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Die KVF-SR stellte sich grundsätzlich hinter die bundesrätlichen Anträge in der Botschaft zum Stand und zu Änderungen der Ausbauprogramme für die Bahninfrastruktur sowie zur Perspektive Bahn 2050. Um eine «über alle Regionen ausgewogene Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs» sicherzustellen, beantragte die Kommission ihrem Rat aber, in den Ausbauschritten 2025 und 2035 verschiedene Projekte anzupassen oder neu aufzunehmen.
Die Strategie Bahn 2050 nahm die Kommission zur Kenntnis. Kommissionssprecher Wicki (fdp, NW) erläuterte, dass die Kommission den Fokus der Strategie auf kurze und mittlere Strecken grundsätzlich begrüsse, die Strecken zwischen Städten und Agglomerationen sowie der langstreckenfokussierte Güterverkehr dabei aber nicht in den Hintergrund rücken dürften. Die Kantone hätten in der Anhörung der Kommission zudem verlauten lassen, dass sie den Ausbau internationaler Verbindungen zu den grossen Städten und Tourismuszentren begrüssen würden.
Die mitberichtende FK-SR stellte keine von der bundesrätlichen Botschaft abweichenden Anträge, merkte aber an, «dass die Finanzierung der Bahninfrastruktur angesichts des Bedarfs aller Regionen eine Herausforderung bleibt».

In der Wintersession 2023 stand die Beratung des Geschäfts auf der Traktandenliste des Ständerats. In der Eintretensdebatte wurden Fragen bezüglich der langfristigen Planung der Bahnentwicklung sowie der Auswahl der Projekte laut. Stefan Engler (mitte, GR) beispielsweise bemängelte die seines Erachtens geringe parlamentarische und demokratische Legitimation der Projektauswahl, die Stossrichtung der räumlichen Entwicklung der Bahn und die Ausgestaltung der Angebotskonzepte. Er stellte zudem die Frage, warum der Marktanteil der Bahn trotz grosser Investitionen in die Infrastruktur stagniere. Auch müsse in der Planung auf das nationale Zusammenspiel der verschiedenen Planungsregionen geachtet werden, wie Benedikt Würth (mitte, SG) ergänzte. Bundesrat Rösti erläuterte in Anbetracht dieser Fragen, dass die vorliegende Strategie Bahn 2050 eine erste Stossrichtung vorgebe. Eine Konkretisierung des angestrebten Bahnausbaus und des Angebotskonzepts sowie die Möglichkeit, diese im Parlament zu beraten, stellte er für die Botschaft 2026 in Aussicht.
Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen.
In der Detailberatung gab der erste Teil der Vorlage bezüglich Anpassungen an den Ausbauschritten 2025 und 2035 Anlass zur Debatte. Die KVF-SR beantragte ihrem Rat beim Ausbauschritt 2025, am bisherigen Beschlusstext festzuhalten und die Entflechtung in Pratteln weiterzuführen, da deren Notwendigkeit unbestritten sei. Dafür beantragte sie eine Krediterhöhung um CHF 25 Mio. Laut Kommissionssprecher Wicki sei die Verwaltung der Meinung, dass im Projekt bereits genügend Mittel zur Verfügung stehen, um die Entflechtung weiterzuführen. Die Kommission habe sich jedoch einstimmig für die Krediterhöhung ausgesprochen, «damit das Projekt ernst genommen wird». Die kleine Kammer stellte sich stillschweigend hinter den Antrag der Kommission.
Beim Ausbauschritt 2035 empfahl die KVF-SR, der vom Bundesrat beantragten Aufnahme des Vollausbaus des Lötschberg-Basistunnels, der Projektierung des multifunktionalen Grimseltunnels und dem Bau des Tunnels Morges-Perroy zuzustimmen, was der Ständerat diskussionslos genehmigte.
Zusätzlich beantragte die Kommissionsmehrheit die Aufnahme von weiteren (Teil-)Projekten. Im Projekt zur Kapazitätserweiterung auf der Strecke Luzern-Zug-Zürich schlug die Kommission vor, vier Gleise des Bahnhofs Ebikon zu verlängern. Dies werde mit dem Bau des Durchgangsbahnhofs Luzern früher oder später ohnehin notwendig und mit der frühen Aufnahme des Ausbaus könnten längere Bautätigkeiten vermieden werden. Der Kreditrahmen sollte entsprechend um CHF 100 Mio. erhöht werden. Weiter sollte im Raum Basel die S-Bahn-Haltestelle Morgartenring realisiert werden. Bei der Strecke Zürich-Chur empfahl die KVF-SR, den bisher einspurigen Streckenabschnitt Tiefenwinkel auf zwei Spuren auszubauen. Der Ständerat sprach sich diskussionslos für diese drei Projektierungen aus.
Zudem beantragte die KVF-SR ihrem Rat zwei Änderungen im Raum Westschweiz. Erstens sollten Vorstudien bzw. Projektierungen für die Projekte Arc-Express und Bypass Bussigny erstellt werden, was die kleine Kammer stillschweigend guthiess. Zweitens sollten CHF 100 Mio. bereitgestellt werden, um «Verschlechterungen in der Westschweiz im Kontext des Fahrplanwechsels aufzufangen». Kommissionssprecher Wicki sprach von einer grossen Notwendigkeit und erklärte, dass sich die Kommission mit 6 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung für diesen Antrag ausgesprochen habe. Bundesrat Rösti stellte sich gegen die Bereitstellung dieser Mittel, da keine konkreten Projekte vorliegen würden. Rösti führte zudem aus, dass – sollten konkrete Massnahmen nötig sein – entsprechende Gelder auf dem ordentlichen Weg beantragt werden könnten. Der Ständerat stellte sich jedoch hinter die Meinung seiner Kommission und sprach sich mit 40 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung für die Sprechung der Mittel aus.
Auch ein Minderheitsantrag lag zum Ausbauschritt 2035 vor. Minderheitssprecher Mathias Zopfi forderte, dass im Rahmen des Ausbaus des Zimmerberg-Basistunnels II eine Abzweigung für den angedachten Meilibachtunnel gebaut wird. Der Ausbau des Meilibachtunnels sei einerseits von zentraler Bedeutung für die Kantone Zürich, St. Gallen, Graubünden, Glarus und Schwyz sowie auch für die internationalen Zugverbindungen. Andererseits könnte die Sperrung des Zimmerberg-Basistunnels, welche ohne die Vorinvestition in die Abzweigung nötig wäre, massive Engpässe im Bahnverkehr verursachen. Kommissionssprecher Wicki ergänzte dazu, dass sich der Bau des Zimmerberg-Basistunnels leicht verzögern und Mehrkosten von CHF 100 Mio. anfallen würden, wenn die Abzweigung in den Ausbauschritt aufgenommen würde. Die Kommissionsmehrheit sei aber der Ansicht, dass die Vorinvestition mit finanziellen Risiken behaftet sei. Da bisher keine konkrete Projektierung für den Meilibachtunnel vorliege, bestehe die Gefahr, dass die investierten Mittel bei einer Projektänderung verloren gingen. Dies sei bereits beim Lötschberg-Basistunnel der Fall gewesen, als eine Abzweigung an der falschen Stelle und im falschen Winkel realisiert wurde. Die kleine Kammer sprach sich – nachdem Bundesrat Rösti versichert hatte, dass der Ausbau der Abzweigung keine «epische» zeitliche Verzögerung mit sich bringen würde – mit 40 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen für den Minderheitsantrag aus und nahm die Vorinvestition in den Ausbauschritt 2035 auf.
In der Gesamtabstimmung stellte sich die kleine Kammer einstimmig hinter diesen ersten Teil der Vorlage.
Die drei weiteren Teile der bundesrätlichen Vorlage waren unumstritten. Der Ständerat genehmigte stillschweigend die Anpassung der ZEB sowie die Verpflichtungskredite für die Ausbauschritte 2025 und 2035, welche entsprechend den vorher genehmigten Projekten erhöht wurden. In den Gesamtabstimmungen herrschte Einstimmigkeit über die Annahme der drei Beschlüsse. Somit ging die Vorlage mit den Ergänzungen in beiden Ausbauschritten zur Beratung an den Nationalrat.

Der Ständerat genehmigte zudem die Abschreibung eines Postulats und einer Motion der KVF-SR. Den Antrag auf Abschreibung für ein drittes Postulat zog Bundesrat Rösti zurück, nach dem Johanna Gapany (fdp, FR) einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Gapany hatte argumentiert, dass in der vorliegenden Fassung der Strategie Bahn 2050 zwar ein Fokus auf einigen lokalen Projekten bestehe, ein umfassender Masterplan bezüglich der schweizweiten Vision des Eisenbahnnetzes aber noch nicht vorliege.

Stand und Änderungen bei Ausbauprogrammen der Bahninfrastruktur und neue Langfriststrategie «Perspektive Bahn 2050» (BRG 23.055)

In der Wintersession 2023 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der bundesrätlichen Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG). Ziel des Bundesrats war es, mit einem einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd., einer Änderung der Darlehenspraxis und einer Anpassung der Reserven des BIF die finanzielle Lage der SBB zu verbessern und die Liquidität des BIF zu gewährleisten.

In der Eintretensdebatte liessen Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Valérie Piller Carrard (sp, FR) für die KVF-NR verlauten, dass sich die Kommission für den einmaligen Kapitalzuschuss ausgesprochen habe. Aufgrund des unerfreulichen finanziellen Zustands der SBB sei der Kapitalzuschuss dringend notwendig. Auch sei diesem bereits in der Budgetdebatte am Tag zuvor zugestimmt worden. Der rechtliche Rahmen dafür werde mit Annahme der Vorlage geschaffen.
Bezüglich des vom Bundesrat gewünschten Wechsels von Tresorerie- auf Haushaltsdarlehen ab einem bestimmten Verschuldungsniveau der SBB beantrage die Kommission hingegen mit 14 zu 9 Stimmen, beim bestehenden Recht zu bleiben. Eine dadurch eingeführte Konkurrenz zwischen Ausgaben für den Bahnverkehr und anderen Bundesausgaben sei laut der Kommissionsmehrheit nicht erstrebenswert. Das Parlament verfüge im Rahmen der Ausbauschritte der Bahninfrastruktur bereits über ein ausreichendes Mitspracherecht bei der Finanzplanung der SBB. Die Änderung der Darlehenspraxis lehnte auch die mitberichtende FK-NR ab, wie sie in einer Medienmitteilung mitgeteilt hatte. Bei der Anpassung des Schwerverkehrsabgabegesetzes (SVAG) beantragte die KVF-NR zudem eine Präzisierung: Die angemessene Reserve, die der BIF aufweisen muss, soll laut der Kommission bei CHF 300 Mio. festgelegt werden.
Die Anträge der Kommission wurden laut den jeweiligen Fraktionssprechenden von den Fraktionen der SP, FDP, Grünen, GLP und Mitte unterstützt. Benjamin Giezendanner (svp, AG) – Fraktionssprecher der SVP – plädierte hingegen im Namen seiner Fraktion dafür, die Vorlage als Ganzes abzulehnen. Eintreten wurde indessen aber auch von der SVP nicht bestritten.

Bezüglich der Änderung der Darlehenshandhabung beantragte KVF-NR-Mitglied Thomas Hurter (svp, SH) in der Detailberatung mittels Minderheitsantrag, am Entwurf des Bundesrats festzuhalten und die Umwandlung von Tresorerie- in Haushaltsdarlehen zu unterstützen. Ziel sei laut Hurter, das Parlament bei der Finanzierung der SBB sowie bei deren Schuldenreduktion «stärker in die Verantwortung zu nehmen». Da die Vorlage laut Hurter jedoch nur als Gesamtpaket Sinn mache, plädierte er dafür, die Vorlage in der Gesamtabstimmung abzulehnen, sollte sein Minderheitsantrag nicht angenommen werden. Bundesrätin Karin Keller-Sutter unterstützte den Minderheitsantrag im Namen der Regierung. Der Nationalrat sprach sich aber schliesslich mit 125 zu 65 Stimmen ohne Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit und somit gegen die Änderung der Darlehenshandhabung aus. Die Gegenstimmen kamen allesamt aus der SVP-Fraktion.
Den einmaligen Kapitalzuschuss sowie den Antrag der KVF-NR, die angemessenen BIF-Reserven bei CHF 300 Mio. festzuschreiben, nahm der Nationalrat stillschweigend an. Bundesrätin Keller-Sutter hatte zuvor erfolglos beantragt, dem Antrag der KVF-NR bezüglich der Präzisierung der BIF-Reserven auf mindestens CHF 300 Mio. keine Folge zu geben. Keller-Sutter hatte argumentiert, dass die Festlegung der Mindestreserven nicht notwendig sei und eine Einbusse an Flexibilität bedeuten würde.

Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 126 zu 65 Stimmen ohne Enthaltung, wobei sich allein die geschlossene SVP-Fraktion gegen die Vorlage aussprach. Damit wurde das Geschäft mit zwei Änderungen zur Beratung an den Ständerat überwiesen. Der Nationalrat genehmigte zudem die Abschreibung einer Motion der FK-SR, welche mit dem einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd. an die SBB erledigt sei.

Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) (BRG 23.063)

In der Wintersession 2023 beriet der Ständerat eine letzte Differenz im vierten Programm des Agglomerationsverkehrs. Diese betraf den Strassentunnel Moscia-Acapulco. Der Nationalrat hatte in der Herbstsession an der Aufnahme des Tunnels in die vierte Generation des Programms festgehalten. Die KVF-SR beantragte ihrem Rat nun, dem Entscheid des Nationalrats zuzustimmen und das Projekt im Rahmen des Programms Agglomerationsverkehr in einer separaten Botschaft erarbeiten zu lassen. Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) führte aus, dass sich die Mehrheit der Kommission angesichts der grossen Notwendigkeit des Projekts für den vorgeschlagenen Kompromiss mit der separaten Botschaft ausgesprochen hatte, auch wenn in der Kommission noch immer Bedenken bestanden hätten, dass mit der nachträglichen Aufnahme des Projekts möglicherweise ein Präjudiz geschaffen werde. Auch Bundesrat Albert Rösti beantragte um der Effizienz willen, auf den Vorschlag des Nationalrats einzutreten. Er betonte aber, dass die ordentlichen Vorgänge und die an die Aufnahme des Strassentunnels geknüpften Bedingungen eingehalten werden müssten.
Der Ständerat stellte sich schlussendlich stillschweigend hinter den Nationalrat und bereinigte die letzte Differenz, womit das Geschäft erledigt war.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2023 als Zweitrat die Botschaft zum vierten Programm des Agglomerationsverkehrs behandelt hatte, beugte sich der Nationalrat noch in derselben Session über eine erste Runde der Differenzbereinigung. Zur Debatte stand dabei die vom Nationalrat in der ersten Runde befürwortete Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco in den bundesrätlichen Entwurf, wogegen sich der Ständerat gestellt hatte.
Die KVF-NR hatte in Anbetracht des Beschlusses der kleinen Kammer beantragt, den Wortlaut des Einzelantrags Herzog (sp, BS) aus dem Ständerat in den bundesrätlichen Entwurf zu übernehmen. Laut Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) sei die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Projekts weitgehend unbestritten. Durch die vorgeschlagene Änderung könne der Kanton Tessin sein Projekt nachträglich zur Prüfung einreichen. Eine Botschaft des Bundesrats zum Projekt wird laut Fluri anschliessend nur dann erstellt, wenn das Projekt drei Bedingungen erfülle: Erstens müssten flankierenden Massnahmen zugunsten des öffentlichen und Langsamverkehrs in die Planung aufgenommen werden, zweitens dürften die Kosten für den Strassentunnel die freigegebenen Mittel aus den bereits umgesetzten oder geplanten Generationen des Programms nicht überschreiten und drittens müsse der Kanton Tessin das Projekt so weit ausarbeiten, dass das Vorhaben ohne die Verpflichtungskredite nicht weiter geplant und umgesetzt werden könne. Zu Gunsten des Strassentunnels meldete sich auch der Tessiner SP-Nationalrat Bruno Storni zu Wort. Laut Storni sei die Planung des Projekts bereits weit fortgeschritten und der Baubeginn für 2026/27 geplant. Würde der Tunnel nun nicht in die vierte Generation des Programms Agglomerationsverkehr aufgenommen, käme es zu beachtlichen Bauverzögerungen, da der Tessiner Kantonsrat somit erst mit der fünften Generation des Programms Agglomerationsverkehr eine konkrete Botschaft zum Bau des Tunnels fassen könnte.
Eine Kommissionsminderheit beantragte dagegen aus formalen Gründen, den Strassentunnel Moscia-Acapulco aus der Vorlage zu streichen. Die Minderheit würde das Projekt laut Michael Töngi (gp, LU) aber unterstützen, sobald es korrekt eingegeben werde. Auch Bundesrat Albert Rösti sprach sich weiterhin gegen die Aufnahme des Strassentunnels in die Vorlage aus. Die Notwendigkeit des Projekts seit unbestritten aber der Baustart würde mit einer Aufnahme des Projekts in die fünfte Generation des Programms Agglomerationsverkehr nur wenig verzögert. Zudem sollte laut Rösti verhindert werden, das der vierjährige Prozess des Programms unterbrochen wird und zukünftig alle Kantone Zusatzbotschaften ausserhalb des ordentlichen Rahmens des Programms Agglomerationsverkehr fordern können.
Verschiedene Fragen wurden zudem zum Vergleich des Strassentunnels Moscia-Acapulco mit der Umfahrung Oberburg laut. Während die Kommissionsminderheit und Bundesrat Rösti angaben, dass die Situation rund um die Aufnahme der Projekte zu verschieden sei, um das Vorgehen der dritten Generation des Programms für den Tessiner Tunnel zu übernehmen, sah Bruno Storni durchaus Parallelen zwischen den beiden Projekten. Die Planung des Strassentunnels sei zwar noch nicht konkret eingereicht worden, die Rahmenbedingungen des Bauvorhabens wie beispielsweise der Standort, die Länge oder das ungefähre Budget seien aber in der mittlerweile drei Jahre andauernden Planung beschlossen worden.
Schlussendlich stellte sich eine grosse Mehrheit des Nationalrats hinter den Strassentunnel Moscia-Acapulco. Der Mehrheitsantrag zur Aufnahme des Projekts wurde mit 130 zu 53 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen, womit das Geschäft zur erneuten Prüfung an den Ständerat überwiesen wurde.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Wie bereits ihre Schwesterkommissionen im Nationalrat sprachen sich auch die KVF-SR und die FK-SR für das vierte Programm des Agglomerationsverkehrs aus. Während die FK-SR der Vorlage des Bundesrats vorbehaltlos zustimmte, gab es in der KVF-SR aber Uneinigkeiten bezüglich der Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco in das Programm und bezüglich des Abzugs von fünf Prozent auf dem Beitragssatz für Projekte, welche ihre Eingaben in den vorherigen Programmen des Agglomerationsverkehrs ungenügend umgesetzt hatten. Die Kommission empfahl ihrem Rat, den Strassentunnel nicht in das Programm aufzunehmen und den Malus beizubehalten.

Im Ständerat wurde Eintreten auf das Geschäft ohne Gegenantrag beschlossen. In der Detailberatung zeichneten sich jedoch dieselben Debatten ab wie bereits in der Vorberatung der KVF-SR. Gegen den Abzug von fünf Prozent auf dem Beitragssatz für zuvor unzureichend umgesetzte Projekte meldete sich Lisa Mazzone (gps, GE) als Sprecherin der Kommissionsminderheit zu Wort. Sie erachtete es nicht als angemessen, aktuelle Projekte für Umsetzungsprobleme in der Vergangenheit abzustrafen. Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) hingegen erachtete den Strafabzug als angemessen. In früheren Projekten habe es etliche selbstverschuldete Verzögerungen gegeben, welchen so entgegengewirkt werden solle. Bundesrat Albert Rösti ergänzte, dass das Parlament einen Anreiz für die beschleunigte Umsetzung der Projekte gewünscht habe, welcher nun in Form des Strafabzugs gesetzt werden solle. Der Ständerat sprach sich schliesslich mit 22 zu 17 Stimmen für Beibehalten des Strafabzugs aus.
Weiter gab auch die Aufnahme des Strassentunnels Moscia-Acapulco als Bestandteil des Agglomerationsprogramms «Locarnese» Anlass zu Diskussionen. Wie Hans Wicki für die KVF-SR verlauten liess, sei das Projekt nicht von der entsprechenden Agglomeration eingereicht worden, zudem könne eine nachträgliche Aufnahme ausserhalb der Projektausschreibung ein gefährliches Präjudiz schaffen. Für die Aufnahme des Strassentunnels lagen zwei Einzelanträge vor. Marco Chiesa (svp, TI) forderte, dass der Tunnel gemäss dem Vorschlag des Nationalrats in das Programm aufgenommen wird. Der Tunnel sei für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie für den Pendler- und Transitverkehr unerlässlich. Auch Eva Herzog (sp, BS) betonte die Wichtigkeit des Strassentunnels. Angelehnt an die nachträgliche Aufnahme der Umfahrung Oberburg in die dritte Generation des Programms Agglomerationsverkehr knüpfte Herzog die Aufnahme des Strassentunnels in ihrem Einzelantrag daran, dass der Bundesrat eine entsprechende Botschaft ausarbeitet und diese nachträglich dem Parlament vorlegt. Bundesrat Rösti anerkannte zwar die Notwendigkeit des Strassentunnels, beantragte jedoch die Ablehnung der Einzelanträge, um die festgelegten Prozesse einzuhalten. Er erklärte sich aber bereit, das Projekt in die fünfte Generation des Programms Agglomerationsverkehr von 2028 aufzunehmen. Mit 23 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat zwar erst dem Antrag Chiesa anstelle des Antrags Herzog, lehnte Ersteren jedoch in der Folge mit 21 zu 19 Stimmen zugunsten des Antrags der Kommission ab. Somit ging das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Nach dem Ständerat entschied sich in der Herbstsession 2023 auch der Nationalrat, nicht auf die Erhöhung der Abzüge für Krankenversicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien im DBG einzutreten. Samuel Bendahan (sp, VD) und Kathrin Bertschy (glp, BE) begründeten den entsprechenden Antrag der WAK-NR mit den Steuerausfällen bei Bund und Kantonen in der Höhe von CHF 400 Mio. jährlich sowie mit der einseitigen Entlastung der einkommensstärkeren Haushalte. Minderheitensprecher Thomas Aeschi (svp, ZG) warb noch einmal für die Entlastung der Haushalte und störte sich insbesondere an dem voraussichtlichen Meinungswandel der Mitte-Partei, welche die Motion Grin (svp, VD; Mo. 17.3171) ursprünglich unterstützt hatte, sich nun aber gegen den Bundesratsentwurf aussprechen wolle. Markus Ritter (mitte, SG) meldete sich für die angesprochene Partei zu Wort und ergänzte die bereits vorgebrachten Argumente um die Sorge, dass bei einer Reduktion der Steuereinnahmen die schwach gebundenen Ausgaben – also neben Landwirtschaft auch Armee, Bildung und Entwicklungshilfe – noch stärker unter Druck geraten würden. Nach hitzigen weiteren Diskussionen – unter anderem warf Thomas Aeschi den anderen Parteien vor, zwar genügend Geld für das Asylwesen zu haben, nicht aber für den Schweizer Mittelstand – sprach sich der Nationalrat mit 103 zu 72 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) gegen Eintreten aus, womit der Entwurf erledigt war. Für Eintreten votierten die SVP- und die FDP.Liberalen-Fraktionen sowie ein Mitglied der Mitte-Fraktion.

Erhöhung der Abzüge für Versicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien im DBG (BRG 22.053)
Dossier: Abzug der Krankenkassenprämien von den direkten Bundessteuern (seit 2002)

Im September 2023 veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) mit dem Ziel, die nachhaltige Finanzierung der SBB zu fördern und die Liquidität des BIF zu gewährleisten. Die finanzielle Lage der SBB habe sich laut dem Bundesrat seit der Covid-19-Pandemie stark verschlechtert, so dass die Zielgrösse der maximalen Nettoverschuldung, welche der SBB vorgegeben wird, nicht mehr eingehalten werden könne. Mit der Vorlage solle nun der zunehmenden Verschuldung der SBB entgegengewirkt und dadurch gewährleistet werden, dass die SBB ihre Aufgaben, wie beispielsweise den Ausbau der Bahninfrastruktur, weiterhin ohne Einschränkungen wahrnehmen könne.

Die Botschaft umfasste drei Teilbereiche; einen einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd., eine Änderung der Finanzierungsinstrumente der SBB und eine Anpassung des Schwerverkehrsabgabegesetzes (SVAG). Mit dem Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd. ans Eigenkapital der SBB wollte der Bundesrat die zunehmende Nettoverschuldung der SBB entschärfen und eine Motion der KVF-SR umsetzen. Die Höhe des Zuschusses leitete der Bundesrat aus den Verlusten im Fernverkehr während der Pandemiejahre 2020-2022 ab.
Nach geltendem Recht werden der SBB rückzahlbare Darlehen aus dem Bundeshaushalt in Form von Tresoreriedarlehen gewährt. Diese Darlehen unterliegen nicht der Schuldenbremse. Der Bundesrat forderte im zweiten Bereich der Vorlage, dass die Form dieser Darlehen ab einer bestimmten Höhe des Verschuldungsniveaus – der Bundesrat ging dabei von CHF 11.4 Mrd. aus – von Tresorerie- zu Haushaltsdarlehen umgewandelt werden. Diese Darlehen über dem Verschuldungsmaximum unterständen somit der Schuldenbremse und müssten vom Parlament gutgeheissen werden. Mit der Anpassung des SVAG wollte der Bundesrat drittens bezwecken, dass zwei Drittel der Schwerverkehrsabgabe dem BIF zugewiesen werden und somit dessen Liquidität gesichert wird. Lägen die Reserven des BIF aber über einem angemessenen Mass, könnten die Überschüsse in den Strassenverkehr investiert werden, statt sie in den BIF einzulegen. Das SVAG legt bisher fest, dass der Ertrag aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe zu zwei Dritteln dem Bund zur Verfügung steht, welcher diese Einnahmen grösstenteils für die Finanzierung von Eisenbahngrossprojekten verwenden soll. Nun sollen diese Mittel ausschliesslich in den BIF fliessen, bis dessen Fondsreserve auf das Niveau von CHF 300 Mio. angewachsen ist.

Die geplante Änderung des SBBG war laut dem Bundesrat in der Vernehmlassung von einer grossen Mehrheit der Stellungnehmenden gutgeheissen worden. Hingegen sprachen sich beispielsweise die SVP, die FDP und das Cargo Forum Schweiz gegen die Änderung der Darlehenshandhabung aus. Da die SBB über eine Staatsgarantie verfüge, solle sie nicht parallel auch Tresoreriedarlehen erhalten. An anderer Stelle wurde bemängelt, dass die Anpassung der Darlehenshandhabung die langfristige Planbarkeit der SBB beeinträchtigen könnte (SP, SGB, SEV). Im Rahmen des geplanten Kapitalzuschusses und der Anpassung des SVAG brachten verschiedene Kantone Bedingungen ein. Der Kapitalzuschuss dürfe nicht in andere Kürzungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs resultieren und die Produktivitätssteigerung der SBB müsse weiterhin gewährleistet werden. Die Massnahmen bezüglich des BIF sollen zudem nicht zu Verzögerungen in der Umsetzung der Ausbauschritte der Bahninfrastruktur führen. Einige Vernehmlassungsteilnehmende lehnten sowohl den Kapitalzuschuss als auch die Anpassung der BIF-Reservehandhabung grundsätzlich ab (FDP, SVP, economiesuisse, ASTAG). Da die Vorlage in der Vernehmlassung im Grossen und Ganzen aber laut dem Bundesrat auf breite Unterstützung gestossen sei, beschloss dieser im Anschluss an die Vernehmlassung, ohne Änderungen an seinem Vorschlag festzuhalten.

Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) (BRG 23.063)

Im August 2023 präzisierte der Bundesrat seine im Vorjahr vorgestellten Eckwerte zur Individualbesteuerung und bezog dabei die Ergebnisse der Vernehmlassung mit ein. Diese bestätigte das Bild, das in den bisherigen Anläufen zur Revision der Ehepaarbesteuerung bereits entstanden war. So hätten zwar die 103 Teilnehmenden allesamt ein Ende der steuerlichen Benachteiligung von Ehepaaren unterstützt, seien sich aber über die Umsetzung dieser Forderung nicht einig gewesen. Vier Parteien (FDP, GLP, GPS, SP), eine Minderheit der Kantone und 50 Organisationen sprachen sich in der Vernehmlassung für die Einführung der Individualbesteuerung aus, drei Parteien (Mitte, EVP, SVP), die Mehrheit der Kantone und 14 Organisationen lehnten sie ab. Die Befürwortenden lobten insbesondere die Förderung der Chancengleichheit der Geschlechter (unter anderem durch eine bessere wirtschaftliche Absicherung der Frauen und höhere Arbeitsanreize für Zweitverdienende) sowie die dadurch entstehenden zusätzlichen Steuereinnahmen und Fachkräfte. Die Gegnerinnen und Gegner kritisierten insbesondere die neuen Ungleichheiten, welche die Individualbesteuerung mit sich bringe, vor allem bei Paaren mit ungleicher Einkommensaufteilung, sowie den damit einhergehenden Zwang zu einer bestimmten Lebensweise. Sie sprachen sich daher grösstenteils für eine Beibehaltung der gemeinsamen Besteuerung aus, befürworteten aber auch Entlastungsmassnahmen für Einverdienendenehepaare, welche der Bundesrat als Option vorgeschlagen hatte. Die Parteien, welche die Individualbesteuerung befürworteten, sprachen sich hingegen gegen entsprechende Entlastungsmassnahmen aus. Entsprechend entschied der Bundesrat in der Folge, auf eine solche Option zu verzichten, und lehnte auch den Abzug für Einpersonenhaushalte ab, unter anderem weil die Kantone sich vor dem administrativen Mehraufwand gefürchtet hatten. Mehrheitlich positiv aufgenommen worden war hingegen der Kinderabzug, den der Bundesrat für seine Eckwerte von den im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagenen CHF 9'000 auf CHF 12'000 erhöhte.
Insgesamt sollte damit auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene die Einführung der Individualbesteuerung erfolgen, womit Ehepaare künftig separat besteuert würden. Ausserdem würden Anpassungen am Steuertarif vorgenommen, um niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten und die Steuersätze für sehr hohe Einkommen leicht zu erhöhen. Diese Tarifanpassungen sollen gemäss Bundesrat eine gleichmässigere Entlastungswirkung über die Einkommensklassen ermöglichen. Die durch die Reform geschätzten Mindereinnahmen von rund CHF 1 Mrd. pro Jahr würden aufgrund der komplexen Umsetzung erst in einigen Jahren anfallen. Insgesamt würden durch die Reform mehr Menschen steuerlich entlastet als Personen belastet werden. Bis März 2024 wird der Bundesrat basierend auf diesen Eckwerten eine Botschaft zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung vorlegen, die als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» dienen soll. Die Volksinitiative wird vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen.

Autorinnen: Mirjam Roder und Anja Heidelberger

Einführung der Individualbesteuerung
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Im August 2023 präsentierte der Bundesrat in einer Botschaft Stand und Änderungen der Ausbauprogramme für die Bahninfrastruktur sowie einen ersten Überblick über die Perspektive Bahn 2050.

Zu den Eisenbahn-Ausbauschritten 2025 und 2035 informierte der Bundesrat – wie alle vier Jahre vorgesehen – über den Stand der vier Programme NEAT, den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz (HGV-Anschluss), die Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) und über den Vier-Meter-Korridor. Der HGV-Anschluss konnte laut dem Bericht unter Einhaltung des Kreditrahmens abgeschlossen werden. Das Projekt Vier-Meter-Korridor, in welchem die Infrastruktur des Schienengüterverkehrs für Eisenbahnwagen mit einer Eckhöhe von vier Metern ausgebaut wird, sowie das Projekt NEAT befänden sich kurz vor Fertigstellung. Der entsprechende Kreditrahmen könne zum Abschluss voraussichtlich eingehalten bzw. im Fall der NEAT sogar unterschritten werden. Die Umsetzung des Projekts ZEB verläuft laut dem Bundesrat gemäss Planung, lediglich beim Ausbau des Bahnhofs Lausanne werde eine Überschreitung des Zeitplans erwartet. Weil der Kreditrahmen für die ZEB nicht ausgeschöpft werde, beantragte der Bundesrat eine Senkung des Kreditrahmens um CHF 590 Mio. auf insgesamt CHF 4.81 Mrd.

Für die Eisenbahn-Ausbauschritte 2025 und 2035 beantragte der Bundesrat Kreditanpassungen sowie Änderungen an bestehenden und geplanten Projekten. Für den Ausbauschritt 2025 schlug der Bundesrat in seinem Beschlussentwurf eine Projektanpassung vor. Laufende Arbeiten hätten gezeigt, dass die bisher vorgesehene Entflechtung in Pratteln nicht im geplanten Masse notwendig sei. Neu sollte statt einer Entflechtung eine Leistungssteigerung angestrebt werden. Den Verpflichtungskredit für den Ausbauschritt 2025 wollte der Bundesrat um CHF 340 Mio. auf gesamthaft CHF 6.74 Mrd. anheben. Grund für diese Erhöhung seien verschiedene Änderungen und die Prüfung zusätzlicher Ausbauvorhaben am Bahnhof Genf. Weiter erläuterte der Bundesrat die Folgen des Verzichts der SBB auf die Doppelstockzüge mit Wankkompensation (WAKO) im Fernverkehr. Die Nachteile der neuen Technologie, wie beispielsweise ein höherer Unterhaltsbedarf oder weniger Fahrkomfort, überwiegen laut der SBB die Vorteile des schnelleren Fahrens in Kurven. Die entsprechenden Infrastrukturarbeiten für den Einsatz der neuen Technologie seien angehalten worden. Der Bundesrat wollte aber weiterhin an den angestrebten Fahrzeiten auf der Strecke Lausanne–Bern und auch auf der Strecke Winterthur-St. Gallen festhalten und stellte entsprechende Ersatzmassnahmen für die Botschaft 2026 in Aussicht. Der Bundesrat beantragte im Rahmen des Ausbauschritts 2025 zudem die Abschreibung eines Postulats der KVF-SR zum Ausbau der internationalen Verbindung Zürich–München; eine entsprechende Studie sei vorgelegt worden.

Zum Ausbauschritt 2035 schlug der Bundesrat drei Anpassungen vor. Erstens sollte der Lötschberg-Basistunnel nicht wie geplant einen Teilausbau, sondern einen Vollausbau erhalten. Bei der Erfüllung eines Postulats Bregy (mitte, VS), das den Bundesrat zur Prüfung eines Totalausbaus angehalten hatte, war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass der Vollausbau die vorteilhaftere Lösung sei. Mit dem Totalausbau des Tunnels könne eine ansonsten nötige, achtmonatige Totalsperrung des Tunnels und ein möglicherweise ungünstiger Konflikt mit der Räumung des Munitionslagers Mitholz vermieden werden. Zweitens gleiste der Bundesrat mit seiner Vorlage die Projektierung des multifunktionalen Grimseltunnels auf. Eine Kommissionsmotion der KVF-SR hatte die Aufnahme des Projekts in den ordentlichen Ausbauschritt gefordert. Gekoppelt mit dem Ersatz einer Hochspannungsleitung über den Grimsel – welche ebenfalls in eine Tunnelröhre verlegt wird –, sollte dadurch eine zusätzliche Tunnelröhre für eine einspurige Bahnverbindung realisiert werden. Um eine Kapazitätssteigerung auf der Strecke Lausanne-Genf zu erreichen, war bisher der Bau eines dritten Gleises zwischen Allaman und Morges geplant gewesen. Der Bundesrat schlug dem Parlament dazu drittens vor, anstelle des weiteren Gleises einen Tunnel auf der Strecke Morges-Perroy in den Ausbauschritt aufzunehmen. Eine prospektive Studie zur Entwicklung der Bahnstrecke Lausanne-Genf habe ergeben, dass langfristig vier Gleise auf der Strecke Lausanne-Genf notwendig sein werden. Für diese Vision sei die Tunnellösung besser geeignet als das dritte Gleis. Der Verpflichtungskredit für den Ausbauschritt 2035 wurde ebenfalls angepasst. Neben dem Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels, dem multifunktionalen Grimseltunnel und dem Tunnel Morges-Perroy entstünden auch in den Projekten Zimmerberg-Basistunnel II, dem Vierspurausbau Zürich–Winterthur (Brüttenertunnel) sowie beim Bahnhof Stadelhofen und beim Bahnhof Olten Mehrkosten. Zwar konnte laut Bundesrat der Grossteil der Mehrkosten innerhalb des Programms kompensiert werden, aber dennoch sei eine Erhöhung des Verpflichtungskredits um insgesamt CHF 2.855 Mrd. notwendig. Der in der Botschaft beantragte Gesamtkredit beträgt damit neu CHF 15.745 Mrd.

Bezüglich der Perspektive Bahn 2050 gab der Bundesrat eine erste Stossrichtung vor. Diese neue Langfriststrategie sollte die bisherige «Langfristperspektive Bahn» ablösen. Für die neue Strategie wurden zur effizienteren Weiterentwicklung des Schienenverkehrs Ziele in den Bereichen Raumplanung, Umwelt, Energie sowie was die Multimodalität, technologische Entwicklungen und das Angebot im Personen- und im Güterverkehr betrifft, formuliert. Im Personenverkehr etwa sollte der Fokus in Zukunft auf den kurzen und mittleren Distanzen liegen, da der Bundesrat in diesem Bereich das grösste Verlagerungspotenzial ausgemacht hatte. Die langen Distanzen sollten in den Bereichen gefördert werden, in welchen «die Bahn gegenüber dem Strassen- und Flugverkehr noch nicht wettbewerbsfähig, aber stärkenorientiert einsetzbar» sei. Im Schienengüterverkehr sollte das Augenmerk auf Umschlagplattformen und City-Logistik-Anlagen liegen. Generell sprach sich der Bundesrat dafür aus, in erster Linie die Nutzung der bestehenden Infrastruktur zu verbessern, anstatt neue Ausbauvorhaben umzusetzen. Die Strategie werde jedoch noch räumlich konkretisiert und dem Parlament im Rahmen der Botschaft nur zur Kenntnisnahme vorgelegt. Der Bundesrat sah mit diesem ersten Entwurf der neuen Strategie Bahn 2050 das Anliegen eines Postulats der KVF-SR erfüllt, da mit der neuen Langfristperspektive nun ein «Masterplan» für die Entwicklung und die zukünftige Schwerpunktsetzung im Schienenverkehr vorliege.

In der Vernehmlassung zur Botschaft, die zwischen Juni und Oktober 2022 durchgeführt worden war, waren 177 Stellungnahmen eingegangen. Die beantragten Änderungen am Ausbauschritt 2035 wurden gemäss dem bundesrätlichen Ergebnisbericht von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilehmenden unterstützt. Unter den positiven Stimmen fanden sich 16 Kantone, die Mitte, die Grünen, die SP, die GLP, economiesuisse, der SGV, InclusionHandicap, der TCS, der VCS sowie auch die SBB und verschiedene regionale Bahnunternehmen. Die SVP und die restlichen Kantone – vorwiegend aus der Ostschweiz – lehnten die Anpassungen am Ausbauschritt 2035 sowie am zugehörigen Verpflichtungskredit grundsätzlich ab. Die SVP sprach sich insbesondere gegen die Erhöhung des Kreditrahmens aus; die Mittel sollten «innerhalb des verfügbaren Budgets umverteilt werden». Die Ostschweizer Kantone kritisierten, dass ihrer Region gesamthaft deutlich weniger Mittel zugesprochen würden als einzelnen Ausbauprojekten in anderen Regionen. Die FDP bezog zu den Anpassungen am Ausbauschritt 2035 keine Stellung.
Die Änderungen am Ausbauschritt 2025 wurden laut dem Bundesrat ebenfalls von mehr als der Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt, darunter auch 18 Kantone. Einige gewichtige Akteure wie die Grünen, die SP, die SVP, der VCS und acht Kantone lehnten den Ausbauschritt 2025 teilweise bzw. als Ganzes ab. SP und Grüne forderten etwa die Beibehaltung der Entflechtung Pratteln, da damit der Ausbau der S-Bahn Rheinfelden vorläufig nicht umgesetzt werde. Die ablehnenden Kantone forderten die Aufnahme oder Anpassung von Projekten, welche für ihr Kantonsgebiet zentrale Zugverbindungen betrafen. Die SVP begründete ihre Ablehnung der Anpassungen am Ausbauschritt 2025 nicht weiter. Mitte und FDP verzichteten grundsätzlich auf eine Stellungnahme zum Ausbauschritt 2025 und zum entsprechenden Verpflichtungskredit.
Die Senkung des Gesamtkredits für die ZEB wurde in der Vernehmlassung gespalten aufgenommen. GLP und Mitte sowie die Hälfte der Kantone unterstützten die Kreditanpassung, Grüne, SP, SVP und die andere Hälfte der Kantone lehnten sie hingegen ab. Zehn Kantone, die Grünen und die SP forderten hier, dass die beschlossenen Massnahmen durch die Reduktion des Kredits nicht gefährdet werden dürfen. Die SVP verlangte auf der anderen Seite, dass der Kreditüberschuss vollumfänglich dem Schuldenabbau des Staatshaushalts zugute komme.
Die Strategie Bahn 2050 wurde zwar mehrheitlich gutgeheissen, aber etwa der Fokus der Strategie auf die «Verkehrsverlagerung» von FDP, SVP, economiesuisse, SGV und TCS abgelehnt. Die Vision und die Zielsetzungen der Strategie fanden hingegen überwiegend Unterstützung. Nur einzelne Vernehmlassungsteilnehmende wie die SVP, CargoSuisse, der SSV oder der SGV sprachen sich dagegen aus. Sie kritisierten beispielsweise einen mangelnden Einbezug der Wirtschaftlichkeit. Der Fokus der Strategie auf die kurzen und mittleren Distanzen fand mehrheitlich Zuspruch. Kritik daran äusserten jedoch die Mitte, die SP und einige Kantone, die forderten, dass auch die langen Distanzen mehr in die Strategie einbezogen werden sollen. Neben der Förderung des nationalen Fernverkehrs sollte dadurch die Anbindung an den internationalen Fernverkehr ausgebaut werden sowie die Konkurrenzfähigkeit des Schienenverkehrs mit dem Flugverkehr erhöht werden.
Der Bundesrat beschloss aufgrund der Vernehmlassungsantworten, im Grundsatz an seiner Botschaft festzuhalten. Nicht äussern konnten sich die Vernehmlassungsteilnehmenden zum Tunnel zwischen Morges und Perroy sowie zum multifunktionalen Grimseltunnel. Studien zur Machbarkeit und Planung der beiden Projekte waren zum Zeitpunkt der Vernehmlassung noch nicht abgeschlossen gewesen. Aufgrund der Resultate der in der Zwischenzeit abgeschlossenen Vorstudien sowie etlicher Stimmen, die in der Vernehmlassung die Aufnahme des Grimseltunnels gefordert hatten, wurden die beiden Projekte nach der Vernehmlassung dem bundesrätlichen Entwurf angefügt. Weiter gab der Bundesrat Studien für die Kompensation des Wegfalls der WAKO-Technologie in Auftrag. GLP, Grüne, SP, 14 Kantone sowie unter auch die SBB hatten in der Vernehmlassung gefordert, dass kompensierende Massnahmen zum Einhalten des angestrebten Angebotsziel bezüglich Fahrplan und Fahrzeiten ergriffen werden.

Verschiedene Medien zeigten sich in ihrer Berichterstattung erstaunt bis erfreut über die Bahn-Ausbaupläne von Bundesrat Albert Rösti. Der «roi du pétrole» und «Autolobbyist» habe sich nun doch als «Bahnfan» gezeigt, befanden die Aargauer Zeitung und 24heures. Besonders erfreute Stimmen fanden sich in den Westschweizer Medien, welche die Aufnahme des Tunnels Morges-Perroy und die zusätzlichen Mittel für den Ausbau des Bahnhofs Genf begrüssten. Die Tribune de Genève und 24heures sprachen vom «Jackpot» für die Genferseeregion. Kritische Stimmen wurden aus dem Tessin laut. Der Corriere del Ticino schätzte die Strategie des Bundesrat als inakzeptabel ein. Das Projekt AlpTransit werde in der Strategie Bahn 2050 unzureichend aufgenommen, obwohl das Parlament sich zuvor für die Förderung des «Verkehrskreuzes Schweiz» ausgesprochen habe. Auch umwelt- und sicherheitstechnische Anliegen sowie der Wunsch des Kantons Tessin, die Strecke Mailand-Chiasso weiter auszubauen, seien nicht in die bundesrätliche Botschaft aufgenommen worden.

Stand und Änderungen bei Ausbauprogrammen der Bahninfrastruktur und neue Langfriststrategie «Perspektive Bahn 2050» (BRG 23.055)

Die Reaktionen auf die Botschaft zum vierten Programm des Agglomerationsverkehrs fielen in der FK-NR und in der KVF-NR positiv aus. Beide Kommissionen beantragten im Frühling 2023 einstimmig, auf die Vorlage einzutreten. Die FK-NR war der Ansicht, das vom Bundesrat präsentierte Programm entspreche dem vom Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) vorgesehenen Rahmen und erziele die gewünschte Wirkung in den Agglomerationen. Die federführende KVF-NR befürwortete sämtliche vorgeschlagenen Agglomerationsprogramme und beantragte zusätzlich mit 12 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen, den Strassentunnel Moscia-Acapulco (TI) als «integralen Bestandteil des Agglomerationsprogramms ‹Locarnese› anzuerkennen» und den Kredit von CHF 1.6 Mrd. entsprechend um CHF 38 Mio. zu erhöhen. Zwei Minderheiten beantragten zum einen eine Änderung bei den Abzügen vom Bundesbeitragssatz an die Projekte und zum anderen eine Koppelung des Inkrafttretens dieser Vorlage mit jener des Ausbauschritts 2023 der Nationalstrassen, damit «verschiedene Projekte und Verkehrsträger [nicht] gegeneinander ausgespielt werden».

In der Sommersession 2023 befasste sich der Nationalrat mit dem bundesrätlichen Entwurf. Für Diskussionen gesorgt hatte in der grossen Kammer dabei erstens der von der KVF-NR zusätzlich beantragte Strassentunnel Moscia-Acapulco im Tessin und die dazugehörige Krediterhöhung von rund CHF 38 Mio. Während die mitberichtende FK-NR auf diesen Tunnel verzichten wollte, stimmte der Rat für die zusätzliche Finanzierungsbeteiligung. Zwar sei dieses Projekt «sozusagen hineingeschmuggelt» und nicht nach dem üblichen Verfahren in das Programm aufgenommen worden, wie Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) im Rat erklärte. Da es wohl aber keine präjudizielle Wirkung für zukünftige Projektaufnahmen entfalte, solle sich doch die ständerätliche Kommission dieser Sache nochmals annehmen.
Zweitens diskutierte die grosse Kammer über die Höhe der Beitragszahlungen des Bundes an die Projekte. Grundsätzlich war vorgesehen, dass sich der Bund mit Zahlungen in der Höhe von 30 bis 45 Prozent der Gesamtkosten an den Projekten beteiligt. Die bundesrätliche Regelung sah jedoch auch Kürzungen der Beiträge in der vierten Generation um fünf Prozent vor, wenn in vorherigen Programmen (jenen aus der ersten und zweiten Generation) Massnahmen in der entsprechenden Agglomeration ungenügend umgesetzt worden waren. Eine Minderheit Pasquier-Eichenberger (gp, GE) wollte auf solche Bestrafungen (in den Regionen Burgdorf, Chablais, Chur, Grand Genève, Réseau Urbain Neuchâtelois und Agglo Y) verzichten und den Kredit entsprechend um CHF 35 Mio. erhöhen, damit die Projekte schnell realisiert werden könnten. Die Kommissionsmehrheit wollte mit dieser Massnahme hingegen sicherstellen, dass die Mittel zukünftig effektiv eingesetzt werden. Die Kürzungen fänden dort statt, wo die «Verzögerungen auf ein Selbstverschulden der Trägerschaft zurückzuführen» seien, erklärte Kurt Fluri. Der Rat folgte in diesem Anliegen ebenfalls der Mehrheit und behielt die Kürzungen bei.
Drittens beriet der Nationalrat einen Minderheitsantrag Wasserfallen (fdp, BE) zur Koppelung der Vorlage mit jener zum Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen. Wasserfallen wollte im Namen der FDP-Fraktion eine solche Verbindung vornehmen, da die beiden Vorlagen als Gesamtsystem betrachtet werden müssten. Die Gegenseite warf der Fraktion hingegen vor, das Agglomerationsprogramm in «Geiselhaft» zu nehmen, um dem umstrittenen Ausbau der Nationalstrassen unter die Arme zu greifen, wie etwa Barbara Schaffner (glp, ZH) kritisierte. Die Verknüpfung der beiden Vorlagen wurde schliesslich mit 109 zu 87 Stimmen abgelehnt, wobei die geschlossen stimmende SVP-Fraktion zusammen mit Teilen der FDP- und der Mitte-Fraktionen erfolglos für eine Verknüpfung votierten.
Zum Schluss stellte sich die grosse Kammer klar hinter die Vorlage: Einstimmig mit 196 Stimmen und ohne Enthaltungen erteilte der Nationalrat den rund 1200 Massnahmen in 32 Agglomerationen im Umfang von CHF 1.6 Mrd. grünes Licht. Die finanziellen Mittel zur Beteiligung des Bundes an diesen Projekten stammten aus dem entsprechenden Topf der zweckgebundenen Mineralölsteuer (NAF). Verkehrsminister Albert Rösti zeigte sich im Rat zufrieden und bezeichnete die Agglomerationsprogramme als «zukunftsgerichtete Verkehrspolitik, denn sie berücksichtigen alle Verkehrsträger, vom Auto über Bus, Tram, Velo letztlich bis hin zum Zu-Fuss-Gehen». Das Geschäft ging damit mit einer Anpassung am bundesrätlichen Entwurf (dem Strassentunnel Moscia-Acapulco) an den Ständerat.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

Nachdem die Änderung des Doppelbesteuerungsabkommen mit Tadschikistan bereits im Ständerat unbestritten gewesen war, regte sich in der Sommersession 2023 auch im Nationalrat kein Widerstand dagegen. Die vorberatende WAK-NR empfahl ihrem Rat mit grosser Mehrheit die Zustimmung zur Änderung des DBA, um dieses an die neuen BEPS-Mindeststandards anzupassen. Diskussionslos nahm die grosse Kammer den Bundesbeschluss mit 135 zu 41 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) an. Wie üblich bei Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen, die der Umsetzung der BEPS-Standards dienen, stimmte ein Grossteil der SVP-Fraktion dagegen.
In den Schlussabstimmungen stimmte der Ständerat der Änderung einstimmig zu und auch der Nationalrat tat dies mit 140 zu 39 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) deutlich.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Tadschikistan (BRG 22.077)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Im März 2023 präsentierte der Bundesrat die Staatsrechnung 2022. Ordentlichen Ausgaben in der Höhe von CHF 77.2 Mrd. standen dabei ordentliche Einnahmen von CHF 75.3 Mrd. gegenüber, womit ein ordentliches Finanzierungsdefizit von CHF 1.9 Mrd. resultierte. Zusammen mit dem ausserordentlichen Finanzierungsdefizit von CHF 2.4 Mrd. gab der Bund 2022 somit CHF 4.3 Mrd. mehr aus, als er einnahm. Damit sank das Defizit gegenüber den beiden Vorjahren (2020: CHF 15.8 Mrd.; 2021: CHF 12.2 Mrd.) deutlich. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation – das Wirtschaftswachstum gemäss realem BIP lag beispielsweise bei vergleichsweise geringen 2.1 Prozent und war unter den Erwartungen im Voranschlag zurückgeblieben – erlaubte die Schuldenbremse zwar ein Finanzierungsdefizit von CHF 0.3 Mrd., dieses wurde jedoch übertroffen. Somit erzielte der Bund 2022 erstmals seit 2005 wieder ein strukturelles Finanzierungsdefizit von CHF 1.6 Mrd., welches dem Ausgleichskonto belastet wird. Die Schuldenbremse konnte aber dennoch eingehalten werden, da der im Voranschlag 2023 festgehaltene Ausgabenplafond von CHF 77.7 Mrd. eingehalten werden konnte, wie der Bundesrat erklärte.
In seiner Botschaft strich der Bundesrat insbesondere die erneut hohen ausserordentlichen Ausgaben hervor, etwa für Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie (wie die Finanzierung der Covid-19-Tests für CHF 1.2 Mrd., Kurzarbeitsentschädigungen für CHF 0.7 Mrd. oder die Beschaffung von Sanitätsmaterial und Impfstoffen für CHF 0.6 Mrd.), aber auch für Schutzsuchende aus der Ukraine (CHF 1.2 Mrd.). Zwar lagen die Gesamtausgaben 2022 um 8.1 Prozent unter denjenigen des Vorjahrs, ohne die Ausgaben für Corona-Massnahmen übertrafen die Gesamtausgaben 2022 diejenigen des Vorjahrs jedoch um 4.3 Prozent, vor allem bei der sozialen Wohlfahrt und der Sicherheit. Auch die Einnahmen erhöhten sich leicht (+1.0%), wobei dem Wachstum der direkten Bundessteuer (3.7%) und der Mehrwertsteuer (4.8%) eine ungemein grosse Reduktion bei der Verrechnungssteuer (-20.7%) gegenüberstand. Diese resultierte aus zu hoch verbuchten Einnahmen 2019 bis 2021, die nun korrigiert wurden.

Staatsrechnung 2022 (BRG 23.003)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)

Einstimmig trat der Ständerat in der Frühjahrssession 2023 auf die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Schwerverkehrsabgabegesetzes ein.
Nach dem Nationalrat sprach schliesslich auch die kleine Kammer einen Kredit von CHF 515 Mio. für einen Zeitraum von zehn Jahren, um die LSVA-Abgabenerhebung zu modernisieren. Das bestehende Erhebungssystem zur Berechnung der LSVA, welches mittels eines durch das BAZG herausgegebenen und nur in der Schweiz und Liechtenstein zulässigen Geräts funktioniert, soll durch eine an EU-Standards angepasste Lösung ersetzt werden. Das bestehende Erhebungssystem LSVA II hätte 2024 sein technisches Ende erreicht und einer Nachfolgelösung bedurft, erklärte der Bundesrat. Das neue und satellitengestützte System der LSVA III soll zudem – analog zur EU – von privaten Anbietern, welche vom Bundesrat eine Zulassung erhalten, angeboten werden. Die Daten sammeln und auswerten werde aber weiterhin das BAZG. Wie Kommissionssprecher Hans Wicki (fdp, NW) erläuterte, senke das neue System der LSVA III die «betrieblichen Aufwände für alle Beteiligten» und nutze die «Vorteile der modernen digitalen Technologien».
Für Diskussionen sorgte im Rat – wie zuvor auch schon im Nationalrat – hauptsächlich die Frage der Bemessungsgrundlage der Abgabe für Anhänger. Während Bundesrat und Nationalrat sowie eine Mehrheit der KVF-SR beim bestehenden System der Bemessung gemäss dem höchstzulässigen Gesamtgewicht sowie den gefahrenen Kilometern bleiben wollten, beantragte eine Minderheit Mazzone (gp, GE), welche von Mathias Zopfi (gp, GL) übernommen wurde, zu einer Bemessung gemäss der Anzahl Achsen des Anhängers zu wechseln. Der Bundesrat könne dabei zur Berechnung des Gesamtgewichts die Anzahl Achsen herbeiziehen und das zu verwendende Gewicht pro Achse festlegen, wie es in der EU üblich sei. Nach Ansicht der Minderheit könnten damit beim Bund in der 10-jährigen Berechnungsperiode dank Reduktionen bei der Kontrollinfrastruktur (spezielle Kameras) und bei der Auswertung der Daten total rund CHF 50 Mio. eingespart werden, weshalb sie auch den genannten Kredit von CHF 515 Mio. um diesen Betrag senken wollte. Minderheitsbefürworter Olivier Français (fdp, VD) erklärte im Rat, dass der Minderheitsantrag eine Kann-Formulierung vorsehe, die dem Bundesrat das Recht einräume, zu gegebener Zeit die Berechnungsgrundlage anzupassen. Dem entgegnete Finanzministerin Karin Keller-Sutter, dass eine solche Kann-Formulierung Rechtsunsicherheit in der Branche schaffe, und sie erinnerte daran, dass ebendiese Änderung in der Vernehmlassung «dezidiert abgelehnt» worden sei. Eine Mehrheit des Rates war schliesslich auch der Ansicht, dass ein Systemwechsel zu hohen Kosten bei den Unternehmen führen würde, da diese ihre Fuhrparks wieder anpassen müssten. Mit 31 zu 11 Stimmen verwarf die kleine Kammer diesen Antrag und sprach in der Folge – analog zum Nationalrat – den höheren Kredit. In der Gesamtabstimmung hiess der Ständerat das Gesetzespaket einstimmig gut.

Die LSVA III und der dazu notwendige Kredit von CHF 515 Mio. passierten die Schlussabstimmungen ohne Probleme: Beide Kammern nahmen die Anpassungen in der Frühlingssession 2023 einstimmig an (eine Enthaltung im Ständerat). Die Schweizer Schwerverkehrsabgabe werde dadurch Europa angepasst, titelte der «Blick».

Schwerverkehrsabgabegesetz. Änderung (BRG 22.059)

Im November 2022 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommen mit Tadschikistan, mit dem die Mindeststandards aus dem BEPS-Projekt umgesetzt werden sollten. Das DBA stammte aus dem Jahr 2010 und war seither nie aktualisiert worden. Konkret wurden Anpassungen im Bereich des «Informationsaustausches auf Ersuchen» vorgenommen sowie neue Standards zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch und zur Verbesserung der Streitbeilegung aus dem BEPS-Projekt übernommen.

Der Ständerat beriet das Abkommen in der Frühjahrssession 2023 und nahm dieses einstimmig an.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Tadschikistan (BRG 22.077)
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Im Februar 2023 beschloss der Bundesrat die Botschaft zum vierten Programm des Agglomerationsverkehrs – zum sogenannten «Bundesbeschluss über die Verpflichtungskredite ab 2024 für Beiträge an Massnahmen im Rahmen des Programms Agglomerationsverkehr». Mit insgesamt CHF 1.6 Mrd. will der Bund alle 32 Agglomerationen, die Projekte eingereicht hatten, unterstützen. Die Bundesbeiträge belaufen sich dabei auf 30 bis 45 Prozent der totalen Projektkosten. Von dem Gesamtbetrag sollen je rund 30 Prozent dem öffentlichen Verkehr, dem motorisierten Individualverkehr, dem Velo- und Fussverkehr sowie gut 10 Prozent den Verkehrsdrehscheiben zugutekommen. Unterstützt werden sollen im Rahmen des vorliegenden Programms beispielsweise Batterie-Bus-Infrastrukturen in diversen Städten, die Verlängerung von Tramlinien oder die Umgestaltung von Strassen und Plätzen zur Steigerung der Standortattraktivität oder Sicherheit.
Die Vernehmlassung, welche von Juni 2022 bis September 2022 durchgeführt worden war, hatte zur Folge, dass gut dreissig Projekte zusätzlich ins Programm aufgenommen wurden. Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden habe sich mit den Grundzügen der Vorlage aber einverstanden gezeigt, so der Bundesrat in seiner Botschaft.
Agglomerationsprogramme beinhalten Projekte, um den Verkehr in mehreren Gemeinden in Agglomerations- und Stadtgebieten aufeinander abzustimmen und beispielsweise an urbane Entwicklungen anzupassen. Die finanziellen Mittel des Bundes für die Beteiligung an den Agglomerationsprogrammen stammen aus dem NAF und die entsprechenden Ausschreibungen finden alle vier Jahre statt.

Agglomerationsprogramme der vierten Generation (BRG 23.033)
Dossier: Programme Agglomerationsverkehr

In der Wintersession 2022 wurden das Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien (BRG 22.028) und das Änderungsprotokoll des Doppelbesteuerungsabkommens mit Armenien (BRG 22.033) im Ständerat behandelt. Die WAK-SR beantrage dem Rat einstimmig, beiden Vorlagen zuzustimmen, teilte Kommissionssprecher Pirmin Bischof (mitte, SO) mit. Es handle sich nicht nur um das erste Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien, dem zweitgrössten Land Afrikas, sondern dem ersten DBA mit einem ostafrikanischen Land überhaupt, so Bischof. Die Verhandlungen seien harmonisch verlaufen, nur der Bereich der Besteuerung der technischen Dienstleistungen – für Beratung, Management und technisches Know-how – wurde aufgrund von unüberbrückbaren Differenzen vom Abkommen ausgenommen. Zum Änderungsprotokoll mit Armenien erklärte Bischof, dass es dabei hauptsächlich um die Anpassung an die BEPS-Mindeststandards gehe, welche unbestritten gewesen sei. Der Ständerat folgte der Empfehlung seiner Kommission und nahm beide Bundesbeschlüsse einstimmig an.

Auch in den Schlussabstimmungen blieben die Vorlagen ungefährdet. Das Änderungsprotokoll mit Armenien wurde vom Nationalrat mit 143 zu 37 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) und vom Ständerat mit 44 Ja-Stimmen einstimmig angenommen. Das DBA mit Äthiopien nahmen der Nationalrat mit 142 zu 43 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) und der Ständerat mit 43 zu 1 Stimme (keine Enthaltungen) ebenfalls deutlich an. Die Gegenstimmen stammten – wie immer bei Doppelbesteuerungsabkommen – von der SVP-Fraktion.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien und Armenien
Dossier: BEPS-Übereinkommen mit der OECD
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

In weiteren fünf Sitzungen bereinigte das Parlament den Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen. Nicht umstritten waren die Titeländerung sowie der Auftrag an den Bundesrat, innert sechs Jahren ein entsprechendes Bundesgesetz auszuarbeiten. Der Ständerat bereinigte beide Differenzen gleich in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens.

Er hielt jedoch nach langen Diskussionen entgegen einem Minderheitsantrag Rechsteiner (sp, SG) am Verteilschlüssel der zusätzlichen Steuereinnahmen von 75 Prozent für die Kantone und 25 Prozent für den Bund fest. Mit dieser Lösung gelange «möglichst viel Geld in den nationalen Finanzausgleich», so dass die Beiträge für die meisten Kantone anstiegen, begründete Kommissionssprecher Kuprecht (svp, SZ) diesen Entscheid. Umstritten war zwischen den Befürwortenden einer hälftigen Teilung und dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit auch die Frage, ob es sich um eine kantonale oder eine nationale Steuer handle. Bei einer kantonalen Steuer könne ein Bundesanteil von 25 Prozent als grosszügig erachtet werden, argumentiert etwa der Sprecher der WAK-NR, Martin Landolt. Umgekehrt würde bei nationalen Steuern eine hälftige Teilung etwa der Aufteilung der Gewinnsteuern von juristischen Personen entsprechen, betonte Jürg Grossen (glp, BE). Obwohl die nationalrätliche Kommission anfänglich eine hälftige Verteilung gutgeheissen hatte, übernahm nun Martin Landolt im Namen der Kommission das Bild einer «kantonalen Steuer» – auch wenn er später zuhanden des Protokolls betonte, dass es sich faktisch gemäss bundesrätlicher Botschaft um eine Bundessteuer handle – und willigte in die ständerätliche 75-zu-25-Prozent-Aufteilung ein. Mit 99 zu 87 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) folgte ihm der Nationalrat und lehnte damit einen Minderheitsantrag Grossen auf Festhalten ab. Die Grünen, Mehrheiten der SP und der GLP sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Mehrheitsantrag aus und trugen somit zur Beseitigung dieser Differenz bei.

Offen blieb jedoch nach wie vor, ob die Beteiligung von Gemeinden und Städten ausdrücklich geregelt werden soll. Auch hier folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und lehnte einen Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) ab, welcher die Definition einer angemessenen Beteiligung der Gemeinden und Städte den Kantonen überlassen wollte. Nachdem sich der Ständerat in dieser Frage erneut unnachgiebig gezeigt hatte – es sei «eigentlich fast verfassungswidrig, wenn wir hier den Kantonen vorschreiben, wie sie das Geld zu verteilen haben» (Stark; svp, TG), war argumentiert worden –, lenkte der Nationalrat auch hier ein. Er bereinigte somit die letzte Differenz mit 104 zu 72 Stimmen (bei 1 Enthaltung) – gemäss Kommissionssprecher Landolt jedoch nicht aus Überzeugung, sondern weil «das Ziel einer Differenzbereinigung eben darin besteht, Differenzen zu bereinigen».

Zusammen mit der Behandlung des Bundesbeschlusses über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen endete schliesslich auch der letzte Auftritt des zurücktretenden Finanzministers Maurer, der vom Nationalrat mit «[s]tehenden Ovationen» – wie es im Amtlichen Bulletin festgehalten wird – verabschiedet wurde.

Mit 127 zu 59 Stimmen (bei 10 Enthaltungen; Nationalrat) respektive 38 zu 2 Stimmen (bei 4 Enthaltungen; Ständerat) nahmen beide Kammern den neuen Bundesbeschluss in den Schlussabstimmungen an. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen im Nationalrat stammten von Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion. Somit wird die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2023 über die Verfassungsänderung befinden.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)

In der Wintersession 2022 begann der Nationalrat die Beratung des neuen Gesetzes für eine Tonnagesteuer für Hochseeschiffe. Kommissionssprecherin Amaudruz (svp, GE) betonte, dass die Mehrheit der WAK-NR mit diesem Gesetz ein klares Signal an die Wirtschaft senden wolle und dass man davon ausgehe, dass die Einführung einer Tonnagesteuer zu höheren Steuereinnahmen und neuen Arbeitsplätzen führe. Die Tonnagesteuer diene dazu, Hochseetransportunternehmen in der Schweiz zu halten, nachdem deren Sonderregelungen zur Besteuerung mit dem STAF abgeschafft worden waren. Diese neue Regelung sei OECD-konform und werde auch in der EU angewendet. Finanzminister Maurer betonte, dass die Vorarbeiten zu dieser Vorlage aus einer Zeit stammten, in der es der Hochseeschifffahrt überaus schlecht ging, und erinnerte an die entsprechenden Bürgschaften des Bundes. Zwar gebe es verfassungsrechtliche Gründe für und wider eine Tonnagesteuer, jedoch sei es volkswirtschaftlich wichtig, die Hochseeschifffahrt in der Schweiz mit derjenigen im Ausland gleichzustellen. «Zum Standort Schweiz, einem zuverlässigen Standort mit hohem Know-how, gehören eben auch diese Schiffe», betonte der Finanzminister.

Im Nationalrat lagen ein Antrag Bertschy (glp, BE) auf Nichteintreten sowie ein Antrag Wermuth (sp, AG) auf Rückweisung des Entwurfs an den Bundesrat vor, wobei dieser die «ökologische und soziale Verantwortung der Schifffahrtsbranche» im Entwurf hätte stärken sollen. Zudem hatte auch die FK-NR in einem Mitbericht aus finanziellen Gründen den Verzicht auf das neue Gesetz gefordert. Kathrin Bertschy brachte verschiedene Gründe für ihren Nichteintretensantrag an: Einerseits halte man die Verfassungsmässigkeit der Vorlage, insbesondere den Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der rechtsgleichen Besteuerung, nicht für gegeben. Zwei Gutachten seien diesbezüglich zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen, was insbesondere an ihrer unterschiedlichen Einschätzung der Frage, ob die Hochseeschifffahrt in der Schweiz ohne diese Vorlage in ihrer Existenz gefährdet sei, gelegen habe. Aufgrund der guten aktuellen wirtschaftlichen Lage der entsprechenden Branche verneine die Minderheit diese existenzielle Bedrohung, die eine Voraussetzung für die Verfassungsmässigkeit darstelle. Zudem hätten sowohl der Bundesrat als auch die FK-NR in ihrem Mitbericht erklärt, die Auswirkungen der Vorlage auf den Bundeshaushalt seien unklar. Mit diesem Entwurf könnten Rohstoffunternehmen die OECD-Mindestbesteuerung unterwandern, zumal sie den Schifffahrtsunternehmen gemäss Schätzungen von Expertinnen und Experten eine Besteuerung von 6 bis 7 Prozent erlaube. Schliesslich verlangte Bertschy, dass nur Unternehmen von der Steuer profitieren dürften, die mindestens unter EU- oder EWR-Flagge fahren, damit sie auch die entsprechenden Arbeits- und Umwelterfordernisse erfüllen müssten. Eine entsprechende Regelung sei jedoch nach der Vernehmlassung aus dem Entwurf gestrichen worden. Ähnlich argumentierte auch Cédric Wermuth, der überdies auch die Besteuerung nach Tonnage als unsinnig hervorstrich. Wenn man aber eine Tonnagesteuer wolle, müsse diese so ausgestaltet sein, dass die ökologische und soziale Verantwortung der Branche gestärkt werde.
In der Folge lehnte der Nationalrat beide Minderheitsanträge ab (mit 107 zu 83 Stimmen bei 4 Enthaltungen respektive mit 103 zu 90 Stimmen bei 1 Enthaltung), wobei SP und Grüne sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion beide Minderheitsanträge annahmen, während die GLP geschlossen den Rückweisungsantrag, aber nur zur Hälfte den Nichteintretensantrag unterstützte.

In der Detailberatung vertrat die Kommissionsmehrheit zwei Änderungsanträge: Einerseits wollte sie auch die Kreuzfahrtschiffe ausdrücklich der Tonnagesteuer unterstellen, obwohl der Bundesrat diese in der Botschaft bereits als Teil des Personentransports erachtet hatte. Eine Minderheit Bertschy sprach sich gegen den Einbezug der Kreuzfahrtschiffe aus, zumal Kreuzfahrten einen «unsinnigen» Tourismuszweig darstellten, den man gegenüber dem Tourismus in der Schweiz nicht einseitig subventionieren solle. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit.
Als zweite Änderung verlangte die Kommission, dass nur diejenigen Schiffe zur Tonnagesteuer zugelassen werden, deren «strategische[s] und kommerzielle[s] Management [...] in der Schweiz ausgeübt wird». Damit wollte man die Problematik lösen, dass die im Vernehmlassungsentwurf vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung auf in der EU und im EWR zugelassene Schiffe gegen WTO-Recht verstossen würde. Dies war folglich auch die Kritik an einem Minderheitsantrag Badran (sp, ZH), welcher ebendiese Einschränkung forderte. WTO-konform wäre gemäss den Kommissionssprechenden auch der Antrag der Minderheit Ryser (gp, SG), nur Flotten zuzulassen, die zu 60 Prozent im Schweizer Schifffahrtsregister eingetragen sind. Diese Lösung erachtete Finanzminister Maurer jedoch als zu restriktiv und als «Schmälerung der Attraktivität der Schweizer Tonnagesteuer». Die Kommissionsmehrheit setzte sich in der Folge mit ihrem Alternativvorschlag gegen die Minderheitsanträge durch.

Darüber hinaus versuchten verschiedene Minderheiten die vorgeschlagenen Regelungen zu ver- oder entschärfen. So erachtete eine Minderheit Amaudruz den Vorschlag von Bundesrat und Kommissionsmehrheit als zu einschränkend und schlug mehrere Änderungen vor: Erstens sollte die Liste der mittels Tonnagesteuer besteuerten Zwecke nicht abschliessend genannt werden, was der Nationalrat jedoch ablehnte, weil es gemäss Kommissionssprecher Müller (mitte, LU) gegen das Legalitätsprinzip verstossen würde. Zweitens sollte die Regelung für Schiffe zur Errichtung und zum Unterhalt von Offshore-Bauwerken auf alle Seeschiffe mit maritimen Dienstleistungen für die Offshore-Industrie ausgedehnt werden. Zudem wollte Amaudruz die Regelung zu den Gewinnen aus Nebentätigkeiten, die ebenfalls via Tonnagesteuer besteuert werden können, ausweiten. Der Nationalrat lehnte jedoch sämtliche Anträge ab.
Eine Minderheit Wermuth schlug hingegen vor, die weitere, 30-prozentige Ermässigung des steuerbaren Reingewinns bei Erfüllung von ökologischen Anforderungen zu streichen. Beispiele aus anderen Staaten mit deutlich restriktiveren Regelungen hätten gezeigt, dass solche Belohnungen keine Wirkung auf die ökologischen Massnahmen auf den Schiffen hätten. Auch hier setzte sich die Kommissionsmehrheit jedoch durch und behielt die Ermässigung bei.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat den Entwurf mit 99 zu 85 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gut, wobei die ablehnenden Stimmen von der SP-, der Grünen-, fast der gesamten GLP- und einer Minderheit der Mitte-Fraktion stammten.

Bundesgesetz über die Tonnagesteuer auf Seeschiffen (BRG 22.035)

In der Wintersession 2022 stand im Ständerat eine Erhöhung der Abzüge für Krankenversicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien im DBG zur Debatte. Die Kommissionsmehrheit beantragte mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung, nicht auf den auf eine Motion Grin (svp, VD; Mo. 17.3171) zurückgehenden Entwurf einzutreten. Als Grund gab sie an, dass die sich «verschlechternde[...] Situation des Bundesfinanzhaushalts» zusätzliche Senkungen der Steuereinnahmen in der Höhe von jährlich CHF 315 Mio. beim Bund und CHF 85 Mio. bei den Kantonen nicht zulasse, wie Kommissionssprecher Hegglin (mitte, ZG) erläuterte. Dies hatte zuvor auch die FK-SR in einem Mitbericht befunden. Zwar sei man sich der grossen Belastung durch die Krankenkassenprämien bewusst, das Problem müsse aber durch gesundheitspolitische Beschlüsse gelöst werden, nicht durch Steuerabzüge. Minderheitensprecher Germann (svp, SH) wollte mit dem Antrag auf Eintreten «einen Teil der Glaubwürdigkeit [des] Vorgehens im Rat» retten, nachdem man die Motion Grin zuvor überwiesen hatte. Mit Nichteintreten breche man ein Versprechen, kritisierte er. Trotz stark gestiegener Prämien seien die Krankenkassenabzüge bisher aufgrund der kalten Progression nur leicht angepasst worden. Die in der Vernehmlassung geäusserten Vorbehalte gegen die Vorlage könnten nach Eintreten angegangen werden, zum Beispiel könne man den Abzug gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag reduzieren. Verschiedene Sprechende hielten in der Folge dagegen und verwiesen auch auf den Nichteintretensentscheid des Ständerates auf den Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative, weshalb es nur konsequent sei, nun auch auf diesen Entwurf nicht einzutreten. Mit 32 zu 11 Stimmen sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Im März 2023 entschied sich der Ständerat überdies stillschweigend auf Antrag seiner Kommission, die dem Gesetzesentwurf zugrunde liegende Motion Grin abzuschreiben.

Erhöhung der Abzüge für Versicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien im DBG (BRG 22.053)
Dossier: Abzug der Krankenkassenprämien von den direkten Bundessteuern (seit 2002)

In der Wintersession 2022 befasste sich die grosse Kammer als Erstrat mit der Änderung des Schwerverkehrsabgabegesetzes. Marco Romano (mitte, TI) führte für die KVF-NR in die Vorlage ein und erläuterte, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene neue Ansatz für die Erhebung der LSVA eine Harmonisierung mit dem europäischen System mit sich bringe und die Erhebung der Steuer vereinfache. Dadurch werde der Verwaltungsaufwand für den Schwertransportsektor und den Staat verringert. Die Kommission begrüsse die Vorlage, führte Romano weiter aus; einziger strittiger Punkt sei die Bemessungsgrundlage für Anhänger von Lastwagen, wozu ein Minderheitsantrag Schaffner (glp, ZH) vorliege. Die Mehrheit der Kommission sei der Ansicht, dass die Berechnung der LSVA gemäss Vorlage des Bundesrates und damit weiterhin gleich wie bisher erfolgen soll, also in Abhängigkeit von Fahrleistung, Emissionsklasse und Gesamtgewicht. Dies solle sowohl für Zugfahrzeuge als auch für Anhänger und Auflieger gelten. Anschliessend erläuterte Barbara Schaffner ihren Minderheitsantrag. Dieser bedeute eine Vereinfachung der LSVA-Bemessung für Anhänger, da die Berechnung nur anhand der Anzahl Achsen vorgenommen würde, was überdies dem europäischen Standard entspreche. Diese Vereinfachung würde der Bundeskasse Einsparungen von CHF 50 Mio. in zehn Jahren einbringen, schloss Schaffner. Finanzminister Maurer sprach sich im Namen des Bundesrates gegen den Minderheitsantrag aus. Seit der Einführung der LSVA, als bei der Bemessungsgrundlage auf das Gesamtgewicht abgestellt wurde, hätten viele Transportunternehmen in entsprechend leichtes Material investiert. Man solle daher nun nicht nachträglich die Spielregeln ändern, «denn das System funktioniert so».
Abschliessend schritt der Nationalrat zu den Abstimmungen und trat ohne Gegenantrag auf den Entwurf ein. Die Minderheit Schaffner fand nur bei SP, Grünen und Grünliberalen Zustimmung und wurde mit 110 zu 83 Stimmen (bei 1 Enthaltung) abgelehnt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf einstimmig an; ebenso einstimmige Zustimmung fand der entsprechende Finanzierungskredit.

Schwerverkehrsabgabegesetz. Änderung (BRG 22.059)

Bereits in der Wintersession 2022 beriet das Parlament den Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen fertig. Dies war nötig, damit die entsprechende Verordnung ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten und die Regelungen der OECD somit termingerecht umgesetzt werden können – vorausgesetzt, die Stimmbevölkerung heisst die Verfassungsänderung im Juni 2023 an der Urne gut.

Nach dem Ständerat, der sich bereits in der Herbstsession zur Vorlage geäussert hatte, setzte sich zu Beginn der Wintersession der Nationalrat mit dem Bundesbeschluss zur Änderung der Verfassung auseinander. Vertreterinnen und Vertreter der bürgerlichen Parteien unterstrichen in der Eintretensdebatte die Notwendigkeit der Vorlage, auch wenn sie teilweise als notwendiges Übel dargestellt wurde. Sie betonten, dass sich der Standortwettbewerb in den kommenden Jahren aufgrund der OECD-Mindestbesteuerung verstärken werde und die betroffenen Kantone ihre sinkende Steuerattraktivität kompensieren müssten. Dem pflichtete der Finanzminister später bei, als er betonte, dass es aufgrund dieser Vorlage zu grossen Veränderungen kommen werde – der Standortwettbewerb verlagere sich auf Bereiche, in denen «die Schweiz nicht mithalten kann». Vertreterinnen und Vertreter der links-grünen Parteien hingegen erachteten die OECD-Reform als Versuch, den in ihren Augen schädlichen internationalen Steuerwettbewerb einzuschränken. Entsprechend sollten die daraus resultierenden Einnahmen nicht erneut dafür eingesetzt werden, einzelne Kantone für Unternehmen attraktiver zu machen, womit auch die interkantonale Ungleichheit noch verstärkt würde. Eintreten war in der Folge unbestritten.

Die grosse Debatte betraf in der Folge die Frage, wie die aufgrund der Ergänzungssteuer erzielten Mehreinnahmen zwischen Bund und Kantonen verteilt werden sollen. Der Bundesrat hatte in Absprache mit den Kantonen eine Verteilung von 25 Prozent für den Bund und 75 Prozent für die Kantone vorgeschlagen, der Ständerat war seinem Antrag gefolgt. Eine Minderheit III Walti (fdp, ZH) vertrat diese Position im Nationalrat. Die WAK-NR befürwortete hingegen eine Verteilung von 50-zu-50 Prozent für Bund und Kantone, wobei eine Obergrenze von CHF 400 pro Einwohnerin und Einwohner geschaffen werden sollte. Einerseits sei die finanzielle Situation der Kantone deutlich besser als diejenige des Bundes, zudem sei ein Engagement des Bundes im Standortwettbewerb vonnöten, begründete Landolt (mitte, GL) im Namen der Kommission den höheren Bundesanteil. Schliesslich führe dieser Vorschlag in 16 Kantonen zu Mehreinnahmen gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag. Daneben lagen jedoch zahlreiche Minderheitsvorschläge vor. Zwei Minderheiten I Grossen (glp, BE) und II Feller (fdp, VD) befürworteten die Verteilung von 50 zu 50, lehnten aber die Pro-Kopf-Obergrenze ab. Die Minderheit I Grossen wollte die Gelder zu zwei Dritteln entsprechend der kantonalen Wirtschaftsleistung und zu einem Drittel entsprechend der Wohnbevölkerung auf die Kantone verteilen, während die Minderheit II Feller keine Ergänzungen vorsah. Extrempositionen nahmen die Minderheiten IV Martullo (svp, GR) sowie VI Glättli (gp, ZH) ein, die 100 Prozent der Gelder den Kantonen (Martullo) respektive dem Bund (Glättli) zukommen lassen wollten.
Finanzminister Maurer warnte den Rat eindringlich vor den Folgen einer Abweichung vom Kompromiss zwischen den Kantonen: Damit lasse man die «Solidarität auseinanderbrechen», betonte er und empfahl folglich die Minderheit IV Walti zur Annahme.
Dennoch setzte sich die Minderheit II Feller und somit die hälftige Verteilung zwischen Bund und Kantonen ohne Einschränkungen gegen die Alternativvorschläge durch. Angenommen wurde auch eine Minderheit V Leo Müller (mitte, LU), mit der die Verteilung der kantonalen Mehreinnahmen auf Gemeinden und Städte gemäss der Verteilung der Gewinnsteuern festgeschrieben werden sollte. Der Nationalrat schuf damit gleich zwei Differenzen zum Erstrat.
Erfolgreich war mit 161 zu 25 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) überdies ein Einzelantrag Leo Müller für eine Änderung des Vorlagentitels als dritte Differenz. Dieser sollte neu die «Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung grosser Unternehmensgruppen» in den Mittelpunkt stellen, nicht wie bisher die «Besteuerung der digitalen Wirtschaft». Müller hatte zuvor auf die Notwendigkeit verwiesen, dass die Vorlage bei einer Volksabstimmung einen passenden Titel aufweist.
Schliesslich folgte der Nationalrat auch einem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und beauftragte den Bundesrat, bis sechs Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung zur Mindestbesteuerung das entsprechende Bundesgesetz vorzulegen. Damit schuf er eine vierte Differenz zum Ständerat. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) wollte ergänzend vom Bundesrat verlangen, zusammen mit der Ausführungsgesetzgebung auch eine Anpassung der NFA zu präsentieren, da das «neue[...], NFA-ähnliche[...] Umverteilungsgefäss» zusammen mit den bestehenden NFA-Gefässen angeschaut werden müsse. Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 143 zu 46 Stimmen für den Mehrheitsantrag.

Daneben versuchten verschiedene Minderheiten, die Vorlage um weitere Elemente zu ergänzen – blieben damit aber erfolglos. Auf bürgerlicher Seite verlangte eine Minderheit Aeschi, gleichzeitig mit der Unternehmensbesteuerung auch die natürlichen Personen zu entlasten, was die Mehrheit der Sprechenden mit Verweis darauf ablehnte, dass dieser Antrag themenfremd sei und Kosten in Milliardenhöhe verursachen würde. Auch der Nationalrat sah von dieser Ergänzung ab (141 zu 48 Stimmen).
Eine weitere Minderheit Aeschi wollte erfolglos (134 zu 55 Stimmen bei 1 Enthaltung) die Reichweite der Vorlage auf juristische Personen beschränken und damit Personengesellschaften von der Regelung ausnehmen. Dies lehnte etwa Finanzminister Maurer mit der Begründung ab, dass die OECD-Regelung auch solche Unternehmen einbeziehe.
Erfolglos blieben auch zwei Minderheiten Feller für eine Einschränkung der Bestimmungen auf «grosse multinationale Unternehmensgruppen» – der Bundesrat hatte nur von «grossen Unternehmensgruppen» gesprochen. Sollte die erste Säule der OECD-Bemühungen, die sich mit der «steuerlichen Zuteilung von Gewinnen grosser Unternehmensgruppen» (EFD) beschäftigt, ebenfalls umgesetzt werden, bräuchte es bei einer solchen Ergänzung eine neue Verfassungsänderung, begründete der Finanzminister seine ablehnende Haltung. Der zweite Minderheitsantrag Feller verlangte, dass die Veranlagung zwingend durch die Kantone gemacht werden muss – bisher enthielt die Vorlage diesbezüglich Ausnahmemöglichkeiten. Kommissionssprecher Landolt betonte, dass man diese Frage absichtlich offen lassen wolle, um sie im Rahmen des späteren Gesetzgebungsverfahrens regeln zu können. Mit 130 zu 58 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive 131 zu 57 Stimmen (bei 1 Enthaltung) fanden auch diese zwei Anträge keine Mehrheit. Alle vier Minderheitsanträge wurden von der SVP-Fraktion sowie von einer Minderheit der FDP-Fraktion und einzelnen Mitgliedern der Mitte-Fraktion befürwortet.

Nicht nur von bürgerlicher, auch von links-grüner Ratsseite lagen zahlreiche erfolglose Minderheitsanträge vor.
Eine Minderheit Birrer-Heimo (sp, LU) erachtete einen Vollzug der neuen Steuer durch die ESTV als sinnvoller als einen kantonalen Vollzug mit Unterstützung durch die ESTV – zumal immer mehrere Kantone betroffen seien. Finanzminister Maurer wies auf den bereits bestehenden Kontakt zwischen Kantonen und Unternehmen hin und erachtete den Vollzug durch die Kantone daher als sinnvoller. Der Minderheitsantrag scheiterte mit 110 zu 79 Stimmen.
Genauere Vorschriften für die Verwendung der Bundesgelder verlangten zwei Minderheiten I Badran (sp, ZH) und II Ryser (gp, SG). Um den «Basar» zur Verteilung der Gelder durch die ungenaue Formulierung einer «Förderung der Standortattraktivität» zu stoppen, schlug Jacqueline Badran eine Zweckbindung zur Finanzierung von familienexterner Kinderbetreuung und Franziska Ryser eine Zweckbindung zur Finanzierung der Individualbesteuerung vor. Mit beiden Vorschlägen könne das inländische Fachkräftepotenzial besser ausgeschöpft werden, betonten sie. Martin Landolt lehnte es im Namen der Kommission jedoch ab, konkrete Massnahmen zu treffen, solange die konkreten Herausforderungen noch nicht bekannt seien. Mit 97 zu 90 Stimmen bevorzugte der Nationalrat den Vorschlag der Kommissionsmehrheit gegenüber dem Minderheitsantrag I Badran, der sich zuvor ähnlich knapp gegen den Minderheitsantrag Ryser durchgesetzt hatte.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 43 Stimmen (bei 18 Enthaltungen) an. Abgelehnt wurde der Entwurf von den Mitgliedern der SVP-Fraktion, Enthaltungen fanden sich in allen Fraktionen ausser derjenigen der GLP.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)

In der Herbstsession 2022 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit dem Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen, mit der die OECD-Mindestbesteuerung in der Schweiz umgesetzt werden sollte. Für die FK-SR erläuterte Alex Kuprecht (svp, SZ) dem Rat die Vorlage: Unternehmensgruppen mit weltweitem Umsatz über CHF 750 Mio. sollen in der Schweiz eine Ergänzungssteuer bezahlen müssen, wenn ihr Steuersatz – wie er gemäss den OECD-Regeln berechnet wird – ansonsten nicht mindestens bei 15 Prozent liegt. Ziel der Vorlage sei es, den Verbleib dieser Steuereinnahmen in der Schweiz sicherzustellen und gleichzeitig den Unternehmen Rechtssicherheit zu geben. Dafür wolle man in einem ersten Schritt die Bundesverfassung ändern und die Ergänzungssteuer mittels einer befristeten Verordnung einführen und erst in einem zweiten Schritt die gesetzlichen Regelungen dazu schaffen. Betroffen seien von den Änderungen vermutlich vor allem diejenigen Kantone, die bisher tiefe Steuersätze haben (v.a. Zug, Basel-Stadt und Schwyz), womöglich aber auch Zürich. Die zusätzlich generierten Steuereinnahmen seien schwierig abzuschätzen, würden aber wohl zwischen CHF 1 Mrd. und CHF 2.5 Mrd. zu liegen kommen. In der Folge meldeten sich zahlreiche Sprechende zu Wort und betonten mehrheitlich, dass sie zwar mit der Ursache für die Verfassungsänderung – dem faktischen Zwang durch die OECD und die G20 – nicht einverstanden seien, der Bundesrat aber eine gute Lösung für das Problem gefunden habe. Lobende Worte für das OECD-Projekt fand hingegen Paul Rechsteiner (sp, SG), der sich davon «mehr Steuergerechtigkeit» erhoffte. Eintreten war in der Folge unbestritten.
In der Detailberatung diskutierte der Ständerat vor allem über die Frage der Verteilung allfälliger Mehreinnahmen – insbesondere Eva Herzog (sp, BS) erinnerte jedoch daran, dass die Vorlage in einigen Kantonen durchaus auch zu Mindereinnahmen führen könnte. Der Bundesrat wollte den Kantonen anfänglich die gesamte Ergänzungssteuer zukommen lassen, hatte sich dann aber auch aufgrund eines Briefes der Finanzdirektorenkonferenz für eine Verteilung von 75 Prozent für die Kantone, welche die Gemeinden berücksichtigen müssen und 25 Prozent für den Bund festgelegt. Eine Minderheit Rechsteiner schlug stattdessen aber vor, den Kantonen denselben Anteil zuzuweisen wie bei den übrigen Bundessteuern, also 21.2 Prozent. Ansonsten würde mit diesen Geldern nur der Steuerwettbewerb und der «Wildwuchs an Standortförderungsmassnahmen» verstärkt, da diejenigen Kantone mit tiefen Steuern noch mehr Gelder zur Steuerreduktion zur Verfügung hätten. Das Argument, wonach durch eine stärkere Beteiligung der betroffenen Kantone auch mehr Geld in den Finanzausgleich und somit an die anderen Kantone fliessen würde, liess Rechsteiner nicht gelten. Das seien lediglich «Brosamen». Für einen gemäss ihren Aussagen stark von dieser Regelung betroffenen Kanton setzte sich Eva Herzog für die gegenüber den Kantonen grosszügigere Aufteilung ein: Falls es durch die zwei Säulen der OECD-Revision zu Mindereinnahmen für die betroffenen Kantone komme, bräuchten diese Handlungsspielraum in Form dieser zusätzlichen Steuereinnahmen. Mit 30 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und blieb beim bundesrätlichen Vorschlag. Stillschweigend sprach sich der Ständerat überdies dafür aus, eine Möglichkeit zu schaffen, die Ergänzungssteuer als Aufwand bei den Gewinnsteuern von Bund und Kantonen abzuziehen. Mit dieser Formulierung könne später noch immer geprüft werden, ob eine solche Regelung gegen die internationalen Richtlinien verstosse oder nicht, zeigte sich auch der Finanzminister damit einverstanden, obwohl er eine solche Regelung zuvor abgelehnt hatte. Mit 44 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Ständerat den Entwurf ohne grössere Änderungen an. Einzig Paul Rechsteiner verzichtete darauf, dem Entwurf zuzustimmen, und enthielt sich stattdessen der Stimme.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)

In der Herbstsession 2022 beriet der Nationalrat über das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien und das Änderungsprotokoll des Doppelbesteuerungsabkommens mit Armenien (BRG 22.033). Martin Landolt (mitte, GL) empfahl im Namen der WAK-NR beide Abkommen zur Annahme. Das neue Abkommen mit Äthiopien erlaube es der Schweiz, ihr Abkommensnetz in Ostafrika auszubauen, was für die Exportwirtschaft in Zukunft von Bedeutung sein werde. Man habe zwar eine Bestimmung über die Vergütung für technische Dienstleistungen nicht ins Abkommen aufnehmen können, dennoch stelle es ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis dar und entspreche weitgehend dem Musterabkommen der OECD. Finanzminister Ueli Maurer wies darauf hin, dass Rechtssicherheit für die zahlreichen in der Schweiz angesiedelten multinationalen Firmen wichtig sei. Äthiopien sei nicht nur für Schweizer Investitionen bedeutend, sondern spiele – wie an der Immobilienbotschaft 2022 zu erkennen – auch im Bereich der internationalen Beziehungen eine wichtige Rolle für die Schweiz. Auch die Aktualisierung des Abkommens mit Armenien trage zu mehr Rechtssicherheit und zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch bei. Die grosse Kammer trat einstimmig auf die Abkommensentwürfe ein und nahm jenes mit Äthiopien mit 130 zu 31 Stimmen (bei 17 Enthaltungen), jenes mit Armenien mit 136 zu 30 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) deutlich an. Die Gegenstimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Äthiopien und Armenien
Dossier: BEPS-Übereinkommen mit der OECD
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Der Bundesrat präsentierte Ende August 2022 die Botschaft zur Änderung des Schwerverkehrsabgabegesetzes und zum Verpflichtungskredit für die Finanzierung eines neuen Systems für die Erhebung der LSVA. Dabei führte er aus, dass die LSVA in der Schweiz und in Liechtenstein bis anhin mit einem Erfassungsgerät des BAZG erhoben wurde. Seit 2020 wurde jedoch für im Ausland immatrikulierte Fahrzeuge bereits ein mit dem europäischen System EETS kompatibles Verfahren für die Gebührenerhebung verwendet. Da das Schweizer LSVA-Erhebungssystem ohnehin technisch erneuert werden muss, schlug der Bundesrat nun vor, auch für in der Schweiz oder in Liechtenstein immatrikulierte Fahrzeuge ein mit dem EETS harmonisiertes System einzuführen, welches die Erhebung der Gebühr vereinfachen soll. Dadurch erhoffte er sich eine administrative Entlastung für die einheimischen Transportunternehmen. Zudem würde beim grenzüberschreitenden Verkehr nur noch ein einziges Messgerät verwendet, was wiederum die Abfertigungs- und Wartezeiten an der Grenze reduziere. Mit der Gesetzesanpassung schlug die Regierung auch vor, dass die Entwicklung und Herausgabe eines solchen Geräts von privaten Dienstleistungsanbietenden übernommen werden soll. Der Staat soll lediglich die gesetzlichen Vorgaben für die Erfassung der Gebühr definieren und deren Umsetzung kontrollieren. Die Höhe der Schwerverkehrsabgabe soll jedoch unverändert bleiben. Der Bundesrat wies in der Botschaft darauf hin, dass die vorgeschlagene Gesetzesanpassung der E-Government-Strategie und der Strategie «Digitale Schweiz» entspreche.
In der Vernehmlassung war die Vorlage auf ein mehrheitlich positives Echo gestossen. Die Vernehmlassungsteilnehmenden vertraten wie der Bundesrat die Auffassung, dass das bestehende LSVA-Erhebungssystem erneuert und mit dem europäischen Erfassungssystem harmonisiert werden sollte. Auf Kritik stiess jedoch der Vorschlag, die Berechnungsweise des massgebenden Gewichts zur Bestimmung der Höhe der LSVA zu ändern. Diese Änderung wurde daher aus der Vorlage gestrichen.

Schwerverkehrsabgabegesetz. Änderung (BRG 22.059)

Im Juni 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen, mit der er das «OECD/G20-Projekt zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft» umsetzen wollte. Die Vorlage diene jedoch nur zur Umsetzung der zweiten Säule des OECD/G20-Projekts; die erste Säule, wonach «Marktstaaten einen höheren Anteil des Gewinns grosser Unternehmensgruppen besteuern dürfen», verzögere sich und sei daher nicht Teil dieser Vorlage. Einleitend betonte der Bundesrat die «gewichtigen Herausforderungen», vor welche das Projekt die Schweiz stelle, sowie die fehlende rechtliche oder politische Verpflichtung der Schweiz zur Teilnahme daran. Ziel der Teilnahme und der Vorlage sei es aber, die «Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz [zu] erhalten und die Voraussetzungen dafür [zu schaffen], dass Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in der Schweiz erhalten bleiben». Wie er zuvor angekündigt hatte, hielt der Bundesrat auch in der Botschaft fest, dass die Mindestbesteuerung auf Grundlage der nun vorliegenden Verfassungsänderung mittels einer befristeten Verordnung per Januar 2024 eingeführt und erst später durch ein Gesetz geregelt werden solle.
Umgesetzt werden soll die Mindestbesteuerung durch eine Ergänzungssteuer, die dann anfällt, «wenn eine in der Schweiz tätige Unternehmensgruppe die Mindestbesteuerung in der Schweiz oder im Ausland nicht erreicht». Konkret betroffen von dieser zusätzlichen direkten Bundessteuer sind Unternehmensgruppen mit weltweitem Umsatz von mindestens CHF 750 Mio., die bisher zu weniger als 15 Prozent besteuert werden. Alle übrigen Unternehmen – der Bundesrat erwähnte insbesondere KMU – sind von dieser Regelung nicht betroffen. 75 Prozent der zusätzlichen Steuereinnahmen sollen an die Kantone gehen, mit den restlichen 25 Prozent soll der Bund die Standortattraktivität der Schweiz erhöhen. Die Reform ist für den Bund folglich haushaltsneutral.

Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (OECD-Mindestbesteuerung; BRG 22.036)