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In der Wintersession 2022 befasste sich der Ständerat mit dem Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit. Die Genehmigung des Bundesbeschlusses war in der SGK-SR unumstritten gewesen, dementsprechend begnügte sich Kommissionssprecher Hannes Germann (svp, SH) mit einer kurzen Zusammenfassung des Abkommensinhalts. Germann wies die Ratsmitglieder darauf hin, dass das Abkommen im gegenseitigen Einverständnis bereits seit dem 1. November 2021 vorläufig angewendet werde, da das bestehende Freizügigkeitsabkommen mit der EU seit dem Brexit nicht mehr auf das Vereinigte Königreich anwendbar sei. Das vorliegende Abkommen sei im Rahmen der Mind-the-Gap-Strategie des Bundes ausgearbeitet worden und umfasse die Alters-, Hinterlassenen- und Invaliditätsvorsorge sowie die Kranken- und Unfallversicherung. Nebst einer weitgehenden Gleichbehandlung der Versicherten garantiere das Abkommen auch einen erleichterten Zugang zu den Leistungen im Bereich der sozialen Sicherheit. Dabei lehne es sich inhaltlich an das Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU an, wodurch die Einheitlichkeit der anzuwendenden Regeln gewährleistet werde. Germann wies darauf hin, dass es im Abkommen eine Versicherungslücke bezüglich der Invalidenversicherung gebe. Personen, die sich nach ihrem Arbeitsleben im jeweils anderen Staat niederlassen, könnten ihre IV-Renten nicht exportieren. Die Kommission schloss sich aber der Meinung der Verwaltung und des Bundesrats an, dass das vorliegende Abkommen die bessere Variante sei, als gar kein Abkommen zu haben. Der Ständerat nahm den Entwurf einstimmig an.
In der Schlussabstimmung nahmen sowohl der National- wie auch der Ständerat den Bundesbeschluss einstimmig an.

Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit (BRG 22.032)
Dossier: Mind the Gap-Strategie nach dem Brexit

Im August 2022 publizierte der Bundesrat die Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Albanien über soziale Sicherheit. Das Abkommen schafft die völkerrechtliche Grundlage für die Koordinierung der Alters-, Hinterlassenen- und Invaliditätsvorsorge beider Länder. Gemäss Botschaft entspricht das Abkommen inhaltlich den Sozialversicherungsabkommen, welche die Schweiz mit den anderen Balkanstaaten Montenegro, Serbien, Kosovo sowie Bosnien und Herzegowina abgeschlossen hat. Dementsprechend regle es allgemein geltende Grundsätze wie die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen, die Auszahlung der Renten ins Ausland, die Anrechnung von Versicherungszeiten, die Unterstellung von Erwerbstätigen und die gegenseitige Verwaltungshilfe. Zudem enthalte es eine Grundlage zur Bekämpfung von missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen.

Das Geschäft wurde in der Wintersession 2022 vom Nationalrat besprochen, wobei die vorberatende SGK-NR das Geschäft mit grosser Mehrheit zur Annahme empfohlen hatte. Kommissionssprecher Andri Silberschmidt (fdp, ZH) erklärte, dass die Inanspruchnahme von Leistungen der Altersvorsorge im Ausland eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei. Für die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme sei jedoch der Abschluss eines zwischenstaatlichen Vertrags notwendig. Die Umsetzung des Abkommens bringe zudem Mehrkosten von CHF 2.5 Mio. mit sich, wobei CHF 2 Mio. zulasten der Versicherungen und die restlichen CHF 500'000 zulasten des Bundes gingen. Es käme aber auch zu Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen, Prämienverbilligungen und der Sozialhilfe, indem die betroffenen Personen ihren Wohnsitz nach Albanien verlegten.
Eine Minderheit Glarner (svp, AG) beantragte dem Rat, nicht auf das Geschäft einzutreten. Minderheitssprecher Glarner wies darauf hin, dass nur 70 Schweizerinnen und Schweizer in Albanien lebten, im Vergleich zu den 3000 Albanerinnen und Albaner in der Schweiz. Die SVP-Fraktion lehne das Abkommen ab, weil die Kaufkraftdifferenz zum Überweisungsland nicht berücksichtigt werde, so Glarner. Zudem käme es bei einer Umsetzung des Abkommens zu einem «Export der schweizerischen Sozialversicherungsleistungen» und die AHV hätte Mehrkosten in Höhe von CHF 2 Mio. zu tragen, obwohl deren Finanzierung nach 2030 nicht gesichert sei. Bundesrat Berset erinnerte den Rat daran, dass das Abkommen identisch mit den bereits mit anderen Balkanstaaten abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen sei. Die finanziellen Auswirkungen bezeichnete er als gering, er hob jedoch die Bedeutung der Betrugsbekämpfungsklausel hervor. Die grosse Kammer trat mit 125 zu 53 Stimmen (bei 1 Enthaltung) auf das Geschäft ein und genehmigte das Abkommen mit 129 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen). Die Gegenstimmen stammten von der SVP-Fraktion.

Sozialversicherungsabkommen mit Albanien
Dossier: Sozialversicherungsabkommen mit den Nachfolgestaaten der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien

Das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit wurde in der Herbstsessoin 2022 im Nationalrat beraten. Christian Lohr (mitte, TG) klärte die Ratsmitglieder im Namen der SGK-NR über den Inhalt des Abkommens auf. Das Abkommen werde seit November 2021 bereits vorläufig angewendet, nachdem die SGKs beider Räte im Vorfeld dazu konsultiert worden seien. Da das Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit dem Brexit seine Gültigkeit verloren habe, seien auch Revisionen im Bereich der sozialen Sicherheit notwendig geworden. Lohr erklärte, dass beide Länder eine Fortsetzung der bisherigen Bestimmungen gewollt hätten, was im Grundsatz auch erreicht worden sei. Er betonte insbesondere, dass das Abkommen keine zusätzlichen Kosten mit sich bringen werde, was angesichts der aktuellen Finanzsituation nicht unbedeutend sei. Bundesrat Berset erläuterte, dass das vorliegende Abkommen mehrheitlich dem neuen Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU entspräche, was eine grosse Einheitlichkeit der Regeln im europäischen Raum gewährleiste. Im Namen des Bundesrates forderte er den Nationalrat dazu auf, dem Abkommen zuzustimmen. Nachdem er ohne Gegenstimme auf das Geschäft eingetreten war, nahm der Nationalrat den Entwurf des Bundesrats einstimmig an.

Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit (BRG 22.032)
Dossier: Mind the Gap-Strategie nach dem Brexit

Ende April 2022 publizierte der Bundesrat die Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit. Das Abkommen, welches im September 2021 unterzeichnet worden war und seit November 2021 bereits vorläufig Anwendung fand, solle die vor dem Brexit existierenden Rechte und Pflichten im Bereich der Sozialversicherungssysteme erhalten, was der «Mind the Gap»-Strategie des Bundesrats entspreche. Seit Jahresbeginn 2021 war die im Freizügigkeitsabkommen mit der EU enthaltene Koordinierung der Sozialversicherungssysteme nicht mehr auf die Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich anwendbar. Bereits unter dem FZA bestehende Ansprüche wurden jedoch durch das Abkommen über die Rechte der Bürgerinnen und Bürger weiterhin garantiert. Inhaltlich orientiere sich das Abkommen an jenem, welches das Vereinigte Königreich im Rahmen des Brexit-Vollzugs mit der EU ausgehandelt habe, was die Einheitlichkeit und Kontinuität gewährleiste. Gemäss den internationalen Standards zur Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit umfasse es die AHV, die IV, sowie die Kranken- und Unfallversicherung. Hauptziel des Abkommens sei es, zu gewährleisten, dass Personen, die sich aus beruflichen Gründen in einem der beiden Vertragsstaaten niederliessen bei den Sozialversicherungen nicht benachteiligt würden. Es garantiere weitgehende Gleichbehandlung, sowie einen erleichterten Zugang zu den Sozialleistungen der Vertragsstaaten. Unter anderem ermögliche es die Anrechnung der im anderen Staat registrierten Versicherungszeit; sichere die Auszahlung der Leistungen ins Ausland und institutionalisiere die Zusammenarbeit der Behörden. Das Abkommen erleichtere ausserdem die Mobilität der Bevölkerung und verhindere Doppelunterstellungen in beiden Staaten. Im Unterschied zu sonstigen Standardabkommen der Schweiz sehe das vorliegende Abkommen keine Möglichkeit vor, Rentenleistungen der Invalidenversicherung ins Ausland zu exportieren. Diese Ausnahme wurde vom Vereinigten Königreich in den Verhandlungen mit der EU gewünscht und von dieser auch anerkannt, weshalb sie auch in das Abkommen mit der Schweiz aufgenommen wurde. Da andere Rechtsinstrumente den Export von IV-Renten ermöglichen würden, seien die Auswirkungen dieser Abweichung jedoch minim, beteuerte der Bundesrat.

Abkommen mit dem Vereinigten Königreich zur Koordinierung der sozialen Sicherheit (BRG 22.032)
Dossier: Mind the Gap-Strategie nach dem Brexit

In der Sommersession 2019 bereinigte das Parlament die Differenzen in der Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Der Ständerat beharrte nicht auf seiner Formulierung der «angemessenen Mehrkosten», sondern stimmte zu, dass die Versicherungsträger – wie vom Nationalrat gewünscht – die durch Observationen bei unrechtmässigem Leistungsbezug entstandenen «Mehrkosten» den Versicherten auferlegen können. Durch das Prinzip der Verhältnismässigkeit in der Bundesverfassung sei bereits garantiert, dass nur die «angemessenen» Mehrkosten verlangt werden könnten, erklärte die SGK-SR. Nach der Erklärung von Kommissionssprecher Hans Stöckli (sp, BE), wonach die Leistungen der IV Personen im Strafvollzug weiter ausbezahlt werden sollten, weil es eben auch Modelle wie die Halbgefangenschaft gebe, bei denen Personen weiterhin arbeiten könnten und folglich auf die IV angewiesen seien, hielt der Ständerat diesbezüglich an seiner Entscheidung fest. Auf Antrag der SGK-NR stimmte der Nationalrat dieser Entscheidung zwei Tage später zu und bereinigte somit die letzte Differenz der Vorlage. Mit 143 zu 53 Stimmen (0 Enthaltungen) respektive 41 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm das Parlament die Revision des ATSG in den Schlussabstimmungen an.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

In der Frühjahrssession 2019 beriet der Nationalrat die Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und hatte eingangs einen Rückweisungsantrag von Silvia Schenker (sp, BS) zu klären. Da das ATSG generell in allen Sozialversicherungszweigen ausser der beruflichen Vorsorge zur Anwendung komme, hätten die Entscheidungen zu diesem eine Hebelwirkung, betonte sie. Die Vorlage sei aber sehr einseitig auf die Missbrauchsbekämpfung ausgerichtet, führe zu einschneidenden Verschlechterungen für die Betroffenen und beschneide die Rechte der Versicherten in Verfahren. Zudem fehle die Koordination mit den übrigen, bisher beschlossenen Missbrauchsmassnahmen – ein entsprechender Gesamtplan sei nicht vorhanden. Mit 133 zu 51 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion für Eintreten aus. In der Folge reichte Silvia Schenker eine Reihe von Minderheitsanträgen ein: Sie verlangte eine Streichung der engeren Frist für die Rückforderungsansprüche der Versicherten, da diese gemäss Behindertenverbänden für die Versicherer bereits jetzt sehr grosszügig sei. Sie wehrte sich gegen die Schaffung einer Kostenpflicht bei den Verfahren, da die Einführung einer solchen bei der IV gezeigt habe, dass die Anzahl Beschwerden dadurch nicht sinke. Stattdessen steige die Arbeit für die Gerichte, weil dadurch mehr Anträge auf unentgeltliche Rechtspflege eingereicht würden. Zudem lehnte sie die Schaffung einer Möglichkeit für eine vorsorgliche Einstellung von Leistungen ab, wenn eine Person die Meldepflicht verletzt, einer Lebens- oder Zivilstandskontrolle nicht fristgerecht nachkommt oder ein begründeter Verdacht auf unrechtmässig bezogene Leistungen besteht. Unter anderem sei unklar, wann ein begründeter Verdacht vorliege – wie auch die Diskussion in der Kommission gezeigt habe. Auf ihr Argument, dass diese Regelung viele Härtefalle schaffe, entgegnete Gesundheitsminister Berset, dass das Interesse der Versicherer, Verfahren und grosse Schadensrisiken zu vermeiden, Vorrang vor dem Interesse der Versicherten habe, nicht in eine vorübergehende Notlage zu geraten. Alle Minderheitsanträge fanden ausschliesslich bei der SP- und der Grünen-Fraktion Anklang und wurden folglich vom Nationalrat abgelehnt.
Angenommen wurde hingegen ein Minderheitsantrag von Thomas Aeschi (svp, ZG), mit dem die Kann-Bestimmung zur Einstellung von Geldzahlungen mit Erwerbscharakter während des Strafvollzugs zu einer Muss-Bestimmung geändert wurde. Umstritten war ansonsten nur noch die Frage, wie genau die Regelung zur Auferlegung der Kosten für Observationen beim Bezug von Versicherungsleistungen aufgrund von unwahren Angaben ausgestaltet werden sollte. Silvia Schenker wollte die Auferlegung der Kosten auf «wissentlich unwahre Angaben» beschränken oder – wenn möglich – den Absatz ganz streichen. Bea Heim (sp, SO) beantragte eine Beschränkung der Klausel auf die Auferlegung «angemessener Mehrkosten» und Thomas Aeschi wollte auch hier die Kann- in eine Muss-Formulierung umwandeln. In der Folge setzte sich jedoch die Version der Kommission durch, wodurch der Rat eine Differenz zum Ständerat schuf, der die Klausel, wie von Bea Heim vorgeschlagen, auf «angemessene Mehrkosten» beschränkt hatte.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

In der Herbstsession 2018 behandelte der Ständerat die Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Für die SGK-SR erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO), dass es sich dabei um eine «Klammergesetzgebung» handle, deren Regeln mit Ausnahme der beruflichen Vorsorge für alle Sozialversicherungszweige gelten würden. Das ATSG sei seit seiner Inkraftsetzung 2003 nicht überarbeitet worden, daher sollten nun diverse Revisionsanliegen umgesetzt werden. Ohne Gegenantrag trat die kleine Kammer auf die Vorlage ein. Die SGK-SR hatte sich bei ihren Behandlungen der Vorlage im Frühling und Sommer 2018 mehrheitlich zufrieden gezeigt und mit deutlichen 10 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) vor allem einen grösseren Änderungsantrag geschaffen: Die Bundesversammlung sollte nicht die Kompetenz erhalten, internationale Sozialversicherungsabkommen mit einem einfachen Bundesbeschluss genehmigen zu können. Kommissionssprecher Bischof erklärte, es spiele eben durchaus eine Rolle, ob ein Abkommen zum Beispiel mit Deutschland oder mit der Dominikanischen Republik abgeschlossen werde, da Bestimmungskategorien nicht in allen Staaten gleich beurteilt werden könnten. Deshalb reiche es für die Beurteilung eines Abkommens nicht aus, dass eine ähnliche Bestimmung in einem anderen Abkommen bereits existiere. Gesundheitsminister Berset wies insbesondere darauf hin, dass ein Verzicht auf diese Kompetenzübertragung nicht den Spielraum des Bundesrates, sondern des Parlaments einschränken würde. Stillschweigend folgte die kleine Kammer ihrer Kommission.
Zudem entschied sich der Ständerat, den Versicherten nicht die vollständigen Kosten, die durch Überwachungen bei einem ungerechtfertigten Leistungsbezug entstanden sind, aufzuerlegen, sondern diese auf die «angemessenen Mehrkosten» zu beschränken. Daneben sorgte auch ein Minderheitsantrag Bruderer Wyss (sp, AG) für Diskussionen; mit diesem sollten die neu geschaffene Kostenpflicht bei den Verfahren gestrichen und Kosten wie bisher nur bei mutwilligem oder leichtsinnigem Verhalten einer Partei auferlegt werden. Im IV-Bereich, wo die Kostenpflicht bereits bestehe, habe diese zu einer stärkeren Belastung der Kantone geführt, erklärte die Minderheitsführerin dem Rat. So habe die Anzahl «aussichtsloser» Beschwerden nicht ab-, die Anzahl Gesuche um Gewährung einer unentgeltlichen Prozessführung jedoch zugenommen. Dennoch folgte der Ständerat dem Mehrheitsantrag auf Zustimmung zum bundesrätlichen Entwurf mit 29 zu 14 Stimmen. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die Revision des ATSG schliesslich ohne Gegenstimme mit 38 Stimmen und 2 Enthaltungen an.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Im März 2018 legte der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vor. Die geplanten Massnahmen, von denen viele aufgrund von parlamentarischen Vorstössen in die Gesetzesrevision aufgenommen wurden, teilte er in drei Bereiche ein: Missbrauchsbekämpfung, Anpassung an den internationalen Kontext und Optimierung des Systems.
Zur Missbrauchsbekämpfung schlug der Bundesrat insbesondere Massnahmen vor, die bereits im Rahmen der (abgelehnten) IV-Revision 6b behandelt und anschliessend in einer Motion Schwaller (cvp, FR; Mo. 13.3990) erneut gefordert worden waren. Unter anderem sollen bei begründetem Verdacht auf unrechtmässige Leistungserwirkung, bei Meldepflichtverletzung oder bei nicht fristgerechter Teilnahme an Lebens- oder Zivilstandskontrollen Leistungen der Sozialversicherungen vorsorglich eingestellt werden können. Die Verwirkungsfrist für die Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen soll verlängert werden und bei Nichtantreten eines Straf- oder Massnahmenvollzugs sollen Sozialversicherungsleistungen nicht mehr ausbezahlt werden müssen, wie es die Motion Lustenberger (cvp, NR; Mo. 12.3753) gefordert hatte. Die meisten dieser Regelungen entsprachen der Praxis der Sozialversicherungen, sollen nun aber kodifiziert werden. Mit den gesetzlichen Grundlagen für die Überwachung der Versicherten war ein Grossteil der Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung zuvor bereits in ein eigenes Geschäft ausgelagert und vordringlich behandelt worden.
Bei den Anpassungen an den internationalen Kontext geht es einerseits darum, eine Gesetzesgrundlage für die Umstellung des internationalen Informationsaustauschs auf eine elektronische Übermittlung zu schaffen. Andererseits sollen internationale Sozialversicherungsabkommen zukünftig mit einfachem Bundesbeschluss genehmigt werden können und somit dem fakultativen Referendum entzogen werden. Es entspricht der langjährigen Praxis, Abkommen, die über ein ähnliches Verpflichtungsniveau verfügen wie eine grosse Anzahl vergleichbarer, bereits abgeschlossener Abkommen, nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Nachdem das Bundesamt für Justiz 2014 in einem Bericht beschieden hatte, dass das Kriterium der Neuheit einer Bestimmung für ein solches Vorgehen nicht ausreiche, entschied der Bundesrat, diese Praxis im ATSG festzuschreiben.
Optimiert werden soll das Sozialversicherungssystem schliesslich durch eine Anpassung der Regressbestimmungen, bei denen dieselben Mitwirkungspflichten geschaffen werden sollen wie bei der Prüfung eines Leistungsanspruchs, sowie durch die Schaffung einer differenzierten Kostenpflicht für alle Sozialversicherungsverfahren – ähnlich der Regelung, welche die SVP-Fraktion in einer Motion gefordert hatte (Mo. 09.3406). Hier entschied sich der Bundesrat für die erste Variante, die er in der Vernehmlassung vorgeschlagen hatte und die dort auf mehr Gegenliebe gestossen war als ein fixer Kostenrahmen zwischen CHF 200 und 1000 (Variante 2).

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Im Februar 2017 schickte der Bundesrat die Revision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in die Vernehmlassung. Das ATSG enthält diejenigen Regelungen, die ausser der beruflichen Vorsorge für alle Sozialversicherungszweige gelten. Die Revision des seit 2000 geltenden Gesetzes war durch die Motionen Lustenberger (cvp, LU; Mo. 12.3753), Schwaller (cvp, FR; Mo. 13.3990) und der SVP-Fraktion ausgelöst und aufgrund von «optimierten Prozessen, aktueller Rechtsprechung und internationalen Verträgen» nötig geworden.
Insbesondere sollen in der Revision die Grundlagen für Observationen bei Verdacht auf Versicherungsmissbrauch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) 2016 ergänzt und die bestehenden Bestimmungen sowie die Abläufe zur Missbrauchsbekämpfung verbessert werden. Geplant sind zudem neue Regelungen bezüglich der Kostenpflicht der kantonalen sozialversicherungsrechtlichen Gerichtsverfahren, eine bessere Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit zwischen der Schweiz und der EU wie auch eine rechtliche Verankerung der bisherigen Praxis, Sozialversicherungsabkommen nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, insbesondere die Kantone und die Durchführungsstellen, bewertete die Revision positiv und kritisierte nur vereinzelte Punkte. Auf Widerstand stiessen insbesondere die Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung sowie die Einführung einer Kostenpflicht bei Sozialversicherungsverfahren.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Anfang Dezember 2015 präsentierte der Bundesrat seine Vernehmlassungsvorlage für die Weiterentwicklung der IV, die auf junge Menschen und psychisch Kranke ausgerichtet ist. Im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen mit Geburtsgebrechen (s.g. Zielgruppe 1), bei denen die IV bis zum 20. Altersjahr die medizinischen Behandlungen finanziert, sollen verschiedene Gebrechen neu in die Liste aufgenommen werden, darunter auch einige seltene Krankheiten. Den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 13 und 25 Jahren mit psychischen Erkrankungen (Zielgruppe 2) sollen die Übergänge zwischen der obligatorischen Schule und einer erstmaligen Berufsausbildung sowie zwischen letzterer und dem Eintritt ins Arbeitsleben erleichtert werden. Hierzu sollen die Früherfassung und die Integrationsmassnahmen auf diese Gruppe ausgedehnt werden, was sich bei erwachsenen Versicherten bereits bewährt hat. Kantonale Brückenangebote und Case Managements im Bereich der Berufsbildung sollen mitfinanziert werden und die Berufsausbildung der Betroffenen soll sich stärker auf den ersten Arbeitsmarkt ausrichten. Zudem sollen Taggelder neu die Löhne gesunder Lernender nicht mehr übersteigen, dafür werden sie bereits ab Beginn der Ausbildung und nicht erst ab dem 18. Geburtstag ausbezahlt. Medizinische Eingliederungsmassnahmen sollen neu nicht mehr nur bis zum 20., sondern bis zum 25. Altersjahr von der IV übernommen werden, um die Fortführung der Therapie nicht zu gefährden. Das Beratungs- und Betreuungsangebot für Jugendliche soll zudem ausgebaut werden. Bezüglich psychisch erkrankter erwachsener Versicherter ab 25 Jahren (Zielgruppe 3) gelte es, die bestehenden Eingliederungsmassnahmen der IV zu verbessern und zu ergänzen, da sie für eine angemessene Unterstützung dieser Versichertengruppe oft nicht genügend flexibel seien. Für betroffene Personen soll bereits frühzeitig eine eingliederungsorientierte Beratung zur Verfügung stehen, um eine Chronifizierung ihrer Beschwerden und ein Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt zu verhindern. Diese soll auch über den Zeitpunkt der erfolgreichen Eingliederung hinaus weitergehen, um allenfalls auftretende Schwierigkeiten aufzufangen. Die Früherfassung soll neu auch Versicherte erfassen, die noch arbeitsfähig, jedoch psychisch bedingt von Invalidität bedroht sind. Die aktuell geltende zeitliche Beschränkung von Integrationsmassnahmen soll aufgehoben und die finanzielle Unterstützung für Arbeitgeber bei einem Stellenwechsel auf den neuen Arbeitgeber übertragbar werden. Eine Lücke zwischen den bestehenden Eingliederungsmassnahmen soll durch Personalverleih geschlossen werden: Dabei geht die versicherte Person einer bezahlten Arbeit im ersten Arbeitsmarkt nach, ohne dass der Arbeitgeber ein finanzielles Risiko eingehen muss. Es handelt sich also nicht um einen unbezahlten Arbeitsversuch, jedoch auch nicht um eine klassische Anstellung, da die IV für die Entschädigung aufkommt. Die Massnahme war bereits Teil der gescheiterten IV-Revision 6b und als solche in beiden Räten unbestritten gewesen. Um die Koordination aller beteiligten Akteure zu verbessern, soll der Bundesrat ermächtigt werden, Zusammenarbeitsvereinbarungen mit Dachorganisationen der Arbeitswelt abzuschliessen, um die Eingliederungsbemühungen zu verstärken. Der Versicherungsschutz der Personen in Eingliederungsmassnahmen bezüglich Unfall- und Haftpflichtversicherung soll verbessert werden, eingliederungsrelevante Informationen sollen an den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin weitergegeben werden, die Versicherten bei der Arbeitssuche nach einer Rentensenkung aufgrund von IV-Revisionen länger unterstützt, das bestehende Rentensystem in ein stufenloses umgewandelt und die Rechtsgrundlage für eine engere Zusammenarbeit der Durchführungsstellen der IV, der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe geschaffen werden.

Ein Länderbericht der OECD zur psychischen Gesundheit und Beschäftigung in der Schweiz, auf den der Bundesrat sich in seinem Entwurf bezog, hatte zuvor ergeben, dass Arbeitgeber in der Schweiz im Umgang mit psychisch kranken Angestellten oft überfordert sind, die IV die Rolle der Arbeitgeber zu wenig berücksichtigt und für die Arbeitnehmenden zu geringe Anreize setzt, die RAV und Sozialdienste Personen mit psychischen Problemen nur begrenzt unterstützen können, die interinstitutionelle Zusammenarbeit verbessert werden muss, das Gesundheitssystem ohne zusätzlichen Ressourceneinsatz mehr erreichen könnte und das Bildungssystem Schulabbrüche und frühe Berentungen möglichst vermeiden soll.

Die Vernehmlassung war bis Mitte März 2016 angesetzt. In der Zwischenzeit kam es kaum zu einer öffentlichen Debatte zur Revision der Invalidenversicherung.

Weiterentwicklung der IV (BRG 17.022)
Dossier: Weiterentwicklung der IV (2015-2020) und die dazu führenden Vorstösse

Bei der Totalrevision des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz) folgte der Ständerat mit deutlichem Mehr in den wesentlichen Punkten dem Nationalrat, der im Vorjahr weitgehend dem Entwurf des Bundesrates zugestimmt hatte, insbesondere bei den Entschädigungs- und Genugtuungszahlungen an die Opfer (nach unten korrigierte Höchstbeträge für die Genugtuungen, Wegfall der Leistungen bei Straftaten, die im Ausland begangen werden). Abweichend vom Nationalrat fügte er aber mit Stichentscheid des Präsidenten wieder die Pflicht für die Kantone ein, die Angebote der Opferhilfe publik zu machen. Im Nationalrat beantragte eine Minderheit um Leutenegger Oberholzer (sp, BL), hier der kleinen Kammer zu folgen. Unterstützung erhielt sie von Bundesrat Blocher: Eine Streichung der Bestimmung bedeute zwar nicht, dass die Kantone diese Information nicht mehr publik machen dürften, aber die Verpflichtung entfalle für jene Delikte, in welche (zumindest in einem ersten Schritt) die Polizei nicht involviert sei. Das sei insbesondere der Fall bei länger zurückliegenden Straftaten etwa im Bereich von sexuellem Missbrauch, wo die Betroffenen allenfalls vor einer Anzeige eine Beratung nötig hätten. Der Minderheitsantrag unterlag mit 100 zu 73 Stimmen. SP und Grüne sprachen sich geschlossen für die Informationspflicht aus, ebenso eine Minderheit der CVP. Angesichts der doch klaren Mehrheitsverhältnisse in der grossen Kammer beugte sich der Ständerat in diesem Punkt. In der Schlussabstimmung wurde die Revision mit 126 zu 66 (SP und GP) resp. mit 42 zu 1 Stimmen angenommen.

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Der Nationalrat behandelte als Erstrat die Totalrevision des Opferhilfegesetzes. Eintreten war unbestritten, obgleich die Sprecherin und der Sprecher der Fraktionen der SP und der GP kritisierten, dass der Entwurf die Lage der Opfer verschlechtere, weil es dem Bund und vor allem den Kantonen in erster Linie ums Sparen gehe. In der Detailberatung lehnte der Rat verschiedene Minderheitsanträge von linksgrüner Seite ab. Mit 109 zu 66 Stimmen stimmte er dem Antrag des Bundesrates zu, wonach keine Entschädigungen und Genugtuungen gewährt werden, wenn die Straftat im Ausland begangen worden ist. In der Vernehmlassung zum Gesetz war die Mehrheit der Antwortenden gegen diese Neuerung gewesen. Bundesrat Blocher rechtfertigte die Abkehr von der bisherigen Praxis: Es sei schwierig herauszufinden, was in der Ferne wirklich vorgefallen sei; zudem trügen „die Menschen auch eine Selbstverantwortung, damit sie nicht in Kriminalfälle verwickelt werden“. Für Grossereignisse wie Terroranschläge versprach er Sonderlösungen; dann würden Bund, Kantone und Reiseversicherer die Opfer entschädigen.

In einem weiteren zentralen Punkt folgte die bürgerliche Ratsmehrheit ebenfalls dem Bundesrat und beschloss auf starken Druck der Kantone mit 97 zu 56 Stimmen, dass die Genugtuung höchstens 70 000 Fr. für Opfer und 35 000 Fr. für Angehörige betragen darf. Auf Antrag der Kommission wurde zudem die Bestimmung gestrichen, dass die Kantone die Angebote der Opferhilfe publik zu machen haben. Unbestritten waren Verbesserungen im neuen Opferhilfegesetz: So können Gesuche bis fünf Jahre nach der Tat eingereicht werden, was vor allem für minderjährige Opfer sexueller Verbrechen wichtig ist, da für diese der Zeitpunkt des Fristbeginns neu ab Bekanntwerden der Straftat gilt. Der Nationalrat verabschiedete die Vorlage mit 103 zu 56 Stimmen.

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Zwei Jahre nach Beendigung der Vernehmlassung legte der Bundesrat Botschaft und Entwurf für eine Totalrevision des Opferhilfegesetzes vor. Hauptziel ist es, die stetig steigenden Kosten für die Opferhilfe, für welche die Kantone aufkommen müssen, durch griffigere Regeln unter Kontrolle zu bringen und den Anspruch auf Genugtuungsleistungen zu beschränken. Für diese schlägt der Bundesrat einen Maximalbetrag von 70'000 Fr. für Opfer und von 35'000 Fr. für Angehörige vor. Opfer von im Ausland begangenen Straftaten sollen weiterhin Hilfe in Form von Beratung, aber keine Geldleistungen mehr erhalten. Im Gegenzug wird die Frist für die Einreichung von Begehren um Entschädigung und Genugtuung von heute zwei auf fünf Jahre verlängert; die Frist für minderjährige Opfer von Straftaten gegen die physische oder sexuelle Integrität wird zusätzlich ausgedehnt.

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Totalrevision des Opferhilfegesetzes (OHG) wurde in der Vernehmlassung prinzipiell befürwortet. Umstritten war aber die Höhe der Genugtuungszahlungen. Laut Revisionsentwurf entsprechen diese dem Bedürfnis der Opfer nach sozialer Anerkennung und sollten beibehalten, aber limitiert werden. Diese Begrenzung wurde mehrheitlich begrüsst. Der bundesrätliche Vorschlag einer Limite von zwei Dritteln des maximal versicherten Jahresgehalts nach Versicherungsgesetz (rund 70'000 Fr.) stiess hingegen auf weniger Akzeptanz. Die SVP zeigte sich mit dieser Limite einverstanden, warnte aber vor Kostensteigerungen und setzte sich für strenge Vergabekriterien ein. Die FDP verlangte die ersatzlose Streichung der Genugtuungen, die CVP wollte höhere Limiten und die SP sowie die Grünen sprachen sich dafür aus, keine Begrenzung vorzunehmen. Umstritten war auch, ob Einwohner der Schweiz, die im Ausland Opfer einer Straftat geworden sind, Anspruch auf Leistungen haben. Einzig die SVP sprach sich für diesen Fall generell gegen Leistungen nach OHG aus. Die Mehrzahl der an der Vernehmlassung beteiligten Organisationen befürworteten die kostenlose Unterstützung durch die Beratungsstellen, nicht aber Entschädigungen und Genugtuungen. SKOS, SP, Grüne und der Verband der Schweizer Frauenorganisationen, Alliance F, möchten hingegen alle Fälle abdecken. Mit Unterstützung der SODK verlangten diese Kreise zudem neue Regelungen für Opfer von häuslicher Gewalt und von Menschenhandel.(Zur Bekämpfung der Gewalt in Ehe und Partnerschaft siehe hier)

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Ende Jahr gab das EJPD seine Vorschläge für eine Revision des Opferhilfegesetzes (OHG) in die Vernehmlassung. In Übereinstimmung mit den Experten schlug das Departement restriktivere Voraussetzungen für die Auszahlung von Genugtuungen vor: Danach soll ein Anspruch nur bestehen, wenn die Straftat zu einer schweren Beeinträchtigung des Opfers geführt hat, die sich während längerer Zeit auf die Arbeitsfähigkeit, die ausserberuflichen Tätigkeiten oder die persönlichen Beziehungen auswirkt. Überdies soll die Summe nach oben begrenzt sein und sich am maximal versicherten Jahresverdienst in der Unfallversicherung orientieren. Opfer sollen höchstens zwei Drittel (rund 70'000 Fr.), Angehörige ein Drittel (ca. 35'000 Fr.) dieses Betrags erhalten. Eine Besserstellung der Opfer wurde hingegen in der Frage der Verjährungsfrist von Ansprüchen vorgeschlagen: diese soll von zwei auf fünf Jahre, für kindliche Sexualopfer sogar noch weiter verlängert werden. Bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, soll überprüft werden, ob auch ausländische Opfer mit mindestens fünfjährigem Wohnsitz in der Schweiz finanziell entschädigt werden könnten. (Zum Sexualstrafrecht siehe hier)

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Gleichzeitig gab das EJPD eine Teilrevision des OHG in die Vernehmlassung, welche minderjährige Opfer (unter 16 Jahren) im Strafverfahren besser schützen will. Insbesondere sollen sich Opfer von sexuellen Übergriffen und Beschuldigte möglichst nicht begegnen und die Befragung der Opfer auf das Notwendigste beschränkt werden.

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Wegen der Kostenexplosion bei den Genugtuungszahlen, dem organisatorischen Wirrwar bei der Unterstützung der Opfer des Luxor-Attentats von 1997 sowie weiterer Unzulänglichkeiten des Gesetzes beschloss das Bundesamt für Justiz, das Opferhilfegesetz einer ersten Revision zu unterziehen. Zur Debatte steht dabei auch der Abbau von Leistungen, so etwa die Streichung der Opferhilfe für Verkehrsunfälle und die Reduktion oder gar Abschaffung von Genugtuungszahlungen. Im Berichtsjahr wurden zusammen mit den kantonalen Opferhilfestellen die Revisionsanliegen aufgelistet; im Jahr 2000 soll dann eine Expertenkommission das Gesetz grundlegend überarbeiten.

Revision des Opferhilfegesetzes (BRG 05.078)
Dossier: Totalrevision Opferhilfegesetz 2005-2007

Bei den Sozialzielen in Art. 41, der in einem eigenen Kapitel Grundsätze bündelt, die in der bisherigen Verfassung an verschiedener Stelle standen oder in internationalen Verträgen stipuliert sind, schlug der Bundesrat vor, in Abs. 1 das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich Bund und Kantone «in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung» im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel dafür einsetzen, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat und besonders gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung oder Verwitwung gesichert ist, ausdrücklich zu erwähnen. Beide Kammern ergänzten auf Antrag ihrer jeweiligen Kommission den Begriff der Verantwortung mit dem Adjektiv der «persönlichen» Verantwortung. Im Nationalrat versuchte die Linke mit zwei Minderheitsanträgen vergeblich, sowohl das Subsidiaritätsprinzip wie den Hinweis auf die verfügbaren Mittel zu streichen. Sie argumentierte, Sozialziele gehörten als eigenständiger – und nicht im gleichen Atemzug wieder einzuschränkender – Grundpfeiler in die Verfassung. Die bürgerliche Mehrheit machte deutlich, dass die Erwähnung dieser Elemente sowie der individuellen Verantwortung für sie der Preis dafür sei, dass dieses – in der Vernehmlassung durchaus nicht unbestrittene – Kapitel in dieser Form überhaupt in der nachgeführten Verfassung verbleibe, und sie setzte sich mit 117 zu 62 resp. 116 zu 62 Stimmen klar durch.

Streichen wollte die linke Minderheit auch den zweiten Absatz des Artikels, wonach aus den Sozialzielen keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können. Sie erklärte, es gehe nicht an, Sozialziele gleich zweimal zu relativieren. Obgleich es sich eindeutig nicht um Sozialrechte handle, sollten sie doch für alle Behörden als Richtlinien gelten. Die bürgerlichen Parteien erhoben die Beibehaltung dieses Absatzes erneut zur Schicksalsfrage für den ganzen Artikel. Der Streichungsantrag unterlag denn auch in ähnlicher Deutlichkeit wie jener zu Abs. 1, nämlich mit 117 zu 61 Stimmen. Damit waren die inhaltlichen Leitlinien dieses Artikels bereits in erster Lesung bereinigt.

Sozialziele in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Kompetenzartikel der revidierten Bundesverfassung zur Sozialhilfe (Art. 115) gab vor allem wegen des Titels Anlass zu einigen Diskussionen. Während der Ständerat dem Bundesrat zu folgen bereit war, der «Unterstützung Bedürftiger» vorgeschlagen hatte, wollte der Nationalrat dies in erster Lesung sowohl im Titel wie im Text in «Unterstützung von Personen in Notlagen» umwandeln, obgleich sowohl die Berichterstatterin wie Bundesrat Koller warnten, diese Änderung könne zu einer Schlechterstellung der betroffenen Personen führen. Der Begriff der Notlage sei in Art. 12 BV näher ausgeführt, wobei es sich dort nur um ein für ein menschenwürdiges Leben notwendiges Existenzminimum handle. Hier nun aber sei die eigentliche Sozialhilfe angesprochen, für deren Ausrichtung tiefere Schwellen gelten. Als der Ständerat auf der Formulierung des Bundesrates beharrte, stimmte der Nationalrat stillschweigend zu.

Eine SP-Minderheit stellte den Antrag, zwei weitere Absätze des Inhalts einzufügen, dass der Bund Bestimmungen über den Mindestgehalt der Leistungen erlassen und Grundsätze über den Rechtsschutz aufstellen sowie die Sozialhilfe der Kantone mit finanziellen Beiträgen unterstützen kann. Damit sollten wesentliche Punkte einer parlamentarischen Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit auf Verfassungsstufe erhoben werden. Diese war 1993 vom Nationalrat gutgeheissen und zur Ausarbeitung an die Kommission übertragen worden; diese hatte den Text so umformuliert, dass er in die revidierte Verfassung gepasst hätte. Nach Meinung der bürgerlichen Ratsmehrheit würde dies über die eigentliche Nachführung hinausgehen, weshalb der Antrag mit 79 zu 49 Stimmen abgelehnt wurde.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Anlässlich der Totalrevision der Bundesverfassung wurde der eigentliche Artikel zur Opferhilfe (Art. 124) gegenüber der geltenden Verfassung auf Vorschlag des Bundesrates in dem Sinn verfeinert, dass hier Straftaten gemeint sind, welche die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer Person beeinträchtigen. Diese Präzisierung wurde bereits im Bundesgesetz über die Opferhilfe vorgenommen und entspricht der Praxis des Bundesgerichtes. Der Artikel passierte in beiden Räten diskussionslos.

Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Vorstösse für eine geschlechtergerechte Sprache in der Politik und Verwaltung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei der Verfassungsrevision trug der Bundesrat in seinen Vorschlägen der neueren Rechtssprechung des Bundesgerichtes und den Aufforderungen einer Nationalratskommission Rechnung und beantragte, in Art. 12 unter dem Titel «Recht auf Existenzsicherung» das 1995 von Lausanne bestätigte ungeschrieben Verfassungsrecht aufzunehmen, wonach jede Person in Not Anspruch auf Hilfe und Betreuung sowie die Mittel hat, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Der Ständerat wandelte den Titel in ein «Recht auf Hilfe in Notlagen» ab und relativierte den Anspruch mit dem Zusatz, dass jemand nur dann Anspruch auf diese Unterstützung hat, wenn er «in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen». Damit sollte deutlich gemacht werden, dass es sich um ein Recht auf Existenzminimum handelt, keinesfalls aber um die Einführung eines Anspruchs auf konkret zu beziffernde Leistungen im Sinn eines garantierten Mindesteinkommens. Aeby (sp, FR) beantragte vergeblich, bei der Formulierung des Bundesrates zu bleiben, da ein Abweichen davon als Zeichen dafür gewertet werden könnte, dass man in diesem Bereich der Grundrechte eine weniger absolute Garantie anstrebe als etwa beim Recht auf Ehe oder beim Recht auf Gewissensfreiheit. Trotz Unterstützung des Bundesrates, der die gleiche Sicht der Dinge vertrat, unterlag Aeby deutlich mit 29 zu 6 Stimmen. Im Nationalrat obsiegte die Version des Ständerates mit 101 zu 61 Stimmen klar gegen einen links-grünen Antrag, der – mit Ausnahme des Titels – dem Vorschlag des Bundesrates folgen, die vorgesehenen Leistungen aber unter dem über das eigentliche Existenzminimum hinausgehenden Begriff der Sozialhilfe subsummieren wollte.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die Sozialziele, welche bisher in der Verfassung und in internationalen Verträgen verstreute Elemente in einem übersichtlichen Katalog zusammenfassen (Art. 41), gaben im Ständerat kaum zu Diskussionen Anlass. Im Nationalrat unterlag die SP mit ihrer Forderung, diese Sozialziele in einklagbare Sozialrechte umzuwandeln. Aber auch der als Reaktion darauf eingereichte Antrag Föhn (svp, SZ), die Sozialziele aus der Verfassung zu streichen, wurde deutlich verworfen.

Sozialziele in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Seit Beginn des Berichtsjahres 1993 ist das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten («Opferhilfegesetz», OHG) in Kraft. Als Opfer im Sinne des neuen Gesetzes gelten Personen, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden sind, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt werden kann oder einer Strafe zugeführt wird. Vollzogen werden muss dieses Gesetz, welches für die Opfer umfassende Beratung, finanzielle Hilfe und eine Besserstellung im Strafprozess verlangt, in den Kantonen, doch verlief die Umsetzung fast überall harzig.

Umsetzung des Opferhilfegesetzes (1992–1996)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen

Opfer von Gewaltverbrechen haben ab dem 1. Januar 1993 Anrecht auf Betreuung, Beratung und Entschädigung. Der Bundesrat setzte das Opferhilfegesetz auf diesen Zeitpunkt in Kraft und beschränkte in einer Verordnung die maximale Entschädigung, welche zu Lasten der Kantone geht, auf CHF 100'000. Der Bund will jährlich CHF 7.5 Mio. für die Beratungsstellen und CHF 3 bis 4 Mio. für Zusatzhilfe zur Verfügung stellen. Allerdings zeigte sich auch, dass die notwendige Infrastruktur in den Kantonen noch kaum bereit ist.

Loi fédérale sur l'aide aux victimes d'actes de violence (MCF 90.030)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen

Zum Abschluss der Jubiläumssitzung im Januar 1991 behandelte die grosse Kammer als Erstrat das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG). Bei dessen Präsentation sprach die Präsidentin der vorberatenden Kommission, die Luzerner CVP-Abgeordnete Stamm, von einem «historischen Moment für das schweizerische Strafrecht». Erstmals werde bei einer Strafverfahrensordnung nicht nur dem Täter, sondern auch dem Opfer Beachtung geschenkt. Sie erinnerte daran, dass das nun vorliegende Gesetz auf einen Volksauftrag aus dem Jahre 1984 zurückgeht. Damals unterstützten alle Stände und eine überwältigende Mehrheit von 84 Prozent der Stimmenden die Schaffung eines neuen Artikels 64ter der Bundesverfassung, welcher den Bund und die Kantone beauftragt, dafür zu sorgen, dass Opfer von Straftaten gegen Leib und Leben Hilfe erhalten.

Entgegen dem Antrag einer bürgerlichen Kommissionsminderheit hielt der Rat daran fest, die Rechte des Opfers im Strafverfahren gesamtschweizerisch zu regeln, in diesem speziellen Fall also vom Grundsatz der strafprozessrechtlichen Kompetenzen der Kantone abzuweichen. Der Anspruch des Opfers auf Begleitung durch eine Vertrauensperson sowie die Möglichkeit, die Aussagen über Fragen der Intimsphäre zu verweigern, blieben ebenfalls im Gesetz. Opfer von sexuellen Straftaten sollen zudem das Recht haben zu verlangen, dass wenigstens eine Person ihres Geschlechts dem urteilenden Gericht angehört. Der entsprechende Artikel fand mit 71:70 Stimmen allerdings nur ganz knapp Zustimmung.

Die kleine Kammer folgte dem Nationalrat in den wesentlichen Punkten. Im Sinn von mehr Kantonshoheit beschloss sie aber, statt einer eidgenössischen Rekurskommission kantonale Beschwerdeinstanzen einzusetzen und den Kantonen die ganzen Betriebskosten für die Beratungsstellen zu überbürden. Der Nationalrat bereinigte die Differenzen im Sinn des Ständerates, so dass das Gesetz in der Herbstsession 1991 definitiv verabschiedet werden konnte.

Loi fédérale sur l'aide aux victimes d'actes de violence (MCF 90.030)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen