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Radio und Fernsehen mit ihrem uneingeschränkten Ausstrahlungs- und Beeinflussungsvermögen erregten weiterhin die öffentliche Aufmerksamkeit. Behördenvertreter führten die Schwierigkeiten, die sich insbesondere in Personalfragen ausdrückten, auf eine Wachstumskrise der Massenmedien zurück. Demgegenüber machten mehrere Redner in einer Nationalratsdebatte im Juni, die sich mit zahlreichen parlamentarischen Vorstössen zu Radio und Fernsehproblemen befasste, ein strukturelles Ungenügen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) geltend. Die Sozialdemokraten riefen nach einer personellen Ausweitung der Generaldirektion sowie mit Unterstützung der Unabhängigen nach der Verlagerung der Programmhoheit in die Regionen und nach Mitbestimmung für das Personal. Auch die Christlichdemokraten waren der Meinung, dass, solange die SRG ein Monopolbetrieb sei, Rekurs-, Kontroll- und Mitbestimmungsmöglichkeiten einzubauen seien, am besten in der Form eines unabhängigen Radio- und Fernsehrates. Die Frage der Programmfreiheit spaltete den Rat in zwei Lager. Auf der einen Seite befürworteten die Sozialdemokraten eine uneingeschränkte Programmfreiheit; sie erklärten Objektivität in der Programmgestaltung als unrealisierbar. Auf der andern Seite riefen Vertreter der bürgerlichen Parteien wegen des Monopolcharakters der Massenmedien nach einer gewissen Kontrollmöglichkeit durch politische Instanzen. Bundesrat Bonvin wies in seiner Antwort darauf hin, dass seit Oktober 1970 eine juristische Expertenkommission sich mit der Ausarbeitung eines Verfassungsartikels über Radio und Fernsehen befasse. Mit der Überprüfung der Strukturen habe die SRG ein Spezialbüro für Organisationsfragen beauftragt. In der Richtung auf eine Einführung der innerbetrieblichen Mitbestimmung wurde ein Fortschritt erzielt: SRG und Personalverbände von Radio und Fernsehen schlossen im Herbst eine Vereinbarung ab, die paritätische Studiokommissionen und eine gesamtschweizerische paritätische Arbeitsgruppe beauftragte, konkrete Vorschläge auszuarbeiten. Am Jahresende wählte der Bundesrat nach längeren Auseinandersetzungen den Tessiner Stelio Molo als Nachfolger des altershalber zurücktretenden Marcel Bezençon zum neuen Generaldirektor der SRG.

Debatte um die Programmfreiheit und Programmstrategie SRG

Die im Jahre 1970 erhobene Kritik, dass die Information aus dem Bundeshaus in Krisensituationen ungenügend sei, bewog den Bundesrat, zwei von der Bundeskanzlei ausgearbeitete Erlasse in Kraft zu setzen. Der eine sah die Einrichtung von Einsatzzentralen in allen Departementen vor, und der andere betraf die Aufgaben und Zuständigkeiten eines Informationschefs für Krisensituationen. Für dieses Amt sah man den Vizekanzler für Information vor, der mit der Presse und den Massenmedien in enger Verbindung stehen sollte. Um das Auftreten von Bundesräten am Fernsehen zu regeln, sah eine Vereinbarung zwischen dem Bundesrat und der SRG drei Arten von Auftritten vor, nämlich die Verlesung einer offiziellen Erklärung zu wichtigen Ereignissen, das Auftreten vor Abstimmungen in Form einer Unterhaltung mit Journalisten, auf die unmittelbar eine kontradiktorische Aussprache ohne Beteiligung des Magistraten folgen sollte, und schliesslich Plaudereien am Kaminfeuer. Die gleichzeitig getroffene Regelung, dass Journalisten nur noch auf dem Dienstweg Kontakt mit hohen Beamten aufnehmen dürften, wurde nach einer Beanstandung durch die Arbeitsgemeinschaft Berufsjournalisten SRG zurückgenommen. Gegenüber der Schaffung eines umfassenden eidgenössischen Informationssystems und einer informatorischen Koordination zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden zeigte sich der Bundesrat eher zurückhaltend, nahm jedoch ein entsprechendes Postulat entgegen.

Informationspolitik des Bundes

Auch im abgelaufenen Jahr war der Bundesrat nicht in der Lage, einen Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen samt einem Entwurf für die Ausführungsgesetzgebung vorzulegen. Die Verzögerung, die Kritik hervorrief, war bedingt durch unterschiedliche Vorstellungen über den Inhalt der Radio- und Fernsehfreiheit, die sich auch in der Öffentlichkeit manifestierten. Neben zahlreichen auf Einzelfälle beschränkten Vorstössen im Parlament wurde insbesondere ein Postulat Schürmann (k.-chr., SO) überwiesen; dieses enthielt die Forderung, es seien vermehrt politische, wirtschaftliche und soziale Fragen am Fernsehen zu behandeln, wobei möglichst viele Meinungen berücksichtigt werden sollten.

Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen

Mehrere Ereignisse des abgelaufenen Jahres boten Anlass zum Überdenken der Informationspolitik. Im Anschluss an die Abstimmung über die Überfremdungsinitiative meinte Pierre Béguin, unser Land setze sich grossen Gefahren des inneren Auseinanderlebens aus, wenn die Information und der Kontakt zwischen den sozialen Gruppen nicht neu überdacht würden. Im Zusammenhang mit den Flugzeugentführungen wurde festgestellt, dass die Information aus dem Bundeshaus in Krisensituationen ungenügend sei. Von verschiedener Seite ertönte der Ruf nach einem Informationszentrum und nach Einsetzung eines Sprechers des Bundesrates. Der Wunsch nach regelmässigen Sendezeiten für den Bundesrat am Fernsehen verstärkte sich, als bekannt wurde, dass Bundesrat Celio vor der Abstimmung über die Bundesfinanzreform keine Gelegenheit zur Verteidigung seiner Vorlage geboten worden war. Dem weiteren Ausbau der sachlichen Information dienten die vom Bundesrat erlassenen internen Richtlinien über das Vorverfahren der Gesetzgebung. Bei Einleitung eines Vernehmlassungsverfahrens soll in der Regel auch die Presse die einschlägige Dokumentation erhalten; ausserdem haben die Ergebnisse des Verfahrens normalerweise nicht mehr vertraulichen Charakter.

Informationspolitik des Bundes

Mit dem Erscheinen des Bonjour-Berichts als Band vier bis sechs von Edgar Bonjours «Geschichte der schweizerischen Neutralität» in der ersten Jahreshälfte und einer von Pro Helvetia betreuten französischen Fassung im Winter 1970/71 war eine wissenschaftliche Information über die jüngste Vergangenheit gegeben, die eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit auslöste. In der deutschen Schweiz wurde die Publikation im ganzen lobend zur Kenntnis genommen. In der welschen Schweiz erregte jedoch die Trübung des Bildes von General Guisan die Gemüter, und auch die Haltung von Bundesrat Pilet wurde nuancierter gewürdigt.

Edgar Bonjours «Geschichte der schweizerischen Neutralität»