Die beiden Urteile des Versicherungsgerichtes zeugen von einer Tendenz, die auch in anderen Bereichen zu beobachten ist. Art. 4 Abs. 2 BV wird dabei formal ausgelegt und führt dazu, männliche Rechtsansprüche zu untermauern und bestehende weibliche Privilegien in Frage zu stellen. Immer wieder wird – vor allem von männlicher Seite – zu argumentieren versucht, der Anspruch auf gleiche Rechte sei mit der Erfüllung gleicher Pflichten abzugelten. So folgte im Kanton St. Gallen das Parlament gegen den heftigen Widerstand von SP, LdU und GP einem Antrag der Regierung auf Einführung der Feuerwehrpflicht für Frauen. Ähnliche Bestrebungen sind in den Kantonen Bern, Baselstadt und Waadt im Gang, während das Ansinnen 1989 im Kanton Zürich in einer Volksabstimmung deutlich abgelehnt wurde. Eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen, etikettiert als Bürgerpflicht, schlug auch die Schweizerische Offiziersgesellschaft vor.
Frauenpolitisch engagierte Frauen und Männer weisen solche Forderungen vehement zurück, weil es ihrer Überzeugung nach nicht angeht, auf gleiche Pflichten zu pochen, solange die rechtliche und faktische Diskriminierung der Frauen in wesentlichen Bereichen anhält. Um den Blick auf die Gleichstellungsproblematik zu schärfen, möchten sie, dass der Bundesrat regelmässig über den Stand der Frauenförderung berichtet. Ein Postulat Longet (sp, GE) (Po. 89.745), welches den Bundesrat ersucht, den Räten mindestens einmal pro Legislaturperiode darzulegen, wieweit Art. 4 Abs. 2 BV auf Bundesebene, in den Kantonen und in der Wirtschaft verwirklicht ist, wurde diskussionslos überwiesen; noch 1987 war ein gleichlautender Antrag abgelehnt worden. Alle Nationalrätinnen unterzeichneten ein überwiesenes Postulat ihrer Luzerner CVP-Kollegin Stamm (Po. 90.662), mit dem der Bundesrat aufgefordert wird, inskünftig seinen Geschäftsbericht so abzufassen, dass die Förderung der Frauenanliegen und der Frauenpräsenz in der Regietangs- und Verwaltungstätigkeit ersichtlich wird. Ebenfalls überwiesen wurde ein Postulat Leutenegger Oberholzer (gp, BL) (Po. 90.405), das den Bundesrat einlädt, in allen Botschaften und Berichten die Auswirkungen der Vorlage in Bezug auf die Gleichstellung in einem gesonderten Abschnitt darzulegen.

Postulate bezüglich der Frauenförderung in 1990