Am 26. September kamen zwei der vom Parlament im Vorjahr verabschiedeten Einbürgerungsvorlagen in die Volksabstimmung. Die eine strebte eine Vereinheitlichung und Lockerung der Vorschriften über die erleichterte Einbürgerung von in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern an. Hier ging es primär darum, die von einigen Kantonen (GE, VD, FR, NE, JU, BE, BS und ZH) nach der Ablehnung einer ähnlichen Vorlage im Jahre 1994 eingeführten Lockerungen (Gebührenreduktion, kürzere Wohnfristen) zu vereinheitlichen und auf die ganze Schweiz auszudehnen. Die zweite Vorlage postulierte die automatische Einbürgerung von Kindern der dritten Generation. Gemeint waren damit Kinder, deren Eltern die schweizerische Staatsbürgerschaft nicht haben, von denen aber mindestens ein Elternteil in der Schweiz zur Schule gegangen ist und seit minimal fünf Jahren über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügt.

Wie nicht anders zu erwarten war, kam es zu einer von den Gegnern dominierten heftigen und emotionalen Kampagne. Dabei waren die Befürworter insofern im Hintertreffen, als der Einsatz und die Werbung nicht nur der FDP, der CVP und der Unternehmerverbände, sondern auch der Linken und der Gewerkschaften sehr zurückhaltend waren. Erst kurz vor der Abstimmung, als klar wurde, dass die in frühen Meinungsumfragen prognostizierte Zustimmung kaum eintreten würde, riefen die Parteivorsitzenden der FDP, der CVP, der SP und der GP in einem gemeinsamen Inserat zu einem Ja auf. Von der Wirtschaft beteiligte sich nur der Arbeitgeberverband, nicht aber Economiesuisse an der Kampagne. Der zuständige Departementsvorsteher Blocher, welcher als Nationalrat gegen die Neuerungen votiert hatte, beschränkte sich darauf, über die Zustimmung des Bundesrats zu informieren sowie die Vor- und Nachteile der neuen Verfassungsbestimmungen darzulegen. Immerhin setzten sich praktisch sämtliche gedruckten Medien in ihrem redaktionellen Teil für die Bürgerrechtsvorlagen ein.

Auf der anderen Seite malten die SVP, die SD und diverse gegnerische Komitees die Gefahr einer „Masseneinbürgerung“ von nicht assimilierten Einwanderern aus fremden Kulturen an die Wand. Ihre Plakate und Inserate weckten den Eindruck, dass kriminelle Ausländer problemlos zu einem Schweizerpass kommen würden und brachten die gehäuft auftretenden Geschwindigkeitsexzesse von jugendlichen Autofahrern aus dem ehemaligen Jugoslawien in einen Zusammenhang mit den Abstimmungsvorlagen. Die Walliser Jungsektion der SVP ging sogar soweit, auf Plakaten zu suggerieren, dass mit der neuen Regelung auch der islamistische Terrorist Bin Laden das Schweizer Bürgerrecht erhalten würde. Ein weiteres Argument der SVP und der SD war, dass es dem Bundesrat und den anderen Parteien nur darum gehe, mittels Masseneinbürgerungen die Ausländerstatistik zu manipulieren und damit ihren Kampf für eine restriktive Einwanderungspolitik zu behindern.

Bei einer hohen Stimmbeteiligung von fast 54% lehnten Volk und Stände am 26. September beide Einbürgerungsvorlagen ab: die erleichterte Einbürgerung von in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern mit 1'106'529 zu 1'452'453 Stimmen (56,8% Nein), die automatische Einbürgerung von Kindern der dritten Generation etwas knapper mit 1'238'912 zu 1'322'587 Stimmen (51,6% Nein) . Zustimmung fand die erste Vorlage in den Kantonen Basel-Stadt, Freiburg, Waadt, Neuenburg, Genf und Jura, die zweite zusätzlich noch in Bern. Am grössten war die Opposition mit Nein-Stimmenanteilen zwischen 70 und 75% in kleinen Innerschweizer Kantonen (UR, SZ, OW, NW und GL) sowie in Appenzell-Innerrhoden und Thurgau. Der Gegensatz zwischen zustimmender Romandie und ablehnender Deutschschweiz wurde dadurch etwas gemildert, als neben Basel auch die meisten anderen grossen deutschsprachigen Städte (u.a. Bern, Biel, Luzern, Zürich) zugestimmt hatten. Auffallend waren am Ergebnis zwei Dinge: erstens, dass mit Ausnahme von Basel-Stadt alle Deutschschweizer Kantone, welche 1994 der erleichterten Einbürgerung für die zweite Generation noch zugestimmt hatten (ZH, BE, ZG, BL und GR), nun ebenfalls Nein-Mehrheiten aufwiesen; und zweitens, dass die Vorlage für die zweite Generation, welche auf Bundesebene eingeführt hätte, was für rund die Hälfte der Schweiz bereits seit rund zehn Jahren gilt, stärker abgelehnt wurde, als die grundlegende Neuerung der automatischen Bürgerrechtserteilung an die sogenannte dritte Generation. Die Vox-Analyse zeigte, dass das Abstimmungsverhalten zu einem guten Teil von der grundsätzlichen Einstellung zu Ausländern sowie von persönlichen positiven oder negativen Erfahrungen im Zusammenleben mit diesen geprägt gewesen war. Eine weitere Konfliktlinie bestand zwischen Links und Rechts: Die Linke hatte den beiden Vorlagen zugestimmt, während Personen, die sich als rechts stehend bezeichneten, mehrheitlich dagegen waren. Sympathisanten der SP stimmten zu mehr als 80% dafür, Sympathisanten der SVP lehnten zu über 90% ab; die Anhängerschaft der FDP und der CVP war je hälftig gespalten.


Abstimmung vom 26. September 2004

Bundesbeschluss über die erleichterte Einbürgerung (2. Generation)

Beteiligung: 53,8%
Ja: 1'106 529 (43,2%) / 5 1/2 Stände
Nein: 1'452'453 (56,8%) / 15 5/2 Stände

Parolen: Ja: SP, FDP (2*), CVP, GP, LP, EVP; SGB, Travail.Suisse, Arbeitgeberverband.
Nein: SVP, SD, EDU, Lega, FP.
keine Parole: Economiesuisse, SGV, SBV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesbeschluss über die automatische Einbürgerung (3. Generation)

Beteiligung: 53,8%
Ja: 1'238'912 (48,4%) / 6 1/2 Stände
Nein: 1'322'587 (51,6%) / 14 5/2 Stände

Parolen: Ja: SP, FDP (3*), CVP, GP, LP, EVP; SGB, Travail.Suisse, Arbeitgeberverband.
Nein: SVP, SD, EDU, Lega, FP.
keine Parole: Economiesuisse, SGV, SBV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Revision der Bürgerrechtsregelung für die «dritte Generation»
Dossier: Revision der Bürgerrechtsregelung