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Jahresrückblick 2021: Verbände

2021 wurde die Verbandslandschaft in der Schweiz wie schon im Vorjahr wesentlich durch das Coronavirus und die Massnahmen zu dessen Bekämpfung geprägt. So versuchten die Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften wie auch zahlreiche Branchenverbände wiederholt mit Positionsbezügen auf die Pandemiepolitik der Behörden Einfluss zu nehmen. Während in der Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Verbänden der Arbeitgebenden aus verschiedenen Branchen herrschte, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage. Besonders stark profilierte sich in der Öffentlichkeit GastroSuisse mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, der sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und im Herbst gegen die Zertifikatspflicht in Restaurants äusserte. Diese Forderungen brachten Platzer nicht nur mit manchen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen in Konflikt, sondern auch mit Economiesuisse und dem Schweizer Arbeitgeberverband (SAV): Die beiden Dachverbände befürworteten die Zertifikatspflicht, forderten aber vom Bundesrat verbindliche Aussagen darüber, ab welchen Impfquoten er welche Lockerungsschritte ausrufen werde. Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes.
Auch die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen. Darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Mit der Argumentation, dass ein vorsichtiger Weg letztlich schneller aus der Krise führe, mahnten SGB und Travail.Suisse bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen meist zu behutsamen Schritten. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice.

Eine strikte oder sogar absolute Beachtung individueller Freiheitsrechte und ein verhältnismässiges Vorgehen des Staats gehörten zu den Hauptforderungen mehrerer politischer Gruppierungen, die im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen entstanden und in der öffentlichen Debatte teilweise starke Beachtung fanden. Zu den prominentesten dieser neuen Organisationen zählten die «Freunde der Verfassung», die im Herbst 2021 bereits über 12'000 Mitglieder zählten und die gleich bei mehreren Referenden und Initiativen eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln von Unterschriften an den Tag legten. Weitere Organisationen, die sich zu Sprachrohren der Covid-Protestbewegung entwickelten, waren die an die jüngere Generation gerichtete Gruppierung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die «Freiheitstrychler». Auch wenn es zwischen diesen Organisationen bisweilen Differenzen über Inhalte und Stil gab, waren sie in ihrer Opposition gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision geeint; sie unterlagen indessen in beiden Volksabstimmungen klar.

Aber auch unabhängig von der Pandemie machten Verbände und Organisationen im Jahr 2021 von sich reden, so beispielsweise die Operation Libero, die sich gleich zu Beginn des Jahres mit einem medienwirksamen Crowdfunding erfolgreich aus einem Engpass bei der Finanzierung ihrer Fixkosten befreite, im Oktober mit Sanija Ameti eine profilierte neue Co-Präsidentin präsentierte und kurz darauf zusammen mit den Grünen eine Volksinitiative für eine engere Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU ankündigte.

Eher gegen den eigenen Willen geriet im Herbst die Gewerkschaft Unia in die Schlagzeilen, weil der beträchtliche Umfang ihres Vermögens bekannt wurde. Die Unia musste sich in der Folge gegen verschiedene Kritikpunkte verteidigen. Die Diskussion befeuerte aber auch übergeordnete Debatten, die bereits davor am Laufen gewesen waren, namentlich jene um eine angemessene Transparenz in der Politikfinanzierung und jene um eine korrekte Abgeltung der Sozialpartner für ihre quasistaatlichen Aufgaben bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge.

Auf der Seite der Arbeitgeber-Dachverbände bekannten sich Economiesuisse, der SGV und der SAV 2021 zum Ziel, in Zukunft eine stärkere und harmonischere Zusammenarbeit zugunsten der gemeinsamen Interessen zu pflegen. Das Bekenntnis ist als Neuanlauf zu werten, nachdem in den Vorjahren – etwa vor der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative Ende 2020 – beträchtliche Spannungen zwischen SGV und Economiesuisse zutage getreten waren und sich die Wirtschaftsverbände bei verschiedenen Volksabstimmungen nur mit Mühe oder gar nicht hatten durchsetzen können. Dasselbe war im Jahr 2021 namentlich bei den Abstimmungen über das Freihandelsabkommen mit Indonesien und das E-ID-Gesetz der Fall.

Auch andere Verbände engagierten sich mit wechselndem Erfolg in Abstimmungskämpfen. So konnte etwa der Bauernverband nach einer von ihm angeführten Kampagne, die zu einer aussergewöhnlich starken Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung beitrug, im Juni die Ablehnung der Trinkwasserinitiative und der Pestizidinitiative feiern. Intern gespalten war bei der Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative der Interessenverband der biologischen Landwirtschaft BioSuisse, eine Mehrheit seiner Delegierten entschied sich schliesslich für eine Nein-Empfehlung; die Pestizidinitiative wurde von BioSuisse hingegen unterstützt. Bei der Ablehnung des CO2-Gesetzes gehörten Verbände des Autogewerbes und der Erdölindustrie, der Hauseigentümerverband und GastroSuisse zu den Siegern. Die Gewerkschaften wiederum konnten mit der Ablehnung des E-ID-Gesetzes und der Annahme der vom Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) lancierten Pflegeinitiative Erfolge feiern; dies ist umso bemerkenswerter, als davor noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte eine gewerkschaftlich initiierte Volksinitiative an der Urne angenommen worden war. Auf ähnlich erfolgreiche Kampagnen in der Zukunft hoffen nebst der Operation Libero mit der oben erwähnten Europainitiative auch GastroSuisse mit seiner im März angekündigten Volksinitiative für «gerechte Entschädigungen» in künftigen Pandemiefällen sowie die GSoA mit ihrer Volksinitiative «Stopp F-35», welche die vom Bund geplante Beschaffung von Kampfflugzeugen des Typs F-35 unterbinden soll und für die 2021 bereits die Unterschriftensammlung begann.

Der Anteil der Verbände an der Presseberichterstattung bewegte sich 2021 auf ähnlichem Niveau wie in den beiden Vorjahren (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Jahresverlauf nahmen Verbände zwischen September und November am meisten Raum ein (vgl. Abbildung 1). Dies hatte zum einen mit der Berichterstattung zum Unia-Vermögen und zum SBK als Initiant der Pflegeinitiative zu tun. Noch mehr trug die Kategorie «Andere Verbände» bei, von denen neben der Operation Libero und GastroSuisse vor allem Gruppierungen der Klimabewegung – unter anderem mit Protestaktionen von Extinction Rebellion und einer Klage der Klimaseniorinnen – in der Presse von sich reden machten.

Jahresrückblick 2021: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2021

Wie bereits seine Kommission wies auch der Ständerat in der Wintersession 2021 ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiburger Standesinitiative für eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP auf. Eine aus der Freiburger Ständerätin Johanna Gapany (fdp, FR) bestehende Minderheit hatte Folgegeben beantragt, wobei die Minderheitensprecherin im Rahmen der Ratsdebatte insbesondere die positiven Folgen der Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Heimen, Pflegeheimen sowie Ärztinnen und Ärzten im eigenen Kanton betonte. Diese ermögliche eine Reduktion der Medikamentenverschwendung und somit auch der Medikamentenkosten. Dieses Projekt habe sich zwischen 2002 und 2018 bewährt und Kosteneinsparungen von 23 Prozent mit sich gebracht, sei nun aber aufgrund der Änderung der Regelungen zum Risikoausgleich blockiert. Auch Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) lehnte das Modell nicht prinzipiell ab, sondern erklärte, dass es die SGK-SR in eine breite Auslegeordnung aufnehmen und dort insbesondere klären möchte, ob das Modell nicht bereits im geltenden Recht verwendet werden könne. Folglich sei die Standesinitiative nicht nötig, weshalb dieser keine Folge gegeben werden solle. Mit 19 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) folgte der Ständerat dem Antrag der Kommissionsmehrheit und verzichtete auf Folgegeben.

Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (Kt.Iv. 20.332)

«Gleich lange Spiesse für Schweizer Unternehmen» forderte die APK-SR in einer Motion, die schweizerischen Unternehmen Investitionen in chinesische Unternehmen ermöglichen sollte. Dazu sollte der Bundesrat bei der Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens mit China aushandeln, dass Schweizer Unternehmen zukünftig uneingeschränkt Anteile chinesischer Unternehmen erwerben und übernehmen können, was den chinesischen Investitionsmöglichkeiten in der Schweiz entspräche. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Ausländische Investitionen in die chinesische Wirtschaft seien grundsätzlich stärker reguliert als in der Schweiz, wobei auch in der Schweiz bestimmte Sektoren gegen unerwünschte Investitionen geschützt seien. China habe in seiner Rechtsentwicklung in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht und neue Sektoren für ausländische Investoren geöffnet. Ausserdem hätten die EU und China 2020 ein umfassendes Investitionsabkommen ausgearbeitet, dessen verbesserter Marktzugang aufgrund der Meistbegünstigung im Rahmen des GATS-Abkommens der WTO teilweise auch der Schweiz zuteil werde. Der Bundesrat räumte aber ein, dass im Nichtdienstleistungsbereich ein Diskriminierungspotenzial bestehe und dass der Abschluss des Abkommens seitens der EU aus politischen Gründen bis auf Weiteres sistiert worden sei. Er führte in seiner Stellungnahme ausserdem an, dass man im laufenden Explorationsprozess zur Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens das Anliegen der Motion aufnehmen wolle, eine vollständige Reziprozität in allen Sektoren – wie es die Motion verlange – jedoch weder möglich noch zielführend sei.

In der Wintersession 2021 gelangte der Vorstoss in den Ständerat, wo sich eine Minderheit Michel (fdp, ZG) für die Ablehnung der Motion einsetzte. Die Minderheit sehe zwei potenziell negative Auswirkungen bei einer Annahme der Motion, erklärte Michel. Einerseits könne Gegenseitigkeit bedeuten, dass die Schweiz angesichts der strengen Regulierung Chinas neue Investitionskontrollen aufbauen würde, was durch die restriktive Haltung Chinas legitimiert würde. Andererseits verwies er auf die überwiesene Motion Rieder (mitte, VS; Mo. 18.3021), die unter anderem chinesische Direktinvestitionen erschweren wollte. Würde man nun von China verlangen, jegliche Investitionsschranken gegenüber Schweizer Unternehmen fallen zu lassen, so müsste die Schweiz nach dem Grundsatz der Reziprozität das gleiche tun, womit man das Anliegen der Motion Rieder untergraben würde, argumentierte Michel. Zudem wolle man die Verhandlungstaktik des Bundesrats bei der Neuverhandlung des Freihandelsabkommens nicht unnötig einschränken. Beat Rieder äusserte sich in der Folge selbst zu seiner Motion und legte Wert darauf klarzustellen, dass er sich für Investitionskontrollen gegen «jeden staatlichen Akteur ausländischer Staaten» eingesetzt habe, nicht nur gegen China. Er verlangte vom Bundesrat zu wissen, wann die entsprechende Gesetzesvorlage für Investitionskontrollen dem Parlament vorgelegt werde, da das Anliegen der Motion der APK-SR auch dort aufgegriffen werden könnte. Bundesrat Parmelin bemühte sich zu verdeutlichen, dass eine sektorweise Reziprozität nicht im Interesse der Schweiz wäre und man den Marktzugang von den jeweiligen Interessen der beiden Staaten abhängig machen müsse. Er versprach, dass die Schweiz bei einer Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens verbesserte Marktzugänge in bestimmten, aber nicht in allen, Sektoren anstreben werde. Folglich forderte er den Ständerat dazu auf, die Motion abzulehnen. Beat Rieder antwortete er, dass der Gesetzesentwurf über die Kontrolle ausländischer Investitionen im März 2022 in die Vernehmlassung geschickt werde. Die kleine Kommer folgte daraufhin der Empfehlung der Kommissionsmehrheit und nahm den Vorstoss mit 26 zu 11 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an.

Investitionen in chinesische Unternehmen ermöglichen
Dossier: Aussenpolitische Strategie in den bilateralen Beziehungen mit China

In der Wintersession 2021 behandelte der Ständerat die Motion Ettlin (mitte, OW) für eine Änderung der Rückzahlung der Verrechnungssteuer für begünstigte Unternehmen bei zwei «verbundenen, vom gleichen Aktionärskreis beherrschten Gesellschaften». Die WAK-SR hatte den Vorstoss im November 2021 knapp mit 4 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung und Stichentscheid von Präsident Pirmin Bischof (mitte, SO) zur Annahme empfohlen. Die Vorlage müsse aber so umgesetzt werden, dass kein «Dividend Stripping» – eine Praxis zur Umgehung der Verrechnungssteuer – möglich sei, forderte die Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) anerkannte hingegen die Problematik nicht und erachtete die Motion lediglich als weiteren Vorteil für die Unternehmen, als Gefahr einer Steuerumgehung sowie als Möglichkeit für beträchtliche Steuerausfälle. In der Ständeratsdebatte in der Wintersession erachtete auch Finanzminister Maurer die aktuelle Lösung als besser «für die Schweiz und ihre Steuereinnahmen» und sprach sich im Namen des Bundesrates gegen die Änderung aus. Mit 23 zu 17 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) nahm der Ständerat die Motion dennoch an.

Benachteiligung von Schweizer Unternehmen durch einheitliche Besteuerungspraxis vermeiden (Mo. 19.4635)

In der Wintersession 2021 setzte sich der Ständerat mit der Abschreibung der Motion Graber (cvp, LU; Mo. 13.4184) zur Ermöglichung und Förderung zukunftsgerichteter Anlagen durch die Vorsorgeeinrichtungen auseinander. Dabei gingen die Meinungen zur Frage, inwiefern der Bundesrat die Anliegen der Motion tatsächlich umgesetzt habe, weit auseinander. Als «weitgehend erfüllt» erachtete Kommissionssprecher Hannes Germann (svp, SH) den Vorstoss. Der Bundesrat habe zahlreiche Massnahmen getroffen, um die Rahmenbedingungen für Startups zu verbessern. Bundesrat Berset wies darüber hinaus auf eine bereits in Kraft getretene Verordnungsänderung hin. Die Schaffung des Zukunftsfonds, der die Betreuung der zukunftsträchtigen Anlagen der Pensionskassen übernehmen soll, sei in der Motion hingegen als Einladung an den Bundesrat, nicht als explizite Aufforderung formuliert. Minderheitensprecher Hegglin (mitte, ZG) erachtete die Motion hingegen als noch nicht umgesetzt. So seien die «steuerlichen Rahmenbedingungen für Start-ups [...] kaum verbessert worden», vor allem seien die für Start-ups sehr wichtige Verlängerung des steuerlichen Verlustvortrags und der Zukunftsfonds Schweiz noch nicht geschaffen worden. Mit 27 zu 15 Stimmen sprach sich der Ständerat dennoch für Abschreibung der Motion aus.

Zukunftsfonds Schweiz (Mo. 13.4184)

Eine Integration des Freiburger Modells der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen in die OKP forderte der Kanton Freiburg im Jahr 2020 mit einer Standesinitiative. Die 2002 zwischen den Tarifpartnern ausgehandelte Tarifvereinbarung zur Abgeltung der Arzneimittel und des MiGeL-Materials in den freiburgischen Pflegeheimen beinhalte pauschale Vergütungen, ein Pflichtenheft für die verantwortlichen Apothekerinnen und Apotheker sowie eine Monitoring-Stelle, erläuterte der Kanton. So werden gemäss dem Freiburger Modell jeweils Grosspackungen an Medikamenten gekauft und pauschal an alle Heimbewohnerinnen und -bewohner abgerechnet, unabhängig von der individuell benötigten Menge des Medikaments. Durch die «aktive[...] berufsübergreifende[...] Zusammenarbeit bei der Medikation der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner» könnten die medizinisch-therapeutische Betreuung sowie die Kosten optimiert werden – damit seien bisher jährlich CHF 3 Mio. eingespart worden –, warb der Kanton für sein System. Seit der Revision der Regelungen zum Risikoausgleich (VORA) von 2018 – mit dem ein finanzieller Ausgleich zwischen Krankenversicherungen mit unterschiedlicher Risikostruktur geschaffen wird – werde jedoch die Verwendung von Pauschalbeträgen erschwert und sei von der Zustimmung der Versicherungen abhängig. Zwar habe man die für die Weiterverwendung von Pauschalbeträgen nötigen Voraussetzungen geschaffen, dennoch hätten die Versicherungen und das EDI das Modell abgelehnt. Entsprechend verlangte der Kanton den Erlass der nötigen Gesetzesbestimmungen, um sein System auch zukünftig betreiben zu können.
Im November 2021 beschäftigte sich die SGK-SR mit der Standesinitiative und zeigte sich zwar am Freiburger Modell interessiert, beantragte aber aufgrund von Zweifeln an der Kompatibilität mit dem Risikoausgleich mit 9 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der Standesinitiative keine Folge zu geben. Jedoch sollte die Verwaltung eine modifizierte, mit VORA kompatible Variante präsentieren.

Freiburger Modell der pharmazeutischen Betreuung in Pflegeheimen (Kt.Iv. 20.332)

Daniela Schneeberger (fdp, BL) verlangte in einer parlamentarischen Initiative, dass Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen zukünftig auch Leistungen zur Prävention ausrichten können sollen. Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen sind gemäss ZGB Per­so­nal­für­sor­ge­ein­rich­tun­gen in Stiftungsform und dienen der sozialen Vorsorge der Arbeitnehmenden. Während aber ihr Zweck bisher vor allem auf Personen in Notlagen abzielte, sollen sie zukünftig auch «Leistungen zur Prävention bei Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit» ausrichten können, wie etwa die «Mandatierung einer externen Anlaufstelle für Mitarbeitende mit finanziellen oder psychischen Problemen» oder auch die Unterstützung der Arbeitnehmenden bei der Kinderbetreuung. Zwar seien Präventionszwecke eigentlich bereits jetzt eingeschlossen, da dies jedoch «immer wieder zu Diskussionen mit den Behörden» führe, sollen sie jetzt ausdrücklich genannt werden, argumentierte die Initiantin.
Mit 19 zu 4 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) gab die SGK-NR der Initiative im Januar 2021 Folge, im November 2021 stimmte ihr die SGK-SR stillschweigend zu. Somit wird die nationalrätliche Kommission einen Entwurf ausarbeiten.

Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (Pa.Iv. 19.456)

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

Die parlamentarischen Beratungen zur Revision des Filmgsetzes (Lex Netflix) und die im Herbst 2021 gefassten Beschlüsse führten zu medialen Debatten. Insbesondere zum Beschluss, dass Streaming-Anbietende wie Netflix neu dazu verpflichtet werden sollten, 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film zu reinvestieren, zeigten sich nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit Meinungen, die weit auseinander gingen.

Seitens der Filmindustrie waren nur positive Stimmen zu hören, welche jedoch nur in den französischsprachigen Zeitungen Widerhall fanden. Die Filmindustrie sei erleichtert, dass nun auch der Nationalrat die Investitionspflicht gutgeheissen habe, welche in anderen Ländern bereits üblich sei. Dies sorge für faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie, wie Barbara Miller, Präsidentin des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz (ARF/FDS) gegenüber der Zeitung La Liberté zu Protokoll gab. Jean-Marc Fröhle, Filmproduzent und Co-Präsident der «IG – Unabhängige Schweizer Filmproduzenten», wies darauf hin, dass Schweizer Regisseurinnen und Regisseure von internationalen Koproduktionen abhängig seien, insbesondere bei Serien. Oftmals seien sie nicht in der Lage, mit den in der Schweiz verfügbaren Mitteln einen unabhängigen Schweizer Film zu produzieren, was sich nun durch dieses Gesetz ändern werde.

In den Medien mussten die liberalen Parteien Kritik einstecken: Aus liberaler Sicht spräche alles gegen die «Lex Netflix». Es handle sich dabei um «einen ungeniessbaren Cocktail aus Heimatschutz, Subventionitis und Bevormundung», schrieb etwa die NZZ. Da die SVP geschlossen gegen das FiG gestimmt hatte, sei es in den Händen der FDP und GLP gelegen, diesen «Investitionszwang» aus dem Gesetz zu streichen. Die Genfer Nationalrätin Simone de Montmollin (fdp, GE) erklärte die Mehrheitsmeinung der FDP gegenüber Le Temps damit, dass es nicht um Protektionismus gehe, sondern um eine Harmonisierung mit den Praktiken in den Nachbarstaaten. Grosse Plattformen würden nur da produzieren, wo sie dazu ermutigt werden.

Auch die bürgerlichen Jungparteien waren mit der beschlossenen Gesetzesrevision nicht einverstanden und befürchteten, dass letztendlich die Konsumentinnen und Konsumenten die Abgaben durch höhere Gebühren tragen müssten. Da die Gesetzesrevision insgesamt völlig an den Interessen der Jungen vorbei ziele, kündigten sie noch am Tag der Schlussabstimmung via Twitter an, das Referendum ergreifen zu wollen, wie die Aargauer Zeitung und die NZZ berichteten.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

In der Herbstsession 2021 behandelte der Nationalrat eine Motion zur Einführung einer «nurse to patient ratio» zur Verbesserung der Pflegequalität und zur Reduktion der Pflegekosten, die 2019 von der BDP-Fraktion eingereicht worden war. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Geschäfts, da das Verhältnis von Pflegefachkräften zur Patientenschaft durch die Komplexität der vorliegenden Krankheiten und die Strukturen der Versorgungssysteme bestimmt werde. Allerdings zeigte sich die Landesregierung bereit, im Zusammenhang mit der Beantwortung eines Postulats Marchand-Balet (cvp, VS; Po. 18.3602) die Frage bezüglich eines Personalschlüssels und der damit in Verbindung stehenden Qualität und Patientensicherheit aufzugreifen. Entgegen der bundesrätlichen Empfehlung nahm der Nationalrat die Motion jedoch mit 106 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, wobei die Nein-Stimmen mit einer Ausnahme alle aus den Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen stammten.

Einführung einer "nurse to patient ratio" in der Pflege. Eine qualitative und wirtschaftliche Notwendigkeit (Mo. 19.4053)

Im Herbst 2019 reichte die BDP-Fraktion eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, die medizinischen Qualitätsindikatoren im ambulanten Pflegebereich auf die gleiche Weise zu überwachen und zu veröffentlichen wie die Indikatoren für den stationären Pflegebereich, wo dies mit den nach Artikel 59a des KVG erhobenen Daten erfolge. Diese beinhalten unter anderem Angaben zur Wirksamkeit, Angemessenheit und Sicherheit von Leistungen. Die Fraktion begründete ihren Vorstoss mit der demographischen Entwicklung, die nicht nur die Gesundheitskosten und die AHV beeinflusse, sondern auch die Pflege und die damit verbundene Patientensicherheit. Die entsprechenden Daten würden durch die Leistungserbringenden bereits erhoben. In seiner Stellungnahme gab der Bundesrat bekannt, dass bei der ambulanten Pflege zwar Handlungsbedarf bestehe, dass die zuständigen Bundesstellen die Angelegenheit jedoch bereits in Angriff genommen hätten. Deshalb spreche sich die Landesregierung gegen den Vorstoss aus. Die Motion kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat, wo sie mit 187 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) angenommen wurde.

Qualitätssicherung in der Pflege. Qualitätsindikatoren auch in der ambulanten Pflege überwachen (Mo. 19.4055)

Die beiden Kammern beugten sich in der Herbstsession 2021 über die Differenzbereinigung zur Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix), die in derselben Session auch gelang. Damit fand die Debatte nach fast einem Jahr ein Ende – als mit Abstand letzte der verschiedenen Vorlagen zur Kulturbotschaft 2021-2024.

Der Nationalrat, welcher als erster an der Reihe war, befasste sich mit vier bestehenden Differenzen zur ständerätlichen Version des Gesetzes. Mit der Begründung, dass der vorgeschlagene Kompromiss für alle Beteiligten ausgewogen sei und eine gute Stärkung des Schweizer Films ermögliche, schloss sich die Mehrheit der WBK-NR in allen offenen Punkten dem Ständerat an.

Die erste Differenz bezog sich auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Höhe der Investitionspflicht. Damit würden neu auch Online-Plattformen, wie etwa Netflix, verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres in der Schweiz erreichten Bruttogewinns in Schweizer Filme zu investieren. Die Frage war nun, wie hoch dieser Ansatz festgelegt werden sollte. Der Nationalrat hatte sich in der Herbstsession 2020 auf 1 Prozent geeinigt, was durch den Ständerat wieder rückgängig gemacht worden war. Dieser entschied in der Sommersession 2021, dem Entwurf des Bundesrates zu folgen, und verlangte eine Abgabe von mindestens 4 Prozent. Da dadurch inländische und ausländische TV-Stationen gleiche Bedingungen hätten und der Schweizer Film nachhaltig unterstützt und gefördert werden könnte, unterstützte die Mehrheit der WBK-NR mit 14 zu 10 Stimmen den Ständerat. Eine Kommissionsminderheit, angeführt von Peter Keller (svp, NW), forderte die Senkung der Investitionspflicht von 4 auf 2 Prozent. Der Schweizer Film werde bereits stärker gefördert als früher, 2013 mit rund CHF 100 Mio. und heute gemäss NZZ bereits mit bis zu CHF 150 Mio. jährlich. Mit diesem Gesetz würden nun ausländische Anbietende und Streaming-Dienste verpflichtet, den Schweizer Filmsektor «zwangsweise mit[zu]subventionieren», was einem liberalen Verständnis des Marktes mehr als widerspreche, wie Keller seine Minderheit begründete. Ausserdem warf er die Frage in den Raum, ob die Probleme beim Schweizer Film wirklich darauf zurückzuführen seien, dass dieser zu wenig Geld bekomme, oder nicht eher zu viel erhalte. «Wenn man der Katze jeden Tag ein Whiskas hinstellt, geht sie nicht mehr jagen. Staatsknete macht träge.» Mit 119 zu 71 Stimmen entschied der Nationalrat jedoch, der Kommissionsmehrheit und somit dem Entwurf des Ständerates zu folgen und die Investitionspflicht auf 4 Prozent anzusetzen. Die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen, die Fraktionen der Mitte und der Grünliberalen mit einer klaren Mehrheit für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen die Kommissionsmehrheit. Die Fraktion der FDP.Liberalen zeigte sich stark gespalten, so stimmten 15 Mitglieder für den Mehrheitsantrag und 14 für die Minderheit Keller.

Als zweiter Punkt wurde die Frage diskutiert, welche Firmen von dieser Investitionspflicht ausgenommen werden sollen. Hier hatte der Nationalrat im Herbst 2020 beschlossen, dass nebst der SRG auch regionale TV-Anbietende sowie Kabelnetzbetreibende von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben sollen. Dem widersprach jedoch der Ständerat im Sommer 2021, welcher nebst der SRG keine weiteren Ausnahmen ins Gesetz aufnehmen wollte. Auch hier folgte die Kommissionsmehrheit mit 13 zu 10 Stimmen dem Ständerat. Regionale Anbietende seien gar nicht von dieser Regelung betroffen, da diese sehr oft gar keine Filme zeigen würden, was eine Ausnahme für diese Fälle obsolet mache, so Matthias Aebischer (sp, BE) für die Kommissionsmehrheit im Rat. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) verlangte Festhalten an dem Entwurf des Nationalrates. Schnelles Internet in allen Landesteilen sei ein extrem wichtiges Anliegen, welches auch der Bundesrat unterstütze. Ziel solle sein, Kabelnetzbetreibende dabei zu unterstützten, den dafür nötigen Ausbau so schnell wie möglich zu erreichen. Mit dieser Investitionspflicht werde diesen aber ein riesiger Stein in den Weg gelegt, weshalb Kabelnetzbetreibende im Interesse aller aus dieser Regelung ausgeschlossen werden sollten, wie der Minderheitensprecher sein Anliegen begründete. Auch hier folgte der Nationalrat jedoch mit 110 zu 77 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) der Kommissionsmehrheit und gab dem Ständerat in diesem Punkt nach. Die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie eine klare Mehrheit der Grünliberalen Fraktion stimmten für die Mehrheitsposition, die SVP-Fraktion, etwa die Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie ein Drittel der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Minderheitsantrag Kutter aus.

Die dritte Differenz drehte sich um Werbeleistungen zur Bewerbung von Schweizer Filmen und deren Anrechenbarkeit an die Investitionspflicht. Gemäss geltendem Recht können private TV-Sender den Schweizer Film in Form von Werbeminuten statt mit Geld unterstützen. Die offene Frage war nun, wie hoch der Werbebetrag sein darf, der an die Investitionspflicht angerechnet werden kann. Während der Bundesrat in seiner Botschaft vorsah, diese Möglichkeit der Anrechenbarkeit ganz abzuschaffen, hatte der Nationalrat eine Anrechenbarkeit von Werbeminuten im Umfang von bis zu CHF 1 Mio. vorgesehen. In der Differenzbereinigung setzte sich die nationalrätliche Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgend für eine Anrechnung eines Betrags bis CHF 500'000 ein. Eine Kommissionsminderheit Kutter verlangte hingegen Festhalten an der vorher im Rat gefassten Position (CHF 1 Mio.). Kutter argumentierte damit, dass auch private Sender zunehmend mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen hätten und alles andere als in Geld schwimmen würden. Der von der Kommissionsmehrheit berechnete Rückgang der Unterstützungszahlungen für den Schweizer Film von CHF 18 auf CHF 14 Mio. erachtete Kutter als vertretbaren Kompromiss. Stattdessen würden in Zukunft die Investitionen der Streaming-Anbietenden massiv zunehmen, was diesen Rückgang mehr als kompensieren werde. Der Nationalrat folgte aber auch hier mit 106 zu 85 Stimmen (bei 1 Enthaltung) wieder der Kommissionsmehrheit. Erneut stimmten die SP- und die Grüne Fraktion geschlossen für die Kommissionsmehrheit, die SVP-Fraktion geschlossen für die Kommissionsminderheit. Die Grünliberale Fraktion sprach sich mehrheitlich für den Mehrheitsantrag aus, während sich die FDP.Liberalen-Fraktion und die Mitte-Fraktion auch in dieser Frage gespalten zeigten.

Zu guter Letzt hatte das Parlament auch über eine von Christian Wasserfallen (fdp, BE) angeführte Minderheit zu befinden, der die gesamte «Lex Netflix», also jegliche Investitionspflicht, streichen wollte. Er argumentierte, dass es nicht zielführend sei, sich als kleine Schweiz mit Anbietenden wie Netflix anzulegen. Vielmehr sollte sich der Schweizer Filmsektor mit den Produzentinnen und Produzenten in Verbindung setzen und Kollaborationen anstreben, um von deren grossen Reichweite zu profitieren. Auch er betonte, dass die derzeitige Unterstützung in der Höhe von CHF 150 Mio. vom BAK, den Kantonen, Städten, Gemeinden und den SRG-Abgaben ausreichend sei. Lieber solle man sich auf die Qualität des Filmes berufen und bessere Drehbücher schreiben, dann hätte der Schweizer Film vielleicht auch bessere Chancen auf dem internationalen Markt, forderte er. Ein Drittel der FDP.Liberalen-Fraktion, die SVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Grünen und der Grünliberalen unterstützten Wasserfallen; mit 121 zu 65 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Wasserfallen ab und hielt an der Lex Netflix fest.

Da in der Nationalratsdebatte alle inhaltlichen Differenzen beseitigt worden waren, ging es im Ständerat nur noch um zwei rein sprachliche Anpassungen. Diese wurden von der kleinen Kammer in der Folge diskussionslos und stillschweigend gutgeheissen.

Damit war die Vorlage nach langen Diskussionen im Oktober 2021 bereit für die Schlussabstimmungen. Im Nationalrat wurde die «Lex Netflix» mit 124 zu 67 (bei 3 Enthaltungen) angenommen. Die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP stimmten geschlossen für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. Uneinig waren sich die Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte, wobei jeweils eine Mehrheit für die Vorlage stimmte. Im Ständerat fand das Gesetz mit 32 zu 8 Stimmen (4 Enthaltungen) deutliche Zustimmung.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Ein Postulat Maret (cvp, VS) verlangte vom Bund die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse der von Unternehmen ergriffenen Massnahmen bei Angehörigenbetreuung durch ihre Angestellten. Die CVP-Ständerätin verwies in ihrer Begründung auf eine Studie des Büros für Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Studien (BASS), die aufzeige, dass fast alle Unternehmen diesbezüglich Massnahmen ergriffen und dass die Mehrheit der verantwortlichen Personen diese aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive positiv beurteilten. Der Nutzen solcher Massnahmen komme in der öffentlichen Diskussion jedoch oft zu kurz, weswegen eine Kosten-Nutzen-Analyse helfen könne, weitere Unternehmen zum Ergreifen zusätzlicher Massnahmen zu ermutigen. In seiner ablehnenden Antwort verwies der Bundesrat auf das 2019 verabschiedete Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung, dessen Massnahmen ebenfalls evaluiert werden sollen. Eine Analyse bestehender Massnahmen zum jetzigen Zeitpunkt erachtete er deswegen als verfrüht. Anders sah dies der Ständerat, der das Postulat in der Sommersession 2021 mit 31 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung annahm.

Kosten-Nutzen-Analyse der von Unternehmen ergriffenen Massnahmen bei Angehörigenbetreuung ihrer Angestellten (Po. 21.3232)

A la suite des arguments du Conseil fédéral issus du rapport, le postulat sur l'impact des réglementations helvétiques sur les investissements dans les Etats africains a été classée par le Conseil national.

L'impact des réglementations suisses sur les possibilités d'investissement des PME en Afrique (Po. 17.3842)

Da im September 2020 der zur Erfüllung des Postulats erforderliche Bericht «Gewalt im Alter verhindern» erschienen war, schrieb der Nationalrat in der Sommersession 2021 das entsprechende Postulat aus der Feder von Ida Glanzmann-Hunkeler (mitte, LU) ab.

Prévenir la violence sur les personnes âgées (Po. 15.3945)

Nachdem das Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Frühjahrssession verabschiedet hatte, musste der Ständerat in der Sommersession 2021 noch über die Volksinitiative selbst befinden – der Nationalrat hatte seine ablehnende Empfehlung bereits in der Wintersession 2019 gefällt. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) fasste noch einmal die Anliegen des Initiativkomitees zusammen und legte dar, inwiefern diese Forderungen im Gegenvorschlag aufgenommen worden waren. Er sei der Ansicht, dass man dem Initiativkomitee bereits «weit entgegengekommen» sei, weshalb die SGK-SR die Initiative zur Ablehnung empfehle. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erklärte als Mitglied des Initiativkomitees, dass zwar die beiden Punkte zur Ausbildungsoffensive und zur Vergütung gewisser Pflegeleistungen durch die OKP ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Anordnung in den indirekten Gegenvorschlag integriert worden seien, dass aber mit den verbesserten Arbeitsbedingungen ein zentraler Aspekt der Initiative im Gegenvorschlag fehle. Es sei daher noch offen, ob das Initiativkomitee die Initiative zurückziehen werde. Für Gesundheitsminister Berset stand die Relevanz der Pflegebranche ausser Frage, er gab allerdings unter anderem zu bedenken, dass es nicht ideal sei, Details in die Verfassung zu schreiben, die einen Effekt auf bestimmte Berufsgruppen hätten. Vielmehr seien dazu andere Mittel und Wege nötig. Mit 28 zu 14 Stimmen empfahl das Stöckli die Initiative daraufhin den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. In den beiden Schlussabstimmungen, welche noch in der gleichen Session stattfanden, sprachen sich die grosse Kammer mit 116 zu 74 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und die kleine Kammer mit 30 zu 14 Stimmen für den Bundesbeschluss auf Empfehlung zur Ablehnung aus.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Nachdem der Ständerat die Revision des Bundesgesetzes über Filmproduktion und Filmkultur (Filmgesetz, FiG) in der Herbstsession 2020 aus der Kulturbotschaft 2021-2024 herausgelöst hatte, behandelte er sie erstmals in der Sommersession 2021 im Detail. In der Zwischenzeit hatte die WBK-SR ihre Vorberatung im Februar 2021 unterbrochen, um weitere Informationen der Verwaltung zu den Auswirkungen der vorgesehenen Investitionspflicht in unabhängige Schweizer Filme abzuwarten. Ende April 2021 konnte die Kommission ihre Vorberatung abschliessen.

Wie Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZG) zu Beginn der Eintretensdebatte erklärte, stehe der Schweizer Film vor diversen Herausforderungen. So würden etwa ausländische Koproduktionen trotz der im Rahmen der Kulturbotschaft 2016-2020 eingeführten Filmstandortförderung zunehmend stagnieren. Gleichzeitig steige die Konkurrenz für Schweizer TV-Sender durch Online-Streamingplattformen wie Netflix, die überdies trotz enormer Wertschöpfung in der Schweiz keiner Filmförderpflicht unterstünden. Die aktuelle Gesetzesrevision sollte daher «gleich lange Spiesse für alle» schaffen, wie Kulturminister Berset erklärte. Eintreten war derweil unbestritten.

In der Detailberatung schuf der Ständerat bei fünf Minderheitsanträgen insgesamt vier Differenzen zum Nationalrat.

Die erste Differenz betraf die Frage, ob gewinnorientierte Unternehmen finanzielle Unterstützung vom Bund erhalten sollen oder nicht. Dabei folgte der Ständerat mit 27 zu 17 Stimmen seiner Kommissionsmehrheit und entschied, diese Unternehmen nicht komplett von der Unterstützung auszuschliessen, sondern einmalige Betriebsbeiträge, etwa an spezifische Projekte wie die kommerziellen Filmfestivals in Locarno oder Zürich, weiterhin zu erlauben. Der Nationalrat hatte entschieden der Version des Bundesrates zu folgen und diese Unternehmen auszuschliessen. Eine Minderheit um Johanna Gapany (fdp, FR) hatte erfolglos gefordert, die Unterstützung ohne Einschränkungen zu erlauben.

Zweitens stellte sich die Frage, welche Unternehmen von der Investitionspflicht ausgeschlossen werden sollten. Eine Minderheit Würth (mitte, SG) wollte hier dem Nationalrat folgen und Schweizer TV-Anbietende und Netzbetreibende gänzlich von der Investitionspflicht befreien. Eine Kommissionsmehrheit wollte hingegen nur die SRG von der Investitionspflicht ausnehmen. Deren Ausnahme sei gemäss Kommissionssprecher Michel legitim, weil sie im Rahmen des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) bereits einen eigenen, umfassenden Filmförderungsauftrag habe. Der Ständerat folgte mit 31 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) der Mehrheit und beschränkte die Ausnahme auf die SRG.

Am umstrittensten war schliesslich die Frage der Höhe der Investitionspflicht und der Schaffung einer Ersatzabgabe. Dass es eine Abgabe geben solle, welche über vier Jahre hinweg getätigt werden muss, wie es der Nationalrat vorgeschlagen hatte, sei gemäss Michel in der Kommission als einziges unbestritten – zu den restlichen Punkten lagen dem Ständerat drei Minderheitsanträge vor.
Die Mehrheit der WBK-SR wollte gemäss Michel auf die 4 Prozent bestehen und dafür die Möglichkeit zur Anrechenbarkeit von Werbeleistungen von maximal CHF 500'000 einführen. Gemäss Verwaltung würde dies auf eine Erhöhung der Mittel um etwa CHF 18 Mio. hinauslaufen, was gemäss Kommissionsmehrheit angemessen sei. Ginge man tiefer, sei zu erwarten, dass keine der antizipierten Effekte für den Schweizer Film erreicht werden würden, wie Michel zu Bedenken gab.
Eine Minderheit Gmür-Schönenberger (mitte, LU) beantragte, dem Bundesrat zu folgen, die Investitionspflicht auf mindestens 4 Prozent festzulegen und die Möglichkeit einer Ersatzabgabe beizubehalten. Die Einnahmen aus dieser Ersatzabgabe würden dann an das BAK fliessen, welches diese Gelder zweckgebunden für die Filmförderung einsetzen sollte. Bereits bei der im Rahmen des RTVG eingeführten Abgabepflicht für Schweizer TV-Sender sei es kaum zu Ersatzabgaben gekommen, da der Anreiz der direkten Investition gross genug sei, erklärte Gmür-Schönenberger ihren Antrag. Die Nachzahlung gemäss Kommissionsmehrheit würde hingegen lediglich zu mehr Bürokratie führen.
Jakob Stark (svp, TG) machte mit einer weiteren Minderheit einen Kompromissvorschlag zwischen dem Bundesrat (4%) und dem Nationalrat (1%), wobei die Investitionshöhe 2 Prozent betragen sollte.
Die dritte Minderheit um Benedikt Würth stellte die Frage, welche Leistungen an die Investitionspflicht angerechnet werden können sollen. Er forderte, dass Eigenproduktionen zu mindestens 50 Prozent angerechnet werden könnten, womit die Situation der regionalen und nationalen TV-Sender verbessert werden könnte. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Forderung ab, weil damit das eigentliche Ziel dieser Gesetzesrevision – das unabhängige Filmschaffen in der Schweiz zu fördern – verfehlt würde. Da unter Eigenproduktionen auch Formate wie Reality Shows oder Werbungen verstanden werden könnten, profitierten von dieser Regelung gemäss Michel mehrheitlich ausländische Werbefenster und Online-Dienste. Der Nationalrat war dem Bundesrat gefolgt, welcher keine solchen Anrechnungen vorgesehen hatte.
In der Folge setzte sich die Minderheit Gmür-Schönenberger gegen die Kommissionsmehrheit (mit 23 zu 22 Stimmen) durch, während die Minderheit Stark (31 zu 14 Stimmen) und die Minderheit Würth (29 zu 16 Stimmen) abgelehnt wurden. Damit beschloss der Ständerat folglich, eine Investitionspflicht von 4 Prozent mit der Möglichkeit einer Ersatzabgabe einzuführen. Angerechnet werden dürften zudem Werbeleistungen bis zu CHF 500'000, aber keine Eigenproduktionen. Damit schuf der Ständerat die zwei letzten Differenzen zum Nationalrat.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf mit 35 zu 9 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an und gab ihn mit vier offenen Differenzen zurück an die grosse Kammer.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

In Erfüllung eines Postulats der SGK-NR zur rechtlichen Gleichstellung der öffentlichen und privaten Spitex publizierte der Bundesrat im Mai 2021 einen Bericht. Während Erstere einen gemeinnützigen Zweck verfolgten, seien Letztere gewinnorientiert, erklärte er darin. Der Bericht befasste sich in der Folge mit potenziellen Ungleichbehandlungen zwischen den beiden Spitextypen bezüglich OKP, Subventionen nach dem AHVG, Mehrwertsteuer und direkten Steuern sowie bezüglich Anstellungsbedingungen und eventuellen Verpflichtungen zu Aus- und Weiterbildung bei den Gesundheitsberufen: Hinsichtlich der Zulassung von Leistungserbringenden und Qualitätsanforderungen im Rahmen der OKP lassen sich die Anforderungen zwischen den beiden Organisationsarten nicht unterscheiden. Keine Ungleichbehandlung liegt auch in den Bereichen Anstellungsbedingungen und mögliche Aus- und Weiterbildungsverpflichtungen vor. Über eine Subventionsberechtigung in puncto Finanzhilfevergabe an Altersorganisationen verfügen hingegen nur gemeinnützige Organisationen. Aufgrund der kantonalen Restfinanzierung existiere im Zusammenhang mit der Finanzierung von Pflegeleistungen bei Krankheit möglicherweise eine Ungleichheit, welche jedoch erkannt wurde und zu deren Lösung Gespräche in Gang gesetzt wurden. Bedingt durch die unterschiedlichen Zwecke zwischen der öffentlichen und der privaten Spitex bestehe zudem eine Ungleichbehandlung bei der Mehrwertsteuer und bei den direkten Steuern, die allerdings beabsichtigt sei.

Im Bericht zu den Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2021 beantragte die Landesregierung die Abschreibung des Postulats, da sie dieses durch den Bericht als erfüllt betrachtete. Der Nationalrat kam dieser Aufforderung im Sommer 2022 nach.

Rechtliche Gleichstellung der öffentlichen und privaten Spitex (Po. 16.3909)
Dossier: Rechte und Pflichten diverser Spitex-Organisationen

Die Einigungskonferenz zum indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative empfahl dem Parlament mit 23 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) bei der noch offenen Differenz zur selbständigen Erbringung und Abrechnung von Pflegeleistungen dem vom Ständerat ausgearbeiteten Kompromiss zu folgen. Dies taten die beiden Kammern in der Frühjahrssession 2021 denn auch mit 175 zu 2 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) respektive ohne Gegenstimme mit 42 Stimmen (ohne Enthaltungen). In der Schlussabstimmung stimmte die grosse Kammer dem Geschäft mit 194 zu 1 Stimme zu, die kleine Kammer mit 43 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der einzige Parlamentarier, der sich gegen den Gegenvorschlag aussprach, war Nationalrat Philippe Nantermod (fdp, VS).

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

In der Frühjahrssession 2021 beschäftigte sich der Nationalrat mit einem Postulat der APK-NR, welches vom Bundesrat die Beurteilung der Handlungsoptionen zur aktiven Bekämpfung der US-Blockade gegen Kuba forderte. Eine Kommissionsminderheit Büchel (svp, SG) setzte sich allerdings gegen die Forderung ein. Kommissionssprecher Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) erklärte, dass man mit dem Postulat teilweise das Anliegen einer Petition «Unblock Cuba» (Pet. 19.2034) erfülle. Man könne gewisse Geldflüsse über Zwischeninstitutionen gewährleisten, so wie das auch beim Iran der Fall sei. Auch die Nationalbank könne gewisse Garantien für den Zahlungsverkehr mit Kuba übernehmen. Ein Grossteil der Bevölkerung in Kuba sei von der finanziellen Unterstützung von im Ausland lebenden Familienmitgliedern abhängig. Die US-Blockade habe aber dazu geführt, dass sich viele Finanzinstitute nicht mehr trauen würden, derartige Zahlungen zu tätigen. Nationalrat Büchel äusserte sich im Namen der grossen Kommissionsminderheit und folgte fast wortwörtlich der bundesrätlichen ablehnenden Stellungnahme zum Postulat, indem er auf das bereits existierende Engagement der Schweiz verwies. Auch Bundesrat Cassis beantragte die Ablehnung des Postulats, nicht zuletzt weil ein öffentlich zugänglicher Bericht das Vertrauen der beteiligten Staaten in die Schweiz untergraben würde. Die grosse Kammer liess sich von diesen Bedenken aber nicht beirren und nahm das Postulat mit 98 zu 89 Stimmen an. Die Mehrheit setzte sich aus den Fraktionen der SP, der Grünen und der FDP.Liberalen sowie aus einigen Ja-Stimmen aus der Mitte-Fraktion zusammen.

US-Blockade gegen Kuba zugunsten der ärmsten Bevölkerung aktiv bekämpfen (Po. 20.4332)

Fünf Tage nach der Nationalratsdebatte war es im März 2021 bereits wieder am Ständerat, die beiden noch offenen Differenzen bezüglich des Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative zu debattieren. Erich Ettlin (mitte, OW) verkündete, es hätten im Nachgang der Behandlungen in der Wintersession 2020 vielversprechende Gespräche zwischen Vertreterinnen und Vertretern der beiden Kammern, des Initiativkomitees und der Arbeitgeberorganisationen stattgefunden, mit dem Ziel, eine Kompromisslösung zu finden. Vor dem Hintergrund dieser Gespräche schlug Ettlin im Namen der SGK-SR vor, bezüglich der Differenz zu den Ausbildungsbeiträgen dem Vorschlag des Nationalrates zuzustimmen und somit die Kantone zur Finanzierung entsprechender Beiträge in die Pflicht zu nehmen. Für die zweite Differenz, bei welcher es um die selbständige Erbringung von Pflegeleistungen und um die Abrechnung über die OKP ging, sah die Kommission eine Kompromisslösung vor. Sie hielt zwar daran fest, dass Vereinbarungen zwischen Leistungserbringenden und Versicherungen getroffen werden sollten, um eine Mengenausweitung zu verhindern. Anders als ursprünglich vorgesehen sollten die entsprechenden Verträge allerdings nicht zwischen einzelnen Leistungserbringenden und der OKP abgeschlossen werden, sondern landesweit zwischen ihren Verbänden. Ettlin erachtete die Vorlage in dieser Form als «einen griffigen und auch für die Initiantinnen vorteilhaften Gegenvorschlag». Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) sicherte als Mitglied des Initiativkomitees dem vorliegenden Kompromiss ihre Unterstützung zu. Stillschweigend folgte der Ständerat in beiden Punkten seiner Kommission. Da immer noch eine Differenz vorhanden war, gelangte das Geschäft in die Einigungskonferenz.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2021 der Mehrheit seiner vorberatenden SGK-NR, die – wie bereits zuvor der Ständerat und die SGK-SR – nicht bereit war, vom eigenen Standpunkt bezüglich der beiden verbleibenden Differenzen zum indirekten Gegenvorschlag der Pflegeinitiative abzurücken. Sinnbildlich dafür stand Manuela Weichelt-Picards (al, ZG) Aussage, wonach «[i]m Yoga [...] gerne gesagt [wird], dass man ein Mantra mindestens 108-mal wiederholen soll. Zum Glück haben wir das Parlamentsgesetz, das uns ein 108-maliges Pingpong nicht erlaubt».
Die erste noch bestehende Differenz hatte die Ausbildungsbeiträge durch die Kanton zum Inhalt. Verena Herzog (svp, TG) appellierte für eine zum Grossenteil aus SVP-Mitgliedern bestehende Minderheit, die Lebensunterhaltsbeiträge an angehende Pflegefachpersonen für die Kantone nicht verpflichtend, sondern – wie vom Ständerat vorgesehen – freiwillig zu gestalten. Dadurch würde der jeweiligen Situation der Kantone Rechnung getragen. Denn diese wären am besten dazu in der Lage, den eigenen Handlungsbedarf einzuschätzen. Barbara Gysi (sp, SG) hielt dem allerdings entgegen, dass ein drastischer Mangel an Pflegefachpersonen bestehe und viele interessierte Personen gerade durch diese Freiwilligkeit und den tiefen Ausbildungslohn von einer entsprechenden Ausbildung abgebracht würden. Es sei daher wichtig, an der Beitragspflicht festzuhalten. Mit 115 zu 72 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) stimmte die grosse Kammer für den Antrag der Kommissionsmehrheit, die ebendiese Pflicht vorsah.
Der zweite Punkt, in dem die Volksvertreterinnen und -vertreter mit den Standesvertreterinnen und -vertrern uneinig waren, betraf die selbständige Abrechnung durch Pflegefachpersonen, Spitex-Organisationen und Pflegeheime mit der OKP. Anders als das Stöckli wollte der Nationalrat mit 109 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) von einer im Vorfeld getroffene Vereinbarung mit den Versicherern bezüglich der entsprechenden Leistungen absehen. Die gleiche Kommissionsminderheit wie bei der ersten Differenz argumentierte vergeblich mit Mengenausweitungen, die ohne entsprechende Vereinbarung aufträten – ein Einwand, den Kommissionssprecherin Ruth Humbel (mitte, AG) nicht gelten liess, da mit der direkten Abrechnung auch eine Reduktion der Arztbesuche einhergehe und somit Arztkosten verringert werden könnten.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Die APK-NR reichte im November 2020 ein Postulat mit dem Titel «US-Blockade gegen Kuba zugunsten der ärmsten Bevölkerung aktiv bekämpfen» ein. Mit diesem verlangte die Kommission vom Bundesrat eine Einschätzung möglicher Massnahmen, um einen Beitrag zur Aufhebung der US-Wirtschaftsblockade zu leisten. Für die APK-NR standen dabei zwei Möglichkeiten im Fokus. Einerseits solle der Bericht beurteilen, wie sich die Schweiz im Rahmen der zuständigen UNO-Gremien darum bemühen könnte, den Druck auf die USA zu erhöhen. Andererseits solle der Bundesrat Massnahmen prüfen, um Handel und Investitionen mit Kuba aus der Schweiz heraus zu ermöglichen. Das könne in Form von Investitions- und Exportgarantien geschehen oder durch Hilfestellungen von bundesnahen Institutionen wie der PostFinance und der SNB. Die Kommission will, dass sich die Schweiz proaktiv für die Erfüllung der UNO-Beschlüsse einsetzt, welche das Verhalten der USA als völkerrechtswidrig eingestuft hatten.
Der Bundesrat nahm im Januar 2021 Stellung zum Postulat und betonte, dass sich die Schweiz kontinuierlich bei den US-Behörden für eine Beendigung oder zumindest Abschwächung des Embargos einsetze. Das tue man darüber hinaus auch in internationalen Gremien wie der UNO und des Pariser Clubs. Bezüglich des Vorschlags, bundesnahe Institutionen einzubinden, erklärte der Bundesrat, dass Zahlungsverkehrsdienste ins Ausland nicht Teil des Grundversorgungsauftrags der Postfinance seien. Wenn die Schweiz die Durchführung bestimmter Geschäfte für bundesnahe Institutionen ermöglichen wolle, dann würde man aufgrund möglicher Strafmassnahmen oder Sanktionen durch ausländische Behörden beträchtliche Risiken in Kauf nehmen. Der Bundesrat liess verlauten, dass die Schweiz die vorhandenen Instrumente zugunsten Kubas bereits sinnvoll nütze und gewillt sei, dies auch in Zukunft zu tun. Derartige Tätigkeiten benötigten jedoch Diskretion und Vertrauen, weshalb der Bundesrat die Ablehnung des Postulats beantragte.

US-Blockade gegen Kuba zugunsten der ärmsten Bevölkerung aktiv bekämpfen (Po. 20.4332)

In der Wintersession 2020 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials. Einstimmig bestätigte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen und löste die Ausgabenbremse, nachdem Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) im Namen der Kommission die Annahme der Vorlage empfohlen hatte. Auf Einzelantrag von Peter Hegglin (cvp, ZG) und Bitte von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) schloss der Rat – ebenfalls einstimmig – zudem eine Lücke, welche der Gesetzestext bis dahin noch aufgewiesen hatte: So war man davon ausgegangen, dass alle Beträge, die bisher vergütet worden waren, auch zukünftig vergütet würden. Tatsächlich wären durch die geplante Änderung aber Materialien, die ausschliesslich vom Pflegefachpersonal angewendet werden, sich aber nicht auf der MiGeL befinden, weder von der OKP noch von den Kantonen vergütet worden. Um dies zu verhindern, stimmte der Rat dem Antrag Hegglin zu, wonach die entsprechenden Mittel und Gegenstände während eines Jahres ab Inkrafttreten der Änderung weiterhin nach dem bisherigen Recht vergütet werden sollten. Damit habe man Zeit, die entsprechenden Güter auf die MiGeL zu setzen. Diese Lösung hatte auch Bundesrat Berset zuvor im Rahmen der Debatte unterstützt. Einstimmig (41 zu 0 Stimmen) verabschiedete der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung.
Gegen diese Änderung hatte auch der Nationalrat nichts einzuwenden, stillschweigend nahm er die Differenz an und stimmte dem Gesetz in den Schlussabstimmungen (195 zu 0 Stimmen) genauso einstimmig zu wie der Ständerat (41 zu 0 Stimmen).

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

In der Wintersession 2020 beschäftigte sich der Ständerat erneut mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Dabei hielt er an den beiden bestehenden Differenzen fest. Zum einen stimmte die kleine Kammer mit 29 zu 14 Stimmen dafür, dass die Kantone angehende Pflegefachpersonen mit Ausbildungsbeiträgen ausstatten können und dabei vom Bund während acht Jahren unterstützt werden, allerdings – anders als vom Nationalrat gefordert – nicht dazu verpflichtet werden sollen. Während Gesundheitsminister Berset die Kann-Formulierung befürwortete und argumentierte, auf diese Weise würden CHF 100 Mio. eingespart, fanden die Worte von Minderheitssprecherin und Mitglied des Initiativkomitees, Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), welche von 65'000 fehlenden Pflegefachkräften im Jahr 2030 und der Abhängigkeit vom Ausland sprach, bei ihren Ratskolleginnen und -kollegen nicht genügend Gehör. Zum anderen beharrte das Stöckli mit 23 zu 18 Stimmen darauf, dass bezüglich der selbständigen Abrechnung von Leistungen durch die Pflegefachpersonen mit der OKP die Leistungserbringenden im Vorfeld eine Vereinbarung mit den Versicherern abschliessen müssten. Auch hier hielt Carobbio vergeblich entgegen, dass es sich dabei «faktisch [um] eine Aufhebung des Vertragszwangs durch die Hintertür» handle, wodurch ein Rückzug der Initiative unwahrscheinlich werde.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung