoss votierten die SVP-Fraktion, etwa die Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion.

Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten (Mo. 22.3008)

In der Sommersession 2022 beriet der Nationalrat als Zweitrat über die Weiterführung der internationalen Währungshilfe. Die APK-NR hatte diese ihrem Rat im Vorfeld der Session einstimmig zur Annahme beantragt. Kommissionssprecherin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) erklärte ihren Ratskolleginnen und -kollegen, dass die vorliegende Botschaft einen Verpflichtungskredit über CHF 10 Mrd. beinhalte, der vom Bund eingesetzt werden könne, um im Falle von Störungen des internationalen Währungssystems einzugreifen und Hilfe zu leisten. Diese Hilfeleistungen in Form von Darlehen, Garantien und A-fonds-perdu-Beiträgen können entweder über den IWF oder direkt den betroffenen Staaten ausgezahlt werden. Der neue Verpflichtungskredit gelte ab Mitte April 2023 während fünf Jahren bis 2028. Bulliard-Marbach erklärte, dass die Risiken für Zahlungsausfälle beim IWF trotz der global gestiegenen Staatsverschuldung und der neuen Krisenherde durch die Covid-19-Pandemie und in der Ukraine sehr gering seien. Hingegen sprächen zwei Hauptgründe für die Fortsetzung der bewährten Praxis: Erstens sei ein stabiles Finanzsystem im Interesse der Schweiz, da Währungskrisen nicht nur den Finanzplatz, sondern auch die Exportwirtschaft schädigen würden. Zweitens stärke die Partizipation an der internationalen Währungshilfe die Schweizer Position innerhalb des IWF und in anderen internationalen Gremien.
Ihr Kommissionskollege Nicolas Walder (gp, GE) ergänzte, dass der Verpflichtungskredit Teil der «dritten Säule» des IWF sei und damit eine freiwillige Ergänzung der ersten beiden Säulen, die sich aus ordentlichen Beiträgen und Kreditvereinbarungen zusammensetzten. Die dritte Säule bestehe aus bilateralen Krediten, die nur als Notreserven im Falle grosser Krisen dienten.
Finanzminister Maurer machte deutlich, dass es sich nicht um ein neues Geschäft im eigentlichen Sinne handle, sondern bloss um eine Erneuerung des seit längerem bestehenden Währungshilfebeschlusses, welcher 2023 auslaufe.
Der Nationalrat beschloss ohne Gegenantrag auf das Geschäft einzutreten und nahm die Ausgabe im Rahmen der Ausgabenbremse mit 172 zu 6 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. In der Gesamtabstimmung nahm der Rat den Entwurf mit 161 zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ebenfalls deutlich an. Die Gegenstimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Weiterführung der internationalen Währungshilfe (BRG 21.078)

Nach dem Nationalrat sprach sich in der Sommersession 2022 auch der Ständerat dafür aus, die Verlustverrechnung bei der direkten Bundessteuer von sieben auf zehn Jahre zu verlängern. Damit sollen die Unternehmen im Nachgang an die Corona-Pandemie unterstützt werden. Die Motion war von der Mehrheit der WAK-SR befürwortet worden, während es eine Minderheit Herzog (sp, BS) ablehnte, aufgrund einer ausserordentlichen Notsituation eine Neuregelung der Besteuerung zu schaffen. Obwohl auch Finanzminister Maurer die Motion zur Ablehnung beantragte und unter anderem darauf verwies, dass man bei der Corona-bedingten Verlustrechnung noch einige Jahre Zeit habe, um eine Lösung zu finden, und entsprechend auch die Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung abwarten könne, nahm der Ständerat die Motion mit 24 zu 15 Stimmen an.

Möglichkeit zur Verlustverrechnung auf zehn Jahre erstrecken (Mo. 21.3001)

Anders als der Nationalrat, der tags zuvor trotz zahlreicher Minderheitsanträge keine Änderungen am bundesrätlichen Nachtrag Ib zum Voranschlag 2022 vorgenommen hatte, schuf der Ständerat eine gewichtige und eine kleine Differenz. So schlug die FK-SR mit 9 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) vor, den Kredit für den Bundesbeitrag an die ALV von CHF 2.1 Mrd. auf CHF 300 Mio. zu reduzieren. Wie bereits im Nationalrat von einer erfolglosen Minderheit beantragt, sollten Urlaubs- und Feiertagsentschädigungen bei KAE nur an Unternehmen nachbezahlt werden, welche entsprechende Einsprachen oder Beschwerden getätigt hatten, nicht aber an Unternehmen mit rechtskräftigen Verfügungen, erläuterte Johanna Gapany (fdp, FR) die Position der Kommission. Im Hinblick auf die hohen bisherigen Kosten der Pandemie und aus Rücksicht auf die zukünftigen Generationen solle man hier vom grosszügigeren bundesrätlichen Vorschlag abweichen. Roberto Zanetti (sp, SO) verwies als «informelle Minderheit» – er verzichtete als einziger Ablehnender auf einen Minderheitsantrag – darauf, dass vom Vorschlag der Kommission vor allem Mikrounternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden benachteiligt seien, denen die Kantone und Arbeitslosenkassen von einer Einsprache oder Beschwerde abgeraten hätten und die «keine HR- oder Rechtsabteilungen [hätten], die sie vor den Fallstricken der Revisions- und Wiedererwägungstatbestände bewahren könnten». Nach Treu und Glauben wolle der Bundesrat auch diesen Unternehmen nun die Möglichkeit geben, rund 14 Prozent der Lohnsumme bei den KAE zusätzlich geltend zu machen. Anstelle von Roberto Zanetti beantragte Ruedi Noser (fdp, ZH) in einem Einzelantrag, die von der Kommission eingefügte Rahmenbedingung der Kreditvergabe, wonach bei rechtskräftigen Verfügungen keine Ferien- und Feiertagsentschädigungen nachbezahlt würden, zu streichen. Über diesen Antrag musste jedoch nicht mehr abgestimmt werden, da der Ständerat mit 25 zu 17 Stimmen dem Antrag des Bundesrats folgte und den Nachtragskredit für die ALV bei CHF 2.1 Mrd. beliess. Als kleinere Differenz entschied der Ständerat jedoch, den entsprechenden Nachtragskredit nur freizugeben, wenn auf Verzugszinsen auf diese Forderungen verzichtet würde.
Eine grössere Differenz schuf der Ständerat hingegen beim Kredit zur Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19. Hier hatte die Kommissionsmehrheit eine Reduktion des Nachtragskredits von CHF 314 Mio. auf CHF 68 Mio. und des Verpflichtungskredits von CHF 780 Mio. auf CHF 300 Mio. vorgeschlagen. Gemäss Kommissionssprecherin Gapany habe man in der Kommission lange darüber diskutiert, ob man – wie der Bundesrat – eher eine Sicherheitsstrategie fahren und genügend Impfstoffe für die ganze Bevölkerung kaufen wolle. Mit 7 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) habe sich die Kommission stattdessen entschieden, etwas weniger Impfstoffe zu beschaffen, um Verschwendung zu vermeiden. In der Zwischenzeit habe sie überdies erfahren, dass womöglich bereits Verträge zum Impfstoffkauf unterzeichnet worden seien, die nicht rückgängig gemacht werden könnten, liess Johanna Gapany verlauten. Damit wäre der Parlamentsvorbehalt, also die Möglichkeit, dass der Bund von einem Vertrag zurücktritt, wenn das Parlament den entsprechenden Finanzierungskredit verweigert, verletzt worden. Dies sei ein Argument mehr, um in diesem Punkt eine Differenz zu schaffen, sodass man nach der Beschaffung weiterer Informationen nochmals darüber diskutieren könne. Finanzminister Maurer ergänzte, dass unklar sei, ob man überhaupt bei einem einzigen Vertrag Kürzungen anbringen könne oder ob dies auch die übrigen Verträge betreffen würde. Eine Minderheit Herzog (sp, BS) befürwortete zwar die Strategie des Bundesrates, der «auf Sicherheit setzt und nicht knapp berechnet», zeigte sich aber ob der offenen Fragen zu den Verträgen mit der Schaffung einer Differenz einverstanden. Mit 32 zu 9 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) reduzierte der Ständerat folglich den Nachtragskredit für die Impfstoffe auf CHF 68 Mio. und den Verpflichtungskredit auf CHF 300 Mio.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Sommersession 2022 behandelte zuerst der Nationalrat die Staatsrechnung 2021 und begann die Diskussion mit einer allgemeinen Aussprache. Michel Matter (glp, GE) und Mike Egger (svp, SG) stellten dem Rat die Staatsrechnung mit einem erneuten Rekorddefizit vor. Das Defizit von CHF 12.2 Mrd. sei auf die ausserordentlichen, Corona-bedingten Ausgaben zurückzuführen, betonte Michel Matter – und setzte die Unterstützungsmassnahmen in der Folge mit der wirtschaftlichen Erholung und einem BIP-Wachstum von 3.6 Prozent im Jahr 2021 in direkten Zusammenhang. Überdies hob er den Anstieg an Einnahmen, aber auch an Ausgaben hervor.
Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher stellten in ihren Reden unterschiedliche Aspekte der Staatsrechnung in den Mittelpunkt. Sandra Sollberger (svp, BL) und Alex Farinelli (fdp, TI) erachteten in ihren Voten die steigenden Ausgaben als problematisch und forderten eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse sowie Zurückhaltung bei neuen Ausgaben. Demgegenüber zeigte sich Alois Gmür (mitte, SZ) vor allem erfreut darüber, dass die bewilligten Covid-19-Kredite von CHF 25 Mrd. nicht vollständig ausgeschöpft worden seien – CHF 11 Mrd. davon habe der Bund «dank dem liberalen Kurs des Bundesrates und des Parlamentes bei der Bewältigung der Pandemie» nicht benötigt. Diesen Aspekt hob auch Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) hervor, die sich aber mit der geforderten Sparsamkeit der SVP- und FDP-Fraktion nicht einverstanden zeigte: Etwa die Bekämpfung der Klimakrise bedürfe weiterer grosser finanzieller Mittel, forderte sie. Gerhard Andrey (gp, FR) nahm insbesondere den Abbau der ausserordentlich verbuchten Covid-19-Schulden in der Höhe von CHF 20.3 Mrd. ins Visier, für welche er die Verwendung der Überschüsse auf dem Ausgleichskonto bewarb. Auch Finanzminister Maurer stellte den eine Woche später zur Debatte stehenden Schuldenabbau ins Zentrum und forderte «für die künftigen Jahre wieder eine hohe Finanzdisziplin». Roland Fischer (glp, LU) hingegen störte sich an den zwei Vorbehalten, welche die EFK zur Staatsrechnung vorgebracht hatte. Einerseits kritisierte die Finanzkontrolle die Verbuchung von Covid-19-Härtefallmassnahmen für das Jahr 2021, da die Kantone die entsprechenden Kosten noch nicht definitiv in Rechnung gestellt hatten. In der Finanzierungsrechnung dürfen jedoch nur bereits erfolgte Ein- oder Auszahlungen verbucht werden. Diese Problematik stellte sich aber zum letzten Mal, da der Bund seine Staatsrechnung ab nächstem Jahr von der Finanzierungs- auf die Erfolgsrechnung umstellt. Der Finanzminister argumentierte, dass man aufgrund einer gemeinsamen Datenbank die Höhe der kantonalen Härtefallhilfen per Ende 2021 kenne und er eine solche Verbuchung aufgrund der Periodengerechtigkeit bevorzuge. Andererseits störte sich die EFK an den Rückstellungen zur Rückerstattung der Verrechnungssteuer, die der Bundesrat sowohl in der Erfolgs-, als auch in der Finanzierungsrechnung ausweist, obwohl diese weder Einnahmen noch Ausgaben darstellen. Diese Buchungen «entsprechen nicht den aktuellen gesetzlichen Grundlagen», kritisierte Fischer. Man habe diese Rückstellungen nun während vier Jahren vorgenommen und das Parlament habe sie jeweils oppositionslos verabschiedet, erwiderte der Finanzminister. Zudem löse sich ja auch diese Problematik 2023 mit der Umstellung auf die Erfolgsrechnung von alleine. Trotz dieser Vorbehalte empfahl die EFK die Staatsrechnung zur Annahme, die Kommission zeigte sich damit einverstanden und formulierte keine Änderungsanträge. Hingegen verlangte eine Minderheit Andrey, dass die gesamten Ausschüttungen der SNB jedes Jahr gleich und somit wie im Vorjahr als ordentliche, nicht wie vom Bundesrat vorgesehen als ausserordentliche Einnahmen verbucht würden. Der Finanzminister erläuterte, dass sich die Situation gegenüber dem Jahr 2020 verändert habe: Die neue, seit 2021 geltende Vereinbarung mit der SNB unterscheide einen Grundbetrag von CHF 666 Mio., welchen man jedes Jahr ordentlich verbuchen wolle. Möglich seien aber auch Zusatzausschüttungen in der Höhe von bis CHF 4 Mrd., wovon der Bund maximal 1.3 Mrd. erhält. Diese Zusatzausschüttungen, die für das Jahr 2021 CHF 1.3 Mrd. betragen, seien jedoch deutlich unsicherer, weshalb der Bundesrat sie als ausserordentliche Einnahmen verbuchen möchte, um bei ihrem Wegfall keinen Fehlbetrag in der ordentlichen Rechnung aufzuweisen. Mit 125 zu 67 Stimmen lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Andrey gegen den Willen der Grünen- und der SP-Fraktion ab. In der Gesamtabstimmung sprach sich der Rat mit 191 zu 1 Stimme (von Erich Hess; svp, BE) für Annahme der Staatsrechnung 2021 aus und hiess auch die Rechnung des Bahninfrastrukturfonds und des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2021 gut.

Im Ständerat blieb zwei Tage später eine Diskussion zur Staatsrechnung aus. Auch Kommissionssprecherin Gapany (fdp, FR) verwies in der Präsentation der Rechnung auf die Vorbehalte der EFK, empfahl die Staatsrechnung aber im Namen der Kommission zur Genehmigung. Einstimmig mit 40 zu 0 Stimmen folgte der Ständerat diesem Antrag und nahm ebenfalls auch die Rechnungen des Bahninfrastrukturfonds und des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2021 einstimmig an.

Staatsrechnung 2021 (BRG 22.003)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)

In der Frühjahrssessions 2022 stimmte der Ständerat der Weiterführung des Währungshilfebeschlusses einstimmig zu und nahm den Verpflichtungskredit über CHF 10 Mrd. an. APK-SR-Sprecher Bischof (mitte, SO) informierte den Rat, dass sich der Beschluss nur auf bilaterale Kredite beziehe und nicht auf die gesamte Schweizer Beteiligung im IWF. Finanzminister Maurer verwies auf den Krieg in der Ukraine und den gesprochenen Notkredit von 1.4 Mrd. Dollar, der es dem Land ermögliche, seinen finanziellen Verpflichtungen auch in der jetzigen Ausnahmesituation nachzukommen. Er betonte auch nachdrücklich, dass die bisher von der Schweiz gewährten Kredite immer zurückbezahlt worden seien, was die Funktionsfähigkeit des Systems unterstreiche.

Weiterführung der internationalen Währungshilfe (BRG 21.078)

Klarheit bezüglich der Abzahlung der Corona-bedingten ausserordentlichen Leistungen – unter Beibehaltung der Schuldenbremse – sowie bezüglich der Folgen der Pandemie für die Sozialwerke verlangten Marcel Dettling (svp, SZ; Mo. 20.3392) und Werner Salzmann (svp, BE; Mo. 20.3414) im Mai 2020 in zwei gleichlautenden Motionen. So sollte der Bundesrat eine Lösung zur Behebung des Defizits auf dem Amortisationskonto in der Höhe von CHF 40 Mrd. innert sechs bis acht Jahren, zu den jährlichen Steuerausfällen von CHF 5 Mrd. und zu den Problemen für die AHV und die Pensionskassen präsentieren. Der Bundesrat empfahl die Motionen zur Ablehnung. Einen Abbau des Defizits auf dem Amortisationskonto innert sechs Jahren, wie es das FHG vorsieht, lehnte die Regierung ab; damit würde der Finanzhaushalt zu stark unter Druck gesetzt und die konjunkturelle Erholung gefährdet. Bezüglich der Probleme für die Sozialwerke verwies der Bundesrat auf die neuen Finanzperspektiven von AHV, IV und EO vom Juli 2020.
In der Ständeratsdebatte zur Motion Salzmann in der Herbstsession 2020 konnte Bundesrat Maurer zumindest teilweise Entwarnung geben – die Corona-bedingten Ausgaben betrügen bisher nicht CHF 40 Mrd., sondern «nur noch» CHF 20 Mrd. «Aber 20 Milliarden Franken sind eben immer noch sehr, sehr, sehr viel Geld», betonte der Finanzminister. Obwohl man die grundsätzliche Stossrichtung der Motionen teile, könne man nicht sämtliche Fragen zur Schuldenproblematik in einem Gesamtpaket beantworten, sondern müsse sie jeweils einzeln angehen. Mit 23 zu 16 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen eine Annahme der Motion Salzmann aus. Dasselbe Ergebnis verzeichnete die Motion Dettling in der Frühjahrssession 2022: Der Nationalrat lehnte sie mit 138 zu 53 Stimmen ab. Unterstützung fand sie nur bei der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion. In der Zwischenzeit sei die «Motion von der Entwicklung der letzten zwei Jahre überholt worden», betonte Bundesrat Maurer und verwies dabei auf den Entwurf zur Revision des FHG.

Umfassende Lösung zur Bewältigung der Corona-Krise. Stabilisierung des Bundeshaushaltes und der Sozialwerke (Mo. 20.3392 und Mo. 20.3414)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?

Zur Bereinigung der verbliebenen Differenz zu den Krediten für die Beschaffung von Medikamenten für immunsupprimierte Personen waren nochmals drei Beratungen nötig. Die Mehrheit der FK-NR beantragte in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens die Ablehnung der zwei Kredite – zumal die Kommission diese nicht vorberaten hatte. Mehrere Mitglieder der Kommission bezweifelten deren Dringlichkeit und rügten den Ständerat für deren Annahme, ohne genügend Informationen vorzulegen. Man fordere dafür wie üblich eine Botschaft des Bundesrates, betonte etwa Alois Gmür (mitte, SZ). Eine Minderheit Wyss (sp, BS) sprach sich für Annahme der Kredite aus, zumal diese Ausgabe inhaltlich unbestritten sei und man dem Bundesrat damit eine möglichst schnelle Beschaffung ermögliche. Nach langen Diskussionen lehnte der Nationalrat die zwei Kredite mit 105 zu 82 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) ab.

Die Kritik des Schwesterrates – und insbesondere der Schwesterkommission – beeindruckte die FK-SR nicht. Sie hatte das EDI in der Zwischenzeit um einen Bericht zur Präzisierung der Dringlichkeit des Bedarfs gebeten. Dieser Bericht zeigte auf, dass die Produktionskapazitäten der entsprechenden Medikamente begrenzt sind und deutlich unter der Nachfrage liegen dürften. Zudem werde die Wirksamkeit der bestehenden Medikamente heute in Frage gestellt, man suche noch nach Alternativen. Sollten solche gefunden werden, müsse der Bundesrat sofort – nicht erst im Juni nach Behandlung des zweiten Nachtrags – in der Lage sein, diese zu erwerben. Nach dem präzisierenden Bericht des EDI beantragte auch Finanzminister Maurer die Kredite neu zur Annahme. Eine Minderheit Stark (svp, TG) verlangte jedoch weiterhin, «in der Finanzpolitik und in verwaltungstechnischen Abläufen wieder zu bewährten Grundsätzen zurück[zu]finden», insbesondere da sie die Dringlichkeit der Kredite noch immer bezweifelte. Mit 29 zu 9 Stimmen sprach sich der Ständerat aber erneut für Annahme der Kredite aus.

Dieser Bericht des EDI überzeugte nun auch die Mehrheit der FK-NR. Nachdem Lars Guggisberg (svp, BE) erneut Ablehnung der Kredite beantragt hatte, begründete Felix Wettstein (gp, SO) die ambivalente Position der Grünen-Fraktion: Einerseits habe die Finanzkommission zwar zusätzliche Informationen erhalten, diese hätten aber zu mehr Verwirrung geführt – man habe zu diesem Zeitpunkt einfach nicht genug Informationen für einen fundierten Entscheid. Andererseits habe der Bundesrat die Kredite nun gutgeheissen; man könne sie also auch jetzt sprechen und müsse dadurch nicht riskieren, dass die FinDel die Kredite später bevorschussen müsse. Der Nationalrat, nahm die zusätzlichen Kredite in der Folge mit 100 zu 62 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten von der fast geschlossen stimmenden SVP-Fraktion – einzig Verena Herzog (svp, TG) hiess die auf ihre Motion zurückgehenden Kredite gut und Lorenzo Quadri (lega, TI) enthielt sich der Stimme – sowie von Minderheiten der Grünen-, Mitte- und der FDP.Liberalen-Fraktionen.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Anfang Mai 2020 reichte Nationalrätin Tamara Funiciello (sp, BE) eine Motion zur geschlechtergerechten Verteilung der Gelder zur Bewältigung der Coronakrise ein. Um diese Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, sei das Gender Budgeting, also «das finanzpolitische Instrumentarium der gleichstellungspolitischen Strategie des Gender Mainstreaming», eine geeignete Budgetierungsmethode. Insbesondere die Verteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit müsse bei der Verteilung staatlicher Gelder während Krisenzeiten vermehrt in den Fokus rücken, was durch Gender Budgeting gewährleistet werden könne. Der Bundesrat wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Sofortmassnahmen zur Bewältigung der Coronakrise geschlechterunabhängig und aufgrund der individuellen Betroffenheit ausgezahlt würden. Des Weiteren sei eine Forderung nach Gender Budgeting in der Bundesverwaltung bereits 2013 abgelehnt worden. Dies unter anderem, da der Ansatz einen höheren Erhebungsaufwand für Kantone, Städte und Gemeinden nach sich ziehen würde, der Bund den Kantonen bei der Verteilung der Bundesmittel keine Vorgaben machen könne und viele Bundesmittel einen hohen gesetzlichen Bindungsgrad aufwiesen. In der Frühjahrssession 2022 bemängelte Nationalrätin Funiciello im Ratsplenum, dass unterschätzt werde, wie geschlechterspezifisch Bundesinvestitionen seien. Bundesrat Ueli Maurer verwies darauf, dass das Parlament das Bundesbudget aufgrund des neuen Führungsmodells für die Bundesverwaltung mitbestimme und diese Forderung am besten in diesem Rahmen eingebracht werde. Auch die Mehrheit der Nationalratsmitglieder lehnte die Forderung und somit die Motion mit 119 zu 70 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab, befürwortet wurde sie von den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktionen.

Gender-Budgeting. Für eine gerechte Bewältigung der Krise (Mo. 20.3397)

In einem Bericht solle der Bundesrat zeigen, ob in der Bundesverwaltung selbstorganisierte Arbeitsformen eingeführt werden könnten. «Holokratie» oder «Soziokratie 3.0» – also dezentrale und agile Organisationsformen – gewännen an Beliebtheit, bewährten sich bei fortschreitender Digitalisierung und seien geeignet, um Innovation zu fördern, so Min Li Marti (sp, ZH), die Urheberin des Vorstosses. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Bereits heute würden in der Bundesverwaltung teilweise solche agilen Organisationsformen angewendet und ein stärkerer Einsatz sei prüfenswert.
Nachdem der Vorstoss durch Yves Nidegger (svp, GE) bekämpft worden war, brauchte es eine Ratsdebatte, die in der Frühjahrssession 2022 stattfand. Da sich Min Li Marti wegen Covid in Isolation befand, erhielt gleich der Gegner des Vorstosses das Wort: Er habe das Gefühl, es sei vielmehr die Verwaltung, die den Bundesrat leite, statt umgekehrt. Es brauche folglich nicht noch mehr Selbstverwaltung. Die eidgenössische Verwaltung sei zudem kein Start-up, nicht etwas Amerikanisches und entwickle auch keine Software – in solchen Unternehmen würde Holokratie angewendet. Schliesslich würden solche Arbeitsformen den Finanzhaushalt noch stärker belasten. Ueli Maurer widersprach Nydegger: Es sei im Nachgang der Corona-Krise wichtig, nicht nur Homeoffice, sondern möglichst viele neue Arbeitsformen zu prüfen. Die Bundesverwaltung sei eben keine Einheit, stattdessen gebe es in den verschiedenen Bundesämtern ganz unterschiedliche Bedürfnisse an die Arbeitsplatzgestaltung. Der Bundesrat arbeite bereits in die Richtung des Postulats, weshalb er es zur Annahme beantrage. Nur die geschlossen stimmende SVP-Fraktion stellte sich gegen diese Empfehlung, sodass das Postulat mit 137 zu 53 Stimmen (3 Enthaltungen aus der SP-Fraktion) angenommen wurde.

Selbstorganisierte Arbeitsformen in der Bundesverwaltung einführen (Po. 21.4162)

Zwei Tage nach dem Erstrat setzte sich der Ständerat mit dem Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022 auseinander, wobei Johanna Gapany (fdp, FR) die Vorlage im Namen der Kommission darlegte. Auf keinen Widerstand in der FK-SR waren die drei ausserordentlichen Covid-19-Kredite für den Erwerbsersatz (CHF 1.7 Mrd.), für die kantonalen Härtefallmassnahmen (CHF 900 Mio.) und für die ALV (CHF 800 Mio.) gestossen. Stillschweigend hiess auch der Ständerat diese in der Folge gut. Auch die CHF 11 Mio. für die Fertigstellung eines ETH-Gebäudes genehmigte der Ständerat ohne Minderheitsantrag, auch wenn sich die Kommission mit der Situation unzufrieden zeigte: «Des questions ont été posées concernant la procédure d'adjudication des travaux», betonte die Kommissionssprecherin.
Neu lag dem Rat nun aber auch ein Antrag der Kommission auf zwei zusätzliche Kredite über insgesamt CHF 100 Mio. vor, mit denen der Bundesrat Abnahmegarantien für Medikamente für immunsupprimierte Personen abschliessen und diese Medikamente in der Folge beschaffen wollte. Dies war in drei Motionen (Mo. 21.4632, Mo. 22.3005, Mo. 22.3018) gefordert worden, wobei eine davon bisher vom Nationalrat angenommen worden war. Kommissionssprecherin Gapany betonte, dass zur Verwendung der entsprechenden Kredite zuerst die nötige gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse. Finanzminister Maurer beantragte die zwei Kredite zur Ablehnung. Mit deren Annahme würde man den Nationalrat überrumpeln – die FK-NR könne diese vor der Ratssitzung nicht mehr debattieren –, zudem lege der Bundesrat in der Sommersession einen zusätzlichen Nachtragskredit für Impfungen vor, wobei man eine Gesamtbeurteilung vornehmen werde. Mit 36 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Ständerat die entsprechenden Kredite dennoch an, nachdem verschiedene Sprechende deren Dringlichkeit unterstrichen hatten.
Abschliessend diskutierte auch der Ständerat über die Krediterhöhung für Notschutzmassnahmen gegen den Wolf. Die Kommission hatte diesen vom Nationalrat ergänzten Kredit nicht vorberaten, ein Einzelantrag Engler (mitte, GR) verlangte jedoch Zustimmung. Wie bereits Mike Egger (svp, SG) im Nationalrat betonte auch Stefan Engler die Relevanz dieser zusätzlichen Gelder und unterstrich die bestehende gesetzliche Grundlage. Nach verschiedenen unterstützenden Wortmeldungen sprach sich der Ständerat mit 41 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung für die temporären Notschutzmassnahmen gegen den Wolf aus. Mit einer Differenz bezüglich der Kredite für die Medikamente für immunsupprimierte Personen musste der Nachtrag Ia somit ins Differenzbereinigungsverfahren.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Anfang März 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit dem Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022 auseinander. Die Kommissionssprechenden Anna Giacometti (fdp, GR) und Heinz Siegenthaler (bdp, BE) stellten dem Rat den Nachtrag vor.
Es standen drei zusätzliche Covid-19-Kredite in der Höhe von CHF 3.4 Mrd. zur Debatte, die im Rahmen der Verlängerung zusätzlicher Massnahmen durch das Parlament während der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes beschlossen worden waren. Unbestritten waren von diesen drei Krediten einzig die CHF 800 Mio. für die ALV, während zwei Minderheiten Guggisberg (svp, BE) die Kredite für den Erwerbsersatz (CHF 1.7 Mrd.) und für die kantonalen Härtefallmassnahmen (CHF 900 Mio.) halbieren wollten. Der Minderheitensprecher begründete die zwei Anträge damit, dass man nicht «auf Vorrat Ausgaben von Steuergeldern budgetieren» wolle – bereits 2021 habe man etwa doppelt so viel budgetiert, wie man anschliessend benötigt habe. Aufgrund der rückläufigen Hospitalisierungen seien diese aktuellen Kredite zu hoch kalkuliert. Finanzminister Maurer verwies auf den vom Parlament in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes erteilten Auftrag, welchen der Bundesrat gemäss seinen bisherigen Erfahrungswerten umgesetzt habe. Er gehe zwar davon aus, dass man Ende Jahr Kreditreste haben werde, auch eine Kürzung dieser Kredite würde jedoch nicht zu Einsparungen führen. Mit 136 zu 53 Stimmen und 137 zu 52 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat in der Folge für die vom Bundesrat beantragten Kredite für den Covid-19-Erwerbsersatz und die Härtefallhilfen aus.
Bezüglich der CHF 11 Mio. zur Fertigstellung des Neubauprojektes der ETH erinnerte Kommissionssprecher Siegenthaler daran, dass das Parlament 2013 einen Verpflichtungskredit über CHF 127 Mio. bewilligt habe. Verzögerungen, Mehraufwände und Mängel durch das Generalunternehmen hätten Mehrkosten nach sich gezogen, weshalb zur Fertigstellung eine Erhöhung des Verpflichtungskredits nötig sei, welche jedoch im ETH-Budget kompensiert werde. Stillschweigend stimmte der Nationalrat auch diesem Kredit zu.
Für die meisten Diskussionen sorgte die von der UREK-NR in einem Mitbericht und von Mike Egger (svp, SG) in einem Minderheitsantrag beantragten CHF 5.7 Mio. zugunsten von temporären Notschutzmassnahmen gegen den Wolf. Aufgrund der Ablehnung der Jagdgesetz-Revision im Jahr 2020 fehle die gesetzliche Grundlage zur Regulierung des Wolfsbestandes, wodurch die Anzahl Wölfe und die Probleme für die Alpwirtschaft stark angestiegen seien, betonte Egger. Deshalb sollen nun zusätzliche Gelder für Behirtung und Hütten gutgeheissen werden. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Aufstockung ab, da die rechtliche Grundlage für die Auszahlung der zusätzlichen Gelder gemäss Vertretenden des BAFU fehle. Dem widersprach jedoch der Minderheitensprecher: Weitere Massnahmen seien gesetzlich durchaus möglich, wenn die bisherigen Massnahmen nicht ausreichten. Finanzminister Maurer erläuterte die zwei Positionen: Zwar sei, wie vom BAFU erklärt, eine Übernahme zusätzlicher Personalkosten gemäss Gesetz wohl in der Tat nicht möglich, die temporären Schutzmassnahmen, wie sie die Minderheit in den Planungsgrössen definierte, seien jedoch zulässig. Dennoch beantragte der Finanzminister, die Höhe und die Verbuchung dieses Kredites noch einmal überprüfen zu können. Man werde die «Landwirtschaft dann nicht einfach im Regen stehen lassen», sondern hier eine sinnvolle Lösung suchen. Mit 101 zu 72 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der Kommissionsminderheit und hiess den zusätzlichen Nachtragskredit sowie die diesbezüglichen Planungsgrössen gut. Befürwortet wurden diese von der SVP-Fraktion, Mehrheiten der Mitte- und der Grünen-Fraktion und Minderheiten der FDP.Liberalen- und der SP-Fraktion.
In der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 180 zu 11 Stimmen für den Nachtrag Ia aus – eine Minderheit der SVP-Fraktion lehnte ihn ab.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Auch 2021 wurden die traditionellen von-Wattenwyl-Gespräche von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt. Nicht nur, weil die Gesundheitskrise zentraler Gegenstand aller vier Veranstaltungen war, sondern auch, weil die Gespräche wie schon teilweise im Jahr zuvor allesamt nicht im namensgebenden Von-Wattenwyl-Haus, sondern im mehr Platz bietenden Bernerhof stattfanden.
Im Beisein von Bundespräsident Guy Parmelin, den Bundesräten Alain Berset und Ignazio Cassis sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr diskutierten die Spitzen der Regierungsparteien im Februar die aktuelle Lage, die steigenden Fallzahlen und mögliche Massnahmen, darunter die anlaufende Impfkampagne. Ebenfalls besprochen wurden die Digitalisierung der Verwaltung, insbesondere im Gesundheitsbereich, aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Arbeitsmarkt und Unternehmen. Die Regierung informierte zudem über den Stand der Europapolitik.
Auch im Mai trafen sich Bundespräsident, Gesundheitsminister, Aussenminister, Bundeskanzler und Parteipräsidien im Bernerhof, um erneut über die Gesundheits- und Wirtschaftslage sowie über das Europadossier zu diskutieren. Die Stabilisierung der Fallzahlen und die Fortschritte bei der Impfung der Bevölkerung – rund 10 Prozent hatten bereits eine Impfung erhalten – liessen die Diskussion erster Öffnungsschritte zu, welche auch dank der Einführung des Covid-Zertifikats möglich werden sollten. Gegenstand der Gespräche waren zudem die verschiedenen Massnahmen, die der Bund aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen Probleme ergriffen hatte. Bisher waren zur Bewältigung der Gesundheitskrise Ausgaben von rund CHF 40 Mrd. beschlossen worden. Der Aussenminister informierte über die «weiterhin substanziellen Differenzen» bei den Verhandlungen mit der EU im institutionellen Rahmenabkommen. Schliesslich wurde die China-Strategie diskutiert, die der Bundesrat im Frühjahr 2021 vorgelegt hatte.
Auch die traditionellerweise im Herbst in Form einer Klausur mit dem Gesamtbundesrat organisierten Von-Wattenwyl-Gespräche fanden im Bernerhof statt. Und wieder standen Covid-19 und Europa auf der Traktandenliste. Die gesundheitliche Lage hatte sich in der Zwischenzeit wieder verdüstert – auch weil die Impfquote nach wie vor tief war, worüber sich die Teilnehmenden der Gespräche austauschten. Im Europadossier plädierte der Bundesrat auf eine rasche Freigabe des Kohäsionsbeitrags. Weiteres zentrales Diskussionsthema war das Vorhaben der OECD, einen weltweiten Mindestsatz für Unternehmenssteuern in der Höhe von 15 Prozent einzuführen. Aufgrund der Ablehnung des CO2-Gesetzes im vergangenen Juni 2021 an der Urne, wollte der Bundesrat möglichst rasch eine Basis für eine neue Vorlage schaffen und informierte über erste entsprechende Gespräche mit Verbänden und Parteien.
Mitte November – auch die vierte Gesprächsrunde fand im Bernerhof statt – standen neben Gesundheits- und Europapolitik auch die «Corona-Schulden» auf dem Programm, weshalb neben Bundespräsident Guy Parmelin und Alain Berset auch Finanzminister Ueli Maurer und erneut Bundeskanzler Walter Thurnherr mit den Regierungsparteispitzen diskutierten. Angesichts des anbrechenden Winters, der nach wie vor zu tiefen Impfrate und einer neuen, ansteckenden Virusvariante wurde mit einem Anstieg der Fallzahlen gerechnet und entsprechende Massnahmen diskutiert. Finanzminister Ueli Maurer informierte über die Schulden in Höhe von CHF 25 Mrd., mit denen der Bundesrat bis Ende 2022 rechnete. Sparprogramme oder Steuererhöhungen könnten mit einer Anpassung des Finanzhaushaltsgesetzes vermieden werden, wie der Bundesrat bereits im Sommer vorgeschlagen hatte. Die angestrebte positivere Dynamik der Beziehungen zur EU war in den Gesprächen im November ebenso Gegenstand wie die Migrationssituation – in den ersten 10 Monaten waren rund ein Drittel mehr Asylgesuche gestellt worden als im Vorjahr – und eine mögliche Strommangellage, die mit einem «Konzept Spitzenlast-Gaskraftwerk» vermieden werden soll.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Bereits im Vorjahr waren die Meinungen über die Leistungen der Landesregierung während der Covid-19-Pandemie auseinandergegangen. Die Kritik am Bundesrat nahm im Covid-19-Jahr 2021 aber noch einmal merklich zu. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei Alain Berset. Insbesondere die SVP übte via Medien Kritik am Gesundheitsminister und forderte Mitte Januar 2021, dem SP-Magistraten solle das Gesundheitsdossier entzogen werden, weil er versagt habe. Christoph Blocher bezeichnete Berset gar als «Diktator». Obwohl der amtierende Bundespräsident und SVP-Bundesrat Guy Parmelin daran erinnerte, dass es sich bei der Regierung um «ein Team» handle, und die Kollegialität betonte und der zweite SVP-Bundesrat Ueli Maurer darauf hinwies, dass es niemandem diene, wenn die Bunderatsmitglieder gegeneinander ausgespielt würden – Aussagen, die etwa vom Tages-Anzeiger als Zeichen eines Zusammenschweissens der Landesregierung und von La Liberté als «grand moment d'unité» bezeichnet wurden –, gingen die Angriffe auf einzelne Regierungsmitglieder weiter. So urteilte etwa die Weltwoche, dass Alain Berset «beide Pandemiewellen verschlampt und wirtschaftlich einen Schlamassel angerichtet» habe, von den Medien aber als Held gefeiert werde. Die SVP forderte derweil die Einführung eines Impeachmentverfahrens in der Schweiz, mit dem Regierungsmitglieder abgewählt werden könnten. Die Macht des Bundesrats, der die Diktatur eingeführt habe, müsse gebrochen werden, gab auch SVP-Präsident Marco Chiesa (svp, TI) in Interviews zu Protokoll. Und wiederum die Weltwoche wähnte sich ob des von ihr festgestellten gegenseitigen Misstrauens in der Regierung, in der Anträge von rechts auf eine links-bürgerliche Blockade stossen würden, «wie in einem kalten Krieg». Es brauche deshalb «sieben neue Bundesräte».

Aber auch der Gesamtbundesrat wurde kritisiert. Es brauche ein «deutlich rascheres und entschlosseneres Vorgehen» gegen die Pandemie, forderte etwa die NZZ Mitte Januar 2021. Der Bundesrat müsse seinen Verfassungsspielraum konsequenter ausnutzen und dürfe «entgegen den helvetischen Gepflogenheiten» nicht den langwierigen Mittelweg gehen, bei dem alle Kritikerinnen und Kritiker angehört und integriert würden. Ende Februar ärgerte sich die gleiche Zeitung dann allerdings über die «magistrale Sturheit», die Restaurant-Terrassen noch nicht wieder öffnen zu wollen. Dass die Regierung dem «Druck zur schnelleren Öffnung nicht nachgegeben» habe, sei zwar «hart für die Betroffenen – aber leider richtig», beurteilte denselben Umstand freilich der Tages-Anzeiger und attestierte dem Bundesrat «Rückgrat».

Schriller war die Kritik von Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegnern an der Regierung. So wusste etwa der Tages-Anzeiger zu berichten, dass der stellvertretenden Armeechef Aldo C. Schellenberg Briefe erhalten habe, die ihn aufforderten, für den Bundesrat ein Kriegsgericht einzurichten. Ende Februar leitete die Bundesanwaltschaft gleich fünf Verfahren wegen Bedrohungen einzelner Magistratspersonen via soziale Medien ein. Bei einem Auftritt in der politischen Diskussionssendung «Arena» im Sommer 2021 erhielt Alain Berset Polizeischutz und auch das Fedpol ergriff zunehmend Schutzmassnahmen wegen massiver Drohungen gegen Bundesrätinnen und Bundesräte.

Immer wieder kritisierten die Medien zudem die Informationspolitik der Regierung. Auf der einen Seite wurden die Indiskretionen gerügt, die verhindert hätten, dass der Bundesrat Entscheidungen über Covid-19-Massnahmen wenigstens so lange habe geheimhalten können, bis sie mit den Kantonen abgesprochen worden seien. Auf der anderen Seite wurde vermutet, dass jene Medien beneidet werden, die mit ebendiesen Indiskretionen versorgt wurden und diese medial ausschlachteten. Die Weltwoche sprach etwa von der «Berset-Verschwörung». Dank «Schützenhilfe von den Medien» könne er die von ihm vorgesehenen Covid-19-Massnahmen stets durchsetzen.

Für einige Diskussionen sorgte auch die Zusammenarbeit zwischen Bundesrat und Wissenschaft. Noch im Januar warfen die Medien der aus Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unterschiedlicher Disziplinen zusammengesetzten Task Force vor, selber Politik machen zu wollen. Im Februar wendete sich das Blatt, nachdem bekannt geworden war, dass ebendiese Task Force im Sommer 2020 vor einer zweiten Welle gewarnt hatte, die Behörden diese Warnung allerdings in den Wind geschlagen und wichtige Massnahmen zu früh aufgehoben hätten. Die NZZ kam dabei etwa zum Schluss, dass die Wissenschaft «zu lange ignoriert» worden sei.

Die Kritik flaute parallel mit den abnehmenden Fallzahlen ab dem Frühjahr 2021 dann merklich ab. Zwar wiederholte die Weltwoche noch lange Zeit ihre Kritik an Alain Berset («Captain Long Covid», «Impfdebakel heisst Alain Berset», «Stricken an der eigenen Legende»), bei den restlichen Medien geriet die Regierung allerdings bald aus der Schusslinie.

In die Schlagzeilen geriet Mitte September freilich Ueli Maurer, weil er als «Freiheitstrychler» posierte. An einem SVP-Lokalanlass hatte sich der Finanzminister ein T-Shirt der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner übergestreift und sich fotografieren lassen. Das Bild verbreitete sich via soziale Medien und wurde auf der einen Seite als «Bruch der Kollegialität» (Tages-Anzeiger), ja gar als Versuch, das Land zu spalten (Balthasar Glättli, gp, ZH im Blick) kritisiert, auf der anderen Seite als freie Meinungsäusserung (Thomas Matter, svp, ZH im Tages-Anzeiger) oder auch als Zeichen, dass «vielen Unzufriedenen im Land zumindest inoffiziell magistrales Verständnis» entgegengebracht werde (NZZ), verteidigt. Maurer selber gab in der Aargauer Zeitung zu Protokoll, dass er gar nicht gewusst habe, in «welchen Zusammenhang dieses Leibchen offenbar gebracht wird». Ähnlich wie die SVP im Frühjahr Alain Berset angegriffen hatte, nutzte die SP die T-Shirt-Affäre für Kritik an Ueli Maurer und stellte in der parlamentarischen Fragestunde nicht weniger als neun Fragen zu Maurers von der SP als «Bedrohung der Regierungskollegialität» bezeichneten Aktion. Bundespräsident Guy Parmelin beantwortete alle neun Fragen gleichzeitig, indem er auch bei den Angriffen von links auf das Kollegialitätsprinzip verwies: «Le Conseil fédéral ne commente pas les propos que l'un de ses membres a ou aurait prononcés en public».

Kritik am Bundesrat wegen Covid-Politik 2021

In den folgenden Tagen machte sich das Parlament an die Bereinigung der acht verbliebenen Differenzen zum Voranschlag 2022. Bereits in der ersten Runde bereinigte der Ständerat drei offene Fragen, obwohl die FK-SR in fast allen Punkten Festhalten empfohlen hatte. So folgte die kleine Kammer bezüglich der Krediterhöhung für die sieben verschiedenen Familienorganisationen in der Höhe von CHF 1 Mio. (auch in den Finanzplanjahren) einer Minderheit Gapany (fdp, FR) statt der Kommissionsmehrheit, welche auf die Erhöhung verzichten wollte. Mehrheitssprecher Hegglin (mitte, ZG) hatte zuvor vergeblich argumentiert, dass «Mittel in dieser Grössenordnung» – Finanzminister Maurer sprach gar von «Bagatellbeträgen» – vermehrt durch nachgelagerte öffentliche Institutionen statt durch den Bund gesprochen werden sollten. Seit 2016 sei der Kredit der Familienorganisationen gleichgeblieben, obwohl ihre Aufgaben zugenommen hätten, betonte die Minderheitensprecherin. Ein Verzicht auf die Aufstockung würde folglich eine Einschränkung der Leistung nach sich ziehen. Mit 20 zu 19 Stimmen bereinigte der Ständerat diese Differenz knapp. Keine Diskussionen gab es bezüglich der Schaffung von neuen Sollwerten beim VBS zur Senkung der Bruttomietkosten und beim SECO zur Erhöhung der Anzahl Freihandelsabkommen – beide Änderungen akzeptierte der Ständerat stillschweigend.

Der Nationalrat bereinigte im Gegenzug die Differenzen bezüglich des Bundesamtes für Energie, wobei er auf die zusätzliche Aufstockung zugunsten des Programms EnergieSchweiz verzichtete. Dabei folgte sie der FK-NR, die beantragt hatte, dem Ständerat entgegenzukommen und dessen mildere Aufstockung von CHF 5.6 Mio. gegenüber der bundesrätlichen Position zu übernehmen. Dieser Kredit stehe nicht direkt mit dem CO2-Gesetz in Verbindung, weshalb eine Aufstockung durchaus gerechtfertigt sei, argumentierte Kommissionssprecher Brélaz (gp, VD). Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wollte zumindest in den Finanzplanjahren gänzlich auf eine Aufstockung verzichten, unterlag jedoch mit 134 zu 56 Stimmen. Die zusätzliche Erhöhung der Darlehen und Beteiligungen für die Entwicklungsländer, insbesondere des SIFEM, strich der Nationalrat überdies aus dem Budget, wie es der Ständerat zuvor vorgesehen hatte.

In der zweiten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens blieben damit nur noch die Fragen der Krediterhöhung zugunsten des Kinderschutzes, der Kürzung der Personalausgaben sowie der Verbuchung der Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen, die von der Höhe der zusätzlichen Ausgaben und somit von den anderen beiden Entscheiden abhängig war. Der Ständerat pflichtete der grossen Kammer in der Folge bezüglich des Kinderschutzes bei, wohlwissentlich, dass «diese Mittel nicht verwendet werden können, solange nicht rechtliche Grundlagen dafür bestehen», wie Kommissionssprecher Hegglin betonte. Dabei verzichtete er aber auf eine Zuschreibung dieser Gelder in den Planungsgrössen an die «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz». Stillschweigend und mit Zustimmung des Finanzministers sprach sich der Ständerat für diese Lösung aus.

In der Folge verzichtete der Nationalrat auf die Umbuchung des Arzneimittelkredits, was Kommissionssprecher Brélaz mit dem Verfahren der Budgetbereinigung begründete: Liegt am Ende der Budgetdebatte eine Differenz zwischen den Räten vor, wird jeweils der tiefere Betrag im Budget verwendet. In diesem Fall würde das aber bedeuten, dass die entsprechenden Kosten weder ordentlich noch ausserordentlich verbucht werden könnten – der Nationalrat hatte bei der ordentlichen Verbuchung den Wert 0 vorgesehen, der Ständerat bei der ausserordentlichen Verbuchung. Mit der stillschweigenden Entscheidung des Nationalrates, hier einzulenken, rechnete der Bund jedoch nur noch mit einem Überschuss von CHF 1.8 Mio. – es bliebe also nicht mehr viel Geld für ordentliche Nachträge, wie die beiden Kommissionssprechenden Brélaz und Wyss (sp, BS) erläuterten. Jedoch könne die Administration im ersten Nachtrag 2022 die Kreditreste für das Jahr 2022 abschätzen – anschliessend seien Nachträge in dieser Höhe gemäss FHG weiterhin möglich. Man habe diesen Mehraufwand für die Verwaltung insbesondere in Anbetracht des Antrags auf Querschnittskürzungen bei den Personalausgaben verhindern wollen. Diesen letzten Punkt zu den Personalausgaben konnte der Nationalrat trotz eines Minderheitsantrags Schilliger (fdp, LU) auf Einlenken nicht bereinigen – die Frage musste folglich in der Einigungskonferenz geklärt werden.

In der Einigungskonferenz war der Ständerat aufgrund der Regeln der Budgetdebatte in einer ungemein stärkeren Position – bei Ablehnung des Antrags der Einigungskonferenz würde sein (tieferer) Betrag ins Budget aufgenommen. Die FK-NR habe eine Verständigungslösung präsentiert, die jedoch kaum diskutiert worden sei, kritisierte Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) die Debatte in der Einigungskonferenz während der anschliessenden Ratsdebatte. Der Ständerat habe sich in der Einigungskonferenz folglich durchgesetzt. Mit 119 zu 69 Stimmen respektive 37 zu 0 Stimmen sprachen sich National- und Ständerat für deren Antrag zum Voranschlag 2022 aus. Trotz eines Minderheitsantrags Schneider Schüttel auf Ablehnung des Antrags der Einigungskonferenz für die Finanzplanjahre setzte sich der Vorschlag der Einigungskonferenz im Nationalrat (mit 103 zu 87 Stimmen) und im Ständerat (mit 27 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen) ebenfalls durch. Somit wurden die Personalausgaben gegenüber der bundesrätlichen Version für das Jahr 2022 sowie für die Finanzplanjahre um CHF 21 Mio. (von CHF 6.1 Mrd.) gekürzt, um den Bundesrat aufzufordern, «nach Synergien über die ganze Verwaltung zu suchen», wie FK-SR-Sprecher Hegglin die Kürzung begründete.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Einen Tag nach dem Ständerat machte sich auch der Nationalrat an die Beratung des Voranschlags der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025. Sarah Wyss (sp, BS) und Daniel Brélaz (gp, VD) präsentierten dem Rat das Budget aus Sicht der Mehrheit der FK-NR: Der Bundesrat habe ordentliche Ausgaben in der Höhe von 77.7 Mrd. und ausserordentliche Ausgaben von CHF 3.0 Mrd. vorgesehen. Bei ordentlichen Einnahmen von CHF 77.1 Mrd. und ausserordentlichen Einnahmen von CHF 1.5 Mrd. bleibe damit aufgrund der Schuldenbremse ein struktureller Überschuss und somit ein Handlungsspielraum von CHF 44 Mio. Die Kommissionsmehrheit plane «kleinere Adjustierungen» mit Mehrausgaben von CHF 273 Mio. Bei 12 Mehrheitsanträgen zur Schaffung von Differenzen zum Ständerat lagen der grossen Kammer in der Folge auch etwa 40 Minderheitsanträge vor, grösstenteils von der SVP- oder der SP- und der Grünen-Fraktion. Differenzen zum Erstrat schuf der Nationalrat dabei jedoch nur wenige, zeigte sich dabei aber mehrheitlich grosszügiger als der Erstrat.

In der Eintretensdebatte hoben die Fraktionssprecherinnen und -sprecher erneut die spezielle Situation aufgrund der noch immer nicht ganz überstandenen Corona-Pandemie hervor, beurteilten diese aber sehr unterschiedlich. So sprach etwa Lars Guggisberg (svp, BE) von einer «düsteren» Situation aufgrund des grossen Anstiegs der Nettoschulden, während FDP-Sprecher Alex Farinelli (fdp, TI) zwar das Defizit beklagte, aber auch den langfristigen Nutzen der entsprechenden Ausgaben hervorhob. Optimistischer zeigten sich die übrigen Kommissionssprechenden. Michel Matter (glp, GE) schätzte etwa die Situation der Schweiz als «solide» ein, Alois Gmür (mitte, SZ) zeigte sich erfreut über die insgesamt gute Situation der Schweizer Wirtschaft, verwies jedoch auch auf die noch immer stark leidenden Branchen. Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) und Felix Wettstein (gp, SO) strichen schliesslich die im Vergleich zum Ausland «gute Schuldensituation» (Schneider Schüttel) heraus. Finanzminister Maurer bat den Rat im Hinblick auf den härter werdenden «internationale[n] Konkurrenz- und Verdrängungskampf» um Zurückhaltung bei zusätzlichen Ausgaben.

Mit den mahnenden Worten des Finanzministers in den Ohren startete der Nationalrat in die Detailberatung von Block 1 zu Beziehungen zum Ausland und zur Migration. Hier schuf er zwei Differenzen zum Ständerat: So wollte die Kommissionsmehrheit den Kredit zuhanden des SECO für Darlehen und Beteiligungen an Entwicklungsländer gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 10 Mio. erhöhen und damit die Reduktion gegenüber dem Vorjahr rückgängig machen. Der Bundesrat habe bei der Sifem, der Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, bereits 2020 CHF 10 Mio. zusätzlich zur Milderung der Corona-Probleme eingeschossen – diese sollen nun kompensiert werden, erklärte Minderheitensprecher Egger (svp, SG), der den Kürzungsantrag vertrat, die Differenz zum Vorjahr. Da dieser Nachtragskredit damals aber vollständig kompensiert worden sei, erachtete die Kommissionsmehrheit diese Kürzung nicht als angebracht und setzte sich im Rat mit 107 zu 74 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch. Ohne Minderheitsantrag erhöhte der Nationalrat zudem auf Antrag seiner Kommission den Sollwert für die Mindestanzahl Freihandelsabkommen für die Finanzplanjahre 2024 und 2025. Der Bundesrat hatte hier für die Finanzplanjahre jeweils 34 Freihandelsabkommen vorgesehen, die Kommission erhöhte diese Zahl auf 35 (2024) respektive 36 (2025).
Im Vorfeld der Budgetdebatte hatte der Vorschlag der APK-NR, dass die Schweiz eine dritte Kohäsionsmilliarde sprechen und sich damit quasi eine Beteiligung an verschiedenen Projekten, unter anderem an Horizon, erkaufen könne, für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Auf Antrag der APK-NR beantragte die Mehrheit der FK-NR nun dem Nationalrat, eine dritte Beteiligung der Schweiz an der Erweiterung der EU 2019-2024 in der Höhe von CHF 953.1 Mio. freizugeben, diese aber von einer bis Ende Juni 2022 unterzeichneten Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Teilnahme an verschiedenen laufenden EU-Programmen abhängig zu machen. Eine Minderheit Guggisberg beantragte in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Streichung dieses zusätzlichen Kreditpostens. Finanzminister Maurer bat den Rat eindringlich darum, darauf zu verzichten, da man sich «mit einer solchen Aufstockung in Brüssel eher blamieren würde […]. Die Erwartungen in Brüssel sind völlig anderer Natur; sie bestehen nicht darin, dass wir hier einfach etwas bezahlen, und dann läuft alles.» Mit 93 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte der Nationalrat der Minderheit. Die (fast) geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sowie die Mehrheit der Mitte-Fraktion setzten sich in dieser Frage durch.
Ansonsten lagen in diesem Block verschiedene Minderheitenanträge von linker und rechter Ratsseite für Aufstockungen und Kürzungen vor, die jedoch allesamt erfolglos blieben, etwa eine Aufstockung des Budgets des EDA für humanitäre Aktionen zugunsten des Engagements in Afghanistan und den umliegenden Ländern (Minderheit Friedl: sp, SG), eine Erhöhung des Kredits für zivile Konfliktbearbeitung und Menschenrechte (Minderheit Badertscher: gp, BE) und einen erneuten Beitrag von CHF 300'000 an den Access to Tools Accelerator (Minderheit Friedl) sowie auf der anderen Seite eine Reduktion der Beiträge an multilaterale Organisationen, an die Entwicklungszusammenarbeit und an die Länder des Ostens (Minderheiten Grin: svp, VD).

Im zweiten Block zu den Themen «Kultur, Bildung, Forschung und Sport» schuf der Nationalrat keine Differenzen zum Erstrat. Er folgte dem Ständerat bei seiner Aufstockung des Kredits für Sportverbände und andere Organisationen um CHF 660'000, mit der – wie in den Planungsgrössen vermerkt wurde – eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden sollte. Eine Minderheit Sollberger (svp, BL) unterlag mit ihrem Antrag auf Streichung der Aufstockung mit 112 zu 69 Stimmen (bei 4 Enthaltungen). Auch die vom Ständerat vorgenommenen Aufstockungen beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie hiess der Nationalrat entgegen zweier Minderheitsanträge Egger deutlich gut (129 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung respektive 129 zu 56 Stimmen). Abgelehnt wurden in der Folge auch verschiedene Streichungsanträge Nicolet (svp, VD), Schilliger (fdp, LU) und Sollberger bei den Covid-19-Leistungsvereinbarungen zur Kultur, bei der Covid-19-Soforthilfe für Kulturschaffende und Kulturvereine im Laienbereich sowie bei den Covid-19-Finanzhilfen.

Verschiedene Differenzen zum Erstrat entstanden hingegen im dritten Block zur sozialen Wohlfahrt und Gesundheit. So erhöhte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gelder für die Familienorganisationen bei den Krediten des BSV, die Finanzhilfen unter anderem zur Elternbildung oder zur familienergänzenden Kinderbetreuung beinhalten, im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 1 Mio. Der Bundesrat und eine Minderheit Guggisberg hatten die Ablehnung der Aufstockung beantragt, zumal für eine solche Unterstützung auch institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Auch den Kredit für den Kinderschutz und die Kinderrechte erhöhte die grosse Kammer um CHF 390'000, um damit die privatrechtliche Stiftung «Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz» zu finanzieren, deren Schaffung eine angenommene Motion Noser (fdp, ZH; Mo. 19.3633) verlangt hatte. Der Bundesrat hatte sich gegen diese Aufstockung gestellt, zumal die rechtliche Grundlage für diesen Kredit noch nicht bestehe. «Wir können ja nicht Gelder einsetzen, wenn wir dafür keine legale Grundlage haben», betonte Finanzminister Maurer. Kommissionssprecher Brélaz argumentierte hingegen, man können nicht «tout contrôler pendant deux-trois ans», bevor man damit beginnt, die Gelder einzusetzen.
Abgelehnt wurden in diesem Block Anträge auf Kreditkürzungen bei der Gleichstellung von Frau und Mann, die eine Minderheit Sollberger beantragt hatte. Eine Plafonierung gegenüber dem Vorjahr hätte gemäss Sollberger «keinen Einfluss auf weniger oder mehr Gleichstellung». Ebenfalls erfolglos blieb ein Antrag Glarner (svp, AG) auf Streichung des Beitrags an ein spezifisches Projekt des Vereins Netzcourage sowie ein Minderheitsantrag Nicolet zur Änderung der Planungsgrössen zur Bundesfinanzierung der Covid-19-Tests: Diese sollte nur solange gewährt werden, wie die Covid-19-Zertifikatspflicht gilt. Auch ein Minderheitsantrag Schilliger, der die Leistungen des Erwerbsersatzes mit Verweis auf die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes nur bis Ende Juni 2022 gewähren und die Covid-19-Situation anschliessend neu beurteilt wissen wollte, fand keine Mehrheit.

Auch im vierten Block zu Landwirtschaft, Tourismus und Steuern wich der Nationalrat in einem Punkt von den Entscheiden des Ständerates ab: Bei der Nachmeldung für ein Tourismus-Recovery-Programm von CHF 17 Mio. wollte die Kommission die Gelder zu je 50 Prozent für Marketingkampagnen von Schweiz Tourismus und für Entlastungszahlungen an touristische Partnerorganisationen verwenden. Der Bundesrat und der Ständerat hatten keine entsprechenden Einschränkungen vorgenommen, weshalb gemäss den beiden Kommissionssprechenden wie üblich zwei Drittel in die gesamtschweizerischen Marketingkampagnen fliessen würden. Jedoch sei eine Werbekampagne in Südafrika momentan – auch aus ökologischer Sicht – nicht «unbedingt gerade unser Hauptziel», betonte Kommissionssprecherin Wyss. Stillschweigend stimmte der Nationalrat diesem Antrag seiner Kommission zu.
Hingegen folgte der Nationalrat dem Ständerat in diesem Block bei der Erhöhung der Zulagen für die Milchwirtschaft und den Beihilfen für den Pflanzenbau. Eine Minderheit Munz (sp, SH) hatte beantragt, auf erstere Erhöhung zu verzichten und dem Bundesrat zu folgen. Der Bundesrat wolle die Verkehrsmilchzulage erhöhen, aber die Verkäsungszulage senken, da Letztere aufgrund von Fehlanreizen zu einer zu grossen Menge Käse von geringer Qualität führe. Die von der Kommission beantragte Erhöhung zugunsten der Verkäsungszulage würde folglich die bisherige Marktverzerrung noch zementieren. Finanzminister Maurer wies überdies darauf hin, dass man entsprechende Erhöhungen – falls nötig – lieber erst mit den Nachtragskrediten vorlegen würde, wenn man die dazugehörigen Zahlen kenne. Mit 105 zu 61 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Erhöhung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von der SP-, einer Mehrheit der GLP- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion, die Enthaltungen grösstenteils von der Grünen-Fraktion.
Auch in diesem Block blieben zwei Minderheitsanträge erfolglos: Eine Minderheit I Fischer (glp, LU) und eine Minderheit II Gysi (sp, SG) unterlagen mit Anträgen auf Erhöhungen bei der direkten Bundessteuer respektive bei der Mehrwertsteuer, beim Globalbudget der ESTV sowie in den Finanzplanjahren. Die zusätzlichen Mittel sollten zur Schaffung von je fünf zusätzlichen Steuerkontrollstellen und somit zur Erhöhung des Steuerertrags eingesetzt werden und sich so mittelfristig quasi selbst finanzieren.

Im fünften Block zu Verkehr, Umwelt, Energie und Raumplanung entschied sich der Nationalrat bezüglich zweier Punkte zum Bundesamt für Energie anders als der Ständerat. Letzterer hatte den Kredit für das Globalbudget des BFE sowie für das Programm EnergieSchweiz gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf erhöht. Die Mehrheit der FK-NR beantragte nun bei beiden Kreditposten eine zusätzliche Erhöhung um CHF 2.9 respektive CHF 8.3 Mio., wobei die zusätzlichen Gelder beim Globalbudget zur Finanzierung des durch die Erhöhung beim Programm EnergieSchweiz begründeten Aufwands eingesetzt werden sollten. Damit wollte die Kommission gemäss ihrem Sprecher Brélaz in den wenigen Bereichen, in denen die Finanzierung entsprechender Projekte über das Bundesbudget läuft, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes erste Massnahmen zum Klimaschutz treffen. Eine Minderheit Egger sprach sich gegen die Erhöhung aus, zumal im Energiebereich zuerst die Problematik der Stromversorgungslücke gelöst werden müsse. Finanzminister Maurer wehrte sich vor allem dagegen, nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes einzelne Punkte «quasi durch die Hintertüre einfach wieder aufs Tapet» zu bringen. Mit 115 zu 67 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) hiess der Nationalrat die Erhöhung jedoch gut, abgelehnt wurde sie von einer Mehrheit der SVP-, der Hälfte der Mitte- und einer Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion.
Erhöht gegenüber dem bundesrätlichen Antrag wurde auch der Kredit für das Globalbudget des ARE. Hier hatte der Ständerat zuvor entschieden, CHF 100'000 mehr für das Projekt Swiss Triple Impact, ein Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen, einzusetzen, und der Nationalrat folgte ihm mit 115 zu 69 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der Finanzminister hatte die Erhöhung bei einem Sach- und Betriebsaufwand des ARE von CHF 9 Mio. als unnötig erachtet. Auch bei der Aufstockung der Einlage des BIF folgte der Nationalrat seinem Schwesterrat: Hier soll der Maximalbetrag und somit zusätzlich CHF 233 Mio. eingestellt werden, um sicherzustellen, dass auch zukünftig genügend Geld für den Bahnverkehr vorhanden ist, betonte Kommissionssprecherin Wyss. Dies erachteten der Bundesrat und eine Minderheit Schilliger als nicht notwendig, da der Fonds genügend stark geäufnet sei. Mit 125 zu 59 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der kleinen Kammer.
Abgelehnt wurden hingegen ein Kürzungsvorschlag einer Minderheit Egger bei den Umweltschutzmassnahmen des BAZL – Egger hatte argumentiert, die Erhöhung beruhe lediglich auf der Vermutung des BAZL, dass es zukünftig mehr Umweltschutzgesuche geben könne – sowie ein Einzelantrag Rüegger (svp, OW) zur Aufstockung des Kredits des BAFU um CHF 6 Mio., mit der nach der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes die durch Wölfe verursachten Schäden abgegolten und der zusätzliche Aufwand entschädigt werden sollten.

Im sechsten Block zum Themenbereichen Eigenaufwand und Schuldenbremse schlug eine Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Ständerat vor, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr ausserordentlich zu verbuchen, um so die zuvor vorgenommene Erhöhung der BIF-Einlage finanzieren zu können. Anders als der Ständerat beabsichtigte die Mehrheit der FK-NR zudem, eine Nachmeldung des Bundesrates im Bereich Covid-19-Arzneimittel und -Impfleistungen in der Höhe von CHF 57 Mio. ausserordentlich zu verbuchen – da man noch zusätzliche Ausgaben beschlossen habe, könne nur so die Schuldenbremse eingehalten werden, begründete Kommissionssprecher Brélaz den Vorschlag. Eine Minderheit Schwander (svp, SZ) wehrte sich gegen diese Umbuchungen, da sie gegen die Schuldenbremse und das Finanzhaushaltsgesetz verstossen würden. Diese Meinung teilte auch der Finanzminister, ihm ging das Parlament «mit [seiner] Interpretation [des FHG] hier zu weit», auch wenn die Interpretation der Gesetze keine exakte Wissenschaft sei. Der Nationalrat stimmte den Umbuchungen jedoch mit 133 zu 50 Stimmen respektive 133 zu 49 Stimmen zu.
Eine weitere Differenz schuf der Nationalrat stillschweigend bezüglich der Planungsgrössen beim VBS: Dort soll eine neue Planungsgrösse dafür sorgen, dass die Bruttomietkosten ab 2025 um 2 Prozent gesenkt und damit gemäss Kommissionssprecherin Wyss CHF 400 Mio. jährlich «freigespielt» werden sollen.
Erfolglos blieben die Minderheitsanträge Sollberger und Strupler (svp, TG), welche die Kredite für das Bundespersonal gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag um CHF 1.8 Mio. (2022, Minderheit Sollberger) respektive um CHF 10.9 Mio. (2023), CHF 117 Mio. (2024) und CHF 265 Mio. (2025, alle Minderheit Strupler) reduzieren wollten. Damit hätte auf zusätzliche Stellen für die Strategie Social Media/Digitalisierung verzichtet (Sollberger) respektive «das ungebremste Personalwachstum beim Bund» gebremst werden (Strupler) sollen. Zuvor hatte bereits der Ständerat die Ausgaben im Voranschlags- und den Finanzplanjahren um CHF 21 Mio. reduziert. Mit 131 zu 52 Stimmen respektive 133 zu 50 Stimmen lehnte der Nationalrat die beiden Anträge ab, folgte damit dem Bundesrat und schuf eine weitere Differenz zum Erstrat. Erfolglos blieb auch ein Kürzungsantrag Egger beim Ressourcenpool des Generalsekretariats UVEK.

Mit der Bereinigung des Entwurfs, bei welcher der Nationalrat seiner Kommission in fast allen Punkten gefolgt war, hatte der Nationalrat den Ausgabenüberschuss von CHF 2.08 Mrd. (Bundesrat) respektive CHF 2.32 Mrd. (Ständerat) auf CHF 2.36 Mrd. erhöht – durch die Umbuchung einzelner zusätzlicher Ausgaben auf das Amortisationskonto (ausserordentliche Ausgaben Bundesrat: CHF 3.03 Mrd., Ständerat: CHF 3.25 Mrd., Nationalrat: CHF 3.30 Mrd.) konnte die Schuldenbremse jedoch eingehalten werden. Mit 130 zu 44 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat den Voranschlag 2022 an. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion und von Stefania Prezioso (egsols, GE), die Enthaltungen ausschliesslich von Mitgliedern der SVP-Fraktion. Letztere sprachen sich teilweise auch gegen die übrigen Bundesbeschlüsse aus, dennoch nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2022, den Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 und den Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 jeweils deutlich an.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

In der Wintersession 2021 hiess das Parlament auch den Nachtrag II zum Voranschlag 2021 gut. Der Ständerat sprach sich, nachdem Peter Hegglin (mitte, ZG) als Sprecher der FK-SR und Finanzminister Maurer den Nachtrag präsentiert hatten, in der Gesamtabstimmung mit 41 zu 1 Stimmen für Annahme des Nachtrags II aus. Einzig Thomas Minder (parteilos, SH) stimmte für Ablehnung des Nachtrags.
Der Nationalrat behandelte den Nachtrag II zusammen mit dem Voranschlag 2022, wobei der Nachtrag II kaum Thema der Diskussionen war. Mit 129 zu 43 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) sprach sich auch die grosse Kammer für die Annahme aus. Die ablehnenden Stimmen und die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP und einem Mitglied der Grünen.

Nachtrag II zum Voranschlag 2021 (BRG 21.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung

Zu Beginn der Wintersession 2021 setzte sich der Ständerat mit dem Voranschlag der Eidgenossenschaft 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 auseinander. Insgesamt lagen der kleinen Kammer neun Minderheitsanträge vor, welche sie jedoch allesamt ablehnte: Durchgehend folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit. Diese hatte ihrerseits zahlreiche Abweichungen vom bundesrätlichen Voranschlag vorgeschlagen, wobei sich die Kommissionsmehrheit grösstenteils grosszügiger zeigte als die Regierung.

Die grössten Diskussionen löste dabei der Vorschlag der Kommissionsmehrheit aus, die Einlage in den BIF für das Jahr 2022 sowie für die Finanzplanjahre um CHF 233 Mio. zu erhöhen und dem BIF damit den gesamten Bundesanteil am Nettoertrag der LSVA zukommen zu lassen – wie es bereits in den Jahren 2020 und 2021 geschehen war. Kommissionssprecher Hegglin (mitte, ZG) begründete diesen Antrag damit, dass die «Liquidität und Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur [auf diese Weise] sichergestellt» und der Spielraum des Fonds erhöht werden könne. Dies sei gemäss Olivier Français (fdp, VD) nötig, weil der BIF bisher zu wenig stark gespeist worden sei und es zudem Corona-bedingt zu einem Einnahmerückgang gekommen sei. Minderheitensprecher Hansjörg Knecht (svp, AG) und Finanzminister Maurer machten jedoch weder im Voranschlags- noch in den Finanzplanjahren einen entsprechenden Handlungsbedarf aus. Bevor der BIF-Kredit erhöht werde, brauche es eine Gesamtauslegeordnung über Bedürfnisse und Finanzierungsquellen, forderte der Finanzminister und empfahl, auf die Aufstockung zu verzichten. Der Ständerat folgte jedoch mit 27 zu 16 Stimmen der Kommissionsmehrheit.
Damit das Bundesbudget durch diese Erhöhung nicht aus den Fugen gerät – durch diese Aufstockung würde die Schuldenbremse voraussichtlich nicht mehr eingehalten werden können –, beantragte die Kommissionsmehrheit überdies, verschiedene Kredite beim Bundesamt für Verkehr zur Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Höhe von CHF 215 Mio. ausserordentlich zu verbuchen. Dies sei insofern gerechtfertigt, als andere Corona-bedingten Kosten ebenfalls auf dem Amortisationskonto verbucht würden, argumentierte der Kommissionssprecher. Gegen den Willen des Bundesrates und der Minderheit Knecht sprach sich der Ständerat für diese Massnahme aus.

Zu grösseren Diskussionen Anlass gab auch der Antrag der Kommissionsmehrheit, CHF 100'000 vom Konto der DEZA dem Bundesamt für Raumentwicklung zu übertragen und diese mittels der Planungsgrössen dem Förderprogramm zur Erreichung von nachhaltigen Entwicklungszielen «Swiss Triple Impact» zuzuschreiben. Eine Minderheit II Thorens Goumaz (gp, VD) wollte gar noch einen Schritt weitergehen und das Budget des ARE um CHF 800'000 erhöhen. Die Schweiz habe sich zur Erreichung der «Sustainable Development Goals» der UNO verpflichtet und müsse jetzt folglich auch die Projekte zum Erreichen dieser Ziele unterstützen, begründete die Minderheitensprecherin ihren Antrag. So habe der Bundesrat zwar die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 geschaffen, dieser aber nicht die nötigen Mittel zukommen lassen. Eine weitere Minderheit I Knecht wollte auf beide Erhöhungen verzichten, da das ARE bereits über die nötigen Mittel verfüge, um entsprechende Projekte umzusetzen. Finanzminister Maurer verwies auf «Dutzende von Budgetpositionen, die sich mit dem Klimaschutz, mit dem Netto-null-Ziel 2050 und mit dem Zwischenziel 2030 beschäftigen». Der Bundesrat nehme somit die Klimapolitik und den Klimawandel «sehr ernst». Wichtig sei aber, dass Projekte umgesetzt, nicht dass Kredite zur Schaffung zusätzlicher Projekte gesprochen würden. Der Ständerat entschied sich für den Vorschlag der Kommissionsmehrheit anstelle der Minderheit II (31 zu 14 Stimmen) oder der Minderheit I (23 zu 21 Stimmen).
Wie Bundesrat Maurer angetönt hatte, hingen verschiedene weitere Kredite 2022 mit dem Klimawandel zusammen. So wollte die Kommissionsmehrheit etwa auch das Globalbudget des Bundesamtes für Energie um CHF 1.45 Mio. sowie den Kredit für das Programm Energie Schweiz um CHF 4.15 Mio. erhöhen. Trotz Ablehnung des CO2-Gesetzes sei die gesetzliche Grundlage vorhanden, um «Hausbesitzer bei der Umstellung ihrer Heizungsanlagen» und KMU bezüglich thermischer und elektrischer Effizienz und Innovation zu beraten, betonte Kommissionssprecher Hegglin. Minderheitensprecher Knecht, der auf die Erhöhung der entsprechenden Kredite verzichten wollte, wehrte sich jedoch dagegen, nach der Ablehnung an der Urne «einfach neue Aufgaben durch die Hintertür» zu beschliessen – zuerst brauche es dafür eine neue Vorlage. Der Finanzminister verwies ergänzend auf die Zuständigkeit der Gemeinden und Kantone bei der Beratung und Unterstützung der KMU. Mit 23 zu 21 Stimmen folgte der Ständerat dennoch knapp seiner Kommissionsmehrheit und hiess die Erhöhung gut.
Als weitere klimabedingte Massnahme beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, das Globalbudget des Bundesamtes für Meteorologie um CHF 1.24 Mio. zu erhöhen, um die Projekte zur nationalen (Owarna) und grenzüberschreitenden Wetterwarnung (Destination Earth) zu verbessern – der Einsatz der Krediterhöhung für die entsprechenden Projekte wurde in den Planungsgrössen festgehalten. Dies sei aufgrund der sich häufenden Wetterphänomene nötig. Mit 25 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat erneut gegen den Willen des Finanzministers für die Änderung aus.

Auch in weiteren Bereichen nahm der Ständerat auf Antrag seiner Finanzkommission Aufstockungen vor, etwa bei den Sportverbänden, bei denen für CHF 660'000 eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle für Misshandlungen im Schweizer Sport geschaffen werden soll, oder in der Landwirtschaft. Dort sollen die Zulagen für die Milchwirtschaft um CHF 8 Mio. und die Beihilfen für Pflanzenbau um 7 Mio. aufgestockt werden, um die Senkung der Verkäsungszulage zu verhindern respektive um die Beibehaltung des höheren Einzelkulturbeitrages zu finanzieren.

Eine Kürzung beantragte die FK-SR hingegen bei den Personalausgaben: Im Voranschlagsjahr sowie in den Finanzplanjahren sollen beim Bundespersonal Querschnittskürzungen in der Höhe von CHF 21 Mio. gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag vorgenommen werden. Kommissionssprecher Hegglin betonte in der Begründung des Mehrheitsantrags, dass auch mit diesen Kürzungen im Jahr 2022 noch immer über 300 Stellen geschaffen werden könnten, die Kommissionsmehrheit jedoch das grosse Wachstum der Personalkosten um 1.6 Prozent (inklusive Teuerung) verhindern wolle. Dieses Wachstum könne «nicht mit zusätzlichen Aufgaben begründet werden». Stattdessen solle der Bundesrat «in der Personalplanung entsprechend Prioritäten» setzen. Eine Minderheit I Knecht wollte diese Kürzungen in den Finanzplanjahren überdies auf CHF 121 Mio. (2023) bis CHF 286 Mio. (2025) erhöhen, was der Minderheitensprecher einerseits mit den hohen Kosten der Corona-Pandemie, andererseits mit den Folgekosten von neuen Stellen und der steigenden Schwerfälligkeit der Verwaltung begründete. Eine Minderheit II Herzog (sp, BS) verlangte, gänzlich auf die Kürzungen zu verzichten, und bezeichnete den Minderheitsantrag Knecht, der 2’000-3'000 Stellen koste, als «einen unverantwortlichen Kahlschlag beim Personal». Finanzminister Maurer stritt nicht ab, dass eine Kürzung der Personalkosten um 3.3 Promille, wie sie die Kommissionsmehrheit beantragte, möglich wäre. Jedoch brauche es nur schon zur Umsetzung der durch den Ständerat beschlossenen Mehrausgaben schätzungsweise 15 Stellen – das Parlament sei somit durchaus mitverantwortlich für den Anstieg der Stellenzahl. Für eine allfällige Umsetzung der Minderheit Knecht benötige es überdies einen politischen Auftrag, der vorgebe, wo diese Stellen gekürzt werden sollen. Dazu kam es (vorerst) aber nicht: Mit 26 zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 30 zu 14 Stimmen setzte sich der Mehrheitsantrag gegen die Minderheit II sowie die Minderheit I durch.
In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Voranschlag 2022 mit 39 zu 5 Stimmen deutlich an. Auch die Bundesbeschlüsse über die Planungsgrössen im Voranschlag 2022, über den Finanzplan für die Jahre 2023 bis 2025 für die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2022 sowie für die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2022 wurden kaum bestritten.

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (BRG 21.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Im Mai 2020 reichte Denis de la Reussille (pda, NE) die Motion «Millionäre besteuern, um Gemeinwesen zu finanzieren und Arbeitsplätze zu retten» ein. Die Motion war Teil verschiedener Vorstösse zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie respektive zur Reduktion des Defizits, das dem Bund durch die hohen Zusatzausgaben gegen die Pandemie entstand. Konkret sollten Vermögen über CHF 3 Mio. mit einer «Covid-19-Solidaritätssteuer» belegt werden, mit deren Ertrag die Unterstützung für «Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Familien, die Handwerksbetriebe und die Kleinunternehmen» – kurz für die «Einkommensschwachen, die Mittelschicht und die Angestellten» – hätte finanziert werden sollen. Der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus und lehnte allgemein eine Zusatzfinanzierung für die Corona-Massnahmen ab – er wolle diese «mit den bestehenden Einnahmequellen» finanzieren. Insbesondere sprach er sich gegen zusätzliche Steuern aus – die überdies einer Verfassungsänderung bedürften –, um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden.
In der Herbstsession 2021 setzte sich der Nationalrat mit der Motion auseinander. Der Motionär verwies dabei auf die wachsende Ungleichheit der Vermögen in der Schweiz, die einen «effort de solidarité» der wohlhabendsten Bürgerinnen und Bürger im Lande nötig mache. Finanzminister Maurer erachtete die Motion als «Teil der 99-Prozent-Initiative» und kritisierte unter anderem, dass sie das jahrelang gewachsene Gefüge der Bundessteuern durcheinanderbringen würde. Mit 118 zu 65 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion ab. Einstimmig sprachen sich die SP- und die Grünen-Fraktion für Annahme des Vorstosses aus.

Millionäre besteuern, um Gemeinwesen zu finanzieren und Arbeitsplätze zu retten
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

In der Herbstsession 2021 beriet das Parlament den Nachtrag IIa zum Voranschlag 2021. Peter Hegglin (mitte, ZG) präsentierte die Nachtragskredite in der Höhe von CHF 644 Mio. dem Ständerat. Die FK-SR habe zwar alle bundesrätlichen Anträge gutgeheissen, störe sich jedoch an der «Kurzfristigkeit der Botschaft», zumal den Subkommissionen keine Zeit für eine vorgängige Beratung geblieben sei. «Nach mehr als eineinhalb Jahren Corona-Krise sollten wir wieder zum normalen zweiteiligen Nachtragskreditverfahren zurückkehren können», forderte der Kommissionssprecher. Kaum Aufmerksamkeit erzielte im Ständerat die Tatsache, dass die Vorgaben der Schuldenbremse aufgrund des Nachtragskredits nicht erfüllt werden könnten: Dieser Nachtragskredit würde das veranschlagte Defizit im ordentlichen Budget auf CHF 2.4 Mrd. erhöhen, obwohl dieses gemäss Schuldenbremse im Jahr 2021 nur bei CHF 1.9 Mrd. liegen dürfte. Hingegen kündigte Finanzminister Maurer an, dass der Bund Ende Jahr wohl CHF 5 Mrd. weniger an ausserordentlich verbuchten Corona-bedingten Kreditposten benötigen werde, als im Budget vorgesehen war. Dieses Geld werde folglich gemäss der vorgeschlagenen Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes in den Abbau der Covid-19-Schulden fliessen.
Diskussionen gab es in der Folge zum Antrag, dem Bundesrat die Kompetenz zur Weitergabe von 4 Millionen Impfdosen des Covid-19-Impfstoffes AstraZeneca an die Covax-Initiative der WHO zu erteilen. Die Covax-Initiative setzt sich für einen weltweiten gerechten Zugang zu den Covid-19-Impfstoffen ein. Beat Rieder (mitte, VS) fürchtete sich vor einem Reputationsrisiko für die Schweiz, wenn sie Impfstoffe, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, «einfach irgendwo in Drittländer exportiere[...]». Sinnvoller sei es, der Covax-Initiative den Gegenwert der Impfstoffe in Franken zu überweisen. Der Finanzminister anerkannte zwar den entsprechenden Vorbehalt, erachtete diesen «Beitrag der Schweiz» ob den zahlreichen, auch europäischen Staaten – wie der Kommissionssprecher ergänzte –, in denen der Impfstoff eingesetzt wird, dennoch als wertvoll. Ohne Gegenstimmen, aber mit 3 Enthaltungen, nahm der Ständerat den Nachtrag IIa sowie einstimmig den Bundesbeschluss II über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2021 an.

Im Gegensatz zum Ständerat lagen einige Tage später im Nationalrat drei Minderheitsanträge Guggisberg (svp, BE) vor. So verlangten die Minderheiten, die Nachtragskredite für das Globalbudget des BAG, den Beitrag an Gesundheitsschutz und Prävention zur Überwachung neuer Virusvarianten und denjenigen für das Globalbudget des BFS allesamt im Budget des EDI zu kompensieren. Der Minderheitensprecher verwies auf die CHF 24.4 Mrd., welche zur Bewältigung der Pandemie bereits bewilligt worden seien, sowie auf die zu erwartenden und bereits angekündigten Budgetunterschreitungen in der Höhe von bis zu CHF 8 Mrd. – auch im EDI. Folglich sollten diese nun zusätzlich beantragten Kredite departementsintern kompensiert werden. Nach zahlreichen Wortmeldungen bat der Finanzminister die grosse Kammer, auf die Kompensation zu verzichten, da damit die Transparenz verringert werde. Man wolle Ende Jahr klar ausweisen können, was die einzelnen Kreditpositionen gekostet haben und wo Kreditreste bleiben. «Ich glaube, wir sollten alles, was in dieser Krise ausserordentlich passiert ist, auch ausserordentlich ausweisen», begründete der Finanzminister seine ablehnende Haltung. Mit jeweils 140 respektive 139 zu 54 Stimmen lehnte der Nationalrat die drei Minderheitsanträge gegen den Widerstand der SVP-Fraktion ab. Keine Diskussionen gab es zu den übrigen Nachtragskrediten: Der Nationalrat hiess die Zusatzkredite über CHF 411 Mio. – etwa den Kredit zur Bewältigung der Covid-Pandemie (CHF 164 Mio.), den Kredit für die Passivzinsen (CHF 85 Mio.), den Verpflichtungskredit «Wald 2020-2024» (CHF 100 Mio.) – sowie die Investitionen über CHF 233 Mio. in den BIF stillschweigend gut und verabschiedete sie in der Gesamtabstimmung mit 155 zu 39 Stimmen. Auch der Bundesbeschluss II über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2021 wurde mit 153 zu 41 Stimmen gutgeheissen, wobei die ablehnenden Stimmen erneut von Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten.

Nachtrag II zum Voranschlag 2021 (BRG 21.042)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung