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  • Medienpolitische Grundfragen

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Umfassende Presseförderungsmassnahmen, wie sie seit 1967 angestrebt worden waren, schienen trotz der Publikation gewichtiger Dokumente noch in weiter Ferne zu liegen. Die Frage, wie der notleidenden Presse geholfen werden kann, blieb auch 1975, nach einer auf breiter Basis geführten Diskussion, offen. Diese stützte sich auf einen über 800 seitigen Bericht der 1973 eingesetzten Expertenkommission, die gleichzeitig auch Entwürfe für einen revidierten Verfassungsartikel 55 über das Presserecht, für einen neuen Artikel 55bis über die Presseförderung und für ein Presseförderungsgesetz vorlegte. Art. 55 BV garantiert nach diesen Entwürfen nicht nur – wie bisher – die Pressefreiheit, sondern auch die Freiheit der Meinungsäusserung, der Meinungsbildung und der Information. Art. 55bis BV gibt dem Bund die Kompetenz zum Schutz und zur Förderung einer vielfältigen und unabhängigen Presse. Die erforderlichen Massnahmen, die vorwiegend aus «Infrastrukturhilfe» bestehen, sind im Presseförderungsgesetz festgelegt. Die jährlichen Kosten veranschlagte die Kommission auf rund CHF 56 Mio. gegenüber dem Vorentwurf von 1973 verzichtete man auf eine Sicherung der inneren Pressefreiheit mit der Begründung, dass die Stellung der Redaktionen und Mitarbeiter im Kollektivvertrag geregelt werden sollte. Im Vernehmlassungsverfahren, in welches die beiden Verfassungsartikel geschickt wurden, stiessen wie schon in den Debatten der Vorjahre die unterschiedlichsten Meinungen aufeinander. Vorbehalte und Bedenken äusserten insbesondere auch Zeitungsleute. Gewisse Erleichterungen für die Meinungspresse ergaben sich durch Beschlüsse der eidgenössischen Räte, die bei der Revision des Postverkehrsgesetzes von den Vorschlägen des Bundesrates abwichen und die beantragten Transporttaxen für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften ermässigten. Im Interesse der Förderung der Presse übernahm damit die PTT zu den bereits bestehenden Einnahmeneinbussen von gegen CHF 160 Mio. (1974) zusätzliche Mindereinnahmen von jährlich CHF 20 – 30 Mio. Über die Vorschläge für einen verstärkten Persönlichkeitsschutz, die auch von gemässigten Blättern als unakzeptabel zurückgewiesen wurden, haben wir bereits berichtet.

Wettbewerbs- und Entwicklungsschwierigkeiten der Printmedien und Zeitungssterben

Die Informationspolitik stand verschiedentlich zur Diskussion, vor allem im Zusammenhang mit den Volksabstimmungen über finanz- und konjunkturpolitische Regierungsvorlagen, deren Verwerfung als Zeichen eines «Informationsnotstandes» gedeutet werden konnte. Informations- und Verständigungsprobleme stellten sich aber nicht nur in der Finanz- und Konjunkturpolitik, sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen, am dringlichsten wohl in den Auseinandersetzungen um den Bau von Atomkraftwerken. Daneben zeigten auch bereits zur Sprache gekommene Fragen der Aussenpolitik, der Raumplanung und des Umweltschutzes die Notwendigkeit eines vielfältigen und leistungsfähigen Kommunikationssystems auf. Die Informationspolitik des EMD geriet von verschiedenen Seiten unter Beschuss, namentlich im Zusammenhang einer Intervention des Pressechefs E. Mörgeli gegen eine vom Fernsehen ausgestrahlte «Guetnacht»-Geschichte für Kleinkinder. Die SPS forderte bei den Verhandlungen um die Legislaturziele den Rücktritt E. Mörgelis. Eine Studiengruppe der CVP veröffentlichte «Ziele und mögliche Massnahmen für eine schweizerische Kommunikationspolitik», und eine Motion Oehler (cvp, SG), die ein Gesamtkonzept über die Massenmedien forderte, wurde vom Bundesrat als Postulat entgegengenommen.

Informationspolitik des Bundes

Trotz der gespannten Lage kamen die parlamentarischen Beratungen des neuen Verfassungsartikels für Radio und Fernsehen bis auf wenige, materiell unbedeutende Fragen zu einem Abschluss. Verantwortlich für die umgehende Behandlung waren nicht zuletzt die Probleme des Kabelfernsehens, die dringlich nach einer Lösung verlangten. Rufe nach einer umfassenden verfassungsrechtlichen Ordnung des gesamten Kommunikationsbereichs mussten demgegenüber in den Hintergrund treten. Der Ständerat überwies der Grossen Kammer Ende Januar einen sehr detaillierten Entwurf, dessen wesentlichste Punkte wir bereits erwähnt haben. Besondere Beachtung fand die Befürwortung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz, welche hauptsächlich von den Westschweizer und Tessiner Standesherren, die allgemein liberalere Auffassungen vertraten, bekämpft worden war. Im Nationalrat verdeutlichten längere Debatten einmal mehr die Standpunkte. Einem Lager konservativ-bürgerlicher Ratsherren, welche die umstrittenen Medien als mächtige «vierte Gewalt» einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen suchten, standen vorwiegend linke, aber auch liberale und christlich-soziale Exponenten gegenüber, welche die unerlässliche Kritikfunktion der Medien unterstrichen und insbesondere auch die Verankerung der Freiheit der Programmschaffenden forderten. Dass es in dieser Frage zu keinem schwerwiegenden Bruch kam, war in einer wichtigen Verhandlungsphase einem differenzierten Kompromissvorschlag von A. Müller-Marzohl (cvp, LU) zu verdanken, der eine freiheitliche Gestaltung der Programme «im Rahmen der Richtlinien» vorschlug. Die Grosse Kammer straffte im übrigen die Vorlage in einigen Punkten und übertrug ausserdem dem Bund die im Hinblick auf das Kabelfernsehen bedeutsame Kompetenz, für die Verbreitung von Programmen Konzessionen zu erteilen. Die Kommentatoren fanden für die Debatten und für deren Ergebnisse nicht überall gute Worte. Hans Tschäni sprach gar von einer überempfindlichen, engdenkenden Politikergeneration, die das Risiko der Freiheiten nicht mehr akzeptiere.

Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen

Die Reorganisationsbestrebungen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) nahmen mit der Publikation einer Studie zur «Funktion und Struktur der Trägerschaft SRG» ihren Fortgang. Während die Reformvorschläge, die allgemein auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen SRG und Öffentlichkeit abzielten, in der Presse eine gute Aufnahme fanden, wurde der Umstand kritisiert, dass der Bericht lediglich in ein SRG-internes Vernehmlassungsverfahren geschickt worden war.

Debatte um die Programmfreiheit und Programmstrategie SRG

Im Bereich der Berufsorganisationen der Presse brachte das Jahr 1974 die Kündigung des Kollektivvertrags in der Westschweiz. Der Zentralvorstand des Vereins der Schweizer Presse (VSP) entschloss sich zu diesem Schritt, als sich die in der Union romande de journaux (URJ) zusammengeschlossenen Verleger ausserstande erklärten, die im Oktober von einer paritätischen Kommission VSP/ URJ ausgearbeiteten Revisionen zu genehmigen.

Im Bereich der Berufsorganisationen der Presse brachte das Jahr 1974 die Kündigung des Kollektivvertrags in der Westschweiz

Die Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Informationssendungen des Fernsehens verschärften sich, als sich Ende Januar eine überparteiliche Vereinigung schweizerischer Fernsehzuschauer und Radiohörer, die «Schweizerische Fernseh und Radio-Vereinigung» (SFRV) konstituierte. Die SFRV, als deren Präsident Nationalrat W. Hofer (svp, BE) gewählt wurde, will «nachgewiesene Tendenzen zur einseitigen Beeinflussung des Publikums» bekämpfen und unter anderem auch an der Ausarbeitung des Verfassungstextes und der Gesetzgebung über Radio und Fernsehen mitarbeiten. Die Gründung stiess auch im Kreise der in der SFRV vertretenen Parteien CVP, FDP und LdU vorwiegend auf Skepsis oder Ablehnung. Man äusserte Zweifel an der Möglichkeit der «unautorisierten» SFRV, ihre anspruchsvollen Ziele zu verwirklichen, und wies darauf hin, dass es in erster Linie Aufgabe der zuständigen Konzessionsbehörde – der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft – sei, eine einseitige Berichterstattung zu verhindern. Im April wandte sich eine von zahlreichen Persönlichkeiten unterstützte «Aktion Freiheit für Radio und Fernsehen» gegen «Druckversuche» im Bereich der freien Meinungsbildung. Ins Schussfeld der Kritik gelangte vor allem eine Berichterstattung zur Chile-Debatte aus dem Bundeshaus. Eine Repräsentativumfrage über allfällige politische Tendenzen der Tagesschau ergab ein Resultat, welches die Bedeutung des anhaltenden Seilziehens um das «Monopolärgernis» Fernsehen relativiert: 54 Prozent der Befragten beurteilten die Tagesschau als politisch neutral, zehn Prozent als eher zu rechts und acht Prozent als eher zu links.

Debatte um die Programmfreiheit und Programmstrategie SRG

Der Bundesrat widmete dem Verlangen nach einer ungehinderten und möglichst breiten Information der Bürger als Voraussetzung der Demokratie seine Aufmerksamkeit. Er erklärte sich zur Prüfung der Frage bereit, ob den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen künftig ein erläuternder Text beigegeben werden solle, der sich durch grösste Objektivität von den parteipolitischen Stellungnahmen abzuheben hätte.

Informationspolitik des Bundes

Radio und Fernsehen mit ihrem uneingeschränkten Ausstrahlungs- und Beeinflussungsvermögen erregten weiterhin die öffentliche Aufmerksamkeit. Behördenvertreter führten die Schwierigkeiten, die sich insbesondere in Personalfragen ausdrückten, auf eine Wachstumskrise der Massenmedien zurück. Demgegenüber machten mehrere Redner in einer Nationalratsdebatte im Juni, die sich mit zahlreichen parlamentarischen Vorstössen zu Radio und Fernsehproblemen befasste, ein strukturelles Ungenügen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) geltend. Die Sozialdemokraten riefen nach einer personellen Ausweitung der Generaldirektion sowie mit Unterstützung der Unabhängigen nach der Verlagerung der Programmhoheit in die Regionen und nach Mitbestimmung für das Personal. Auch die Christlichdemokraten waren der Meinung, dass, solange die SRG ein Monopolbetrieb sei, Rekurs-, Kontroll- und Mitbestimmungsmöglichkeiten einzubauen seien, am besten in der Form eines unabhängigen Radio- und Fernsehrates. Die Frage der Programmfreiheit spaltete den Rat in zwei Lager. Auf der einen Seite befürworteten die Sozialdemokraten eine uneingeschränkte Programmfreiheit; sie erklärten Objektivität in der Programmgestaltung als unrealisierbar. Auf der andern Seite riefen Vertreter der bürgerlichen Parteien wegen des Monopolcharakters der Massenmedien nach einer gewissen Kontrollmöglichkeit durch politische Instanzen. Bundesrat Bonvin wies in seiner Antwort darauf hin, dass seit Oktober 1970 eine juristische Expertenkommission sich mit der Ausarbeitung eines Verfassungsartikels über Radio und Fernsehen befasse. Mit der Überprüfung der Strukturen habe die SRG ein Spezialbüro für Organisationsfragen beauftragt. In der Richtung auf eine Einführung der innerbetrieblichen Mitbestimmung wurde ein Fortschritt erzielt: SRG und Personalverbände von Radio und Fernsehen schlossen im Herbst eine Vereinbarung ab, die paritätische Studiokommissionen und eine gesamtschweizerische paritätische Arbeitsgruppe beauftragte, konkrete Vorschläge auszuarbeiten. Am Jahresende wählte der Bundesrat nach längeren Auseinandersetzungen den Tessiner Stelio Molo als Nachfolger des altershalber zurücktretenden Marcel Bezençon zum neuen Generaldirektor der SRG.

Debatte um die Programmfreiheit und Programmstrategie SRG

Die im Jahre 1970 erhobene Kritik, dass die Information aus dem Bundeshaus in Krisensituationen ungenügend sei, bewog den Bundesrat, zwei von der Bundeskanzlei ausgearbeitete Erlasse in Kraft zu setzen. Der eine sah die Einrichtung von Einsatzzentralen in allen Departementen vor, und der andere betraf die Aufgaben und Zuständigkeiten eines Informationschefs für Krisensituationen. Für dieses Amt sah man den Vizekanzler für Information vor, der mit der Presse und den Massenmedien in enger Verbindung stehen sollte. Um das Auftreten von Bundesräten am Fernsehen zu regeln, sah eine Vereinbarung zwischen dem Bundesrat und der SRG drei Arten von Auftritten vor, nämlich die Verlesung einer offiziellen Erklärung zu wichtigen Ereignissen, das Auftreten vor Abstimmungen in Form einer Unterhaltung mit Journalisten, auf die unmittelbar eine kontradiktorische Aussprache ohne Beteiligung des Magistraten folgen sollte, und schliesslich Plaudereien am Kaminfeuer. Die gleichzeitig getroffene Regelung, dass Journalisten nur noch auf dem Dienstweg Kontakt mit hohen Beamten aufnehmen dürften, wurde nach einer Beanstandung durch die Arbeitsgemeinschaft Berufsjournalisten SRG zurückgenommen. Gegenüber der Schaffung eines umfassenden eidgenössischen Informationssystems und einer informatorischen Koordination zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden zeigte sich der Bundesrat eher zurückhaltend, nahm jedoch ein entsprechendes Postulat entgegen.

Informationspolitik des Bundes

Auch im abgelaufenen Jahr war der Bundesrat nicht in der Lage, einen Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen samt einem Entwurf für die Ausführungsgesetzgebung vorzulegen. Die Verzögerung, die Kritik hervorrief, war bedingt durch unterschiedliche Vorstellungen über den Inhalt der Radio- und Fernsehfreiheit, die sich auch in der Öffentlichkeit manifestierten. Neben zahlreichen auf Einzelfälle beschränkten Vorstössen im Parlament wurde insbesondere ein Postulat Schürmann (k.-chr., SO) überwiesen; dieses enthielt die Forderung, es seien vermehrt politische, wirtschaftliche und soziale Fragen am Fernsehen zu behandeln, wobei möglichst viele Meinungen berücksichtigt werden sollten.

Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen

Mehrere Ereignisse des abgelaufenen Jahres boten Anlass zum Überdenken der Informationspolitik. Im Anschluss an die Abstimmung über die Überfremdungsinitiative meinte Pierre Béguin, unser Land setze sich grossen Gefahren des inneren Auseinanderlebens aus, wenn die Information und der Kontakt zwischen den sozialen Gruppen nicht neu überdacht würden. Im Zusammenhang mit den Flugzeugentführungen wurde festgestellt, dass die Information aus dem Bundeshaus in Krisensituationen ungenügend sei. Von verschiedener Seite ertönte der Ruf nach einem Informationszentrum und nach Einsetzung eines Sprechers des Bundesrates. Der Wunsch nach regelmässigen Sendezeiten für den Bundesrat am Fernsehen verstärkte sich, als bekannt wurde, dass Bundesrat Celio vor der Abstimmung über die Bundesfinanzreform keine Gelegenheit zur Verteidigung seiner Vorlage geboten worden war. Dem weiteren Ausbau der sachlichen Information dienten die vom Bundesrat erlassenen internen Richtlinien über das Vorverfahren der Gesetzgebung. Bei Einleitung eines Vernehmlassungsverfahrens soll in der Regel auch die Presse die einschlägige Dokumentation erhalten; ausserdem haben die Ergebnisse des Verfahrens normalerweise nicht mehr vertraulichen Charakter.

Informationspolitik des Bundes

Mit dem Erscheinen des Bonjour-Berichts als Band vier bis sechs von Edgar Bonjours «Geschichte der schweizerischen Neutralität» in der ersten Jahreshälfte und einer von Pro Helvetia betreuten französischen Fassung im Winter 1970/71 war eine wissenschaftliche Information über die jüngste Vergangenheit gegeben, die eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit auslöste. In der deutschen Schweiz wurde die Publikation im ganzen lobend zur Kenntnis genommen. In der welschen Schweiz erregte jedoch die Trübung des Bildes von General Guisan die Gemüter, und auch die Haltung von Bundesrat Pilet wurde nuancierter gewürdigt.

Edgar Bonjours «Geschichte der schweizerischen Neutralität»