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In der Herbstsession 2021 startete der Ständerat ins Differenzbereinigungsverfahren der AHV 21-Reform, bei der die beiden Kammern sich in verschiedenen zentralen Punkten bereits einig waren – etwa bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre oder der Verknüpfung der Mehrwertsteuererhöhung und der AHV-Reform –, aber auch noch zahlreiche, auch sehr weitreichende Differenzen bestanden. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte als Kommissionssprecher noch einmal den Rahmen der Revision: Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre soll jährlich CHF 1.4 Mrd. und bis ins Jahr 2030 CHF 10 Mrd. einbringen. Davon abgezogen werden müssten die Ausgleichsmassnahmen für besonders betroffene Jahrgänge, über deren Höhe und Ausgestaltung sich Bundesrat, Nationalrat und Ständerat noch nicht einig waren: Der Bundesrat hatte Ausgleichsmassnahmen in der Höhe von einem Drittel der Gesamteinsparungen (CHF 3.3. Mrd.) vorgesehen, der Ständerat in seiner ersten Beratung Massnahmen über CHF 2.1 Mrd. und der Nationalrat solche von CHF 4.1 Mrd.

Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Ständerat zwei neue Modelle vor, ein Modell der Kommissionsmehrheit sowie dasjenige einer Minderheit Müller (fdp, LU), das jedoch nicht mit Müllers Modell aus der ersten ständerätlichen Debatte übereinstimmte. Sowohl die Kommissionsmehrheit als auch die Minderheit wollten dabei prinzipiell das bisherige Trapezmodell des Ständerates mit dem bisherigen Nationalratsmodell kombinieren. Ersteres hatte Abstufungen der Rentenzuschläge nach Jahrgang der Frauen vorgesehen, Letzteres beinhaltete Abstufungen nach Einkommensgruppen – nun sollten die Rentenzuschläge folglich in beiden Modellen sowohl nach Jahrgängen als auch nach Einkommen abgestuft werden. Die Kommissionsmehrheit blieb bei der progressiv-degressiven Ausgestaltung in Trapezform, wonach die ersten drei und die letzten zwei Jahrgänge nur jeweils einen Teil des Zuschlags, nicht den vollständigen Zuschlag erhalten sollten. Die Minderheit Müller sah hingegen nur bei den ersten drei Jahrgängen gekürzte Zuschläge vor. Beide Modelle wollten jedoch die Rentenzuschläge ausserhalb des AHV-Plafonds gewähren, womit also auch Frauen, welche bereits ohne Zuschlag die Maximalrente erhielten, davon profitieren sollten. Die Unterstellung des Zuschlags unter den Plafonds war zuvor am bundesrätlichen sowie am nationalrätlichen Modell stark kritisiert worden. Insgesamt zeigte sich die Kommissionsmehrheit bei den Zuschlägen deutlich grosszügiger als die Minderheit Müller, die sowohl tiefere Grundzuschläge als auch grössere Reduktionen dieser Zuschläge (nach Jahrgängen und Einkommen) vorsah.
Ähnlich waren sich die beiden Modelle beim Gesamtbetrag, der für die Ausgleichsmassnahmen eingesetzt werden sollte: Hier hatte man sich in der Kommission zuvor mit CHF 3.2 Mrd. in etwa auf den Betrag des Bundesrates geeinigt – man wählte also einen Mittelweg zwischen den CHF 2.1 Mrd. des ersten Vorschlags des Ständerates und den CHF 4.1 Mrd. des Nationalrats. Hingegen unterschieden sich die beiden Modelle bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Jahrgänge: Die Kommissionsmehrheit blieb beim ständerätlichen (und bundesrätlichen) Vorschlag von neun Jahrgängen, die Minderheit Müller machte einen Schritt auf den Nationalrat zu, der sechs Jahrgänge begünstigen wollte, und schlug sieben Jahrgänge vor. Neun Jahrgänge seien nötig, weil sonst «viele tausend Frauen betroffen sind, die keine Möglichkeit mehr für einen Ausgleich haben», begründete Pirmin Bischof (mitte, SO) die Position der Kommissionsmehrheit. Damian Müller wies jedoch darauf hin, dass ab dem achten Jahrgang bereits «der nächste Reformschritt greifen» müsse, welchen die SGK-NR mit ihrer Motion in die Wege geleitet hatte.
Besonders umstritten war in der Kommission nun die Frage des Rentenvorbezugs. Der Bundesrat hatte in seinem ursprünglichen Modell vorgesehen, dass die betroffenen Jahrgänge entweder zwischen dem Rentenzuschlag oder einem Rentenvorbezug zu besseren Konditionen wählen können. Die Minderheit Müller wollte bei dieser Wahlmöglichkeit bleiben und den reduzierten Kürzungssatz bei Rentenvorbezug noch nach Einkommensgruppen abstufen. Somit sollten Frauen mit geringen Einkommen in den Übergangsgenerationen ihre Rente ohne oder nur mit geringen Einbussen vorzeitig beziehen, dabei aber nicht vom Rentenzuschlag profitieren können. Die Kommissionsmehrheit hingegen sah vor, dass die betroffenen Frauen bei einem Rentenvorbezug zwar nicht von besseren Konditionen profitieren können sollten – für sie würden somit bei einem Vorbezug dieselben Konditionen gelten wie für alle anderen Frauen –, jedoch sollten sie auch bei einem Vorbezug in den Genuss des vollen Rentenzuschlags kommen. Hier waren sich Kommissionsmehrheit und -minderheit nicht einig, welches Modell fairer sei. Minderheitensprecher Müller störte sich am Vorschlag der Kommissionsmehrheit, da die Vorbeziehenden damit «für ihren Rentenvorbezug mit einer unter dem Strich höheren Rente belohnt werden». Dagegen wehrte sich Pirmin Bischof und argumentierte, dass rentenvorbeziehende Frauen in allen Varianten der Mehrheit immer eine tiefere Rente bekämen als Frauen, die bis 65 arbeiteten. Hingegen sehe das Modell Müller, dem Modell des Nationalrats folgend, geringere Kürzungssätze beim Rentenvorbezug vor als das bundesrätliche Modell. Damit setze die Minderheit mehr Geld für Personen mit hohen Einkommen ein, da eine Senkung der Kürzungssätze gemäss Bischof «bei den hohen Einkommen betragsmässig natürlich am meisten aus[mache]». Zudem verursachten die Rentenvorbeziehenden im nationalrätlichen Modell ähnlich hohe Kosten an Ausgleichsmassnahmen wie Personen, die bis ins Alter von 65 Jahren arbeiteten und den Rentenzuschlag wählten – dies sei mit dem Kampf gegen den Fachkräftemangel nicht zu vereinbaren, erklärte Kommissionssprecher Ettlin.
Bundesrat Berset zeigte sich in der Folge von beiden Ausgleichsmodellen für die Übergangsgenerationen nicht begeistert, nannte das Kommissionsmodell jedoch «une solution équilibrée». Der Gesundheitsminister betonte insbesondere, dass die Ausgleichsmassnahmen bei der letzten erfolgreichen AHV-Revision 1994 nicht einen Drittel, sondern ganze 80 Prozent der Einnahmen betragen hätten, und warb in diesem Sinne für eine möglichst grosszügige Ausgestaltung der Massnahmen, um diese in der nötigen Volksabstimmung durchzubringen. In der Folge entschied sich der Ständerat mit 27 zu 15 Stimmen für das Modell der Kommissionsmehrheit.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung beantragte die Kommission, dem Nationalrat bei einer Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte (beim Normalsatz sowie um je 0.1 Prozentpunkte beim reduzierten Satz und beim Sondersatz) zu folgen – der Ständerat hatte sich in seiner ersten Behandlung für eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte (und je 0.1 Prozentpunkte) ausgesprochen, der Bundesrat hatte für eine Erhöhung um 0.7 Prozentpunkte plädiert. Die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung würde der AHV CHF 1.37 Mrd. pro Jahr einbringen, bei 0.3 Prozentpunkten wären es CHF 1.03 Mrd. Zudem lag dem Ständerat bei seiner Beratung ein Einzelantrag Noser (fdp, ZH) vor. Noser schlug eine Erhöhung um 0.3 Prozentpunkte vor, zumal er es als schwierig erachtete, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine verglichen mit der Altersvorsorge 2020 stärkere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei einer ansonsten kleineren Revision zu erklären. Zudem sei es sinnvoll, diese Differenz zum Nationalrat offen zu halten, um weiterhin eine Diskussion dazu zu ermöglichen. Erich Ettlin präsentierte diesbezüglich den voraussichtlichen Stand des AHV-Fonds im Jahr 2030 bei den verschiedenen Szenarien, wobei 100 Prozent die AHV-Ausgaben eines Jahres darstellten und vom Bundesrat als Ziel der Revision anvisiert worden waren. Mit dem Modell der Kommission würde der Fondsstand 2030 bei 87 bis 90 Prozent liegen (je nach Zeitpunkt des Inkrafttretens der Revision), mit dem Antrag Noser wären es zwischen 82 und 85 Prozent. Der Gesundheitsminister kritisierte den Verzicht der beiden Kammern, die Revision auf eine 100-prozentige Fondshöhe auszurichten, und argumentierte ebenfalls mit der Wirkung auf die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Bei der nächsten Revision sei es schwierig zu erklären, wieso man härtere Massnahmen ergreifen müsse, nur weil man Jahre zuvor nicht bereit gewesen sei, mit einer Fondshöhe von 100 Prozent zu planen. Von den beiden Anträgen bevorzugte er folglich die stärkere Erhöhung der Kommissionsmehrheit. Diese setzte sich anschliessend mit 22 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) knapp durch, womit die Frage der Mehrwertsteuererhöhung zwischen den beiden Räten bereinigt werden konnte.

Der Nationalrat hatte in seiner Beratung zudem eine einmalige Einlage des Bruttoertrags aus den Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in den AHV-Ausgleichsfonds vorgeschlagen und dazu einen eigenen Bundesbeschluss geschaffen. Die Mehrheit der SGK-SR lehnte jedoch Eintreten auf diesen Beschluss ab, während sich eine Minderheit Germann (svp, SH) für Eintreten und für den Bundesbeschluss aussprach. Hannes Germann argumentierte, dass die Unabhängigkeit der Nationalbank mit einer einmaligen Einlage nicht beeinträchtigt werde – ansonsten würde das entsprechende Geld einfach «über die normale Gewinnverteilung laufen» und damit Kantonen und Bund zugute kommen. Über die Verrechnung der Kosten, welche den Banken anfallen, und über die Kosten für die Pensionskassen seien die Bürgerinnen und Bürger indirekt stark von den Negativzinsen betroffen. Anstatt daher die Gewinne daraus dem Bund und den Kantonen zukommen zu lassen, sollten sie über die AHV direkt der Bevölkerung zugutekommen. Paul Rechsteiner (sp, SG) unterstützte den Minderheitensprecher – neben Germann und Rechsteiner hatten auch Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) und Maya Graf (gp, BL) den Antrag vorgängig unterzeichnet – und verwies darauf, dass zwischen 2015 und 2020 CHF 10 Mrd. an Gewinnen aus den Negativzinsen angefallen seien – bis zum Inkrafttreten der Revision würden es gar CHF 12 oder 13 Mrd. sein –, die man nun der AHV zuweisen könne. Das entspreche der Grössenordnung des Betrags, den «man den Frauen wegnimmt». Daher sei es schwierig zu erklären, wieso man auf diesen Betrag verzichten wolle, insbesondere da man das mit dem Nationalbankgold bereits einmal gemacht habe.
Erich Ettlin gab für die Kommission die Aussagen von Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, wieder, der sich im Namen der SNB gegen dieses Vorhaben wehrte. So müsse bedacht werden, dass auch die Nationalbank Negativzinsen bezahle, etwa bei den Covid-19-Krediten, und dass «über die Hälfte der Devisenanlagen eine negative Verfallrendite» aufweise. Zudem befürchtete die Kommission, dass sich die SNB durch eine solche Auszahlung unter Druck gesetzt fühle, weil der Finanzierungsbedarf der AHV auch weiterhin bestehen bleibe. Zudem bestehe auch in anderen Bereichen entsprechender Bedarf, wobei unklar sei, wieso diese Gewinne genau für die AHV einzusetzen seien. Man schaffe damit eine Erwartungshaltung für die Zukunft. Darüber hinaus nehme man damit den Kantonen Geld weg – diese erhalten normalerweise zwei Drittel der Gewinnausschüttungen. Mit 27 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat in der Folge gegen Eintreten aus.

Ansonsten verabschiedete der Ständerat zahlreiche kleinere Regelungen stillschweigend. Abgestimmt wurde zudem über die Frage, ob der Rentenzuschlag von der Berechnung des Einkommens zum Anspruch von Ergänzungsleistungen ausgenommen werden soll oder nicht. Eine Minderheit Carobbio Guscetti beantragte diese Ausnahme, damit auch Frauen mit Ergänzungsleistungen vollständig von dem Zuschlag profitieren könnten. So müssten fast 11 Prozent aller Frauen ab dem Renteneintritt Ergänzungsleistungen beziehen, insbesondere geschiedene, alleinerziehende oder verwitwete Frauen. Erich Ettlin argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass eine solche Ausnahme dem Grundprinzip der EL zuwiderlaufe und man den Rentenzuschlag daher nicht von der Einkommensberechnung ausnehmen solle. Mit 28 zu 12 Stimmen folgte die Ratsmehrheit seinem Antrag.
Diskutiert wurde ebenfalls darüber, ob der Anspruch auf Hilflosenentschädigung wie bisher nach einer ein Jahr dauernden Hilflosigkeit oder bereits nach drei Monaten gewährt werden soll. Eine Minderheit Graf beantragte, diesbezüglich dem Nationalrat zu folgen und die Wartefrist zu verkürzen. Die meisten Beziehenden von Hilflosenentschädigungen seien über 80 Jahre alt und da sich ihr Zustand üblicherweise eher verschlechtere, solle man ihnen bereits nach drei Monaten die entsprechende Hilfe zukommen lassen. Damit könne man sicherstellen, dass sie solange wie möglich zuhause betreut werden können. Kommissionssprecher Ettlin verwies darauf, dass damit aber auch Personen, die sich nach einer über dreimonatigen Krankheit wieder erholten, Hilflosenentschädigungen beziehen könnten, wodurch man die Kontrollen verstärken müsste. Insgesamt führe dies zu Mehrkosten von CHF 124 Mio. Mit 30 zu 13 Stimmen lehnte der Ständerat die Verkürzung der Wartefrist ab.
Mit diesen Änderungen ging der Entwurf zur AHV 21 zurück an den Nationalrat.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Frühjahrssession 2021 begann mit der Beratung im Ständerat «endlich» die Behandlung der AHV 21-Reform – endlich weil die Dauer der Vorbereitung durch die SGK-SR zuvor medial stark kritisiert worden war. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) stellte in seiner Rede insbesondere die demografischen Herausforderungen für die AHV in den Mittelpunkt und fasste ihre Situation in Zahlen zusammen: Dank der STAF habe das kumulierte Umlagedefizit des AHV-Ausgleichsfonds für die Jahre 2022 bis 2030 von CHF 39 Mrd. auf CHF 19 Mrd. reduziert werden können, für eine 100-prozentige Deckung des Ausgleichsfonds im Jahr 2030 liege der Finanzierungsbedarf entsprechend «nur» noch bei CHF 26 Mrd. (ohne STAF: 53 Mrd.). Dieser Finanzierungsbedarf solle durch die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte gedeckt werden. Gleichzeitig seien auch Ausgleichsmassnahmen für Übergangsjahrgänge der Frauen sowie Massnahmen für eine Flexibilisierung des Rentenbezugs zwischen 62 und 70 Jahren vorgesehen. Dennoch sei damit für Mitte der 2020er Jahre eine erneute Revision vonnöten, welche die Finanzierung der AHV über das Jahr 2030 hinaus sichern soll.
Eintreten war unbestritten und auch die erste Änderung, die auf der Fahne mit Abstand am meisten Platz einnahm, die Ersetzung des Begriffs «Rentenalter» durch «Referenzalter» in sämtlichen betroffenen Gesetzestexten, nahm der Ständerat stillschweigend an.
Eine «zentrale Bestimmung der Vorlage» (Ettlin) stellte die Erhöhung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre dar, wie sie auch die Kommissionsmehrheit befürwortete. Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) beantragte hingegen die Streichung der Erhöhung. Die Minderheitensprecherin wies auf die ungemein schlechtere Situation der Frauen bei den Renten verglichen mit den Männern hin: Frauen erhielten etwa ein Drittel weniger Altersrenten als Männer; die Hälfte der 2018 pensionierten Frauen erhielt eine AHV-Altersrente unter CHF 1'754 pro Monat; fast ein Drittel der aktuell pensionierten Frauen erhalte kein Geld aus der Pensionskasse; die Pensionskassenrenten der Frauen seien überdies durchschnittlich nur halb so gross wie diejenigen der Männer; insgesamt müssten doppelt so viele Frauen wie Männer Ergänzungsleistungen beziehen. «Tous les indicateurs financiers et les inégalités entre les femmes et les hommes nous permettent d'affirmer que l'âge de la retraite ne doit pas être relevé tant que les conditions nécessaires à assurer une pension décente aux femmes ne sont pas remplies», argumentierte Marina Carobbio Guscetti. Mit den von der Kommissionsmehrheit zusätzlich gekürzten Ausgleichsmassnahmen erwarteten die Frauen der Übergangsjahrgänge damit reale Rentenkürzungen. Da die Rentenaltererhöhung der Frauen bereits zweimal in Volksabstimmungen abgelehnt worden sei, solle nicht auch die aktuelle Revision durch Aufnahme dieser Massnahme gefährdet werden. Kommissionssprecher Ettlin verwies bezüglich Bekämpfung der Lohnungleichheit darauf, dass diese nicht im AHVG, «sondern anders zu lösen sei», allenfalls im BVG. In der AHV bestehe «kein Problem in der Rentenhöhe», insbesondere im Hinblick auf die längere Lebensdauer der Frauen, auf die Witwenrenten, auf das Splitting oder die Erziehungsgutschriften. Gesundheitsminister Berset verwies darauf, dass diese Erhöhung – auch wenn man gute Gründe dafür habe – für die Frauen dennoch «une année de travail et de cotisations en plus et une année de rente en moins» darstelle. Dies müsse man mit entsprechend grosszügigen Ausgleichsmassnahmen berücksichtigen. Mit 30 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat in der Folge für die Erhöhung des Referenzalters der Frauen aus.
Die meisten Sprechenden waren sich einig, dass die Ausgleichsmassnahmen für die Frauen den Knackpunkt der Reform darstellen, entsprechend umfangreich war die Anzahl der hier eingebrachten Anträge. Diese liessen sich gemäss Kommissionssprecher Ettlin in drei Kategorien aufteilen: Das Bundesratsmodell, das Trapezmodell und das Modell Müller.
Das Bundesratsmodell sah zwei verschiedene Elemente vor, zwischen denen sich die betroffenen Frauen entscheiden müssten. Einerseits sollten die Renten der Frauen aus den Übergangsjahrgängen durch eine alternative Rentenformel lebenslang erhöht werden. Minimal- und Maximalrente würden dabei gleich bleiben, aber die Renten dazwischen würden erhöht – am meisten würden Frauen mit einem Jahreseinkommen von ca. CHF 43'000 profitieren (CHF 163), der durchschnittliche Zuschlag käme bei CHF 76 zu liegen. 54 Prozent aller Frauen in den Übergangsjahrgängen erhielten dadurch höhere Renten. Andererseits sollten sich die betroffenen Frauen aber auch für eine Frühpensionierung entscheiden können, wobei ihre Renten weniger stark gekürzt würden als normalerweise. Bis zu einem Einkommen von ca. CHF 57'000 pro Jahr sollte die Rente bei einer Frühpensionierung von einem Jahr gar nicht gekürzt werden. Dieses Modell verfolgten neben dem Bundesrat auch die Kommissionsmehrheit sowie die Minderheit I Stöckli und die Minderheit II Graf (gp, BL), wobei die Kommissionsmehrheit deutlich tiefere Ausgaben plante und weniger Jahrgänge teilhaben lassen wollte (max. CHF 440 Mio., 6 Jahrgänge) als der Bundesrat (max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge) oder gar die beiden Minderheiten (max. CHF 1.4 Mrd., 9 Jahrgänge respektive max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Als Vorteil dieses Modells nannte Bundesrat Berset insbesondere die Kombination der zwei Elemente «Rentenerhöhung» und «Vorbezug». Als Nachteil führte Peter Hegglin (cvp, ZG) als Anhänger des Trapezmodells auf, dass die Rentenformel sehr kompliziert sei und dass die Mindestrenten nicht angepasst würden und somit gerade diejenigen Personen, die eine Verbesserung am stärksten nötig hätten, nicht profitieren könnten. Andererseits erhielten Personen, die bereits die Maximalrenten beziehen, ebenfalls keine höheren Renten.
Alternativ wurde in der SGK-SR das sogenannte Trapezmodell diskutiert, das statt einer Anpassung der Rentenformel einen Rentenzuschlag vorsah. Dabei erhielt das Modell seinen Namen aus der anfänglich progressiven Erhöhung des Rentenzuschlags und der zum Schluss degressiven Senkung des Zuschlags. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Rentenalter in vier Jahresschritten à je drei Monaten erhöht würde. Die Frauen des ersten Jahrgangs würden somit «nur» drei Monate später pensioniert als bisher und sollten entsprechend nicht in den Genuss eines vollen Rentenzuschlags kommen. Damit weise das Modell weniger und schwächere Schwelleneffekte auf als das Bundesratsmodell, wurde argumentiert. Zudem erhielten alle Betroffenen dieselben Zuschläge, auch Personen mit niedrigen Einkommen könnten folglich von einem Rentenzuschlag profitieren – umgekehrt hingegen auch Personen, welche bereits die Maximalrente erzielten. Dieses Modell verfolgten die Minderheiten III Hegglin, IV Stöckli und V Graf, wobei sie die Rentenzuschläge einer unterschiedlichen Anzahl Jahrgänge zukommen lassen wollten, unterschiedliche Abstufungen vorsahen und wiederum unterschiedliche Höchstausgaben planten (Hegglin: max. CHF 430 Mio., 9 Jahrgänge; Stöckli: max. CHF 700 Mio., 9 Jahrgänge; Graf: max. CHF 2.6 Mrd., 14 Jahrgänge). Vorteile bei einer frühzeitigen Pensionierung waren in diesem Modell nicht vorgesehen.
Eine Minderheit VI Müller (fdp, LU) sah ebenfalls einen Zuschlag ausserhalb der Rentenformel vor, wollte diesen aber nach Einkommenshöhe abstufen. So sollten Frauen mit tiefen Einkommen (Einkommen bis zu der vierfachen minimalen Altersrente) zusätzlich CHF 150 erhalten, Frauen mit hohen Einkommen (über derselben Schwelle) CHF 50. Hingegen sollte es keine Abstufungen nach Jahrgängen geben. Wie beim Bundesratsmodell sollten sich die Frauen jedoch auch beim Modell Müller zwischen einer höheren Rente oder einem gekürzten Abzug beim Rentenvorbezug entscheiden können. Als Nachteil des Modells nannte Kommissionssprecher Ettlin die Schwelleneffekte, hingegen profitierten diejenigen Frauen am meisten, welche die Hilfe am nötigsten hätten. Das Modell sah Ausgaben in der Höhe von maximal CHF 600 Mio. und eine Berücksichtigung von 6 Jahrgängen vor.
In den dazugehörigen Abstimmungen setzte sich das Modell der Kommissionsmehrheit zuerst gegen alle anderen Bundesratsmodelle durch. Anschliessend entschied sich der Rat bei den Trapezmodellen für das sparsamste Modell der Minderheit III Hegglin, welches sich in der Folge auch gegen das Modell Müller und gegen dasjenige der Kommissionsmehrheit durchsetzte (19 zu 12 Stimmen bei 13 Enthaltungen). Damit sah der Ständerat in der Hauptstreitfrage einen zuerst progressiv ansteigenden und anschliessend degressiv absteigenden Zuschlag für 9 Jahrgänge mit Ausgaben von CHF 430 Mio. im teuersten Jahr vor.

Umstritten war auch das Thema Flexibilisierung des Rentenantritts, das sich aus dem vieldiskutierten Rentenvorbezug und dem mehrheitlich unbeachteten Rentenaufschub zusammensetzt. Ein Rentenvorbezug war bisher für Frauen ab einem Alter von 62 Jahren und für Männer ab 63 Jahren möglich, für die Zukunft sah der Bundesrat einen Vorbezug für alle ab 62 Jahren vor. Da zudem der Kürzungssatz für einen Vorbezug seit langer Zeit nicht mehr angepasst worden war, lag dieser in der Zwischenzeit viel zu hoch. Entsprechend sollte der Bundesrat diesen zukünftig alle zehn Jahre den versicherungsmathematischen Begebenheiten anpassen. Dabei soll der Kürzungssatz jeweils so ausgestaltet werden, dass Personen, die ihre Renten vorbeziehen, diesen Vorbezug durch die Kürzung ihrer Renten selbst finanzieren. Vorbezug – sowie Aufschub der Rente – sollten damit mittelfristig kostenneutral sein. Dennoch beantragte die Kommissionsmehrheit, den Vorbezug erst ab 63 Jahren möglich zu machen. Man wolle den Vorbezug nicht zusätzlich fördern, zumal er durch die Anpassung des Kürzungssatzes bereits finanziell bessergestellt werde und bereits heute vor allem von Personen mit höheren Renten genutzt würde. Deshalb schlug die Kommissionsmehrheit vor, dass der Kürzungssatz für Personen mit tieferen Einkommen (bis zu einer vierfachen Minimalrente) um 40 Prozent reduziert werden soll. Marina Carobbio Guscetti wehrte sich gegen den Antrag der Mehrheit, den Rentenvorbezug erst ab 63 Jahren zu ermöglichen. Die Flexibilisierung zwischen dem 62. und dem 70. Lebensjahr entspreche der Realität, zudem solle man die Situation für die Frauen nicht noch weiter verschlechtern und diese nicht doppelt bestrafen. Gesundheitsminister Berset kritisierte, dass der Vorbezug ab 62 Jahren einer der einzigen Punkte gewesen sei, der in der Altersvorsorge 2020 von allen unterstützt worden sei. Man solle das aktuelle Projekt entsprechend mit dieser Änderung, die keinen finanziellen Nutzen bringe, nicht überladen. Mit 23 zu 19 Stimmen erhörte der Ständerat den Bundesrat jedoch nicht und nahm den Mehrheitsantrag der Kommission an.
Stillschweigend stimmte der Ständerat dem neuen Passus des Bundesrates zu, wonach AHV-Beiträge nach Erreichung des Referenzalters zukünftig rentenbildend sein sollen. Dies habe man in der Altersvorsorge 2020 nicht berücksichtigt, was für viele Diskussionen gesorgt habe, wie Hans Stöckli betonte. Umstrittener war hingegen der Freibetrag nach Erreichen des Referenzalters, den der Bundesrat und eine Minderheit Stöckli wie bisher beim anderthalbfachen Mindestbetrag der Altersrente belassen (CHF 16'800), die Kommissionsmehrheit jedoch auf CHF 24'000 erhöhen wollte. Zwar sei die Streichung des Freibetrags im Rahmen der Altersvorsorge 2020 stark kritisiert worden, eine Erhöhung habe jedoch – «ausser Economiesuisse und vielleicht dem Arbeitgeberverband», wie Paul Rechsteiner (sp, SG) einwand – niemand gefordert, argumentierte Stöckli. Von einer Erhöhung profitierten denn auch hauptsächlich die Arbeitgebenden, die dadurch Sozialkosten sparen könnten, kritisierte Stöckli. Erich Ettlin verteidigte den Kommissionsantrag, indem er betonte, dass dadurch mehr Anreize für einen Rentenaufschub von Personen geschaffen werden sollten, die bereits die Maximalrente erhielten. Mit 27 zu 18 Stimmen folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und erhöhte den Freibetrag.

Die übrigen Aspekte waren zwar teilweise ebenfalls umstritten, führten aber zu deutlich weniger Diskussionen. So hatte der Bundesrat beabsichtigt, den Ehepaarplafond, also die Summe der Renten für Ehepaare, bei 150 Prozent zu belassen, die SGK-SR schlug hier jedoch eine Erhöhung auf 155 Prozent vor. Dieses Anliegen der «Mitte» war zuvor in den Medien ausführlich diskutiert worden. Eine Minderheit Müller beantragte, dem Bundesrat zu folgen, zumal eine Analyse des Bundesrates gezeigt habe, dass Ehepaare in der AHV (wegen der Witwen- und Witwerrente oder dem «Beitragsprivileg von nicht berufstätigen Ehepartnern») sowie allgemein in den Sozialversicherungen noch immer bevorzugt würden. Zudem sollte der Plafond nur für diejenigen Ehepaare erhöht werden, die den heutigen Plafond erreichen. Somit würden nur Personen mit mittleren und höheren Einkommen profitieren, nicht aber Ehepaare mit tiefen Einkommen. Für die Kommission zog Erich Ettlin einen Vergleich mit Konkubinatspaaren, die 200 Prozent der Rente erhielten, und verwies darauf, dass gerade Personen mit höheren Einkommen auch «solidarisch in die AHV einbezahlt[en]», zumal die AHV-Rente nach oben begrenzt sei. Mit 18 zu 13 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) folgte der Ständerat jedoch der Minderheit Müller und lehnte die Erhöhung des Ehepaarplafonds ab.
Stillschweigend schuf der Ständerat auf Antrag seiner Kommission auch eine Verpflichtung für den Bundesrat, bis Ende 2026 eine neue AHV-Revision zur Stabilisierung der AHV für die Jahre 2030 bis 2040 vorzulegen. Umstritten war zum Abschluss der Debatte der Revision des AHVG auch die Frage, ob die entsprechende Revision mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer verknüpft werden soll, ob also Erstere nur bei Annahme Letzterer in Kraft treten soll. Gegen den Willen des Bundesrates hatte die SGK-SR eine solche Verknüpfung geschaffen, eine Minderheit Stöckli beantragte ihre Streichung. Diese Verknüpfung sei bereits bei der Altersvorsorge 2020 massiv kritisiert worden und habe damals einen wichtigen Ablehnungsgrund dargestellt, argumentierte Stöckli. Kommissionssprecher Ettlin verteidigte die Verknüpfung insofern, als es «keine Leistung gebe, wenn die Finanzierung nicht gesichert sei». In der Folge gab es einen kurzen Wortwechsel zwischen Paul Rechsteiner, der darauf hinwies, dass es mit dieser Revision keine zusätzlichen Leistungen, nur Leistungsabbau gebe, und Erich Ettlin, der auf die Kosten für die Ausgleichsmassnahmen der Frauen verwies, welche durch die Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden müssten. Mit 30 zu 14 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit.
Mit 31 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat in der Folge für den von ihm geänderten Entwurf der Revision des AHVG aus. Geschlossen lehnten die Mitglieder der SP und der Grünen den Entwurf ab.

Im Anschluss an die Revision des AHVG beschäftigte sich der Ständerat mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung der Mehrwertsteuer, zu dem ebenfalls zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen. Die Kommissionsmehrheit hatte die vom Bundesrat vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte (des Normalsatzes) auf 0.3 Prozentpunkte reduziert, aber eine Möglichkeit für eine einmalige weitere Erhöhung um 0.4 Prozentpunkte geschaffen, falls der AHV-Ausgleichsfonds 90 Prozent einer Jahresausgabe unterschreitet. Zudem knüpfte die Kommission die Mehrwertsteuererhöhung an die Annahme der AHV-Revision. Minderheiten I Carobbio Guscetti (0.8%) und II Müller (0.3%) sahen weitere Varianten vor. Damian Müller argumentierte, dass «keine Steuern auf Vorrat» erhoben werden sollten. Dieses Argument teilte auch Kommissionssprecher Ettlin, der entsprechend das zweistufige Verfahren der Mehrheit lobte. Bundesrat Berset freute sich darüber, dass niemand die Zusatzfinanzierung gänzlich infrage stellte, und wies darauf hin, dass in der Tat weniger Geld benötigt werde, wenn die Ausgleichsmassnahmen tiefer angesetzt würden, als es der Bundesrat vorgeschlagen hatte: Mit dem bundesrätlichen Projekt hätte der Deckungsgrad des AHV-Ausgleichsfonds im Jahr 2030 bei 101 Prozent gelegen, mit der Reduktion der Ausgleichsmassnahmen, wie sie der Ständerat vorgenommen hatte, würde eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte im Jahr 2030 zu einem Deckungsgrad von 106 Prozent führen. Mit den Beschlüssen des Ständerats und der zweistufigen Mehrwertsteuererhöhung käme der Deckungsgrad 2030 bei 89 Prozent zu liegen, mit dem Vorschlag Müller bei 84 Prozent. Mit dieser Unterfinanzierung des Ausgleichsfonds würde man die zukünftigen Reformen stark erschweren, zudem gefährdeten die tiefen Ausgleichszahlungen bereits die aktuelle Reform. Folglich bat Bundesrat Berset den Rat noch einmal um Zustimmung zum bundesrätlichen Vorschlag und um ein Rückkommen auf die höheren Ausgleichsmassnahmen im Rahmen des Differenzbereinigungsverfahrens. Auch hier sprach sich der Ständerat jedoch mit 29 zu 13 Stimmen für die sparsamste Variante aus, nämlich für die Minderheit Müller, welche die Mehrwertsteuer nur um 0.3 Prozentpunkte erhöhen wollte.
Einstimmig nahm der Ständerat den Bundesbeschluss in der Gesamtabstimmung an (40 zu 0 Stimmen, 4 Enthaltungen).

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Rétrospective annuelle 2019: Groupes sociaux

2019 a-t-elle été une année féministe? La rue et le Parlement fournissent des réponses différentes. Près d'un demi million de femmes* et alliés ont battu le pavé lors de la grève féministe et des femmes* du 14 juin. Lancée par l'Union syndicale suisse (USS), la grève de 2019 s'est distinguée de celle de 1991 sur plusieurs points. Premièrement, les revendications étaient plus intersectionnelles, intégrant notamment les thématiques de genre, de sexualité, de racisme et dénonçant de manière plus radicale le patriarcat. De plus, de nombreux groupes de la société civile se sont approprié la grève, et ont ainsi lancé une dynamique vouée à durer, comme en témoignent la hausse de fréquentation de la marche contre les violences faites aux femmes ou la reprise de la flash mob «un violador en tu camino» en soutien aux femmes chiliennes luttant contre les violences sexuelles. Enfin, selon certains commentaires, la grève ne serait pas étrangère au nombre record de femmes élues sous la coupole à l'automne 2019.
Il est encore trop tôt pour dire si la nouvelle mouture du Parlement portera plus haut les revendications féministes. En considérant la fin de la précédente législature, force est de constater que le Parlement n'a pas été porté par le même engouement que les femmes* dans les rues. L'initiative cantonale genevoise visant à donner aux cantons les moyens de réaliser l'égalité entre femmes et hommes a été refusée au Conseil des États, tout comme la création d'une commission indépendante chargée de réaliser l'égalité salariale. La polémique causée par la présence d'un bébé dans les bras de sa mère, députée au Grand Conseil de Bâle-Ville a révélé la difficulté pour le Parlement fédéral de prendre en compte ces réalités sociales, notamment en refusant de mettre en place un système de remplacement pour les parlementaires nouvellement mamans.
La taxe rose, en revanche, a été quelque peu mise à mal par la baisse de la TVA sur les protections menstruelles. Le Conseil national a accepté unanimement un postulat Graf (verts, BL; Po. 19.3618), demandant la rédaction d'un rapport sur les féminicides dans le contexte domestique en Suisse. Pour rappel, selon les chiffres actuels, une femme meurt en moyenne toutes les deux semaines suite à des violences domestiques. En 2018, on dénombrait 51 femmes ayant survécu à une tentative de féminicide, soit une toutes les semaines.
Un rapport commandé par Yvonne Feri (ps, AG; Po. 16.3407) sur la situation des femmes en exil rend compte d'un état de faits également préoccupant. Selon le centre suisse de compétence pour les droits humains, les prescriptions du droit international ne sont pas respectées en matière de soutien médical, psychologique ou psychiatrique, psychosocial, juridique et matériel. Des lacunes dans l'identification des victimes de violence ou d'exploitations sexuelles en sont la cause, ainsi que le manque d'accès aux offres spécialisées de l'aide aux victimes. Des améliorations sont également nécessaires dans les domaines de l'hébergement, de l'encadrement et de l'accès à la santé pour les femmes demandant l'asile ou réfugiées.

L'initiative populaire pour un congé paternité raisonnable, qui exigeait quatre semaines pour les nouveaux pères, a été retirée au profit du contre-projet indirect, qui en propose deux. Le Conseil national a classé au printemps une initiative parlementaire Romano (pdc, TI; Iv.pa. 10.322) qui demandait un congé payé de deux semaines en cas d'adoption d'un enfant. De même, les parents d'enfants gravement malades ne bénéficieront pas d'un congé rémunéré.
La loi sur les allocations familiales (LAFam) a été modifiée. Désormais, l'allocation sera versée dès le début de la formation des enfants, les mères seules au chômage pourront également toucher des allocations familiales et une base légale existe pour l'allocation par la Confédération d'aides financières aux organisations familiales.

Un référendum a été déposé contre l'initiative Reynard visant à punir pénalement les propos homophobes. La population se prononcera à ce sujet en février 2020.

Du côté de la politique migratoire, l'UDC et l'ASIN ont lancé en juin une nouvelle initiative «pour une immigration modérée (initiative de limitation)» qui vise l'abolition de l'accord sur la libre-circulation des personnes (ALCP). Le Conseil fédéral et le Parlement recommandent de la rejeter, sans y opposer de contre-projet.
L'intégration s'est retrouvée au cœur de plusieurs débats, notamment sur la question des coûts qu'elle engendre, des moyens à mettre en place pour éviter la fuite des cerveaux et la pertinence de la création de places de stage pour les jeunes ressortissant de pays en voie de démocratisation. L'UDC a quant à elle défendu deux projets: plafonner l'aide sociale pour les étrangers et étrangères, ainsi qu'appliquer l'initiative sur le renvoi de personnes criminelles aussi aux ressortissant-e-s de l'UE. Les deux ont été rejetés.

En comparaison avec les années précédentes, la politique d'asile a occupé une place plus restreinte dans les débats de l'Assemblée fédérale. La question des requérant-e-s d'asile provenant d'Erythrée n'a été l'objet que d'une motion Müller (plr, LU; Mo. 18.3409) qui proposait «une politique d'asile équitable envers les demandeurs d'asile érythréens», à savoir lever le plus d'admissions provisoires qu'il est possible. Elle a été acceptée à une confortable majorité dans les deux chambres. Il a également été question de la détention administrative de personnes mineures. Une initiative parlementaire Mazzone (verts, GE; Iv.pa. 17.486) ainsi qu'une initiative cantonale genevoise (Iv.ct. 18.321) demandaient de mettre fin à cette pratique. La première a été refusée et liquidée, le Conseil national doit encore se prononcer sur la seconde.
Le centre pour requérants d'asile récalcitrants des Verrières (NE) a été fermé, faute de pensionnaires. Une initiative parlementaire UDC demandait un retour à l'ancienne mouture du droit d'asile, qui permettait de décréter plus facilement que des requérant-e-s étaient récalcitrants; elle a été refusée par tous les autres partis. Deux autres centres d'asile, à Bâle-Campagne et Berne, ont également été fermés.
Les discussions sur le statut d'admission provisoire se sont également poursuivies, notamment avec l'initiative parlementaire de l'UDC entendant mettre fin temporairement au regroupement familial pour les personnes détenant ce type de permis, à laquelle le Conseil national a refusé de donner suite.
Une motion socialiste qui demandait la mise en place de corridors légaux et sécurisés pour demander l'asile, afin d'éviter les morts en Méditerranée, a été refusée par le Conseil national.
Enfin, une pétition de Solidarité sans Frontières et Amnesty Suisse accompagnant l'initiative parlementaire Mazzone souhaitant mettre fin au délit de solidarité a été déposée à la chancellerie fédérale en décembre. L'initiative sera discutée au Parlement en 2020.

Du côté de la politique du handicap, un postulat identique a été déposé quatre fois, par une députée verte et trois députés, socialiste et PDC, pour obtenir une reconnaissance juridique des langues des signes suisses et des mesures concrètes de mise en œuvre pour une pleine participation des personnes sourdes et malentendantes. Le Conseil national l'a adopté en septembre 2019.

Rétrospective annuelle 2019: Groupes sociaux
Dossier: Jahresrückblick 2019

En Suisse, une femme meurt en moyenne toutes les deux semaines, victime de féminicide, majoritairement dans le cadre domestique. En 2018, on dénombrait 28 victimes, et 51 survivantes de tentative de féminicide. Maya Graf, dans son postulat «Stop aux féminicides dans le contexte domestique en Suisse» demande un rapport sur les causes et une liste de mesures pour mettre fin à ce phénomène.
Dans le cadre de la mise en œuvre de la Convention d'Istanbul, le Conseil fédéral avait déjà mandaté l'OFS et le BFEG pour l'élaboration d'un rapport sur les violences domestiques, il a donc recommandé l'adoption du postulat, qui a été accepté unanimement par le Conseil national en septembre 2019.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Mit 13 zu 10 Stimmen entschied die SPK-NR, der parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) für eine angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung keine Folge zu geben. Zwar hatte sich der Ständerat rund ein Jahr zuvor knapp für das Anliegen ausgesprochen, das die in der Verfassung festgehaltenen Kriterien für die Wahl von Bundesrätinnen und Bundesräten (Landesgegend und Sprachregion) um das Element «Geschlecht» erweitern wollte. Die Bundesratsersatzwahlen Ende 2018 – so die SPK-NR in ihrer Begründung – hätten aber gezeigt, dass eine solche Ergänzung nicht notwendig sei und dass das Parlament sehr wohl auf die angemessene Vertretung der Geschlechter in der Regierung achte. In der Tat war die Idee für die parlamentarische Initiative Comte – einen inhaltlich praktisch identischen Vorstoss hatte auch Maya Graf (gp, BL) im Nationalrat eingereicht (Pa.Iv. 17.411), nach dem Erfolg der Comte'schen Initiative in der kleinen Kammer aber wieder zurückgezogen – aufgrund der Ersatzwahl von Ignazio Cassis geboren worden. Damals war von verschiedener Seite die Wahl einer Bundesrätin gefordert worden. Die SPK-NR sah auch deshalb keinen Mehrwert eines Verfassungszusatzes, weil es sich hier um ein gesellschaftspolitisches und nicht um ein rechtliches Anliegen handle. Es liege insbesondere an den Parteien, Frauen zu fördern. Die starke Kommissionsminderheit sah es hingegen als sachlich gerechtfertigt an, die angemessene Vertretung von Frauen in der Regierung zu fordern und dies auch so in der Verfassung festzuhalten. Sie pochte auf den Begriff «angemessen», der der Vereinigten Bundesversammlung immer noch genügend Spielraum lasse.
Es stimme, dass bei den letzten Ersatzwahlen zwei Frauen gewählt worden seien, in der 170-jährigen Geschichte des Bundesstaates habe es aber lediglich neun Bundesrätinnen gegeben, verteidigte Angelo Barrile (sp, ZH) den Minderheitsantrag auf Folge geben in der Ratsdebatte. Barbara Steinemann (svp, ZH) gab als Kommissionssprecherin allerdings zu bedenken, dass das Anliegen bloss deklaratorischer Natur sei; eine Annahme würde kaum konkrete Folgen haben, hätte aber ein obligatorisches Referendum zur Folge, was dann doch übertrieben sei. Es vermag ob der Positionen in der Ratsdiskussion nur wenig zu erstaunen, dass die geschlossenen Fraktionen der SP, der GP und der GLP für Folge geben eintraten und die geschlossene SVP-Fraktion dagegen stimmte. Auch die Mehrheit der BDP-Fraktion sowie beide EVP-Mitglieder votierten für einen Verfassungsartikel. Von den zusätzlichen acht bürgerlichen Stimmen stammten fünf von Frauen. Die insgesamt 72 Stimmen für Folge geben reichten jedoch gegen die 107 ablehnenden Voten (1 Enthaltung) nicht aus, mit denen der Vorstoss versenkt wurde.
Die Frauen hätten eine Schlacht auf dem Weg zur Gleichstellung verloren, titelte die Liberté am Tag nach der Abstimmung. Allerdings könne es gut sein, dass es in der Regierung bald wieder eine Frauenmehrheit gebe; dann nämlich, wenn der dienstälteste Magistrat Ueli Maurer zurücktrete, und der Druck auf der SVP hoch sein werde, einen ihrer beiden Exekutivsitze ebenfalls mit einer Frau zu besetzen.

Angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung
Dossier: Frauenanteil im Bundesrat

Sowohl Maya Graf (gp, BL) im Nationalrat (Pa. Iv. 17.411) als auch etwas später Raphaël Comte (fdp, NE) im Ständerat reichten eine parlamentarische Initiative ein, mit der sie eine angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung durchsetzen wollten. Konkret sollte in der Verfassung festgehalten werden, dass die Bundesversammlung bei Wahlen (gemeint sind Bundesrats- und Richterwahlen) auf eine angemessene Vertretung der Geschlechter achtet. Neben den Landesgegenden und den Sprachregionen würde damit ein weiteres Kriterium festgeschrieben, auf das bei Bundesratswahlen Rücksicht genommen werden müsste.
Beide Vorstösse schien vorerst das gleiche Schicksal zu ereilen, wie die verschiedenen ähnlichen Anliegen vor ihnen. Sowohl die SPK-SR (mit 9 zu 4 Stimmen) als auch die SPK-NR (mit 16 zu 9 Stimmen) sprachen sich gegen Folge geben aus. Argumentiert wurde dabei, dass nicht klar sei, welches der drei Kriterien Vorrang haben solle, wenn sie sich konkurrenzierten. Zudem könne die Liste der Anforderungen, auf die man bei Wahlen achten müsse, beliebig erweitert werden, etwa durch das Kriterium Alter. Im Gegensatz zum Geschlecht hätten die Elemente «Landesgegend» und «Sprachregion» eine stabilisierende und integrierende Funktion für den Bundesstaat. Zudem werde heute schon ohne Regelung Rücksicht auf eine adäquate Vertretung der beiden Geschlechter in der Landesregierung genommen. In ihrer Stellungnahme nahm die SPK-NR zudem die Parteien in die Verantwortung, die es in der Hand hätten, Frauen als Kandidatinnen aufzustellen. Vielen Frauen sei zudem eine «rechtliche Krücke» ein Dorn im Auge: Letztlich müsse die Fähigkeit und nicht das Geschlecht für eine Kandidatur und eine Wahl entscheidend sein. Die Kommissionsminderheiten hoben die grosse symbolische Bedeutung hervor, die der Vermerk des Kriteriums «Geschlecht» in der Verfassung hätte. Dies würde den Druck auch auf Parteien erhöhen, tatsächlich Frauen zu fördern. Zu bedenken sei zudem, dass ein geringer Frauenanteil gerade auf Frauen eine demotivierende Wirkung habe.
Der Medienberichterstattung nach zu urteilen für viele überraschend nahm der Ständerat die Position der Minderheit ein und gab der Initiative mit 20 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung Folge. Hans Stöckli (sp, BE) betonte dabei über die bekannten Argumente hinaus, dass der Vorstoss nur die Konkordanzbestimmungen konsequent anwende, welche verlangten, dass alle massgebenden Kräfte am Staatswesen mitarbeiten würden.
Nach der Entscheidung des Ständerats zog Maya Graf ihren nationalrätlichen Vorstoss zurück. Die grosse Kammer wird entsprechend über das Schicksal des Antrags Comte bestimmen.

Angemessene Frauenvertretung in der Bundesregierung
Dossier: Frauenanteil im Bundesrat

Ende November 2017 löste ein Artikel in der Zeitung Le Temps über Yannick Buttet (cvp, VS) eine Debatte aus, mit der die aktuellen Diskussionen um #metoo – ein Kürzel, das im Rahmen der Anklage gegen den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgekommen war und auf sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe aufmerksam machen will – auch in Bundesbern virulent wurden und die letztlich zur Demission des Walliser Nationalrats führten.

Le Temps berichtete, dass gegen Buttet eine Klage wegen Stalking eingereicht worden sei. Er habe eine Frau, mit der er eine aussereheliche Beziehung gehabt habe, seit dem Ende dieser Beziehung über ein Jahr lang mit Sprachnachrichten und Telefonanrufen eingedeckt. Als er sie an ihrem Wohnort aufgesucht habe, habe die Frau die Polizei gerufen, die Buttet im Garten der ehemaligen Geliebten verhaftet habe.
Buttet bestritt die Vorwürfe nicht. Eine Ehekrise habe sein Verhalten beeinflusst und er entschuldige sich bei all jenen, «que j’ai pu blesser involontairement» (Le Temps). Anlass zu den Diskussionen gaben allerdings weniger das Privatleben von Buttet und der Stalking-Vorwurf – auch wenn zahlreiche Medien dem als wertkonservativ bezeichneten CVP-Vizepräsidenten, der sich für ein traditionelles Familienbild einsetze, Heuchelei vorwarfen («Ausgerechnet der Saubermann» titelte etwa der Tages-Anzeiger). Eine Debatte lösten vielmehr die von Le Temps in Bundesbern eingeholten Reaktionen verschiedener Politikerinnen und Journalistinnen auf die Affäre Buttet aus: Buttet habe «des pulsions sexuelles incontrôlées»; wenn er trinke, ändere sich seine Persönlichkeit: «Il se comporte mal et il a des gestes déplacés»; «il va trop loin et il ne connaît plus de limites», gaben die befragten Frauen zu Protokoll. Gar von «dérapages choquants» war die Rede. «Si tu couches, je vote pour ta motion» sei einer Parlamentarierin angeboten worden. Die Interviewten wollten allerdings anonym bleiben. Sie müssten um ihre Karriere fürchten, wenn sie sich öffentlich äussern würden. In der Folge nahm die Deutschschweizer Presse den Fall auf und weitete ihn aus. Anscheinend wisse nicht nur Buttet nicht, wo die Grenzen seien. Mehrere Parlamentarierinnen kamen zu Wort und berichteten über «unangebrachte Gesten, die sie wirklich darüber nachdenken lassen, wohin sie gehen oder ob sie es noch wagen, mit gewissen Personen den Lift zu nehmen» (Céline Amaudruz; svp, GE), über «sexistische Sprüche» (Yvonne Feri; sp, AG) oder gar Vergewaltigungsdrohungen in Kommissionssitzungen (Maria Roth-Bernasconi; sp, GE). Viele Parlamentarierinnen erhielten Bemerkungen zu ihrer Kleidung, ihrem Make-Up, ihren Beinen, ihren Brüsten; viele wüssten nicht, wie sie reagieren sollten, würden resignieren und versuchten, damit zu leben.
Maya Graf (gp, BL) forderte als Präsidentin des Frauendachverbandes Alliance F eine Meldestelle für Parlamentsmitglieder, bei der sexuelle Belästigung gemeldet werden könne. Sexismus gehöre leider immer noch zur Tagesordnung; das sei im Parlament nicht anders. Freilich gab es auch Stimmen, die ein Sexismus-Problem im Bundeshaus als «Blödsinn» bezeichneten (Verena Herzog; svp, TG) und keinen Handlungsbedarf sahen. Um gewählte Nationalrätin zu sein, müsse man stark und durchsetzungsfähig sein und könne sich wohl zur Wehr setzen, befand Andrea Gmür (cvp, LU). Natalie Rickli (svp, ZH) warnte davor, nun gleich alle Männer im Bundeshaus unter Generalverdacht zu stellen. Auch Kathrin Bertschy (glp, BE) betonte im Tages-Anzeiger, dass sich die grosse Mehrheit der männlichen Kollegen auch bei informelleren Anlässen, in denen Alkohol fliesse, «normal und anständig» verhalten würde. Wie überall gebe es aber auch hier «ein paar Typen, die enthemmter sind und die Grenzen nicht kennen.»

Wie ambivalent die Debatte um #metoo ist und wie schwierig es eben ist, sich zu wehren, zeigten die Auseinandersetzungen um die Anschuldigungen von Céline Amaudruz zu den unangebrachten Gesten und ihren Bedenken, mit gewissen Personen den Lift zu benutzen. Nachdem der Sonntags-Blick kolportiert hatte, dass ihre Andeutung wohl Buttet gegolten haben müsse – der Walliser soll sie beim Apéro nach der Wahl von Ignazio Cassis in stark angetrunkenem Zustand belästigt haben –, wurde die Genferin laut Medien in ihrer Fraktion von Adrian Amstutz (svp, BE) heftig kritisiert. Sie schade der Partei und allen Parlamentariern, wenn sie Äusserungen mache ohne konkret zu werden und Namen zu nennen. Laut Sonntags-Blick habe die Genferin darauf unter Tränen das Fraktionszimmer verlassen. In seinem Editorial in der Weltwoche doppelte Roger Köppel (svp, ZH) nach: Das Klima im Bundeshaus sei «sexismusfeindlich», Männer stünden unter Generalverdacht. Und weiter: «Eine Politikerin, die ich noch nie ohne kurzen Rock oder hautenge Bluse gesehen habe, beschwert sich, sie würde mit gewissen Herren niemals in den Lift steigen.» Das Problem sei, so die Tribune de Genève, dass Frauen von Opfern zu Täterinnen gemacht würden – auch im Bundeshaus. Die «manipulierende Wirkung der medialen Öffentlichkeit» – so die Wochen-Zeitung – sei vor allem für Frauen verheerend, denen, wenn sie eine Anschuldigung vorbrächten, eine mediale Hetzjagd und die Ausleuchtung ihres Privatlebens drohe: «Kann eine Situation juristisch nicht eindeutig geklärt werden, bleibt die Geschichte vor allem an der Frau kleben. Sie kriegt den Schlampenstempel aufgedrückt.»

Buttet wurde kurz nach Bekanntwerden der Anschuldigungen von seinem Amt als CVP-Vizepräsident suspendiert. Einen Rücktritt als Nationalrat schloss Buttet vorerst allerdings aus, auch wenn sich gar CVP-Bundesrätin Doris Leuthard in die Debatte einbrachte. Falls die Vorwürfe korrekt seien, habe Herr Buttet ein Problem, sagte die Magistratin bei einem TV-Interview: «Alle diese Herren, die sich nicht zu benehmen wissen, nerven mich [...]. In der Politik ist das inakzeptabel», wurde das Interview bei RTS im Blick zitiert. Rund fünf Tage nach Bekanntwerden des Stalking-Vorwurfs liess sich Buttet krank schreiben. Er wolle eine Kur beginnen, um sein Alkoholproblem in den Griff zu kriegen, liess er über seinen Anwalt verkünden. Damit vermied er eine geplante Anhörung durch die Parteileitung. CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) nahm in der Folge vor der Presse Stellung. Buttets Verhalten sei in der Tat inakzeptabel, aber auch für ihn gelte die Unschuldsvermutung.
Freilich wurden nicht nur die Rücktrittsforderungen, sondern auch die Forderungen nach einem Parteiausschluss lauter. Insbesondere nachdem in Le Temps sechs weitere Frauen zu Wort gekommen waren, die detailliert sexuelle Belästigungen von Buttet beschrieben, und nachdem bekannt wurde, dass die Walliser Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Nötigung eingeleitet hatte. Ohne mit seiner Partei das Gespräch gesucht zu haben, zog Buttet wohl auch deshalb die Reissleine und gab am Sonntag, 18. Dezember 2017 seine Demission als Nationalrat bekannt. Er erklärte via Communiqué, im Interesse der CVP und seiner Familie zurückzutreten. Er wolle sein Umfeld schützen und die notwendige Ruhe für den Heilungsprozess von seiner Alkoholabhängigkeit schaffen. Für Buttet, der Gemeindepräsident von Collombey-Muraz (VS) blieb, rutschte Benjamin Roduit (cvp, VS) in den Nationalrat nach.

Eine rasche Reaktion auf die Debatten zeigten die beiden Ratspräsidien. Karin Keller-Sutter (fdp, SG) und Dominique de Buman (cvp, FR) fassten eine «Lex Buttet» (Blick) ins Auge. Sexuelle Belästigung müsse verurteilt werden und gegen sie sei «mit aller Entschiedenheit» vorzugehen, so die Ständeratspräsidentin und der Nationalratspräsident in einem gemeinsamen Communiqué. Mitte Dezember legte die Verwaltungsdelegation in Absprache mit den Rats- und den Fraktionspräsidien dann ein Dokument vor, in dem den Parlamentsmitgliedern geraten wurde, sich bei sexueller Belästigung künftig an die Fraktionsspitzen oder eine externe Beratungsstelle zu wenden. Das Dokument hielt zudem den Unterschied zwischen einem Flirt und sexueller Belästigung fest, wie er auch im Ratgeber für Arbeitnehmende des Bundes vermerkt ist: Ein Flirt sei «aufbauend», «von beiden Seiten erwünscht» und löse «Freude aus», während sexuelle Belästigung «erniedrigend», «von einer Person nicht erwünscht» sei und «Ärger» auslöse. Mit diesem Dokument drifte die Debatte ins Lächerliche ab, bedauerte Natalie Rickli, als «fausse bonne idée» bezeichnete Doris Fiala (fdp, ZH) das Unterfangen laut Tages-Anzeiger. Leider mache man nur noch Witze, wenn man «wie Schulbuben» behandelt werde, obwohl es bei Stalking und sexuellen Belästigungen um wichtige Themen ginge. Géraldine Savary (sp, VD) befand es hingegen für nützlich, in Erinnerung zu rufen, «was normal sein sollte, es aber offenbar nicht für alle ist». Es sei gut darüber zu reden, weil das vor allem den Frauen helfe, sich bewusst zu werden, dass man Grenzen setzen dürfe und müsse, gab sie dem Tages-Anzeiger zu Protokoll.

Einige Medien reflektierten ihre eigene Rolle in der Affäre: Buttets Karriere ende, bevor erwiesen sei, ob und was er sich zuschulden habe kommen lassen – so etwa die Basler Zeitung. Die Unschuldsvermutung habe keinen Wert mehr und in den letzten drei Wochen habe eine «veritable Hetzjagd» mit zahlreichen anonymen Beschuldigungen stattgefunden. Nur eine Frau habe aber genug Rückgrat gehabt, Buttet anzuzeigen, seine ehemalige Geliebte. Die «tolérance zéro» sei zur Norm im Parlament geworden, urteilte die Tribune de Genève und stellte einen Vergleich mit dem Rücktritt von Jonas Fricker (gp, AG), dem Wirbel um ein aussereheliches Kind von Christophe Darbellay (VS, cvp) und der Affäre um Geri Müller (gp, AG) her. Jemand mache einen Fehler, es komme zu einem Mediengewitter und zu grossem politischen Druck, dem nur noch durch einen Rücktritt begegnet werden könne. Man müsse sich fragen, ob die immer schneller agierenden Medien Meinungen abbildeten oder selber formten. Sie hätten auf jeden Fall die Macht, zu definieren, was moralisch vertretbar sei. Die Vermischung von privatem und öffentlichem Leben nehme zu. Man müsse freilich unterscheiden zwischen moralischen und strafrechtlichen Verfehlungen – so die Tribune de Genève.

Mitte August 2018 wurde bekannt, dass Buttet wegen Nötigung und unrechtmässiger Aneignung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Er selber bezeichnete die damals publik gewordene Verhaftung laut der NZZ als Resultat einer politischen Verschwörung. Er überlege sich, im Herbst 2019 für den Ständerat zu kandidieren.

Affäre Buttet

Le Conseil national a adopté un postulat Graf (pe, BL) chargeant le Conseil fédéral de soumettre un rapport relatif à la condition des femmes dans l’agriculture. La postulante demande ainsi d’établir des données statistiques spécifiques concernant notamment le nombre d’exploitations gérées par des femmes, la part du revenu imposable des familles issue des activités agricoles des femmes, la manière de comptabiliser le travail non rémunéré des femmes dans les exploitations et la proportion de propriétaires foncières. Elle considère effectivement que le travail des femmes dans le monde agricole n’est pas reconnu et que les paysannes sont socialement, économiquement et juridiquement désavantagées. La thématique relative à la condition de la femme est abordée dans la partie I, 7d (Frauen und Gleichstellungspolitik).

condition des femmes dans l’agriculture