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Konkrete politische Gründe für die Nichtwahl Brunners liessen sich eigentlich kaum ausmachen. Sie hatte zwar seinerzeit der GSoA-Initiative für eine Abschaffung der Armee zugestimmt, das traf aber auch auf Dreifuss zu. Sowohl bürgerliche als auch linke Kommentatoren ordneten sie — wie auch Matthey und die schliesslich gewählte Dreifuss — dem gemässigt-reformistischen Flügel innerhalb der SP zu. Dass es auch nicht um die Frage ging, ob der Bundesrat ein reines Männergremium bleiben soll, zeigte die Wahl von Ruth Dreifuss. Ausschlaggebend dürfte wohl gewesen sein, dass die jugendlich und spontan wirkende Brunner dem Rollenverständnis einer Mehrzahl der Parlamentarier nicht entsprach. Darüber hinaus zeigte der Wahlvorgang aber auch auf, dass sowohl der SP als auch den drei bürgerlichen Regierungsparteien zumindest momentan ausserordentlich viel an der Beibehaltung der sogenannten Zauberformel für die Regierungszusammensetzung gelegen war.

Bundesratsersatzwahl 1993

Anlässlich der Bundesratsersatzwahl Ende Februar und anfangs März des Berichtsjahres kam das gespannte Verhältnis zwischen Medien und Politik eklatant zum Vorschein. Einerseits wurde in gewissen Medien ausführlich über einen anonymen Brief berichtet, mit dem die Bundesratskandidatin Brunner (sp, GE) in Misskredit gebracht werden sollte. Andererseits bezogen viele Printmedien schon früh Stellung zugunsten der Wahl Brunners. Verschiedene Parlamentarier fühlten sich durch diese Unterstützungskampagne zugunsten Brunners genötigt und bezichtigten die Medien der Erpressung. Exponenten der bürgerlichen Parteien behaupteten sogar, die Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat sei nur durch die geballte Medienmacht zustande gekommen, was wiederum Anlass zu Kontroversen bot.

Bundesratsersatzwahl 1993

Die am folgenden Tag vorgenommene Departementsverteilung entsprach weitgehend den Erwartungen. Flavio Cotti wechselte ins EDA, für welches auch Koller Interesse nachgesagt worden war, und überliess damit der Neugewählten das von ihr bevorzugte Departement des Innern.

Bundesratsersatzwahl 1993

Die Vorlage war in ihrer revidierten Form im Plenum mehrheitsfähig, was auch in der deutlichen Ablehnung von vier Rückweisungsanträgen zum Ausdruck kam. Insbesondere wurde ein Antrag Wick (cvp, BS) auf Rückweisung an die Kommission mit dem Auftrag, unter Beibehaltung des Splittingsystems und der wesentlichen Errungenschaften der 10. AHV-Revision (inklusive Erziehungs- und Betreuungsbonus) kostenneutral auf das System der Einheitsrente überzugehen, verworfen. Bereits in seinem Eintretensvotum hatte Kommissionspräsident Allenspach (fdp, ZH) Splitting und Einheitsrente als unvereinbar bezeichnet und darauf hingewiesen, dass ein kostenneutraler Übergang zur Einheitsrente eine Senkung der heutigen Maximalrente um 20% zur Folge hätte und für mindestens 45% der Rentnerinnen und Rentner zu finanziellen Einbussen führen würde.

Sowohl in der Eintretens- wie in der Detailberatung wurde das Splitting von keiner Seite grundsätzlich in Frage gestellt. Zu Diskussionen Anlass gab die Beschränkung der Summe der Renten eines Ehepaares auf 150% der maximalen Einzelrente. Anträge zur Gleichstellung von Ehe- und Konkubinatspaaren sowie zur Anhebung des Plafonds auf 160% wurden vom Rat gleichermassen abgelehnt.

Der umstrittenste Punkt der Diskussionen war die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagene zweischrittige, erstmals vier Jahre nach dem Systemwechsel fällig werdende Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 62 auf 64 Jahre. Nach heftiger Debatte, in welcher die bürgerlichen Verfechter des höheren Rentenalters den Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter, die rot-grünen Gegner die nach wie vor bestehende Doppelbelastung sowie die anhaltende Lohndiskriminierung der Frauen ins Feld führten, stimmte die grosse Kammer unter Namensaufruf mit 101 zu 68 Stimmen bei sechs Enthaltungen der stufenweisen Erhöhung des Rentenalters der Frauen zu. Entsprechend modifizierte der Nationalrat die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung des Rentenvorbezugs. So sollen neu Männer ab dem 63. und Frauen ab dem 62. Altersjahr bei einer versicherungstechnischen Kürzung von 6,8% pro vorbezogenes Jahr eine frühzeitige Rente erhalten können. In Ausführung des Gleichstellungsartikels in der Bundesverfassung wurde eine Witwerrente eingeführt. Allerdings soll sie nur jenen Witwern zukommen, die Kinder unter 18 Jahren zu betreuen haben, während bereits die heutige Witwenrente als zusätzliche Anspruchsberechtigung eine mindestens zehnjährige Ehedauer nennt.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Nicht nur in der Schweiz gehören Demonstrationen im Zusammenhang mit einer Wahl in die Landesregierung zu den äusserst seltenen Ereignissen. Anlässlich der Ersatzwahl für den sozialdemokratischen Bundesrat Felber demonstrierten Frauen sowohl vor dem Bundeshaus als auch an anderen Orten für die Kandidatin Christiane Brunner.

Frauen für die Kandidatin Christiane Brunner

Am 10. März trat die Bundesversammlung erneut zusammen. Vor dem Bundeshaus demonstrierten rund 10'000 Frauen und Männer für die Wahl Brunners. Das sonst während Sessionen übliche Demonstrationsverbot auf dem Bundesplatz war von den Berner Behörden in Absprache mit Nationalrats-Präsident Schmidhalter (cvp, VS) aufgehoben worden. Matthey erklärte, dass er die vor einer Woche erfolgte Wahl nicht annehme, da er von der SP-Fraktion nicht unterstützt werde. In der Geschichte des Bundesstaates war es bisher fünfmal zu einer Nichtannahme der Wahl zum Bundesrat gekommen; zum erstenmal geschah dies jetzt auf Druck einer Partei. Von einigen Staatsrechtlern wurde die Durchführung dieser Wahl deshalb heftig kritisiert. Für diesen nun eingetretenen Fall einer Nichtannahme hatte die SVP-Fraktion eine Verschiebung der Wahl um eine Woche vorgeschlagen. Sie begründete diesen Antrag damit, dass die zwei Tage zuvor nominierte Kandidatin Dreifuss noch zuwenig bekannt sei. Zudem könne unter diesen Begleitumständen — gemeint war damit vor allem die gleichzeitig auf dem Bundesplatz stattfindende Demonstration — eine seriöse Wahl nicht vorgenommen werden. Der auch von den Liberalen, der AP und der SD/Lega unterstützte Ordnungsantrag wurde mit 117 zu 62 Stimmen abgelehnt.

Vor dem Wahlgang kam es nochmals zu einer kurzen Diskussion. Die LP gab bekannt, dass sie keine der beiden Kandidatinnen unterstützen werde, und die FDP rief zur Wahl von Ruth Dreifuss auf. Im ersten Wahlgang erhielten Brunner und Dreifuss fast gleich viele Stimmen (90 resp. 92). Deren 54 entfielen auf die freisinnige Nationalrätin Spoerry (ZH), welche daraufhin erklärte, dass sie nicht kandidiere und die Stimmen einer welschen Frau gegeben werden sollten. Auch im zweiten Wahlgang erreichte keine der Kandidatinnen das absolute Mehr; aber Dreifuss steigerte sich auf 112 Stimmen. Brunner kam noch auf deren 86; sie forderte daraufhin diejenigen, welche ihr die Stimme gegeben hatten, zur Unterstützung von Dreifuss auf. Im dritten Wahlgang wurde Ruth Dreifuss bei einem absoluten Mehr von 96 Stimmen — die Vertreter der AP sowie ein Teil der SD/Lega-Fraktion hatten den Saal verlassen, 38 Abgeordnete legten leer ein — mit 144 Stimmen gewählt. Sie nahm die Wahl an, womit der Kanton Genf seit 1919 erstmals wieder in der Landesregierung vertreten ist. Mit Ruth Dreifuss ist zudem zum erstenmal eine Angehörige der jüdischen Religionsgemeinschaft in der Landesregierung vertreten.

Bundesratsersatzwahl 1993

Mit Ruth Dreifuss wurde erstmals ein Mitglied der jüdischen Kultusgemeinde in die Landesregierung gewählt. Bemerkenswert war, dass dies im zum Teil emotional sehr aufgeladenen Umfeld dieser Bundesratswahl zu keinem Zeitpunkt ein Thema war und in den Pressekommentaren höchstens zu einem Nebensatz Anlass gab.

Erstmals Mitglied einer jüdischen Kultusgemeinde in die Landesregierung gewählt

Die Reaktionen auf diese zweite Nichtwahl einer offiziellen SP-Kandidatin1983 hatte das Parlament anstelle von Lilian Uchtenhagen Otto Stich gewählt — fielen sehr heftig aus. Bereits während des Wahlaktes demonstrierten rund 500 Frauen vor dem Bundeshaus für die Wahl Brunners. Auch bürgerliche Parlamentarierinnen sprachen empört von Affront und männlicher Machtpolitik. Andere Frauen sahen einen Teil der Verantwortung auch bei der SP, welche an der zwar von den Medien unterstützten, im Parlament aber offensichtlich nicht mehrheitsfähigen Alleinkandidatur Brunners festgehalten hatte.

Die Mitglieder der SP reagierten rasch und heftig. Von einer Reihe von Sektionen wurde die Parteileitung aufgefordert, an der Kandidatur Brunner festzuhalten und im Falle einer erneuten Nichtwahl aus der Regierung auszutreten. Einzig die SP des Kantons Neuenburg sprach sich für eine Wahlannahme Mattheys aus. Die bereits als neue Kandidatin gehandelte SP-Fraktionschefin Ursula Mauch (AG) gab bekannt, dass sie auf keinen Fall kandidieren werde, um den zweiten Bundesratssitz der Westschweiz nicht zu gefährden.

Hingegen tauchte der bereits in den Vorabklärungen gefallene Name von Ruth Dreifuss wieder auf. Die 53jährige Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ist französischer Muttersprache und in Genf aufgewachsen; infolge ihrer beruflichen Tätigkeit war sie aber seit gut zwanzig Jahren in Bern wohnhaft. Sie hatte dort auch bereits im städtischen Parlament gesessen und auf der SP-Nationalratswahlliste figuriert, aber noch kein kantonales politisches Amt ausgeübt. Damit galt nach dem Garantiegesetz der Wohnort als ausschlaggebend für die Kantonszugehörigkeit. Von verschiedener Seite wurde die Idee geäussert, dass bei einer Deponierung ihrer Schriften in Genf einer Wahl aus rechtlichen Gründen nichts entgegenstehen würde. Politisch, nicht aber vom Alter und Erscheinungsbild her, waren nach allgemeiner Einschätzung kaum Unterschiede zwischen den beiden Gewerkschafterinnen auszumachen.

Die Sitzung des Vorstands der SP vom 6. März in Zürich wurde begleitet von einer rund 8'000 Personen zählenden Demonstration für Brunner. Der Vorstand beschloss, dass für ihn nur die Wahl einer französischsprachigen Gewerkschafterin akzeptabel sei. Die Empfehlung an die Fraktion, an einer Alleinkandidatur Brunner festzuhalten, wurde mit 50:40 Stimmen freilich nur relativ knapp gutgeheissen. Zwei Tage später beschloss die SP-Fraktion, sowohl Dreifuss als auch Brunner zur Wahl vorzuschlagen. Der gewählte Matthey erklärte, dass er diesen Vorschlag akzeptiere, um eine Regierungskrise zu verhindern. Während in Basel und Schaffhausen ebenfalls grosse Kundgebungen zugunsten Brunners stattfanden, kam es in der Westschweiz nur zu vereinzelten kleineren Manifestationen.

Bundesratsersatzwahl 1993

Am 3. März schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl. Im ersten Wahlgang fielen bei einem Mehr von 120 Stimmen deren 117 auf Matthey und bloss 101 auf Brunner. Im zweiten Wahlgang wurde Matthey mit 130 Stimmen gewählt, Brunner erhielt deren 108. Matthey erklärte darauf, dass er wie angekündigt erst nach Rücksprache mit seiner Fraktion über die Annahme dieser Wahl entscheiden wolle. In dieser Aussprache votierten die Fraktionsmitglieder für eine Nichtannahme und für eine Konsultation der Parteibasis. Nachdem Matthey die Bundesversammlung um eine längere Bedenkzeit gebeten hatte, beschloss diese, in einer Woche wieder zusammenzutreten, um den Entscheid Mattheys entgegenzunehmen.

Bundesratsersatzwahl 1993

Die Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat bedeutete einerseits einen klaren punktuellen Sieg der Frauen, da erstmals aufgrund von "Frauen-Power" ein rechtskräftig in ein hohes Amt gewählter Mann derart unter Druck gesetzt wurde, dass er zugunsten einer Frau auf dieses Amt verzichtete. Andererseits löste die Wahl und deren Begleitumstände eine Bewegung aus, die unter dem Begriff "Brunner-Effekt" die Wahlen in kantonale und kommunale Legislativen und Exekutiven nachhaltig beeinflusste und zu einer nahezu erdrutschartißen Zunahme der Frauen in öffentlichen Ämtern führte.

Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat

Neben Brunner wurden aber auch männliche Kandidaten ins Spiel gebracht. Als einziger verblieb schliesslich der von der Neuenburger SP vorgeschlagene Regierungs- und Nationalrat Francis Matthey. Der Vorstand der SPS beschloss mit 80 Stimmen, Brunner zu portieren ; neun hatten für Matthey votiert, ein Antrag auf eine Doppelkandidatur wurde nicht gestellt. Matthey erklärte, dass er vor der Annahme einer allfälligen Wahl durch die Bundesversammlung zuerst mit der Fraktion und der Partei Rücksprache nehmen würde. In der für die Nomination schlussendlich zuständigen SP-Fraktion entfielen 32 Stimmen auf Brunner als offizielle Kandidatin und 10 auf Matthey; mit 27 gegen 13 Stimmen wurde von einer Doppelkandidatur abgesehen. Die Fraktionen der drei bürgerlichen Bundesratsparteien verzichteten darauf, eine Wahlempfehlung abzugeben; die Ansprüche der SP und der französischsprachigen Schweiz blieben aber unbestritten.

Bundesratsersatzwahl 1993

Ende Februar leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zum Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann ("Gleichstellungsgesetz") zu. Das neue Gesetz, welches den seit 1981 in der Bundesverfassung stehenden Gleichheitsartikel konkretisiert, soll künftig die Frauen vor allem im Wirtschaftsleben vor direkten und indirekten Diskriminierungen schützen – und zwar in den Bereichen Lohn, Stellenausschreibung, Anstellung, Aufgabenzuteilung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung, Entlassung und sexuelle Belästigung. Sowohl in der Privatwirtschaft als auch beim Bund, bei Kantonen und Gemeinden sollen Frauen ihre Rechte dank dem neuen Gesetz besser wahrnehmen und durchsetzen können. Hauptangelpunkt des Gesetzes ist das Prinzip der Beweislastumkehr: Können Frauen glaubhaft darlegen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, soll sich künftig eine kantonale Schlichtungsstelle der Sache annehmen. Ein Entscheid dieser Stelle kann an ein Gericht weitergezogen werden. Hier muss der Arbeitgeber beweisen, dass sich die Massnahme auf Gründe stützt, die mit dem Geschlecht nichts zu tun haben. Schützt das Gericht die Klage einer Frau wegen geschlechtsbedingter Nichtanstellung oder Kündigung, steht ihr eine Entschädigung zu, nicht aber eine Neu- oder Wiedereinstellung. Das Gesetz räumt auch Frauen und Berufsorganisationen ein Klage- und Beschwerderecht ein, allerdings nur, wenn sich ihre Beschwerde auf eine grössere Anzahl von Frauen des gleichen Betriebs bezieht. Entgegen früheren Vorschlägen wurde hingegen auf ein eigenes Untersuchungsrecht des Eidg. Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann verzichtet; das Büro soll aber im Gesetz verankert und in den Rang eines Bundesamtes oder -dienstes erhoben werden.

Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann "Gleichstellungsgesetz"

Während die Kantonalparteien der SP noch über allfällige Nominationen diskutierten, publizierten einige Medien schon Meinungsumfragen, welche Brunner mit grossem Vorsprung an der Spitze der Popularitätsliste sahen. Unmittelbar nach der ersten Nennung von möglichen Kandidierenden befasste sich die Boulevardzeitung Blick auch bereits mit deren Privatleben und warnte, dass die Tatsache, dass Brunner geschieden sei, nicht zu einer „Schlammschlacht“ führen dürfe. Zu einer „Schlammschlacht“ kam es dann allerdings nicht wegen ihres Familienlebens, sondern wegen eines anonymen Briefs, in welchem mit der Veröffentlichung von kompromittierendem Material aus dem Privatleben im Falle einer Wahl Brunners gedroht wurde. Bei aller Empörung über derartige anonyme Erpressungen zitierten namentlich die elektronischen Medien diese Anschuldigungen ausführlich, und CVP-Präsident Schmid (cvp, AI) verlangte im ersten Eifer eine „Unbedenklichkeitsüberprüfung“. Überzeugender reagierte Brunner selbst, indem sie an einer Medienkonferenz die Anwürfe zurückwies und bekanntgab, dass sie eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung und übler Nachrede eingereicht habe.

Bundesratsersatzwahl 1993

Bei den in der Wintersession beratenen Sanierungsmassnahmen des Bundesfinanzhaushaltes stellte die Waadtländer Liberale Sandoz den Antrag, das Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann sei aufzulösen, um so eine halbe Mio Fr. zu sparen. Der Antrag wurde mit Ausnahme der LP, der SD/Lega und der AP von allen Fraktionen abgelehnt und deutlich verworfen. An der Spitze des Gleichstellungsbüros, welches im November seinen fünften Geburtstag feiern konnte, fand ein Wechsel statt. Claudia Kaufmann, welche diese Amtsstelle seit deren Gründung geleitet hatte, ging als stellvertretende Generalsekretärin ins EDI. Zu ihrer Nachfolgerin wurde die Genfer Juristin Patricia Schulz ernannt.

Antrag, das Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann sei aufzulösen (93.078)
Dossier: Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt (BRG 93.078)

In den Spitzen der vier Bundesratsparteien herrschte Einigkeit, dass der frei werdende Sitz bei der SP verbleiben sollte. Ebenso unumstritten war, dass, gerade nach der Majorisierung der französischsprachigen Schweiz in der EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992, wieder eine Person aus dieser Sprachregion gewählt werden sollte, wobei der Kanton Waadt infolge des Sitzes von J.-P. Delamuraz allerdings ausschied. Die Leitung der SP selbst machte rasch deutlich, dass es ihr sehr wichtig sei, eine Frau in die Landesregierung zu bringen. Mit diesen Vorgaben war die Auswahl bereits stark eingeengt. Die im Herbst 1991 in den Nationalrat gewählte Genferin Christiane Brunner war die einzige sozialdemokratische Politikerin, welche diese regionalen Voraussetzungen erfüllte und gleichzeitig auch ausserhalb ihres eigenen Kantons bekannt war. Von den bisherigen 99 Bundesräten hatten nur gerade drei weder dem nationalen Parlament noch einer kantonalen Regierung angehört. Die 46jährige Juristin hatte erstmals im Sommer 1991 als eine der Hauptinitiantinnen des Frauenstreiks landesweit auf sich aufmerksam gemacht und war Ende 1992 zur Präsidentin des SMUV gewählt worden. Sie wurde von der Genfer SP-Sektion für den Bundesrat portiert.

Bundesratsersatzwahl 1993

Am 13. Januar gab der Chef des EDA, der Neuenburger René Felber (sp), bekannt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nach fünfeinhalbjähriger Amtszeit auf Ende März zurücktreten werde. Der abtretende Bundesrat wurde allgemein für sein europapolitisches Engagement und für sein Bestreben, die Aussenpolitik dem Volk näher zu bringen, gewürdigt.

Bundesratsersatzwahl 1993

Für den Bereich der ausserparlamentarischen Expertenkommissionen des Bundes statuierte der Bundesrat im März eine weiche Quotenregelung mit dem Ziel, den Frauenanteil in diesen Gremien auf mindestens 30% anzuheben. Längerfristig wird eine paritätische Vertretung beider Geschlechter angestrebt. Bei der Neubesetzung dieser Kommissionen auf den 1.1.1993 kam nur das EDI mit einem Frauenanteil von 25% annähernd in den Bereich der Zielvorgabe. Das EDA erreichte 18%, das EJPD 17%, das EVD 14%, das EMD 13%, das EVED 12% und das EFD 11%.

Expertenkommissionen

Mit einer Motion wollte die Basler SP-Nationalrätin von Felten den Bundesrat beauftragen, als Arbeitgeber ein Impulsprogramm zu lancieren, welches auch auf Niveau der Kaderstellen eine Förderung der partnerschaftlichen Teilung der Betreuungsarbeit ermöglicht, wobei auch eine Quotierung zum Zuge kommen müsste. Der Bundesrat verwies auf die obenerwähnten Weisungen und den Umstand, dass die Arbeitsgruppe "Arbeitszeit 2000", welche verwaltungsintern Modelle für eine zukunftsgerichtete Arbeitszeit erarbeitet, die weiteren von der Motion aufgeworfenen Punkte (Recht auf Reduktion der Arbeitszeit bei Betreuungsaufgaben von Angehörigen, Überzeitverbot für Betreuungspflichtige sowie Elternurlaub) bereits in ihre Uberlegungen einbeziehe. Auf Antrag des Bundesrates wurde die Motion nur als Postulat überwiesen.

Kaderstellen partnerschaftlichen Teilung der Betreuungsarbeit Quotierung

Das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann publizierte eine Studie über die Entstehung von Lohndiskriminierungen sowie eine Wegleitung zu deren Verhinderung oder Beseitigung. Gemäss einer Studie der Hochschule St. Gallen verdienten 1991 die Arbeitnehmerinnen in der Schweiz im Durchschnitt für gleiche Arbeit immer noch 8% weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Broschüre weist auf die Schwachstellen des heute vor allem in mittleren und grösseren Betrieben angewendeten analytischen Arbeitsbewertungsverfahren hin und empfiehlt unter anderem, Lohnstrukturen transparenter zu machen und Bewertungskommissionen paritätisch zu besetzen.

Das Eidg

Ein Postulat Bär (gp, BE) für eine geschlechtsspezifische Formulierung in den Schweizer Pässen, welches im Vorjahr noch von Dreher (ap, ZH) bekämpft worden war, wurde nun, da der Bundesrat diese Änderung für 1993 ankündigte, diskussionslos überwiesen.

geschlechtsspezifische Formulierung in den Schweizer Pässen
Dossier: Vorstösse für eine geschlechtergerechte Sprache in der Politik und Verwaltung

Als erster Kanton führte St. Gallen auf Jahresbeginn die Feuerwehr-Dienstpflicht auch für Frauen ein. Wer den Dienst nicht leistet, muss eine Ersatzabgabe bezahlen, wobei Ehepaare nur einfach belastet werden. In Basel-Stadt nahm das Stimmvolk eine analoge Änderung des Feuerwehrgesetzes an, während dies im Kanton Solothurn an der Urne abgelehnt wurde.

Feuerwehr-Dienstpflicht

Als direkte Folge des Opferhilfegesetzes, welches bestimmt, dass Opfer von Sexualdelikten Anrecht auf Einvernahme und Urteil durch eine Person des gleichen Geschlechts haben, wurde auf den 1.1.1993 erstmals eine Frau in die Militärjustiz gewählt.

Umsetzung des Opferhilfegesetzes (1992–1996)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen

Insbesondere Frauenorganisationen und Gewerkschaften thematisierten in der EWR-Diskussion die Frage, was ein Beitritt zum europäischen Binnenmarkt den Frauen bringen würde. Ausgehend von einer Interpellation von Felten (sp, BS) liess der Bundesrat einen diesbezüglichen Bericht ausarbeiten. Dieser kam zum Schluss, dass ein EWR-Beitritt mittelfristig positive Impulse für die Frauen zeitigen würde. Bezüglich ihrer rechtlichen Stellung könnten die Frauen nur gewinnen, da die zwischen 1975 und 1986 erlassenen fünf EG-Richtlinien, die zum "Acquis communautaire" im EWR-Vertrag gehören, die formale Gleichstellung der Frauen im Erwerbsleben und bei den Sozialversicherungen vorschreiben. Auf dem Arbeitsmarkt hätten es die Frauen aufgrund ihrer schlechteren Ausbildung hingegen anfänglich etwas schwerer als die Männer.

Insbesondere Frauenorganisationen und Gewerkschaften thematisierten in der EWR-Diskussion die Frage, was ein Beitritt zum europäischen Binnenmarkt den Frauen bringen würde

Die Volksinitiative «für gleiche Rechte von Frau und Mann bei der Wahl des Familiennamens (Familiennameninitiativekam nicht zustande. Bereits 1990 war eine analoge Initiative an der notwendigen Unterschriftenzahl gescheitert. Auch im Parlament hatte die Forderung nach mehr Freiheit bei der Wahl des Familiennamens kaum Chancen. Bei der Behandlung einer Motion Haering Binder (sp, ZH) erinnerte Bundesrat Koller daran, dass der Gesetzgeber seinerzeit bei der Revision des Eherechts unter allen Umständen an der Einheit des Familiennamens für Ehegatten und Kinder festhalten wollte, obgleich er sich bewusst war, dass dies dem Gleichheitsgebot in der Bundesverfassung nicht entspricht. Aus diesem Grund wurde die Motion auf Antrag des Bundesrates nur als Postulat angenommen.

Volksinitiative für gleiche Rechte von Frau und Mann bei der Wahl des Familiennamens (Familiennameninitiative)
Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

Für die Verwirklichung der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ist die Lösung des Problems der Kinderbetreuung von zentraler Bedeutung. In einem Bericht dokumentierte die Eidg. Kommission für Frauenfragen den Mangel an Krippen-, Hort- und anderen Betreuungsplätzen und appellierte an die Mitverantwortung von Staat und Gesellschaft bei der Kindererziehung, die nicht als "privates Hobby" allein an die Familie — und vorab an die Mütter — delegiert werden dürfe. Mit diesem Bericht liegen erstmals aussagekräftige Daten zur familienexternen Kinderbetreuung in der Schweiz vor, welche die grosse Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage aufzeigen: In den Kantonen der Deutschschweiz stehen den rund 320 000 Kindern erwerbstätiger Mütter bloss zwischen 12 000 und 15 000 Betreuungsplätze zur Verfügung. Die Kommission forderte deshalb generell die Anerkennung der familienexternen Kinderbetreuung als öffentliche Aufgabe. Für die Betreuung von Kleinkindern verlangte sie neben einer Mutterschaftsversicherung auch einen finanzierten Elternurlaub. Der öffentliche Kindergarten — mit Blockzeiten und Mittagsverpflegung — soll Kinder schon ab drei Jahren aufnehmen. Auch für die Schule postulierte die Kommission Blockzeiten und Mittagstische, dazu den Aufbau von Tagesschulen und die Harmonisierung von Schulbeginn und Schulschluss für alle Stufen.

Kinderbetreuung