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Schon im Laufe des Wahljahres zeichnete sich eine grössere personelle Erneuerung des eidgenössischen Parlaments ab: 49 National- und 16 Ständeräte demissionierten auf Ende der Legislatur, wobei die einzelnen Parteien unterschiedlich betroffen waren. Bei den Liberalen trat gleich die Hälfte der achtköpfigen Nationalratsfraktion sowie ein Ständerat zurück, bei der SVP verzichteten 4 von 5 Standesherren und 8 von 23 Volksvertretern auf eine Wiederwahl. Die übrigen Bundesratsparteien hatten den Rücktritt von je rund einem Viertel ihrer Parlamentsvertretung zu verzeichnen (FDP und CVP je 12 NR und 4 StR, SP 11 NR und 3 StR). Weiter demissionierten der einzige PdA-Nationalrat, Armand Magnin (GE), sowie der Zürcher Grüne Arnold Müller, der sich im Herbst 1986 der LdU/EVP-Fraktion angeschlossen hatte.

Eidgenössische Wahlen 1987 Rücktritte
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Nach Kantonen betrachtet hatten 10 Stände (ZH, BE, LU, FR, SO, BL, SH, SG, TG und VD) einen, Uri, Aargau und Neuenburg gleich beide Vertreter in der kleinen Kammer zu ersetzen. Für den Nationalrat fiel prozentual der Rückzug des einzigen Obwaldner Abgeordneten am stärksten ins Gewicht. Überdurchschnittliche Rückzugsraten verzeichneten auch Schwyz (2 von 3), Solothurn (4 von 7) sowie Freiburg und Jura (je 50%). Nur in 8 Kantonen (UR, NW, GL, ZG, SH, AR, AI und TI) kandidierten alle bisherigen Volksvertreter erneut.

Zahlenmässig am meisten Nationalräte traten in Bern zurück (11 Demissionen). Im Zusammenhang mit den Folgen der Berner Finanzaffäre nahmen die ehemaligen bzw. amtierenden Regierungsräte Werner Martignoni, Bernhard Müller (beide svp) und Kurt Meyer (sp) zum Teil unfreiwillig Abschied vom eidgenössischen Parlament, in welchem aufgrund des kurz vor den Wahlen vom Berner Souverän erlassenen Doppelmandatsverbots künftig kein Regierungsmitglied mehr Einsitz nehmen darf. Gleich 6 ihrer 9 Nationalräte hatte die Berner SVP zu ersetzen, bei der sich auch die parteiinterne Amtszeitbeschränkung sowie ein Parteiaustritt auswirkten.

Ebenfalls wegen Differenzen mit der Partei zog sich der aus der Baselbieter FDP ausgetretene Karl Flubacher aus dem Nationalrat zurück und kandidierte gegen den offiziellen Freisinnigen René Rhinow - allerdings erfolglos - für den Ständerat.

Eidgenössische Wahlen 1987 Rücktritte
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Von den bisherigen Frauen verzichteten vier (3 SP und 1 CVP) auf ihr Nationalratsmandat, wobei die beiden Sozialdemokratinnen Amélia Christinat (GE) und Heidi Deneys (NE) ihre Karriere im Ständerat fortsetzen wollten und dabei scheiterten. Insgesamt versuchten 14 Nationalräte - die Hälfte erfolgreich - einen Wechsel ins Stöckli, 5 davon kandidierten sicherheitshalber für beide Räte.

Eidgenössische Wahlen 1987 Rücktritte
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Zu den Demissionierenden gehörten zahlreiche prominente Parlamentsangehörige, etwa die ehemaligen Nationalratspräsidenten Laurent Butty (cvp, FR), Franz Eng (fdp, SO), André Gautier (lp, GE; Wechsel in den StR) und die erste Frau in diesem Amt, die Schwyzer CVP-Vertreterin Elisabeth Blunschy. Als weitere bekannte Nationalräte sind unter anderen die Freisinnigen Bruno Hunziker (AG; Wechsel in den StR), Hans Künzi (ZH), Hans-Georg Lüchinger (ZH) und Georg Nef (SG) sowie der ehemalige SVP-Präsident Fritz Hofmann (BE) zu nennen.

Auch der Ständerat verlor einige profilierte und markante Persönlichkeiten, so die Freisinnigen Paul Bürgi (SG) und Hans Letsch (AG), die Christlichdemokraten Julius Binder (AG) und Franz Muheim (UR), den Basler Sozialdemokraten Eduard Belser, die SVP-Politiker Jakob Stucki (ZH) und Peter Gerber (BE) sowie den Neuenburger Liberalen Jean-François Aubert.

Eidgenössische Wahlen 1987 Rücktritte
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Noch nie bewarben sich so viele Kandidatinnen und Kandidaten auf so vielen Listen um einen Sitz im Nationalrat, und noch nie war der Frauenanteil so hoch. In den 21 Kantonen mit Proporzsystem wurden insgesamt 2400 Bewerbungen (davon 706 oder 29,4% Frauen) auf 222 Listen gezählt. Mehr als die Hälfte der Kandidierenden stammte aus den Kantonen Zürich und Bern (819 bzw. 528 Bewerbungen auf 35 bzw. 25 Listen), während in Appenzell Ausserrhoden nur die beiden Bisherigen antraten, so dass stille Wahlen stattfanden.

Vergleichszahlen Proporzkantone (Kandidaturen / davon Frauen / Listen): 1975: 1947 / 16,9% / 170; 1979: 1845 / 18,4% / 164; 1983: 1880 / 23,0% / 187

Eidgenössische Wahlen 1987 Kandidaturen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Diese starke Zunahme ist nicht nur auf die gehäufte Teilnahme grüner Gruppierungen zurückzuführen, von denen die Grüne Partei (GPS) in 11 und das Grüne Bündnis (GBS: POCH, Grüne und sozialistisch-grüne Alternative) in 14 Kantonen kandidierten. Zur Listenflut trug vor allem auch das Auftreten sogenannter Einthemenparteien bei sowie die Taktik der grossen Parteien, vermehrt mit «Sonderlisten» (Frauen, Junge, Regionen) um die Gunst der Wählenden zu werben. Zudem verstärkte sich die Tendenz, im Hinblick auf die Wahlen neue Parteien in mehreren Kantonen zu etablieren. So nahmen die Autopartei in 10 Kantonen der deutschen Schweiz, die ÖFP von Nationalrat Oehen (BE) in 6 Kantonen teil. Als einzige bewarben sich die FDP und die SP in allen Poporzkantonen (ausser AR), gefolgt von der CVP, die in Schaffhausen und Neuenburg keine Listen aufstellte. Die SVP und die äusserste Rechte wiederum stiegen je in 12 Kantonen ins Rennen. Mit 43,1 Jahren lag das Durchschnittsalter aller Kandidierenden leicht unter jenem von 1983 (44,5 Jahre).

Eidgenössische Wahlen 1987 Kandidaturen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Der seit 1971 verzeichnete stete Anstieg der weiblichen Kandidaturen setzte sich mit Ausnahme von Freiburg, Schaffhausen und der Waadt in allen Proporzkantonen fort, wobei Baselstadt mit 41,2 Prozent Frauen führte, gefolgt von Zug (37,5%), Baselland (35,7%), Solothurn (33,3%), Bern (33,0%) und der Waadt (30,6%). Am Schluss der Liste standen. Schaffhausen (12,5%) und Schwyz (11,1%); in Appenzell Ausserrhoden sowie in den Majorzkantonen blieb die Politik ausschliesslich Männersache. Mehr Kandidatinnen als Kandidaten präsentierte das Grüne Bündnis (55,3%); frauenfreundlicher als der Durchschnitt zeigten sich auch die Grüne Partei (44,0%), die PdA (42,9%) und als einzige Bundesratspartei die SP (37,6%), während die FDP und die CVP mit 20,9 Prozent und die SVP mit 14,3 Prozent klar unter dem Landesmittel lagen. Erstmals mit separaten Frauen- und Männerlisten traten die SP im Kanton Bern und die FDP im Kanton Solothurn an. Andere Parteien förderten die Kandidatur von Frauen mit Quotenregelungen oder indem sie ihnen aussichtsreiche Listenplätze reservierten.

Eidgenössische Wahlen 1987 Kandidaturen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Auch für den Ständerat, der in 20 Kantonen gleichzeitig mit dem Nationalrat bestellt wurde (zusammen 37 Sitze), bewarben sich mehr Personen denn je. Unter den insgesamt 83 Kandidierenden (1983: 73) befanden sich 15 Frauen (18,1%; 1983: 11 oder 15,1%), die zu fast 90% von linken und grünen Parteien und Gruppierungen portiert worden waren (7 SP, 2 POCH-GBS, 1 PdA, 1 GPS 1 LdU, 1 parteilos – gegenüber 2 CVP).

Eidgenössische Wahlen 1987 Kandidaturen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Eine starke Zunahme war auch bei den Bündnissen zu verzeichnen, welche die Parteien und Gruppierungen im Hinblick auf die Nationalratswahlen eingingen. Insgesamt wurden 64 Wahlallianzen geschlossen, davon 47 in Form von Listen- und 17 als Unterlistenverbindungen (1983: 36 Listen- und 11 Unterlistenverbindungen). Ausser in Zug und Appenzell Ausserrhoden kamen in allen Proporzkantonen Listenverbindungen zustande, im Wallis und im Jura allerdings keine parteiübergreifenden. An der Spitze lagen wiederum die Kantone Bern und Zürich, gefolgt von St. Gallen, beiden Basel, Solothurn und Aargau.

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Zu dieser Zunahme trugen vor allem die zahlreichen neuen Verbindungen im links-grünen Spektrum bei. Die verschiedenen grünen Gruppierungen, welche sich nicht auf eine einheitliche Allianzpolitik festlegten, sondern teils allein, teils mit anderen Grünen, teils mit der SP und teils mit dem LdU in den Kampf zogen, brachten die traditionellen Wahlbündnisse durcheinander. So schloss sich der Landesring, der sich 1983 fast überall mit der EVP verbündet hatte, nur noch in Zürich, St. Gallen und im Aargau mit seiner Fraktionspartnerin zusammen, während er in Bern, Baselstadt und Thurgau mit den Sektionen der Grünen Partei (GPS), in Solothurn mit dem Grünen Bündnis (GBS) und in Baselland mit der SP eine Allianz einging. Die EVP ihrerseits stieg in Bern und Baselstadt allein in die Wahlen; in Baselland schloss sie sich dem Bürgerblock an.

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Eine grundsätzliche Wende in der Allianzenfrage vollzogen die Sozialdemokraten. Während die Partei in der deutschen Schweiz bisher keine Wahlbündnisse geschlossen hatte, ging sie 1987 in acht Kantonen mit grünen Gruppierungen Listenverbindungen ein und gab damit ihrem «Willen zur Offnung» Ausdruck. Der häufigste Bündnispartner der SP war das Grüne Bündnis (LU, BS, SG, GR und AG). Dazu kamen die Grüne Partei (ZH), das Kritische Forum Schwyz und der LdU (BL). In die traditionelle Allianz mit der PdA in der Westschweiz (VD und GE) wurde in der Waadt auch das Grüne Bündnis aufgenommen.

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Jedoch scheiterten umfassende Wahlallianzen aller kandidierenden rot-grünen Gruppierungen - ausser in Luzern, Schwyz und Graubünden - meist an ideologischen Differenzen. In drei Kantonen (BE, ZG und FR) fand das Grüne Bündnis keine Allianzpartner, und die Grüne Partei kämpfte in der Westschweiz (VD, VS und GE) und im Tessin allein.

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Als Reaktion auf die rot-grüne Herausforderung war eine verstärkte Tendenz zum bürgerlichen Schulterschluss erkennbar. Zum ersten Mal verbanden in Schwyz die FDP und die SVP, in Graubünden die FDP, die SVP und die CVP ihre Listen; im Kanton Neuenburg versöhnten sich Liberale und Radikale wieder, und in Baselland umfasste die bürgerliche Entente als viertes Element die EVP. In neun weiteren Kantonen bestanden die gewohnten Zweier- und Dreierbündnisse. Eine Wahlallianz aller teilnehmenden bürgerlichen Parteien bestand in acht Kantonen (ZH, BS, BL, SH, GR, AG, NE und GE), ein bürgerliches Bündnis ohne die CVP in fünf Kantonen (BE, SZ, FR, TG und VD).

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Unter den rechts und rechtsaussen angesiedelten Gruppierungen kamen - ausser in Zürich, Bern und St. Gallen - keine Listenverbindungen zustande: Die NA und die ÖFP marschierten getrennt. Ohne Partner zog ferner auch die erstmals kandidierende Autopartei in den Kampf.

Eidgenössische Wahlen 1987 Listenverbindungen
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Der Wahlkampf wurde bereits anfangs Jahr eröffnet. Er stand unter dem Zeichen der Umweltschutzproblematik, war jedoch eher flau und spielte sich hauptsächlich in den Medien ab. Spektakuläre Wahlerfolge der Grünen in kantonalen Wahlen, vor allem in Zürich, sowie zahlreiche Meinungsumfragen erregten die Erwartung eines grünen Erdrutsches bei den Nationalratswahlen. Allerdings blieben diese Prognosen nicht unbestritten.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlkampf
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Die Umwelttarife lösten eine Welle von weiteren Tarifen und Wahlempfehlungen aus, die dafür sorgten, dass der Wahlkampf sehr personenbezogen geführt wurde. Zuerst erschien der «Sozialtarif» der Sozialdemokraten, der unter Beschuss geriet, weil er mit dem Kriterium der Unterstützung sozialpolitischer Anliegen vor allem die Nähe der Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur SP anzeigte. Ebenfalls nicht mehr ernst genommen wurde der «Demokratie- und Präsenztarif» des Landesrings, der auch parteiintern umstritten war. Auf die Aufstellung von Ranglisten und die Benotung einzelner Abgeordneter verzichteten dagegen der «Jugendtarif» der Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen, der die Standpunkte der verschiedenen. Parteien zu aktuellen jugendpolitischen Fragen auflistete, und der «Frauentarif», der das Engagement der Parteien für die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Parlament untersuchte. Mit dem Ziel, mehr Frauen als bisher ins Parlament zu bringen, führten verschiedene Frauenorganisationen wie schon 1983 Unterstützungskampagnen durch. Wahlaufrufe zugunsten von Frauen fanden auch in den Medien Resonanz. Als direkte Reaktion auf den Umwelttarif forderte ferner die Autolobby in Inseraten dazu auf, keine Autogegner in die eidgenössischen Räte zu wählen, und einzelne regionale Strassenverkehrsverbände publizierten Empfehlungslisten mit ihren Wunschkandidaten. Auch andere Organisationen beschränkten sich nicht mehr auf die Propaganda für ihre Mitglieder, sondern warben neu für alle ihren Anliegen nahestehenden Kandidierenden.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlkampf
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Da die Umweltschutzorganisationen mit dem «Umwelttarif 2» ihre Wahlbombe schon im Frühling platzen liessen, hatten die unter Beschuss geratenen Parteien genügend Zeit, mit gezielten Kampagnen Gegensteuer zu geben. Bei den traditionell im Vorfeld der Wahlen abgehaltenen Parteiprogrammtagungen ging es denn auch weniger um eine bindende Festlegung des Kurses der künftigen Politik, als vielmehr darum, in den Medien zu erscheinen und möglichst viele Wahlberechtigte anzusprechen. Besonders deutlich wurde dies bei den Freisinnigen, die das brisante und in der Partei im Anwendungsfall heftig umstrittene Instrument der Lenkungsabgaben in der Umweltschutzpolitik ohne Gegenstimme guthiessen. Die Konzentration auf den Umweltschutz, zu dem sich zumindest in der Werbung alle bekennen konnten, führte dazu, dass in den weitgehend von professionellen Agenturen konzipierten Kampagnen der grösseren Parteien mehr Gewicht auf allgemeine Slogans gelegt wurde als auf Stellungnahmen zu konkreten Sachfragen.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlkampf
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Dass sich der Wahlkampf fast ausschliesslich in den Medien abspielte, und dass - etwa im Gegensatz zu amerikanischen Verhältnissen - öffentliche Veranstaltungen und Aktionen in der Schweiz kaum Resonanz finden, war bereits in früheren Wahlen festzustellen. Kaum helvetischen Gebräuchen entsprach hingegen, dass das Parlament kurz vor dem Urnengang wahlpolitisch motivierte Entscheide fällte. In der Herbstsession wurde auf Initiative der drei bürgerlichen Bundesratsparteien ein Sofortprogramm für die steuerliche Entlastung von Familien aus der Vorlage für eine Steuerharmonisierung herausgepickt und gegen den Widerstand des Bundesrates und der Linksparteien im beschleunigten Verfahren von beiden Kammern noch vor den Wahlen verabschiedet. Die Linke ihrerseits machte sich die im Zusammenhang mit den diversen Wahltarifen erhobene Forderung nach vermehrter Transparenz des Stimmverhaltens im Parlament zunutze. Die früher zweimal abgelehnte Einführung eines elektronischen Abstimmungsverfahrens im Nationalrat wurde am letzten Sessionstag in einer von der SP verlangten Abstimmung unter Namensaufruf deutlich gutgeheissen.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlkampf
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Der Werbeaufwand der Parteien und insbesondere der einzelnen Kandidierenden ist kaum zu überblicken. Nach begründeten Schätzungen nahm der Inserateaufwand, der den gewichtigsten Teil der Werbekosten ausmacht, gegenüber 1983 sowohl mengen- als auch kostenmässig um rund 20 Prozent ab. Gesamtschweizerisch wurden im Vorfeld der Nationalratswahlen 17 000 Inserate mit einem Bruttowert von CHF 5,8 Mio. publiziert (1983: CHF 7,4 Mio.). Für den gesamten Wahlkampf standen den einzelnen Parteien höchst unterschiedliche Werbebudgets zur Verfügung. Da sie diese nicht offenlegen müssen, bestehen hingegen keine zuverlässigen Zahlen. Auffällig waren die Differenzen bei den Summen, welche für einzelne Kandidierende ausgelegt wurden (zwischen CHF 100.- und rund 500 000.- ). Vor allem im bürgerlichen Lager standen zum Teil beträchtliche Mittel zur Verfügung.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlkampf
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Nachdem sich der seit Kriegsende beobachtete massive Rückgang der Wahlbeteiligung 1983 zu stabilisieren schien, erreichte die Partizipation 1987 mit 46,5 Prozent einen erneuten Tiefstand und damit das tiefste Niveau seit Einführung der Proporzwahl 1919. In 22 Kantonen gingen weniger Stimmberechtigte zur Urne als vier Jahre zuvor. Nur in Zürich, Uri, Obwalden und Solothurn wurde wegen spannender Majorz-Kampfwahlen die Beteiligung von 1983 übertroffen. Die tiefste Partizipation verzeichneten die Majorzkantone Appenzell Innerrhoden (22,6%), Glarus (22,7%) und Nidwalden (23,4%), in denen einmal mehr ein direkter Zusammenhang zwischen der Mobilisierung der Stimmberechtigten und der Zahl der Bewerbungen festgestellt werden konnte (je ein Kandidat in GL und NW, der Bisherige und ein chancenloser Herausforderer in AI). Demgegenüber nahm in Obwalden und Uri, wo mit 4 bzw. 3 Bewerbungen um einen Sitz eine echte Auswahl bestand, die Beteiligung im Vergleich zu 1983 wieder stark zu (+20% bzw. +16%). Erheblich über dem schweizerischen Durchschnitt lagen die Stände mit traditionell hoher Beteiligung (SH, SO, TI, VS und LU), wobei die Partizipation in allen ausser Solothurn sank und in Schaffhausen erstmals unter 70 Prozent fiel.

Vergleichszahlen: 1971: 56,9%; 1975: 52,4%; 1979: 48,0%; 1983: 48,9%.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlbeteiligung
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Als wichtigste Motive für die Wahlabstinenz weist die VOX-Analyse aufgrund von Befragungen neben okkasionellen Gründen (28% der Nicht-Teilnehmenden) weiterhin politisches Desinteresse (22%), Überforderung (20%) und Resignation (17%) nach. Bestätigt wurde auch die aus früheren Untersuchungen gewonnene Feststellung, dass Bürger und Bürgerinnen mit Bindung an eine Partei und insbesondere an eine Regierungspartei stärker partizipieren als parteipolitisch nicht festgelegte Wahlberechtigte. Während die bürgerlichen Bundesratsparteien – allen voran die SVP – die überdurchschnittliche Beteiligung ihrer Anhängerschaft wieder im Rahmen der letzten Wahlen halten konnten, gelang es der SP jedoch weniger gut, ihre Sympathisanten zu mobilisieren. Nach Berufsgruppen betrachtet, verzeichneten erneut die Angehörigen der niedrigen Lohnklassen stark unterdurchschnittliche Beteiligungsraten. Verglichen mit 1983 sank die Partizipation der Facharbeiter - und damit des traditionellen SP-Potentials - am stärksten (von 5% auf 15% unter dem Durchschnitt), gefolgt von jener der ungelernten Arbeiter (von -5% auf -9%) und jener der Beamten und Angestellten in einfacher Stellung (von -17% auf -18%). Den höchsten Mobilisierungsgrad (27% über dem Durchschnitt) erreichte demgegenüber die Grüne Partei, deren Anhängerschaft sich zu drei Vierteln an den Wahlen beteiligte.

Vergleich mit der durchschnittlichen Wahlbeteiligung (1979/1983/1987): SVP +27%/+23%/ +23%; CVP +21%/+21%/+20%; FDP +19%/+17%/+16%; SP +15%/+15%/+12%.

Eidgenössische Wahlen 1987 Wahlbeteiligung
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Die «Hoffnungswahl» wurde für jene, die eine «rot-grüne Wende» erwartet hatten, zur Enttäuschung: Der prognostizierte Stimmenzuwachs der Grünen hielt sich in Grenzen und führte nur zum Teil zu Sitzgewinnen. Zudem ging der grüne Vormarsch hauptsächlich auf Kosten der Sozialdemokraten, die mit 41 Sitzen und einem Wähleranteil von 18,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1919 erzielten. Demgegenüber behaupteten die bürgerlichen Parteien ihre Position; allerdings wurde auch ihre Stammwählerschaft kleiner. Bei der SVP wirkten die prophezeiten Verluste und der dadurch in Frage gestellte Bundesratssitz zusätzlich mobilisierend, und sie konnte sich mit zwei Mandatsgewinnen (je 1 in ZH und AG) als Wahlsiegerin feiern lassen, obwohl ihr Wähleranteil leicht zurückging. Die FDP blieb gesamtschweizerisch die stärkste Partei, gefolgt von der CVP, welche die SP überrundete.

Eidgenössische Wahlen 1987 Resultate Nationalrat
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Doch auch das bürgerliche Lager steht nicht glanzvoll da. Wie alle Parteien mit Ausnahme der Grünen, des LdU und der neu teilnehmenden Autopartei büsste es gegenüber 1983 Wähleranteile ein (CVP -0,7%, FDP -0,4%, SVP und LP je -0,1 %). Allerdings verkleinerte sich dadurch nur die Nationalratsfraktion der FDP (je -1 Sitz in ZH, SG und VD). Die Liberalen gewannen ein Mandat in Basel-Stadt, und bei der CVP hielten sich 5 Gewinne und 5 Verluste die Waage. Trotz grösseren Wählereinbussen konnte die CVP dabei in St. Gallen - dank Listenverbindung mit der CSP - den Freisinnigen einen Sitz abnehmen und im Jura das bisherige SP-Mandat erobern.

Auch bei den Sozialdemokraten, deren Wahlbilanz mit 6 Sitzverlusten (-4,4% Wähleranteil) schloss, entsprachen die Mandatsverschiebungen nicht immer den Wählerbewegungen. In Schwyz (-6,7%) verhalf ihnen das Bündnis mit dem Kritischen Forum zu einem Sitz, während sie im Jura (+7,7%) ihr Mandat ohne Listenverbindung mit den unabhängigen Christlichsozialen nicht mehr halten konnten.

Für die kleinen Parteien wiederum - und insbesondere für die Grünen - wirkte sich die grosse Anzahl kleiner Wahlkreise einmal mehr ungünstig aus. Da in kleinen Kantonen ein Drittel bis die Hälfte, in mittelgrossen 10 - 20 Prozent aller Stimmen für ein Mandat erforderlich sind und somit für 82 der 200 Nationalratssitze ein faktisches Quorum von mindestens 10 Prozent der Stimmen besteht, gingen sie vielerorts trotz grossen Gewinnen an Wähleranteilen leer aus (nur in sechs Kantonen [ZH, BE, SG, AG, VD und GE; zusammen 118 Sitze] braucht es weniger als 10% der Stimmen für ein Vollmandat, am wenigsten in Zürich [2,8%] und Bern [3,3%]). So erzielte etwa das Kritische Forum Schwyz auf Anhieb 12 Prozent der Wählerstimmen, jedoch keinen Sitz. Ähnlich erging es dem Grünen Bündnis in Luzern, Zug, Solothurn, und Graubünden sowie der Grünen Partei in Basel-Landschaft. Zusammen vereinigten die Grünen zwar 9 Prozent der Wählerinnen und Wähler auf sich, gewannen aber nur 13 Sitze, während die SVP mit 11 Prozent Wähleranteil auf 25 Mandate kam.

Eidgenössische Wahlen 1987 Resultate Nationalrat
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Nach aktuellen Parteistärken betrachtet, lässt sich die politische Geographie folgendermassen charakterisieren: Der Vormarsch der Grünen setzte sich fort, und sie legten neu vor allem auch in ländlicheren Kantonen zu. Allerdings stagnierten sie mit Ausnahme von Freiburg in der Romandie und steckten in Neuenburg gar leichte Verluste ein. Die Überfremdungsparteien konnten dagegen trotz Comeback-Versuchen in einigen Kantonen das 1983 gewonnene Terrain nicht halten und verloren vor allem in ihren bisherigen Hochburgen. Ein Teil ihrer Wählerschaft dürfte zur Autopartei abgesprungen sein, welche auf Anhieb zum Teil beachtliche Wähleranteile erzielte (über 5% in TG, AG und SG). Die Wählerstärke des bürgerlichen Lagers nahm in fast allen Kantonen ab. Ins Gewicht fielen vor allem die Einbussen in Schwyz (-10,3%), Graubünden (-8,8%), St. Gallen (-6,7%), Zug (-5,5%) und Freiburg (-3,7%), in denen die Grünen und zum Teil auch die Autopartei auf dem Vormarsch waren. Grössere Wählergewinne verbuchte der Bürgerblock nur in Genf (+3,1%), wo die Vigilance fast 40 Prozent der Stimmen und damit ihren Sitz verlor. Auffällig sind ferner die Einbussen der Freisinnigen in St. Gallen und im Tessin; andererseits konnte die FDP in Schaffhausen wieder Terrain gut machen und in Obwalden auf Anhieb über 30 Prozent der Stimmen erzielen. Die Christlichdemokraten ihrerseits hatten gerade in traditionellen CVP-Hochburgen die grössten Verluste zu verzeichnen (OW, SZ, ZG, JU). In den eher ländlichen und katholischen Kantonen holte zudem das grüne und linke Lager auf. Die SVP schliesslich gewann im Aargau und in Zürich, wo sich der aufwendige Ständeratswahlkampf Christoph Blochers wenigstens in einem weiteren Nationalratsmandat auszahlte, verlor allerdings leicht im Kanton Bern.

Eidgenössische Wahlen 1987 Resultate Nationalrat
Dossier: Eidgenössische Wahlen 1987 - Überblick

Für die Sozialdemokraten waren die Wählereinbussen in der deutschen Schweiz beträchtlicher als in der Romandie. Ausser in Schaffhausen, Zug und Luzern verloren sie in allen Deutschschweizer Ständen massiv (zwischen 5 und 10%), während in den welschen Kantonen der höchste Verlust 2,2 Prozent (NE) betrug und in der Waadt (+0,6%) und im Jura (+7,7%) gar Gewinne zu verzeichnen waren. Dieses unterschiedliche Abschneiden kann mit dem unterschiedlichen Auftreten der SP vor den Wahlen in Zusammenhang gebracht werden. In der deutschen Schweiz kam die Öffnung und der Identitätswandel der Partei stärker zum Ausdruck, was sich unter anderem im Eingehen von Wahlallianzen mit den Grünen zeigte. Mit der Integration der ökologischen in die soziale Thematik gelang es der SP zwar, neue Wählerschichten anzusprechen, dagegen konnte sie die traditionelle, gewerkschaftlich orientierte Wählerschaft kaum mobilisieren - wie die schlechteren Resultate der Gewerkschafter auf den SP-Listen oder gar die Abwahlen einzelner Exponenten zeigen. So wurden trotz Sitzverlusten eine Reihe von SP-Politikerinnen und Politikern des linksintellektuellen Flügels gewählt, die sich durch ihr Engagement für Umweltfragen einen Namen gemacht hatten und die nun bestandene Gewerkschaftsvertreter verdrängten.

Eidgenössische Wahlen 1987 Resultate Nationalrat
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