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Nachdem 1985 eine Stagnation des Waldsterbens festgestellt worden war, verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Waldes im Berichtsjahr alarmierend. Aus der Sanasilva-Waldschadeninventur 1986 geht hervor, dass die Zahl der geschädigten Waldbäume innert Jahresfrist um 14 Prozent auf 50 Prozent zugenommen hat. Dabei sind die Laubbäume (+16%) stärker betroffen als die Nadelbäume (+13%). Den grössten Schadenanteil trägt die Alpenregion mit 60 Prozent kranken Bäumen (+ 17%); auf der Alpensüdseite sind es sogar 65 Prozent. Angesichts der bedrohlich steigenden Schäden wurde eine Fortsetzung des 1987 auslaufenden Sanasilva-Programms beschlossen. Da seine Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben» nicht zustande kam, lancierte der Umweltschützer F. Weber eine neue Initiative «Rettet unsere Wälder», die ebenfalls verlangt, dass die Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung auf den Stand von 1955 reduziert wird. Vom Parlament war der Bundesrat anlässlich der Sondersession zum Thema Waldsterben im Vorjahr aufgefordert worden, in einem Konzept festzulegen, auf welchen Stand und mit welchen zusätzlichen Massnahmen die Luftqualität verbessert werden solle. Nach diesem nun vorgelegten Luftreinhalte-Konzept will die Landesregierung die Luftbelastung so weit reduzieren, dass sie wieder den Stand der 50er Jahre erreicht. Sie kam allerdings zum Schluss, dass das gesteckte Ziel bei den Stickoxid- und Kohlenwasserstoff-Emissionen mit den ins Auge gefassten Massnahmen nicht erreicht werden könne. Aufgrund der alarmierenden Ergebnisse des Sanasilva-Waldschadenberichts forderte Nationalrat Künzi (fdp, ZH) in einer dringlichen Interpellation (86.997) deshalb weitergehende Massnahmen. Der Bundesrat anerkannte deren Notwendigkeit und gab zugleich zu bedenken, dass ihre Realisierung in erster Linie vom politischen Willen des Parlaments abhänge.

Sanasilva Bericht 1986

Drastischer als alle wissenschaftlichen Analysen und Prognosen führten Katastrophen wie der Reaktorunfall in Tschernobyl (UdSSR), der Chemiebrand bei Basel und das Waldsterben der Öffentlichkeit und den politischen und wirtschaftlichen Führungskräften vor Augen, dass sich auf die Dauer die Fortführung des bisherigen weitgehend quantitativen Wirtschaftswachstums nicht mit dem Ziel der Erhaltung einer einigermassen intakten Umwelt vereinbaren lässt. Die Diskussionen um das als optimal erachtete Wirtschaftssystem entfernten siçh vom traditionellen Gegensatz zwischen freier Marktwirtschaft und staatlicher Lenkung. Insbesondere bei der politischen Linken und den Gewerkschaften, aber – zumindest ansatzweise – auch bei den Unternehmern und den bürgerlichen Parteien setzte sich vermehrt die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer ökologisch orientierten Wirtschaft durch. Auf bürgerlicher Seite war insbesondere nach der Chemiekatastrophe bei Basel eine Zunahme der Einsicht in die Notwendigkeit staatlicher Regelungs- und Überwachungsfunktionen spürbar (vgl. dazu die Voten von Nationalrat Feigenwinter (cvp, BL) und Nationalrat Bremi (fdp, ZH) anlässlich der Parlamentsdebatte. Ob dieses Ziel mit marktwirtschaftlichen Steuerungsmitteln, wie beispielsweise der Internalisierung externer Kosten (Verursacherprinzip), oder mit staatlichen Verboten erreicht werden kann, wird zunehmend von einer Prinzipien- zu einer blossen Zweckmässigkeitsfrage.

Debatte über das Miteinander von Wirtschaft und Umwelt nach mehreren Umweltkatastrophen

Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP), die in den Nationalratswahlen von 1983 (vgl. auch hier) zur stärksten Landespartei aufgestiegen war, blieb von Abbröckelungserscheinungen nicht verschont. Die Fortsetzung der Reihe von kantonalen und kommunalen Wahlmisserfolgen, die im Herbst 1985 in der Westschweiz begonnen hatte (vgl. auch hier), gab zur Deutung Anlass, dass der Slogan «Mehr Freiheit und Selbstverantwortung – weniger Staat» seine Wirkung verloren habe, ja bei einem Teil der Wähler zur Belastung geworden sei. Parteipräsident B. Hunziker plädierte denn auch für eine Öffnung der Partei gegenüber neuen Problemen und distanzierte sich von einer konservativen Haltung; vor allem aber wiederholte er seinen Ruf nach vermehrter innerer Geschlossenheit. Als einen Problembereich, mit dem sich die Politik nunmehr zu befassen habe, signalisierte die FDP die neuen Technologien, denen sie eine ausserordentliche Delegiertenversammlung widmete. Die von dieser verabschiedeten Postulate betonten vor allem die Aufgabe des Staates, im Bildungswesen aller Stufen Voraussetzungen für den technologischen Fortschritt zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Im übrigen solle sich der Staat auf die Gewährleistung günstiger Rahmenbedingungen für die Wirtschaft beschränken, Monopolstellungen bei Regiebetrieben abbauen sowie rechtliche und administrative Hemmnisse reduzieren ; vor einer direkten staatlichen Technologieförderung wurde eher gewarnt. Von einer Verstärkung des umweltpolitischen Interesses in der FDP – zumal vor einem eidgenössischen Wahljahr – zeugte ein entsprechendes Manifest, das die Herbst-Delegiertenversammlung freilich erst teilweise genehmigte; die brisanten Postulate wurden noch einer parteiinternen Vernehmlassung unterstellt. Mindestens im Grundsatz fanden immerhin Lenkungsabgaben zur Schonung knapper Umweltgüter Zustimmung. Weitere Thesen und Grundlagenpapiere veröffentlichten Partei oder Fraktion zum Asylrecht, zur Finanz- und zur Energiepolitik. Auf kantonaler Ebene hatte die FDP namentlich in Genf und Baselland sowie in der Stadt Zürich mit inneren Spannungen zu schaffen.

Kantonale und kommunale Wahlmisserfolgen der FDP 1985

Im Namen der Gesamtregierung gab Bundesrat Egli am 2. Dezember vor der eigens dazu einberufenen Vereinigten Bundesversammlung eine Erklärung zur Chemiekatastrophe ab. Er kündigte die Verbesserung der Melde- und Alarmorganisation, die Inventarisierung potentiell gefährlicher Anlagen sowie eine wirksamere staatliche Kontrolle an, appellierte aber auch an die Selbstverantwortung der Industrie, bessere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. In der parlamentarischen Diskussion bestand zwar Einigkeit darüber, dass solche Katastrophen künftig verhindert werden müssten, doch gingen die Meinungen über die nötigen Vorkehrungen weit auseinander. Vertreter der Linken, der LdU/EVP-Fraktion, der Grünen und der NA forderten rigorose staatliche Kontrollen sowie eine Beschränkung der Produktion gefährlicher Erzeugnisse. Die Mehrheit der bürgerlichen Redner dagegen warnte davor, sich zu Überreaktionen hinreissen zu lassen; sie gab ihrem Vertrauen in die Selbstverantwortung der Industrie Ausdruck und forderte diese zu einem Ausbau ihrer Sicherheitsvorkehrungen auf. Jedoch anerkannten gerade einige Industrievertreter die Berechtigung verstärkter staatlicher Interventionen. In diesem Zusammenhang wurde von Vertretern aller Parteien eine ganze Reihe von Vorstössen eingereicht, u.a. eine parlamentarische Initiative und zwölf Motionen.

Chemiekatastrophe in Schweizerhalle

In der Nacht auf den 1. November kam es in einer Lagerhalle der Firma Sandoz zu einem Chemiegrossbrand, der katastrophale Auswirkungen auf das Ökosystem des Rheins hatte. Durch das mit grossen Mengen von Agrochemikalien angereicherte Löschwasser gelangten unter anderem giftige Insektizide und Quecksilberverbindungen in den Fluss und vernichteten den gesamten Bestand an Fischen und Mikrolebewesen bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Wiederbelebung des Rheins wird nach Ansicht von Experten mindestens zehn Jahre dauern. Über Stunden war zudem unklar, ob der Brand, bei dem gegen 800 Tonnen Chemikalien in Flammen aufgingen, eine akute Gesundheitsgefährdung darstelle. Niemand wusste genau, welche Stoffe die stinkende Chemikalienwolke enthielt – nicht zuletzt deshalb, weil die Firma Sandoz keine genaue Inventarliste der gelagerten Stoffe vorlegen konnte. Zwar war noch in der Nacht Katastrophenalarm ausgelöst worden, doch funktionierte die Warnung und Information der Bevölkerung und namentlich auch der Rheinanliegerstaaten, die ihr Trinkwasser teilweise aus dem Fluss beziehen, nicht bzw. erfolgte zu spät. Die ungenügende Informationspolitik der Basler Behörden sowie der Sandoz löste Angst und Verunsicherung aus, war doch das reale Ausmass der Bedrohung während Stunden ungewiss. Dass Schweizerhalle kein Einzelfall war, zeigte eine ganze Reihe von weiteren, kleineren Chemieunfällen, die in der Folge öffentlich bekannt wurden. In mehreren Demonstrationen im In- und Ausland gaben die Betroffenen ihrem Unmut und ihrer Angst Ausdruck und forderten unter anderem ein Verbot von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Produktionsverfahren. Nachdem die Sandoz die Katastrophe anfangs noch zu einem blossen Ereignis heruntergespielt hatte, entschuldigte sie sich später bei der Bevölkerung. Drei Wochen nach dem Unglück wandte sich erstmals Sandoz-Präsident Moret an die Öffentlichkeit und erklärte, dass sein Konzern für finanzielle Schäden aufkommen werde. Um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, will die Sandoz ihre Informationspolitik verbessern sowie eine umweltschonendere Produktion anstreben.

Chemiekatastrophe in Schweizerhalle

Der effiziente Vollzug des USG rückt nun – nachdem die wichtigsten Ausführungsbestimmungen zu den einzelnen Umweltbereichen vorliegen – ins Zentrum der schweizerischen Umweltpolitik. Um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen in den meisten Kantonen die Umweltschutzämter personell aufgestockt, zum Teil auch erst eingerichtet werden. Erhöhte Bedeutung kommt auch der Aus- und Weiterbildung von Umweltschutzexperten zu. Die Arbeiten zu einem Schulungskonzept für kantonale und kommunale Vollzugsbehörden sind im Gange.

Motion zur Aus- und Weiterbildung von Umweltschutzexperten für einen effizienten Vollzug des USG (Mo. 86.506)
Dossier: Umweltschutzgesetz

Im Berichtsjahr wurden vier weitere Ausführungsverordnungen zum Umweltschutzgesetz (USG) erlassen. Seit dem 1. September 1986 gelten die Verordnung über umweltgefährdende Stoffe (Stoffverordnung, StoV) und jene über Schadstoffe im Boden (VSBo), ab dem 1. April 1987 die Lärmschutzverordnung (LSV) sowie die Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS). Die Stoffverordnung setzt mit ihren Vorschriften über Herstellung, Abgabe, Verwendung und Beseitigung von umweltgefährdenden Stoffen bei der Quelle von Umweltbelastungen an. Dabei geht sie von einer umfassenden Sorgfaltspflicht beim Umgang mit chemischen Stoffen und Erzeugnissen aus. Um die Gefährdung von Mensch und Umwelt auf ein Minimum zu begrenzen, schreibt die StoV eine dreistufige Kontrolle sowie die Weitergabe von umweltrelevanten Informationen an die Verbraucher vor. Nach dem Verursacherprinzip ist der Hersteller jedes Stoffes im Rahmen der Selbstkontrolle verpflichtet, dessen Umweltverträglichkeit zu untersuchen und zu beurteilen. Dazu kommen Anmelde- bzw. Bewilligungsverfahren für neue und bestimmte alte Stoffe (Risikogruppen) sowie als weitere Kontrolle die Marktüberwachung. Zu diesen allgemeinen Bestimmungen werden in laufend nachgeführten Anhängen Vorschriften für besonders umweltgefährdende Stoffgruppen erlassen.

Verordnungen zur Konkretisierung des USG (1985 und 1986)
Dossier: Umweltschutzgesetz

Abgeschlossen wird die Reihe der wichtigen Ausführungserlasse zum USG mit der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die im Berichtsjahr in die Vernehmlassung geschickt wurde. Während das USG nur allgemein festhält, dass für geplante Anlagen, welche die Umwelt erheblich belasten können, eine UVP durchzuführen sei, führt der Verordnungsentwurf nun über 80 prüfungspflichtige Anlagetypen verbindlich auf. Bei diesen handelt es sich vorwiegend um Grossanlagen in den Bereichen Verkehr, Energie, industrielle Betriebe, Wasserbau, Landesverteidigung, Entsorgung, Sport, Tourismus und Freizeit. Die UVP wird in die bereits bestehenden Genehmigungsverfahren eingebaut; sie soll eine umfassende Beurteilung der Umweltauswirkungen des projektierten Vorhabens erlauben. Lassen sich allfällige Mängel eines Projektes nicht korrigieren, wird dieses zur Ablehnung empfohlen. Bei bestimmten Anlagetypen räumt die UVP-Verordnung dem Bundesamt für Umweltschutz (BUS) ein Anhörungsrecht ein. Die Ergebnisse einer UVP müssen wegen der vorgesehenen Verbandsbeschwerde öffentlich eingesehen werden können; seit mindestens zehn Jahren gesamtschweizerisch tätige Umweltschutzorganisationen sind beschwerdeberechtigt.

Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Dossier: Umweltschutzgesetz

Waldsterben und Luftverschmutzung gehörten im Berichtsjahr zu den dominierenden Themen der schweizerischen Innenpolitik. Dass sich die Luftqualität in unserem Lande weiter verschlechtert, die Waldschäden zunehmen und auch die menschliche Gesundheit darunter leidet, wird immer offensichtlicher und hat zu einer verstärkten Sensibilisierung breiter Volksschichten geführt. Bezüglich der zu treffenden Massnahmen jedoch gingen die Meinungen nach wie vor auseinander. Im Zentrum der Umweltpolitik stand das Waldsterben. Das Waldschaden-Inventar der «Sanasilva»-Studie eruierte für 1985 einen auf 2 Prozent gebremsten Zuwachs an geschädigten Bäumen: Im Berichtsjahr waren 36 Prozent aller Bäume krank oder abgestorben; der Zustand bei den Nadelbäumen blieb gegenüber 1984 stabil, während der Anteil der geschädigten Bäume bei den Laubhölzern weiter angestiegen ist und auch die Obstbäume zunehmend unter dem «Umweltstress» leiden. Einen alarmierenden Zustand erreichten mit 42 Prozent geschädigten Bäumen die Bergwälder, bei denen teilweise schon kleine flächenweise Zusammenbrüche registriert wurden. Gegenüber dem Mittelland war der Anteil an mittelstark und stark geschädigten sowie abgestorbenen Bäumen doppelt bis dreimal so hoch.

Sanasilva Bericht 1985

Nicht nur ein schärferes Profil, sondern eine neue Identität suchte man weiterhin in der Sozialdemokratischen Partei (SP), die in den letzten Jahren noch ernstere Wahlverluste erlitten hat als die CVP. Dabei kam neben den beiden antagonistischen Flügeln, dem traditionell gewerkschaftlich-sozialpolitischen und dem von den neuen Bewegungen inspirierten «grünen», auch eine Tendenz zum Ausdruck, welche die Partei auf einen pragmatischeren Kurs zu führen strebt. Indem sie auf die Bedürfnisse der Marktwirtschaft eingeht, möchte sie gerade dem kleineren Unternehmertum gegenüber das Image der Wirtschaftsfeindlichkeit abstreifen. Den Kontakt mit einem dynamischen Unternehmertum suchte auch eine Studientagung über die neuen Technologien zu fördern, die von der Präsidentin der Wirtschaftskommission der SPS, L. Uchtenhagen, organisiert wurde, an der aber mit den Referenten N. Hayek und P. Arnold eher die Optik der Grosskonzerne vertreten war. Parteipräsident H. Hubacher forderte seinerseits dazu auf, den Gegebenheiten mehr Rechnung zu tragen. Da die Bevölkerung sich in der Schweiz trotz aller Kritik im Grunde doch wohl fühle, müsse man in der Opposition Mass halten und sich von allzu radikalen Tendenzen – wie etwa einer prinzipiellen Armeegegnerschaft – abgrenzen. Für eine Abgrenzung gegenüber sozialistischen Diktaturen, Bürokratie und utopischen Fixierungen plädierte auch der Genfer Nationalrat R. Longet. Im Sinne der ökologischen Tendenz und zugleich einer praxisnahen Parteitätigkeit gab das Zentralsekretariat ein Handbuch über Umwelt-, Energie- und Verkehrsfragen heraus, das Kommunalpolitikern Informationen und Anregungen bieten soll.

Identitätssuche bei der SP

Während Massnahmen zur Reduktion des Schadstoffausstosses auch in der Bevölkerung weitgehend unterstützt wurden, löste die Forderung der Umweltorganisationen, der private Motorfahrzeugverkehr müsse gebremst oder gar reduziert werden, heftige Reaktionen aus. Mit der Idee eines Öko-Bonus, einem massiven Zuschlag auf Benzin, dessen Ertrag gleichmässig auf die ganze Bevölkerung zu verteilen wäre, wollte der VCS auf Kosten der Vielfahrer diejenigen Verkehrsteilnehmer belohnen, welche wenig oder gar nicht autofahren; eine entsprechende Motion Jaeger (ldu, SG) (Mo. 85.495) wurde indessen vom Nationalrat auch nicht in Postulatform überwiesen. Ebenfalls abgelehnt wurde eine Motion der LdU/EVP-Fraktion (Mo. 84.599), die den Bundesrat aufforderte, Vorkehrungen zu treffen, um bei einem weiteren Fortschreiten des Waldsterbens eine Treibstoffrationierung verfügen zu können (siehe auch Kt.Iv. 85.202). Dagegen verlangte das Parlament in einem aufsehenerregenden Entscheid vom Bundesrat die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen im Sinne einer Sofortmassnahme (Mo. 83.956; Po. 85.326; Kt.Iv. 84.203; Kt.Iv. 84.204). Die Landesregierung, die in dieser Frage allein zuständig ist, beschloss jedoch, an den auf Anfang 1985 in Kraft gesetzten Tempolimiten 80/120 einstweilen festzuhalten. Mit 256'207 gültigen Unterschriften wurde eine Initiative «Pro Tempo 130/100» eingereicht. Der Berner Grosse Rat stimmte mit grossem Mehr einer Motion zu, wonach sich die Regierung beim BR für 6 autofreie Sonntage einsetzen soll. Die geplante Neuauflage der 1978 abgelehnten «Burgdorfer Initiative» für 12 motorfahrzeugfreie Sonntage wurde fallen gelassen. Dagegen konnte der Aufruf verschiedener, teilweise durch kantonale Regierungen unterstützter Komitees zur «Aktion autofreier Bettag» insgesamt als Erfolg gewertet werden.

Eine erfreuliche Auswirkung dieser Tempobegrenzung auf National- und Hauptstrassen konnte die Unfallstatistik verzeichnen: Erstmals seit 1954 wurden im Berichtsjahr wieder weniger als 1’000 Verkehrstote (908, das sind 17.2 Prozent weniger als 1984) registriert, obwohl sich der Fahrzeugbestand seither mehr als verfünffachte. Auch die Zahl der Verletzten sank auf 29'827 (2.5 Prozent weniger als 1984), während die Unfälle gesamthaft leicht zunahmen (+0.7 Prozent). Der Bundesrat beschloss die Erhöhung der Ordnungsbussen im Strassenverkehr um durchschnittlich 50 Prozent auf Anfang 1986. Stärker heraufgesetzt wurden dabei die Bussenansätze für jene Übertretungen, die für die Verkehrssicherheit von Bedeutung sind. Nachdem sich in der Vernehmlassung zur Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) die Mehrheit der Kantone unter anderem für eine Erhöhung der allgemein zulässigen Breite von Motorfahrzeugen auf 2.5 m ausgesprochen hatte, kündigten die Schweizerische Verkehrsstiftung, der VCS sowie die Interessengemeinschaft Velo Schweiz das Referendum an: Breitere Lastwagen würden die Fussgänger und Zweiradfahrer vermehrt gefährden, und zudem seien Strassenverbreiterungen auf Kosten von Kulturland, Vorgärten und Trottoirs zu befürchten. Die Exekutive eröffnete ferner die Vernehmlassung zur Neugestaltung der Strassenrechnung, welche für finanz- und verkehrspolitische Entscheide – vor allem in der Frage des Eigenwirtschaftlichkeitsgrades der verschiedenen Verkehrskategorien – von wesentlicher Bedeutung ist.

(Die eidgenössischen Räte genehmigten einstimmig das Haager Übereinkommen über das auf Strassenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, welches die Schweiz 1980 unterzeichnet hatte (BRG 84.080).)

Forderung der Umweltorganisationen nach Reduktion des privaten Motorfahrzeugverkehrs – Parlament verlangt die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen (Mo. 83.956)
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

Wichtigste Entscheidung der «Waldsession» war eine von beiden Räten überwiesene Motion, die von der Regierung verlangte, bis spätestens Ende Jahr ein Konzept vorzulegen, wie und bis wann die Luftqualität auf den Stand der 50er Jahre zurückgeführt werden könne. Von Bedeutung war dieser Auftrag nicht zuletzt deshalb, weil darin weitergehende Massnahmen enthalten sind, als in den zahlreichen Motionen und Postulaten noch speziell aufgezählt wurden. Im übrigen überwog in beiden Räten die Erwartung, dass die ökologische Krise mit technischen Massnahmen gemeistert werden könne und sich drastische Eingriffe vermeiden liessen. So lehnte der Nationalrat mit deutlichem Mehr selbst die Vorbereitung einer Treibstoff- und Heizölrationierung ab. Aufsehen erregte dagegen sein Entschied für die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen im Sinne einer Sofortmassnahme. Unter Namensaufruf überwiesen die Volksvertreter diesen Vorstoss der LdU/EVP-Fraktion mit 103 gegen 87 Stimmen als Motion und demonstrierten damit ihren Willen, mit konkreten Massnahmen gegen das Waldsterben vorzugehen. Gegen den Antrag des Bundesrates stimmten sie auch der Motion Müller (svp, BE) (Mo. 83.920) betreffend Schadstoffbegrenzung bei Dieselfahrzeugen zu und hiessen mit grossem Mehr zwei Motionen der Nationalratskommission gut, von denen die eine jährliche Abgaskontrollen bei Autos sowie die Einführung der Abgasnormen US-83 auf Oktober 1987, die andere die Senkung des Schwefelgehaltes im Heizöl «extra leicht» auf 0.15 Prozent bis Anfang 1987 verlangte. Vom Ständerat wurden diese den Verkehrs- und Energiebereich betreffenden Forderungen jedoch alle in unverbindliche Postulate abgeschwächt. Die kleine Kammer sprach sich zwar – in Übereinstimmung mit dem Nationalrat – bei drei Vorstössen zur Schadenbeseitigung und finanziellen Hilfe an die Waldwirtschaft für verbindliche Aufträge an den Bundesrat aus; dass sie aber bei Massnahmen zur Ursachenbekämpfung aus formaljuristischen Gründen auf die Motionsform verzichtete, stiess auf Befremden.

Sondersession zum Thema Waldsterben (BRG 84.088)
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

In der namentlich dem Thema Waldsterben gewidmeten Sondersession bekräftigte Bundesrat Egli die Entschlossenheit der Regierung, die technischen Möglichkeiten zur Verringerung der Umweltbelastung konsequent auszuschöpfen und nötigenfalls auch unpopuläre Massnahmen zu ergreifen. Erklärtes Ziel sei die Rückführung der Luftqualität auf den Stand der 50er Jahre. Als allgemeine Stossrichtung der Umweltpolitik skizzierte er die Verminderung der Schadstoffemissionen im Verkehrs- und Energiebereich, die Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Forschung, vermehrte Waldpflege, bessere internationale Zusammenarbeit und offene Information über die Lage. Um das gesteckte Ziel zu erreichen bedürfe es freilich eines völligen Umdenkens, ja einer Umkehr der Gesellschaft. Auch die eidgenössischen Räte waren sich in der generellen Lagebeurteilung weitgehend einig und fanden bezüglich zahlreicher Massnahmen zu einem Konsens, der vor Jahresfrist noch nicht möglich erschien. Allerdings lehnte der Nationalrat eigentliche Notrechtsmassnahmen für den kranken Wald ab. Die Volkskammer stimmte jedoch etlichen Forderungen in Motionsform zu, auch wenn die Regierung diese aus Gründen der Gewaltentrennung nur in Postulatform entgegennehmen wollte. Überwiesen wurden sämtliche Motionen und Postulate der vorberatenden Nationalratskommission zu den Bereichen Waldwirtschaft, Verkehr, Feuerung und Energie sowie Kehrichtverbrennung, mit denen diese die Forderungen des «10-Punkte-Programmes» der Regierungsparteien vom Herbst 1984 übernommen hatte. Die Kommission des Ständerates ihreseits hatte sich mit dem vom Bundesrat im Waldbericht unterbreiteten Massnahmenkatalog zufriedengegeben und keine eigenen Vorstösse unterbreitet.

Sondersession zum Thema Waldsterben (BRG 84.088)
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

Das Umweltschutzgesetz (USG) trat auf den 1. Januar 1985 in Kraft. Von den Verordnungen, die dieses Rahmengesetz in den einzelnen Teilbereichen des Umweltschutzes konkretisieren sollen, erhielten diejenigen über die Tempobegrenzung im Strassenverkehr (Tempo 80/120) und über Luftreinhaltemassnahmen bei Feuerungen (LMFV) gleichzeitig wie das USG Gültigkeit. Im Berichtsjahr wurde auch die Luftreinhalteverordnung (LRV) erlassen. Betreffend Lärmbekämpfung, Bodenschutz, Abfallbeseitigung und Umweltgefährdung durch chemische Stoffe verzögerte sich die Konkretisierung des USG, was bei den Kantonen zu Problemen mit dem Gesetzesvollzug führte. In einem Brief an den Bundesrat protestierten die SGU und der VCS dagegen, dass die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) – eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen die Umweltverschmutzung – bei der Vorbereitung der Ausführungsbestimmungen zum USG an die letzte Stelle der Prioritätenliste gesetzt wurde.

Verordnungen zur Konkretisierung des USG (1985 und 1986)
Dossier: Umweltschutzgesetz

Obwohl das Berichtsjahr als «Jahr der Berichte» zur Umweltbedrohung, insbesondere zum Waldsterben, charakterisiert werden kann, wurde sichtbar, dass Informationen allein nicht genügen, um die gegenwärtige Situation zu ändern. Ihnen werden in naher Zukunft vielmehr auch Taten folgen müssen. Diese könnten in ihren Auswirkungen so umfassend werden, dass der Umweltbereich ähnlich der Raumplanung in den 70er Jahren zu einer neu integrierenden Politikdomäne würde. 1984 bereits feststellbar waren die Folgen für die Energie-, Verkehrs- und Forstpolitik. Im Rahmen der Bemühungen um eine Totalrevision der BV wurde diskutiert, ob das ökologische Denken als neue Basis dienen könnte.

Obwohl das Berichtsjahr als «Jahr der Berichte» zur Umweltbedrohung, insbesondere zum Waldsterben, charakterisiert werden kann, wurde sichtbar, dass Informationen allein nicht genügen, um die gegenwärtige Situation zu ändern

Bei der Formulierung politischer Konzepte gingen die Umweltorganisationen im Verbund mit Teilen der Wissenschaft voraus, die Parteien und die Massenmedien übernahmen die Aufgabe, artikulierte Interessen zusammenzufassen und je nach Standort zu bewerten. Der Bundesrat verabschiedete erste Massnahmenpakete zur Bekämpfung der als zentral erachteten Luftverschmutzung. Skepsis machte sich jeweils in den Reaktionen der Wirtschaftsverbände und wichtiger Interessenorganisationen des Automobilverkehrs bemerkbar, die ihrerseits versuchten, gemeinsam mit einzelnen wissenschaftlichen Experten und der Boulevardpresse hemmend auf die Entstehung einer neuen Umweltpolitik einzuwirken.

Formulierung politischer Konzepte – Unterschied zwischen Umweltorganisationen und Wirtschaftsverbänden

Weitergehende Forderungen erhoben insbesondere die Umweltorganisationen. Zur Popularisierung ihrer Ideen veranstalteten sie am 5. Mai in Bern eine Demonstration zugunsten des Waldes, an der rund 30 000 Personen teilnahmen. Propagiert wurden unter anderem, mittels einer Rationierung den Treibstoffverbrauch um die Hälfte zu senken, sowie den Nationalstrassenbau zu stoppen und die frei werdenden Gelder in den öffentlichen Verkehr umzulenken. Bei der Debatte über die Regierungsrichtlinien 1983-87 versuchte die SP-Fraktion der Bundesversammlung erfolglos, einen Teil dieser Forderungen mit einer Motion zum Notprogramm zu erklären und damit den Bundesrat zu rascherem Handeln zu zwingen. Dagegen vereinbarten die Spitzen der vier Regierungsparteien, ein gemeinsames Programm zur Rettung des Waldes vorzubereiten. In ihren Empfehlungen, die sie kurz vor Jahresende veröffentlichten, wünschten sie von der Exekutive eine schrittweise Verschärfung und Erweiterung der ergriffenen Massnahmen in den Bereichen Verkehr und Energie: Im wesentlichen wurde vorgeschlagen, bleifreies Benzin durch eine Differenzierung des Treibstoffzolls zu begünstigen, die amerikanischen Abgasnormen ab Modelljahr 1988 obligatorisch zu erklären und bis dahin Fahrzeuge, welche diese bereits erfüllen, steuerlich zu bevorteilen; das gleiche solle mit Fahrzeugen geschehen, die mit Katalysatoren ausgerüstet seien. Bei der Heizkostenabrechnung wurde ein Obligatorium für eine verbrauchsabhängige Ausgestaltung grundsätzlich unterstützt; sodann fanden strengere Werte für den zulässigen Schwefelgehalt aller Heizölsorten Eingang in das «10-Punkte-Programm» der Regierungsparteien.

Debatte über die Regierungsrichtlinien 1983-1987 (Mo. 84.001-4)
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

Sowohl bei der Luftverschmutzung als auch bei der Lärmbekämpfung und der Abfallbewirtschaftung wurde deutlicher als zuvor die Frage aufgeworfen, ob die eher auf Symptombekämpfung ausgerichtete Umweltpolitik genüge, oder ob es nötig sein werde, eine Politik zu betreiben, welche an den Ursachen der Umweltbedrohung ansetzt. Dabei vertrauten die Befürworter einer Wende vor allem auf regulative Massnahmen, die sie durch eine konsequente Durchsetzung des Verursacherprinzips ergänzt sehen möchten. Skeptiker gingen jeweils vom Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie aus, sahen in der lancierten Umweltpolitik eine neue Bürokratisierung der Wirtschaft und propagierten die vermehrte Berücksichtigung des Marktes. Im Berichtsjahr blieb noch unklar, wieweit Einstellungsänderungen auch ein neues Verhalten zur Folge haben. Zwar kündigen sich neue Entwicklungen an, doch machten sich auch Verhärtungen und neue Konfliktlinien bemerkbar, die zwischen den negativ Betroffenen von ökologisch inspirierten Lebensregeln und den Benachteiligten durch das bisherige Verhalten verliefen.

Umweltpolitik – Symptombekämpfung oder Ansatz bei Ursachen der Umweltbedrohungen

Am deutlichsten sichtbar wurde die Umweltbedrohung bei der Entwicklung des Waldsterbens. Waren es 1983 14 Prozent des Waldes, die als angeschlagen betrachtet werden mussten, so stieg der Anteil der geschädigten Bäume 1984 auf 34 Prozent an. Stark kranke oder abgestorbene Bäume machten acht Prozent (1983: 4%) des Bestandes aus. Die Untersuchungen liessen je nach Baumsorte darauf schliessen, dass sich die Zahl der geschädigten Bäume innert Jahresfrist verdoppelt bis verdreifacht hat. Am stärksten betroffen waren die Weisstannen, bei denen schon mehr als die Hälfte krank sind. Wie das 1984 im Rahmen der «Sanasilva»-Untersuchung erstmals erstellte Waldschadeninventar ergab, kennen alle Regionen der Schweiz Waldschäden. Am schlechtesten ist der Zustand in den inneralpinen Zonen der Kantone Wallis und Graubünden. Auf der Alpennordseite nehmen die Schäden von West nach Ost spürbar zu. Zu den wichtigsten Auswirkungen des Waldsterbens wurden die rasche Vermehrung von Parasiten, negative Einflüsse auf den Holzmarkt und ein abnehmender Schutz gegen Wind und Lawinen gezählt. Obwohl in der Ursachenanalyse Fortschritte verzeichnet wurden, herrschte im Berichtsjahr nur über den primären Faktor weitgehende Einigkeit: Wissenschaftliche Untersuchungen, aber auch der Bundesrat hoben die Bedeutung der Luftverschmutzung hervor; noch nicht schlüssig bekannt scheint dagegen die genaue Wirkungsweise zu sein.

Sanasilva Bericht 1984

Der von drei Umweltorganisationen herausgegebene «Biozid-Report» legte mit der «Chemisierung der Umwelt» sein Hauptgewicht auf einen spezielleren, aber nicht weniger bedeutsamen Aspekt. Gefordert wurden konkrete Zielformulierungen über die Umweltqualität, die mindestens auf Gesetzesstufe verankert werden sollten. Von einer nationalen Umweltpolitik, welche diesen Namen verdient, möchten die Verfasser erst sprechen, wenn die Rate der Schadstoff-Freisetzung drastisch reduziert wird; zu diesem Zweck regten sie ein gänzliches Verbot von Chemikalien an, welche die Umwelt erheblich belasten. Ferner wurden eine Materialrückführung in geschlossene Kreisläufe und eine umfassende Kontrolle durch Umweltbilanzen verlangt.

Biozid-Report – Forderung nach konkreten Zielformulierungen über die Umweltqualität

Ohne einzelne Massnahmen aufzulisten, lancierte der Umweltschützer F. Weber eine Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben». Damit will er dem Bundesrat ausserordentliche Vollmachten geben und den von der Exekutive erhobenen Grundsatz, die Luftverschmutzung sei auf den Stand Mitte der 50er Jahre zu senken, in der Verfassung verankern. Schutzmassnahmen zugunsten der gesamten Umwelt, die sich aus den bisherigen Verfassungsbestimmungen genügend ableiten liessen, sollten ausschliesslich auf dem Verordnungswege realisiert werden. Damit würde nach Ansicht des Initianten die nötige Zeit gewonnen, um ergriffene Massnahmen rechtzeitig wirksam werden zu lassen.

Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben»
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt verstrichen war, konnte der Bundesrat das neue Umweltschutzgesetz auf 1985 in Kraft setzen. Da es sich weitgehend um ein Rahmengesetz handelt, wird es erst mit den entsprechenden Verordnungsbestimmungen griffig werden; eine Anzahl davon wurde im Berichtsjahr vorbereitet respektive in die Vernehmlassung gegeben. Um einem der umstrittensten Punkte des neuen Gesetzes – der Umweltverträglichkeitsprüfung ortsfester Anlagen – Gewicht zu verleihen, richtete die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU) eine Beschwerdestelle ein.

Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG; BRG 79.072)
Dossier: Umweltschutzgesetz

Am umfassendsten angesetzt wurde in der Information über die gegenwärtige und zukünftige Umweltbedrohung bei der Beantwortung eines Postulats von Nationalrat R. Bäumlin (sp, BE), das nach den schweizerischen Konsequenzen aus der amerikanischen Studie «Global 2000» gefragt hatte. Exekutive und Verwaltung legten einen breit gefächerten Bericht vor, in dem die weltweiten Bevölkerungs- und Ressourcenprobleme und deren Auswirkungen auf die Ökosphäre zur Sprache kamen. Positiv überrascht zeigte sich der Postulant, weil im Bericht die anstehenden Fragen beim Namen genannt würden; dagegen übte er Kritik an der bundesrätlichen Stellungnahme, weil sie über allgemeine Betrachtungen hinaus kaum Konsequenzen und Handlungsperspektiven aufzeige. Nationalrätin E. Kopp (fdp, ZH) regte in diesem Zusammenhang an, umfassend über den gegenwärtigen Stand der Umweltschäden in der Schweiz zu berichten. Weiter verlangte sie vom Bundesrat konkrete Vorschläge, wie die «sozialen Kosten» der Umweltbelastung vermehrt internalisiert werden könnten.

Anregung zum Bericht über den gegenwärtigen Stand der Umweltschäden in der Schweiz (Po. 84.463)

Als Konsequenz aus dem Waldschadeninventar postulierte die Exekutive in ihrem ersten «Waldbericht» den handlungsleitenden Grundsatz, die Luftqualität müsse auf den Stand zwischen 1950 und 1960 zurückgeführt werden. In einem ersten Massnahmenpaket beschloss sie, vorwiegend Schritte zu realisieren, die den Verkehr und die Heizungen betreffen. Sofort eingeführt wurde eine befristete Senkung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Überlandstrassen. Weiter wurden ein Verbot von bleihaltigem Normalbenzin ab Mitte 1986 und die Zulassung von Katalysatorfahrzeugen beschlossen. Strengere Abgasnormen als die für 1986 vorgesehenen befürwortete der Bundesrat, doch sollten sie nach seiner Meinung erst eingeführt werden, wenn auch in den Nachbarstaaten ein genügendes Angebot an bleifreiem Benzin vorhanden ist. Im Bereich der Heizungen verordnete die Landesregierung die obligatorische Typenprüfung der Heizkessel und Brenner sowie die lückenlose Nachkontrolle der Ölfeuerungen. Ferner legte sie den Schwefelgehalt bei «extra leichtem» Heizöl auf 0.3 Prozent fest.

Dringlicher Bundesbeschluss gegen Waldschäden (BRG 84.019)
Dossier: Waldsterben in den 1980er Jahren

Bereits vor dem Bundesratsentscheid hatte ein privates Komitee unter der Führung eines Automobiljournalisten eine Volksinitiative «Pro Tempo 100/130» angekündigt, welche die bis dahin gültigen Höchstgeschwindigkeiten in der Bundesverfassung verankern möchte. Begründet wurde der Vorstoss damit, Reduktionen von Tempolimiten seien umweltpolitisch unbegründet; sie stellten vielmehr eine neue «Schikane» für den Automobilisten dar. Unterstützt wird er vom ACS und vom TCS. Im Parlament löste der Bundesratsentscheid verschiedene Reaktionen aus. Der Ständerat lehnte eine Motion (Mo. 84.560) ab, welche für die Festlegung von Höchstgeschwindigkeiten das Parlament zuständig erklären wollte. Als direkte Antwort auf das gestartete Volksbegehren «Pro Tempo 100/130» reichte Nationalrat A. Herczog (poch, ZH) eine Einzelinitiative (Pa.Iv. 84.225) ein, welche die Fixierung von Tempo 80 und 100 in der Bundesverfassung verlangt.

Volksinitiative «Pro Tempo 130/100» (BRG 87.047)