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Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung

Im Jahr 2022 standen im Themenbereich Rechtsordnung mehrere grosse zivil- und strafrechtliche Gesetzesrevisionen auf der Agenda, so etwa die beiden langjährigen Grossprojekte zur Verbesserung der Praxistauglichkeit der Straf- und der Zivilprozessordnung. Beide Gesetze waren in den 2000er-Jahren geschaffen worden, um die bis dahin verschiedenen kantonalen Verfahrensregeln schweizweit zu vereinheitlichen. Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten wurden die beiden Prozessordnungen – nicht zuletzt in Reaktion auf zahlreiche parlamentarische Vorstösse – einer Gesamtschau unterzogen und wo nötig überarbeitet.

Bei der Revision der Strafprozessordnung, die im Sommer 2022 abgeschlossen wurde, blieb der ganz grosse Wurf nach umfangreichen Debatten letztlich aus. Mit seinem Hauptanliegen, der Einschränkung der Teilnahmerechte, konnte der Bundesrat nicht beide Parlamentskammern überzeugen, weshalb die heutige Regelung bis auf Weiteres unverändert bestehen bleibt. Die Regierung hatte mit der Möglichkeit, Beschuldigte unter gewissen Umständen von den Einvernahmen mitbeschuldigter Personen auszuschliessen, verhindern wollen, dass mehrere Beschuldigte ihre Aussagen einander anpassen können. Das in der juristischen Praxis festgestellte Problem, das gemäss Bundesrätin Karin Keller-Sutter einer der Hauptauslöser für die Vorlage gewesen war, blieb damit ungelöst. Dennoch wurden an der Strafprozessordnung viele punktuelle Neuerungen vorgenommen, etwa bei den Grundlagen zur Erstellung von DNA-Profilen oder bei den Verfahrensrechten. Das vom links-grünen Lager aufs Tapet gebrachte Konzept der restaurativen Gerechtigkeit wurde zwar im Zuge dieser Revision noch abgelehnt, ist aber damit nicht vom Tisch: Mit der Annahme einer entsprechenden Motion der RK-SR beauftragten die eidgenössischen Räte den Bundesrat, eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der «justice restaurative» in der Strafprozessordnung auszuarbeiten.

Bei der Revision der Zivilprozessordnung schlug das Parlament die wichtigsten Pflöcke ein, wenngleich Ende 2022 noch einige Differenzen bestanden. So wurden verschiedene Massnahmen getroffen, um die Prozesskosten zu senken und so den Zugang zum Gericht zu erleichtern. Zudem sollten Erleichterungen in der Verfahrenskoordination sowie die Stärkung des Schlichtungsverfahrens die Effizienz der Prozesse steigern. Im Parlament waren vor allem die Frage der zulässigen Verfahrenssprachen an kantonalen Gerichten sowie eine Lockerung der Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen gegen Medien hoch umstritten. Gegen den Willen des Bundesrats setzten die eidgenössischen Räte durch, dass es einfacher sein soll, die Veröffentlichung von rufschädigenden Medienberichten mittels superprovisorischer Verfügung vorläufig zu verhindern. Erfolgreich war der Bundesrat hingegen mit seinem Ansinnen, die Einrichtung internationaler Handelsgerichte in den Kantonen zu fördern: Den Kantonen ist es künftig freigestellt, in internationalen Handelsstreitigkeiten an ihren Gerichten auch Englisch und alle Schweizer Landessprachen als Verfahrenssprachen zuzulassen.

Begleitet von einer regen gesellschaftlichen Debatte begannen die eidgenössischen Räte die Beratung der Revision des Sexualstrafrechts. Der aus der Harmonisierung der Strafrahmen herausgetrennte Entwurf war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden und der Reformbedarf war auch in der Gesellschaft nahezu unbestritten. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage hielten nur 13 Prozent der Befragten die geltenden Normen für ausreichend. Mit dem neuen Sexualstrafrecht soll etwa der Straftatbestand der Vergewaltigung neu definiert werden, so dass nicht mehr nur Frauen davon betroffen sein können und dass keine Nötigung mehr vorausgesetzt wird. Hauptstreitpunkt war sowohl im Parlament als auch ausserhalb, ob anstelle von abgenötigten sexuellen Handlungen neu Handlungen «gegen den Willen» des Opfers oder «ohne Einwilligung» des Opfers unter Strafe stehen sollen. Während sich der Bundesrat und der Ständerat als Erstrat für die sogenannte Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») aussprachen, schwenkte der Nationalrat als Zweitrat auf die Zustimmungslösung – die in der gesellschaftlichen Debatte lautstark geforderte «Nur-Ja-heisst-Ja»-Variante – um. Der Ball liegt 2023 wieder beim Ständerat. Wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt, war die Reform des Sexualstrafrechts ein Treiber der medialen Debatte im Bereich Rechtsordnung: Über den Jahresverlauf waren im April, im Juni sowie gegen Ende Jahr drei kleine Spitzen in der Medienaufmerksamkeit zu verzeichnen, als jeweils die Stellungnahme des Bundesrats und die Behandlung in den beiden Parlamentskammern aktuell waren.

Im Bereich Innere Sicherheit trat Anfang Juni 2022 das Bundesgesetz über präventiv-polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in Kraft. Obwohl sich Bundesrat und Parlament bei der Ausarbeitung des PMT-Gesetzes aus Menschenrechtsbedenken gegen die Präventivhaft als zusätzliche Massnahme entschieden hatten, beschäftigte diese die eidgenössischen Räte auch nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter. Eine 2020 eingereichte parlamentarische Initiative, die eine gesicherte Unterbringung für staatsgefährdende Personen forderte, wurde erst in der Wintersession 2022 erledigt. Derselbe Casus Belli – die fragliche Vereinbarkeit mit den Menschenrechten – lag auch der umstrittenen Abschreibung einer Motion zur Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in Folterstaaten zugrunde. Ein rechtsbürgerlicher Teil des Parlaments wollte sich nicht damit abfinden, dass der Bundesrat die Motion nicht umgesetzt hatte. Die Regierung hatte argumentiert, dass eine Umsetzung nicht opportun sei, da die Motion den Bruch von zwingendem Völkerrecht gefordert habe. Beide Räte stimmten letztlich aber der Abschreibung zu.

Mit Ausnahme des Sexualstrafrechts bewegte sich die Medienberichterstattung über den Bereich Rechtsordnung recht gleichförmig auf eher tiefem Niveau übers Jahr 2022 (vgl. Abbildung 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Insgesamt erhielt der Bereich Rechtsordnung im Jahr 2022 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit als in den Vorjahren (vgl. Abbildung 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Zum einen stand 2022 keine Volksabstimmung im Bereich Rechtsordnung an und die in den vergangenen Jahren virulente Diskussion über die Corona-Massnahmen war 2022 deutlich weniger relevant. Zum anderen vereinnahmten der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Debatten über die Aufnahme von Flüchtenden, über Sanktionen und Neutralität sowie über eine drohende Energiekrise einen Grossteil der Medienaufmerksamkeit. Der Bereich Rechtsordnung war davon nur marginal tangiert.

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2022

In Erfüllung zweier Postulate Arslan (basta, BS; Po. 17.4121) und Ruiz (sp, VD; Po. 17.4185) veröffentlichte der Bundesrat Ende 2022 den Bericht «Einführung eines dritten Geschlechts oder Verzicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister – Voraussetzungen und Auswirkungen auf die Rechtsordnung». Darin lehnte es die Regierung ab, ein drittes Geschlecht oder die Möglichkeit zum Verzicht auf den Geschlechtseintrag einzuführen. Eine solche Abkehr vom binären Geschlechtermodell bedinge die Anpassung zahlreicher Rechtserlasse – «von der Bundesverfassung bis auf Verordnungen der untersten Stufe». Von erheblichem Ausmass wären dem Bericht zufolge auch die praktischen Auswirkungen; insbesondere bei der Erhebung von Statistiken befürchtete der Bundesrat einen Informationsverlust. Nicht zuletzt, konstatierte die Regierung, sei die Binarität der Geschlechter «in der Bevölkerung nach wie vor fest verankert», sodass «die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Geschlechts oder die Einführung eines dritten Geschlechts heute nicht gegeben» seien.
Mit dieser Haltung stiess der Bundesrat bei Organisationen für die Rechte von non-binären und trans Personen auf wenig Verständnis. Das Transgender Network Switzerland bezeichnete den Bericht in der Presse als «Ohrfeige gegen nichtbinäre Menschen». Dass die Gesellschaft dafür nicht bereit sei, stimme nicht. Das Netzwerk berief sich auf eine 2021 durchgeführte Umfrage von Sotomo, in der sich 53 Prozent der Schweizer Bevölkerung für die Einführung eines dritten Geschlechts in offiziellen Dokumenten ausgesprochen hätten. Die Westschweizer Organisation Epicène kritisierte gegenüber «Le Temps», dass es die Regierung vorziehe, «ihre Komfortzone nicht zu verlassen». Enttäuscht zeigte sich gegenüber den Medien auch Postulantin Sibel Arslan: Der Bundesrat schiebe mit der gesellschaftlichen Verankerung eine Begründung vor; in Wahrheit scheue er sich vor der gesetzgeberischen Verantwortung.

Einführung einer dritten Geschlechtsidentität. Folgen für die Rechtsordnung und für Infostar (Po. 17.4185)

Im Dezember 2022 publizierte der Bundesrat einen kurzen Bericht in Erfüllung des Postulats Clivaz (gp, VS) zur Aktualisierung der «Strategie Digitale Schweiz» aufgrund der Erfahrungen mit der Covid-19-Krise. Im Postulat wurde verlangt, die Chancen und Risiken der Nutzung digitaler Hilfsmittel im Beruf und im privaten Rahmen in den Bereichen «Familienleben und Telearbeit», «digitale Bildung», «Datenschutz und Privatsphäre», «Datennetzwerke» und «Bildschirmarbeit» aufzuzeigen. Der Bundesrat erläuterte im Bericht, dass all diese Forderungen des Postulats mit der aktualisierten Strategie, die er gleichentags beschloss, abgedeckt und damit erfüllt würden. So wurde etwa die Forderung von Clivaz, dass die Digitalisierung der Bildung so ausgestaltet sein müsse, dass Kompetenzen und Sinn für Kritik gestärkt würden, angegangen, indem das SBFI einen Aktionsplan mit dem Titel «Digitalisierung im BFI-Bereich in den Jahren 2019–2020» erarbeitete. Dieser verfolgte das Ziel, die digitalen Kompetenzen in den Bereichen Bildung und Forschung zu stärken und damit dafür zu sorgen, dass die Schweiz weiterhin eine Spitzenposition bei der Entwicklung und Anwendung digitaler Technologien einnimmt. In der Folge wurden die im Aktionsplan erarbeiteten Massnahmen in die BFI-Botschaft 2021-2024 integriert und würden nun von den entsprechenden Akteuren weitergeführt. Zudem würden auf allen Ebenen des Schweizer Bildungssystems digitale Kompetenzen in den Unterricht integriert. Gemessen werden könne der Erfolg dieser Massnahmen aufgrund der beiden Messgrössen «Anteil der Bevölkerung mit erweiterten digitalen Kompetenzen» sowie «Anteil IKT-Spezialistinnen und -Spezialisten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt», die im Wirkungsbereich «Bildung und Kompetenzen» in der aktualisierten «Strategie Digitale Schweiz» aufgeführt sind. Auch in allen vier anderen Bereichen verwies der Bundesrat auf laufende Arbeiten. Beim Thema Telearbeit habe das SECO beispielsweise eine Empfehlungsbroschüre für Arbeitgebende herausgegeben, im Bereich des Datenschutzes bestehe eine nationale Strategie zum Schutz vor Cyberrisiken, die Datennetzwerke würden mit einer schnelleren Grundversorgung gestärkt und die negativen körperlichen Folgen von Bildschirmarbeit würden etwa mit der Strategie Gesundheit2030 angegangen. Der Bundesrat war deshalb der Ansicht, dass die aktualisierte Strategie des Bundes und die «Aktivitäten der federführenden Organisationen» die Forderungen des Postulats erfüllt hätten und kein weiterer Handlungsbedarf bestehe.

Strategie «Digitale Schweiz» nach dem Coronavirus (Po. 20.3363)

Nachdem die eidgenössischen Räte eine Umsetzung des Anliegens für einen Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristinnen und -juristen im Rahmen der ZPO-Revision gutgeheissen hatten, beantragte die RK-NR ihrem Rat, die entsprechende parlamentarische Initiative Markwalder (fdp, BE) abzuschreiben. Die Volkskammer folgte diesem Antrag in der Wintersession 2022 stillschweigend, womit das Geschäft erledigt ist.

Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristinnen und -juristen (Pa.Iv. 15.409)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Einstimmig bei zwei Enthaltungen nahm der Ständerat in der Wintersession 2022 als Erstrat das Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG) an. Die wenigen Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates, die die RK-SR beantragte, wurden auch vom Bundesrat unterstützt. Die Ständekammer hiess sie alle stillschweigend gut. Wie Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) im Ratsplenum erläuterte, verfolgte die Kommission mit den Änderungen vor allem drei Ziele: Erstens wollte sie einige Definitionen klarer formulieren, zweitens sicherstellen, dass das neue Gesetz nicht in die kantonalen Notariatsregelungen eingreift, und drittens gewährleisten, dass die Geheimhaltung letztwilliger Verfügungen – also von Testamenten – weiterhin garantiert werden kann. In diesem Zusammenhang äusserte die Kommission Bedenken, dass die Geheimhaltung von elektronischen Dokumenten durch Hackerangriffe oder Leaks gefährdet sei. Sie ergänzte deshalb im Gesetz, dass solche Verfügungen, die bis zum Tod der betreffenden Person geheim bleiben müssen, nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Urkundsparteien elektronisch erstellt werden dürfen.

Notariatsdigitalisierungsgesetz (BRG 21.083)

In der Wintersession 2022 beugte sich der Ständerat als Zweitrat über die Revision des sechsten Kapitels des IPRG betreffend das internationale Erbrecht. Im Gegensatz zur Schwesterkammer war Eintreten hier unbestritten. Allerdings sorgten vier von der vorberatenden RK-SR eingebrachte Änderungsvorschläge für deutlich mehr Diskussionsbedarf als im Erstrat. Erstens ging es darum, ob im Gesetz – wie vom Bundesrat vorgesehen – ausdrücklich festgehalten werden soll, dass die Schweizer Behörden ihre Zuständigkeit von der Untätigkeit der Behörden anderer für die Zuständigkeit in Frage kommender Staaten abhängig machen können sollen. Hintergrund der Diskussion war der heute angewandte Grundsatz, dass bei verstorbenen Schweizer Bürgerinnen und Bürgern mit letztem Wohnsitz im Ausland die schweizerischen Behörden für die Nachlassabwicklung zuständig sind, sofern sich die Behörden des Wohnsitzstaates nicht damit befassen. Allenfalls kämen aber noch weitere Staaten für eine Zuständigkeit in Frage, wenn die verstorbene Person etwa noch einen anderen ausländischen Heimatstaat hatte oder Grundstücke in einem weiteren ausländischen Staat besass. Der Bundesrat wollte mit einer Ergänzung im genannten Sinne deshalb den Auffangcharakter der Schweizer Zuständigkeit festhalten: Es gehe darum, zu verhindern, dass sich niemand mit dem Nachlass eines Auslandschweizers oder einer Auslandschweizerin befasse. Es sei nicht das Ziel, dass die Schweiz möglichst das Verfahren führen könne, sondern dass Parallelverfahren und Zuständigkeitskonflikte vermieden werden, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Eine Minderheit Vara (gp, NE) unterstützte die Version des Bundesrates. Die Kommissionsmehrheit plädierte indes dafür, die Ergänzung zu streichen. Es sei «vielleicht nicht das Beste», so Kommissionssprecher Thomas Hefti (fdp, GL), «wenn wir der ganzen Welt kundtun, dass wir unser Recht und unsere Zuständigkeit von der Inaktivität der ausländischen Behörden abhängig machen». Mit 31 zu 10 Stimmen folgte der Ständerat dem Antrag der Mehrheit und strich die Ergänzung aus dem Entwurf. Zweiter Streitpunkt war die gleiche Bestimmung in Bezug auf ausländische Erblasserinnen und Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland. In diesen Fällen käme eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden für den in der Schweiz gelegenen Nachlass in Frage. Mit den gleichen Argumenten gelangte die Ständekammer zur gleichen Entscheidung wie zuvor.
Auch im dritten Diskussionspunkt ging es um eine vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten. Die Regierung wollte ausdrücklich im Gesetz festhalten, dass eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden ausgeschlossen ist, wenn die verstorbene Person im Testament oder einem Erbvertrag von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, den Nachlass ganz oder teilweise der Zuständigkeit eines ausländischen Heimatstaates zu unterstellen, und sich diese ausländischen Behörden mit dem Nachlass befassen. Das werde heute in der Praxis bereits so gehandhabt; es gehe lediglich um eine Klarstellung, erläuterte Bundesrätin Keller-Sutter, die sich wiederum für die Minderheit Vara aussprach. Kommissionssprecher Hefti vertrat den Mehrheitsantrag auf Streichen: Weil der Vorschlag der heutigen Rechtsprechung entspreche, werde durch den Verzicht auf den Absatz nichts geändert, man erlaube aber der Rechtsprechung, sich später allenfalls weiterzuentwickeln und fallgemässe Lösungen zu finden. Die Kantonskammer folgte auch diesem Antrag mit 28 zu 12 Stimmen und schuf so eine dritte inhaltliche Differenz zum Erstrat.
Dieses Recht, den Nachlass wahlweise dem Recht des Wohnsitz- oder eines Heimatstaates zu unterstellen, war auch Kern des vierten umstrittenen Punktes. Hier schlug die Kommissionsmehrheit eine Ergänzung vor, wonach Schweizer Bürgerinnen und Bürger nur noch das schweizerische Recht wählen können sollen. Wie Kommissionssprecher Hefti ausführte, stand dahinter die Befürchtung, dass Doppel- oder Mehrfachbürger ein ausländisches Recht wählen würden, um die Schweizer Pflichtteilsregelung zu umgehen. Minderheitssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) sprach sich gegen diesen Zusatz aus, weil man damit Schweizer Doppelbürgerinnen und -bürgern ein Recht vorenthalte. Im Vergleich zu Mehrfachbürgerinnen und -bürgern, die keine schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen, würden Schweizerinnen und Schweizer mit weiteren Staatsbürgerschaften durch diese Regelung benachteiligt. Für Ausländerinnen und Ausländer gelte das Wahlrecht nämlich weiterhin, fügte die Justizministerin an, und dort habe der Gesetzgeber «die mit einer Rechtswahl verbundene Nichtgeltung des schweizerischen Pflichtteilsrechts in Kauf genommen». Diese Argumentation blieb allerdings mehrheitlich ungehört: Mit 27 zu 13 Stimmen schloss sich der Ständerat auch hier seiner Kommissionsmehrheit an. In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an. Mit vier inhaltlichen Differenzen geht sie zurück an den Nationalrat.

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht. 6. Kapitel: Erbrecht (BRG 20.034)

Die WBK-SR forderte den Bundesrat mit einer Motion auf, ein Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten zu schaffen. «Von Wert sind Daten, wenn sie aus ihren Silos befreit, geteilt, zusammengeführt und für neue (sekundäre) Zwecke genutzt werden», so die Kommission in der Begründung des Vorstosses. Daten seien eine «wichtige Basis für wirtschaftlichen Erfolg und Fortschritt, gesellschaftliche Wohlfahrt und staatliches Handeln» und die Datennutzung somit «eine Schlüsselkompetenz in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Bildung». Handlungsbedarf für eine bessere Datennutzung sah die Kommission im Verkehrs-, Gesundheits-, Energie-, Forschungs-, Bildungs-, Agrar-, Umwelt- und Tourismusbereich sowie bei den kritischen Infrastrukturen. Um eine wertschöpfende Sekundärnutzung von Daten zu ermöglichen und zu fördern, brauche es aber vertrauenswürdige Rahmenbedingungen. Der Bundesrat anerkannte in seiner Stellungnahme das Potenzial der Sekundärnutzung, wies aber auf die Einschränkungen der Datennutzung gemäss Datenschutzgesetz hin. Dennoch erklärte er sich bereit zu prüfen, wo eine Sekundärnutzung relevant und verhältnismässig sein könnte und welche Infrastrukturen und Rahmenbedingungen dafür notwendig wären. Auf Antrag des Bundesrates nahm der Ständerat die Motion in der Wintersession 2022 stillschweigend an.

Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten (Mo. 22.3890)

Der Ständerat bestätigte in der Wintersession 2022 den Entscheid des Erstrats und stimmte mit 27 zu 8 Stimmen dafür, das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch zu verankern. Er folgte damit dem Antrag seiner RK-SR. Diese hatte sich zuvor mit 8 zu 3 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für die Motion ausgesprochen, da ihrer Ansicht nach Kinder im geltenden Recht nicht ausreichend vor Gewalt in der Erziehung geschützt seien. In der Schweiz komme fast jedes zweite Kind mit physischer und psychischer Gewalt in der Erziehung in Kontakt, was mithilfe einer Anpassung des ZGB deutlich reduziert werden könne. Dieser Effekt könne bereits in anderen europäische Staaten, welche Kinder durch entsprechende Gesetze vor Gewalt schützen würden, beobachtet werden. Trotzdem äusserten einige Ständeratsmitglieder Bedenken, wie denn die Überprüfung des Gewaltverbots zu erfolgen habe und welche Sanktionen als Gewaltausübung zu kategorisieren seien. Mit der Annahme durch den Zweitrat liegt es nun am Bundesrat, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im ZGB (Mo. 19.4632)

In der Wintersession 2022 setzte der Nationalrat die Differenzbereinigung bei der ZPO-Revision fort. Nachdem die grossen, grundlegenden Streitpunkte bereits ausgeräumt worden waren, blieben noch viele technische und formalistische Detailfragen zu klären. Kommissionssprecher Bregy (mitte, VS) betonte einmal mehr, ein wichtiges Ziel der Revision sei die Laienfreundlichkeit der Zivilprozessordnung. Damit begründete die Kommission auch viele Anträge, wo sie eine vom Beschluss des Ständerates abweichende Meinung vertrat. Minderheitsanträge gab es demgegenüber nur wenige. Wo diese dem Ständerat folgen wollten, erachteten sie die Ergänzungen und Präzisierungen der Kommissionsmehrheit eher als unnötig oder gar hinderlich für die Rechtssicherheit. Die grosse Kammer befasste sich etwa mit den Folgen falscher Rechtsmittelbelehrungen, mit verschiedenen Fristen und mit Präzisierungen bei den Streitgenossenschaften. Viele Unklarheiten bestanden noch beim Schlichtungsverfahren. Hier ging es um die Folgen des Nichterscheinens, den Umfang der Entscheidbefugnis der Schlichtungsbehörde oder die Frage, ob Schlichtungsrichter und Richter im Hauptverfahren dieselbe Person sein dürfen. In den meisten Streitpunkten hielt der Nationalrat an seiner Position fest und schickte die Vorlage mit rund zwei Dutzend Differenzen zurück an den Ständerat.

Änderung der Zivilprozessordnung – Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung (BRG 20.026)
Dossier: Debatte über die Pressefreiheit in der Schweiz
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Im März 2021 reichte Fabien Fivaz (gp, NE) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, die Möglichkeit für Arbeitnehmende von KMU, ihren Anstellungsgrad nach Geburt oder Adoption eines Kindes zu reduzieren, im Gesetz zu verankern. Diese Massnahme sollte zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen, insbesondere für Väter, denen eine Reduktion des Beschäftigungsgrades immer noch häufig verweigert werde. Im Mai 2022 beantragte die RK-NR mit 14 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung), der Initiative keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit fand die parlamentarische Initiative «zu abstrakt formuliert» und wollte den Arbeitgebenden die Entscheidung überlassen, den Arbeitnehmenden eine Pensumreduktion zu ermöglichen. Zudem sei im Initiativtext nicht festgelegt, wie die Beschäftigung von Arbeitnehmenden geregelt werden soll, die als Ausgleich für die Reduktion des Beschäftigungsgrads der Neueltern angestellt werden.
Der Nationalrat beschäftigte sich in der Wintersession 2022 mit der Initiative. Trotz des Hinweises in der Debatte, dass die genaue Ausgestaltung einer solchen Regelung nach Annahme der Initiative noch diskutiert werden könne, gab die grosse Kammer der parlamentarischen Initiative Fivaz mit 116 zu 77 Stimmen keine Folge. Einzig die SP- und die Grünen-Fraktion unterstützen den Vorstoss. Mit dem negativen Entscheid des Nationalrates war das Geschäft erledigt.

Anpassungen des Beschäftigungsgrads für Eltern erleichtern (Parl. Iv. 21.413)

À l'air du numérique, la sécurité a pris une toute autre couleur. Cette nouvelle fenêtre doit, elle aussi être protégée. Ainsi, la sécurité des données et des infrastructures, les cyberrisques ou encore la collaboration entre les différents acteurs sont des sujets qui ne cessent de revenir sous la coupole fédérale tout comme dans les médias. En décembre 2022, le Conseil fédéral a publié un message sur la mise en place d’une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques. Dans le cadre de ce message, différentes options ont été envisagées pour formuler une nouvelle loi afin de consolider la sécurité cyber. Le Conseil fédéral a mis l'accent sur la collaboration et l'efficacité.

En 2016, après l'acceptation par l'EU d'une directive concernant le signalement des cyberattaques visant les infrastructures critiques et de discussions internes, la Suisse a chargé le département fédéral des finances (DFF) de fournir, d'ici fin 2021, les bases légales pour introduire une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques, dont le secteur bancaire, l'armée, le système de soins médicaux ou encore les infrastructures relatives au transport routier. Cette analyse a également révélé des manquements au niveau du centre national pour la cybersécurité (NCSC). C'est pourquoi une partie du projet final est réservée à la spécification des tâches assignées au NCSC. En cas de cyberattaques concernant les infrastructures critiques suisses, le NCSC devra réceptionner les signalements obligatoires mais aussi les signalements volontaires pour permettre à la Confédération d'avoir une vue d'ensemble sur les failles du système.

Sur la base des propositions du DFF, le Conseil fédéral a estimé que la seule option qui permettait de renforcer les relations entre le gouvernement et les infrastructures critiques, mais aussi l'efficacité et la sécurité reposait sur l'obligation de reporter les cyberattaques touchant aux infrastructures critiques. En effet, les suggestions basées sur la bonne volonté des infrastructures critiques et l'extension des mesures existantes n'étaient pas suffisantes et s'accompagnaient de lourds désavantages comme des procédures trop compliquées ou de la confiance aveugle de la part du gouvernement envers les infrastructures critiques.

Finalement, le Conseil fédéral a fait attention à ce que le projet final repose sur des procédures simples, que les signalements soient récompensés par un service de conseil assuré par le NCSC, et que le non-respect des conditions soit puni par une sanction pécuniaire pouvant s'élever jusqu'à CHF 100'000, dont CHF 20'000 directement à la charge de l'entreprise exploitant l'infrastructure critique concernée. Toutefois, le Conseil fédéral estime que cette dernière mesure restera symbolique en raison d'une collaboration de longue date entre les infrastructures critiques et le gouvernement.

Loi sur la sécurité de l'information. Inscription d'une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques (MCF 22.073)

Im Dezember 2022 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz die Vernehmlassungsergebnisse zu den vorgeschlagenen Änderungen beim Eheungültigkeitsgrund der Minderjährigkeit im ZGB. Im Zentrum der Vorlage stand die Verschiebung der sogenannten Heilung der Ehe bis zum 25. Geburtstag der minderjährig verheirateten Person. Gemäss geltendem Recht wird die Ehe bereits am 18. Geburtstag «geheilt», das heisst, sie kann dann nicht mehr für ungültig erklärt werden. An der bestehenden Interessenabwägung soll gemäss Vernehmlassungsvorlage weiterhin festgehalten werden: Die Ehe soll ausnahmsweise aufrechterhalten werden können, wenn dies dem überwiegenden Interesse der betroffenen, minderjährigen Person entspricht. Im Fall, dass die minderjährig verheiratete Person zum Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung bereits volljährig – aber noch unter 25 Jahre alt – ist, soll die Ehe aufrechterhalten werden, wenn die betroffene Person aus freiem Willen erklärt, an der Ehe festhalten zu wollen. Grundsätzlich sollen Ehen mit Minderjährigen weiterhin ungültig sein; um dies zu verdeutlichen hatte der Bundesrat vorgeschlagen, die Eheungültigkeit neu in einer eigenen Bestimmung zu regeln. Die Massnahmen waren in der Vernehmlassung breit begrüsst worden. Von 56 Stellungnehmenden sprach sich nur die SVP integral gegen die Vorlage aus. Ihr ging der Vorschlag zu wenig weit; ihrer Ansicht nach sollten Minderjährigenehen aus Prinzip in keinem Fall anerkannt werden. Eine Mehrheit der Teilnehmenden regte hingegen an, weitere Massnahmen gegen Minderjährigenehen im internationalen Privatrecht vorzusehen. Kritisiert wurde von einigen Teilnehmenden, dass die Verlängerung der Klagefrist Mehrkosten und -aufwand verursache, insbesondere auch, weil bei volljährig gewordenen Betroffenen ein Gericht den freien Willen prüfen müsse.

Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten (BRG 23.057)

In einem Urteil vom November 2006 hatte das Bundesgericht entschieden, dass ein Verkäufer von Papageien – die Tiere waren nach dem Verkauf an den Züchter erkrankt und gestorben, was in der Folge zum Versterben des Zuchtbestands des Käufers geführt hatte – dem Käufer nicht nur den Kaufpreis zurückerstatten, sondern den Schaden an dessen Zuchtbestand ersetzen musste. Dem Papageienverkäufer hatte kein Verschulden zur Last gelegt werden können. Dass dieser dem Käufer, der für die Papageien CHF 4800 bezahlt hatte, dennoch fast CHF 2 Mio. Schadensersatz zahlen musste, erschien Nationalrat Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) «unbillig» und «rechtsökonomisch nicht sinnvoll». Dies führte er in der Begründung zu seiner 2020 eingereichten parlamentarischen Initiative zur Begrenzung der Kausalhaftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden aus. Konkret forderte er eine Ergänzung im Obligationenrecht, wonach der Verkäufer nur haftet, soweit der Schaden vorausgesehen werden konnte.
Im Februar 2022 befasste sich die RK-NR mit der Initiative, die inzwischen von Barbara Steinemann (svp, ZH) übernommen worden war. Die Kommission erachtete die vorgeschlagene Anpassung als zweckmässig und gab der Initiative mit 11 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen Folge. Die ständerätliche Schwesterkommission teilte diese Ansicht allerdings nicht. Ohne weitere Begründung sprach sie sich im Oktober 2022 einstimmig gegen Folgegeben aus. Damit ging die Initiative an den Nationalrat zur Vorprüfung.

Keine unbegrenzte Kausalhaftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden (Pa.Iv. 20.491)

Nachdem sie im Sommer 2022 eine Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Stamm (svp, AG) zur Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat in die Vernehmlassung gegeben hatte, beantragte die RK-NR ihrem Rat, die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage um zwei Jahre zu verlängern. Der Nationalrat kam diesem Begehren in der Herbstsession 2022 stillschweigend nach.

Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat (Pa.Iv. 17.523)
Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

Mit der stillschweigenden Annahme einer Motion Caroni (fdp, AR) richtete der Ständerat in der Herbstsession 2022 den Auftrag an den Bundesrat, die rechtlichen Grundlagen für ein zeitgemässes Abstammungsrecht zu entwerfen. Wie der Motionär forderte, sollte sich die Regierung dabei an ihrem Bericht zum Reformbedarf im Abstammungsrecht, insbesondere an den darin enthaltenen Schlussfolgerungen, orientieren. Der Bundesrat hatte die Motion zur Annahme beantragt. Als nächstes wird der Nationalrat als Zweitrat über den Vorstoss befinden.

Zeitgemässes Abstammungsrecht (Mo. 22.3235)

In der Herbstsession 2022 stand die Behandlung der Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in beiden Kammern auf der Traktandenliste. Beide Räte waren sich schon zuvor grundsätzlich einig, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten gebührenfrei möglich sein muss. Allerdings – dies hatte bereits die parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf die die Vorlage zurückging, so vorgesehen – sollten in hohe Kosten verursachenden Ausnahmefällen den Gesuchsstellenden Rechnungen ausgestellt werden dürfen. Nicht einig waren sich National- und Ständerat darüber, ob für diese Ausnahmefälle eine Kostenobergrenze festgelegt werden soll. Der Nationalrat hatte diese auf CHF 2'000 fixieren wollen. Der Ständerat hielt allerdings – unterstützt vom Bundesrat – diskussionslos und einstimmig daran fest, keine solche Obergrenze festzulegen. Sie seien zwar sehr selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die Kosten von weit mehr als CHF 2'000 verursachten, argumentierte der Sprecher der SPK-SR, Mathias Zopfi (gp, GL). Die Kommission sei zudem der Meinung, dass der Erlass von Gebühren Sache des Bundesrats sei.
Tags darauf schwenkte der Nationalrat auf diesen Beschluss des Ständerats ein. Die Kommission sei zwar «inhaltlich» nicht einverstanden, sie wolle aber auf «eine aussichtslose Differenzbereinigungsrunde» verzichten. Mit einer Gebührenobergrenze hätte die Unterwanderung des grundsätzlich gebührenfreien Zugangs zu amtlichen Dokumenten verhindert werden können; trotzdem sei auch die ständerätliche Lösung noch ein «Schritt zur Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips», argumentierte die Sprecherin der SPK-NR, Céline Widmer (sp, ZH) in der grossen Kammer. Diese folgte anschliessend stillschweigend dem Kommissionsantrag.
In den Schlussabstimmungen hiess der Nationalrat die Vorlage mit 193 zu 0 Stimmen gut und der Ständerat stimmte ihr mit 44 zu 1 Stimme zu.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Der Ständerat lenkte bei der ZPO-Revision in der Herbstsession 2022 im verbleibenden Hauptstreitpunkt auf die Linie des Nationalrates ein. Ihrer Kommissionsmehrheit folgend sprach sich die Kantonskammer mit 24 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung dafür aus, dass die Kantone künftig Englisch und andere Landessprachen an ihren Gerichten als Verfahrenssprachen zulassen dürfen. Als Erstrat hatte der Ständerat diese vom Bundesrat angestrebte Neuerung noch abgelehnt. Auch dieses Mal machte eine Minderheit Rieder (mitte, VS), die am ständerätlichen Beschluss festhalten wollte, Bedenken betreffend die Kosten, die Qualität der Rechtsprechung und den Status der schweizerischen Minderheitensprachen geltend. «Ich sehe schon den ersten Antrag in diesem Rat, der vom Bund Kostenzuschüsse für die Kantone zum Zweck der Ausbildung ihrer Richterinnen und Richter in Englisch verlangt», unkte der Minderheitssprecher. Die Ratsmehrheit schloss sich allerdings der Ansicht des Bundesrates an, dass es – mit den Worten von Justizministerin Karin Keller-Sutter – «wirklich bedauerlich» wäre, ganz auf die Möglichkeit zu verzichten, bei internationalen Handelsgerichten Englisch als Verfahrenssprache zu verwenden. Der Nationalrat hatte gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag engere Voraussetzungen definiert, sodass ein Verfahren auf Englisch nur in internationalen Handelsstreitigkeiten und mit Zustimmung aller beteiligten Parteien zulässig ist. Bundesrätin Keller-Sutter betonte, dass auch nicht alle Kantone davon betroffen seien, sondern dass es ihnen freigestellt sei, von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch zu machen oder nicht. Mit einigen verbleibenden Differenzen eher technischer Natur, etwa bezüglich der Konsequenzen falscher Rechtsmittelbelehrungen oder diverser Fristen, ging die Vorlage zurück an den Nationalrat.

Änderung der Zivilprozessordnung – Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung (BRG 20.026)
Dossier: Debatte über die Pressefreiheit in der Schweiz
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

L'initiative parlementaire déposée par Charles Juillard (centre, JU) a été traitée en même temps que l'objet 21.495 par la CPS-CE. Des conclusions similaires ont été tirées. De ce fait, le rejet a été proposé par 6 voix contre 2 et une abstention. Une nouvelle initiative pourrait voir le jour, après réévaluation du dossier, car la commission soutient le but visé par l'initiative parlementaire mais pas la manière de l'atteindre.

Cybersécurité. Mettre en place une infrastructure numérique souveraine et des standards de sécurité de gouvernance (Iv.pa. 21.507)
Dossier: Ratifizierung des Übereinkommens über Cyberkriminalität des Europarates (2011)
Dossier: Eigenständige digitale Infrastruktur für die Schweiz

Im Juli 2022 schickte die RK-NR ihren Entwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Regazzi (mitte, TI) für eine Anpassung des Verzugszinssatzes des Bundes an die Marktzinsen in die Vernehmlassung. Der Entwurf enthielt zwei Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Anpassung: Entweder soll der aktuelle Zinssatz durch einen vom Bundesrat jährlich festgelegten, an den Saron gebundenen und nach oben und unten begrenzten variablen Zinssatz ersetzt werden (Saron + 2 Prozentpunkte, begrenzt zwischen 2% und 15%) oder alternativ soll erneut ein fester Zinssatz in der Höhe von 3 Prozent (bisher: 5%) festgelegt werden. Eine Kommissionsminderheit lehnte den Entwurf ab, da er sich ob der «aktuellen Wirtschaftsentwicklung erübrigt» habe, wie dem Kommissionsbericht zu entnehmen war.

Während der Vernehmlassung gingen 38 Stellungnahmen ein, wobei sich zahlenmässig am meisten Teilnehmende für den Status quo (15 Kantone, GLP, 6 Organisationen, darunter HEV und SGV), gefolgt vom Vorschlag eines variablen Zinssatzes (9 Kantone, Mitte, FDP, SP, SVP, SGB) aussprachen. Kaum Zuspruch erhielt der fixe Zinssatz von 3 Prozent (1 Kanton und SBV plus allenfalls 3 Kantone), da das Finanzumfeld eine solche Reduktion nicht mehr rechtfertige, wie mehrfach argumentiert wurde. Der variable Zinssatz werde somit «von den politischen Parteien unterstützt (4 von 5), von den Kantonen (15 von 25) und der Wirtschaft (6 von 8) jedoch grösstenteils abgelehnt», wurde im Vernehmlassungsbericht erläutert. Kritisiert wurde der variable Zinssatz vor allem wegen des administrativen Aufwands, der Verankerung des fixen Zinssatzes in der Schweizer Rechtstradition sowie der Kosten für die Wirtschaftsakteure. Befürwortet wurde er hingegen aufgrund seiner regelmässigen Anpassung an den Marktzinssatz.

Im April 2023 entschied sich die RK-NR, eine Änderung des bisherigen Zinssatzes weiterzuverfolgen und schlug dem Parlament die Schaffung eines variablen Zinssatzes in der Höhe des SARON plus zwei Prozentpunkten vor.

Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen (Pa.Iv. 16.470)

Après sa modification par le Conseil des États en mars 2022, le texte est validé par les deux Conseils trois mois plus tard. A la mi-juin, le texte final a passé avec succès l'épreuve du vote final. Au Conseil national, il a été adopté par 192 voix contre 1 (4 abstentions) et au Conseil des États, son adoption a été unanime. La date limite pour un référendum est fixée au 6 octobre 2022. Jusque-là, les débats sont clos.

Loi fédérale sur les systèmes d'information de l'armée. Modification (BRG 21.069)

In der Sommersession 2022 stimmte der Ständerat den drei Entwürfen zur Regelung des Arbeitsverhältnisses der oder des EDÖB unverändert und einstimmig zu, worauf sie auch in den Schlussabstimmungen von beiden Kammern einhellig gutgeheissen wurden.

Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Pa.Iv. 21.443)

In Umsetzung einer angenommenen parlamentarischen Initiative Stamm (svp, AG) eröffnete die RK-NR im Juni 2022 die Vernehmlassung über eine Änderung des Zivilgesetzbuches, mit der es Eheleuten wieder ermöglicht werden soll, einen Doppelnamen zu führen. Der Vorentwurf schlägt zwei verschiedene Lösungen vor: Die «kleine Lösung» käme einer Rückkehr zur Doppelnamenregelung vor 2013 gleich; derjenige Ehepartner, dessen Name nicht zum Familiennamen wird, soll seinen bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen und so einen Doppelnamen bilden können. Mit der «grossen Lösung» könnten künftig beide Ehegatten einen Doppelnamen führen, wobei der Name des Partners oder der Partnerin dem eigenen Namen nachgestellt wird. Wird einer der beiden Namen zum Familiennamen gewählt, könnte der andere der beiden Namen dem Familiennamen nachgestellt werden. Alle Doppelnamen könnten wahlweise mit oder ohne Bindestrich geschrieben werden. Die Namensführung der Kinder soll hingegen unverändert bleiben, für sie sind keine Doppelnamen vorgesehen. Die Vernehmlassung läuft bis am 8. Oktober 2022.

Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat (Pa.Iv. 17.523)
Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

In der Sommersession beschloss der Nationalrat, der Mehrheit seiner SPK-NR zu folgen und an der ursprünglichen Version seiner Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung festzuhalten. Der Ständerat hatte in der Detailberatung zur Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückging, eine Differenz geschaffen: In der Regel soll die Einsicht in Dokumente der Bundesverwaltung zwar kostenlos sein, für Gesuche, denen die verantwortliche Verwaltungsstelle nur mit hohem Aufwand nachkommen kann, sollen allerdings Gebühren verlangt werden können. Der Nationalrat hatte dafür eine Obergrenze von CHF 2'000 vorgesehen, der Ständerat wollte hingegen keine Kostenobergrenze beziffern. Eine Minderheit der SPK-NR hatte vergeblich dafür plädiert, die ständerätliche Lösung zu übernehmen. Die Argumente von Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) sowie von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, es könne auch Gesuche geben, die Gebühren von mehr als CHF 2'000 rechtfertigten, stiessen lediglich bei der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf Gehör. Mit 130 zu 53 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Festhalten aus.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Nachdem die Änderung des Zivilgesetzbuchs zur familieninternen Unternehmensnachfolge im Erbrecht in der Vernehmlassung überwiegend positiv aufgenommen worden war, verabschiedete der Bundesrat im Sommer 2022 die entsprechende Botschaft zuhanden des Parlaments. Die Regierung behielt die Vorschläge aus dem Vorentwurf bei, womit folgende vier Neuerungen im Zentrum der Gesetzesanpassung stehen: Erstens sollen die Gerichte unter gewissen Voraussetzungen das gesamte Unternehmen einem Erben oder einer Erbin zuweisen können. Zweitens soll der Unternehmensnachfolgerin oder dem Unternehmensnachfolger bei der Auszahlung der anderen Erbinnen und Erben ein Zahlungsaufschub gewährt werden können. Drittens werden spezifische Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens bei der Erbteilung festgelegt. Viertens soll den pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben ihr Pflichtteil nicht gegen ihren Willen in Form einer Minderheitsbeteiligung am Unternehmen zugewiesen werden können.

Erbrechts-Revision – Unternehmensnachfolge (BRG 22.049)
Dossier: Revision des Erbrechts (2016– )

In Erfüllung eines Postulats der RK-SR hatte der Bundesrat im Dezember 2021 einen Bericht über den Reformbedarf im Abstammungsrecht veröffentlicht. Im Rahmen seines Berichtes über die Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte 2021 beantragte er daher die Abschreibung des Vorstosses. Der Ständerat folgte dieser Empfehlung und schrieb das Postulat im Sommer 2022 stillschweigend ab.

Überprüfung des Abstammungsrechts (Po. 18.3714)