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Jahresrückblick 2019: Gesundheit, Sozialhilfe und Sport

2019 befasste sich das Parlament mit zahlreichen Geschäften zu Schweizer Gesundheitspolitik, Sport und Sozialhilfe. Besonders relevant waren bezüglich gesundheitspolitischer Themen die Diskussionen um das elektronische Patientendossier (EPD). Dieses soll 2020 in allen Regionen der Schweiz verfügbar sein, weshalb 2019 dazu einige Vorstösse behandelt wurden. So wurde ein Postulat Wehrli (fdp, VD; Po. 18.4328), welches Auskunft über die bereits ergriffenen und die noch zu ergreifenden Massnahmen verlangte, um die Umsetzung des EPD und dessen Nutzung zu fördern, vom Nationalrat angenommen. Ebenfalls Ja sagte die grosse Kammer zu einer Motion der SGK-NR (Mo. 19.3955). Diese hatte den Anschluss sämtlicher am Behandlungsprozess beteiligter Gesundheitsfachpersonen an das EPD zum Ziel und wird nun in einem nächsten Schritt im Stöckli behandelt. Mit dem im Juni 2019 verabschiedeten Bundesratsgeschäft zur «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im KVG» (BRG 15.083) sollen zudem die Qualität der erbrachten Leistungen im Gesundheitsbereich verbessert, die Patientensicherheit nachhaltig erhöht und die Steigerung der Kosten in der OKP abgeschwächt werden.

In Sachen Spitäler standen 2019 die Kosten im Gesundheitswesen im Mittelpunkt. Unter anderem intendierte Verena Herzog (svp, TG) mittels Motion, gemeinwirtschaftliche Leistungen dem öffentlichen Beschaffungsrecht zu unterstellen (Mo. 16.3842). Denn durch eine Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen und der damit verbundenen Transparenz könne man nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch an Effizienz gewinnen, erklärte die Motionärin. 2018 hatte der Nationalrat dieser Vorlage zugestimmt, der Ständerat gab ihr in der Herbstsession 2019 allerdings einen Korb. Mit einem Selbstkostenanteil, der beim Aufsuchen der Spitalnotfallstation (und beim ambulanten Praxisbesuch) entrichtet werden soll, wollten sowohl Thomas Weibel (glp, ZH; Pa.Iv. 17.480) als auch Thomas Burgherr (svp, AG; Pa.Iv. 17.452) der Kostenentwicklung entgegenwirken, die Eigenverantwortung der Patientenschaft stärken und den Spitalnotfall entlasten. Die grosse Kammer gab in der Wintersession 2019 der parlamentarischen Initiative Weibel, nicht aber der Initiative Burgherr Folge. Des Weiteren nahm das Stöckli als Zweitrat eine Motion der SGK-NR bezüglich Referenztarifen für ausserkantonale Behandlungen an (Mo. 18.3388). Damit wollte die Kommission sicherstellen, dass die Kantone für Behandlungen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner ausserhalb des Wohnkantons nicht weniger bezahlen würden als innerhalb. Bezüglich Ärzteschaft reichte Bea Heim (sp, SO; Mo. 18.3107) eine Motion zur Offenlegung der Honorare von Ärztinnen und Ärzten in einer leitenden Position ein. Transparenz sei notwendig, um falsche Anreize, unnötige Eingriffe und hohe Kosten für die OKP zu verhindern, so Heim. Die Motion wurde im März 2019 von der grossen Kammer gutgeheissen und an die kleine Kammer überwiesen.

Rund um das Pflegepersonal waren die Pflegeinitiative und der indirekte Gegenvorschlag ein wichtiges Thema. Gefordert wurden unter anderem die Sicherstellung von genügend diplomierten Pflegefachleuten und eine Kompetenzerweiterung im Bereich der direkten Abrechnung von Pflegeleistungen zu Lasten der OKP. In der Wintersession empfahl der Nationalrat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat die Ablehnung der Initiative und gab dem von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag mit einigen kleinen Änderungen Folge. Anders als seine Kommission wollte er beispielsweise nicht, dass eine Vereinbarung zwischen Pflegefachpersonen und Krankenkasse für die Abrechnung der Pflegenden über die OKP generell nötig ist.

Im Frühling 2019 verabschiedete das Parlament eine Änderung des Heilmittelgesetzes (BRG 18.081), die aufgrund zweier neuen EU-Verordnungen zur Erhöhung von Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten nötig geworden war, damit die Schweizer Patientenschaft weiterhin von allen europäischen Produkten profitieren kann und die Hersteller keinen Wettbewerbsnachteil erfahren. Qualität und Behandlungssicherheit waren ebenfalls Gegenstand eines Postulates Stahl (svp, ZH; Po. 19.3382), das den Bundesrat dazu aufforderte, die Bedingungen zur Ermöglichung eines Versandhandels nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel zu überprüfen. Weiter stimmte der Nationalrat in der Sommersession einer Motion Humbel (cvp, AG; Mo. 19.3005) zur Kostenvermeidung bei der Umteilung von den Medikamenten der Kategorie C in die Kategorie B zu und überwies sie an den Ständerat. Antibiotika und ihre Resistenz wurden 2019 mittels zweier Vorstösse thematisiert. Zum einen sprach sich der Nationalrat als Erstrat für eine Motion Graf (gp, BL; Mo. 19.3861) aus, die den Bundesrat damit beauftragte, seine One-Health-Strategie mit der Erforschung von Antibiotikaresistenzen zu ergänzen, um so eine Vorgehensweise zur Bekämpfung ihrer Ursachen ausarbeiten zu können. Zum anderen reichte Claude Béglé (cvp, VD, Po. 19.3860) ein Postulat zur «Förderung der Erforschung und der Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel» ein, welches allerdings im Rat nicht auf Anklang stiess. Im Herbst 2019 beschäftigte sich das Stöckli mit einer Motion Müller (fdp, LU; Mo. 19.3743), mit der die Eliminierung von Hepatitis in ein nationales Programm zu sexuell und durch Blut übertragbaren Infektionskrankheiten integriert werden soll.

Auch über Tabakwaren wurde 2019 angeregt diskutiert. So befasste sich der Ständerat erneut mit dem Bundesgesetz über Tabakprodukte, nachdem 2016 ein erster Entwurf an den Bundesrat zurückgewiesen worden war. Das Gesetz soll in erster Linie dazu dienen, Teenager, aber auch die Gesamtbevölkerung vor den negativen Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen. In den Medien war hingegen insbesondere das Thema «E-Zigaretten» zentral. Dieses fand auch seinen Weg ins Parlament; im Ständerat wurde über eine tiefere Besteuerung von elektronischen Zigaretten diskutiert (Mo. 19.3958 der SGK-SR). Vor dem Hintergrund der 2017 eingereichten Motionsserie zu wissenschaftlichen Pilotversuchen mit Cannabis trat der Nationalrat im Dezember 2019 auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ein (BRG 19.021). Neben E-Zigaretten berichteten die Medien auch ausführlich über die umstrittene Auswahl des Tabakkonzerns Philip Morris als Hauptsponsor des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung 2020 in Dubai. Nachdem der Schweiz für diesen Entscheid viel Unverständnis entgegengebracht worden war und sich gar die WHO zu Wort gemeldet hatte, erklärte Aussenminister Ignazio Cassis Ende Juli, dass man die Partnerschaft nicht weiterführen werde.

Trotz grosser Aufmerksamkeit in den Medien – dieses Thema ist mitverantwotlich für den Peak des Gesundheitsthemas im Juli 2019 – kaum Eingang ins Parlament fand dieses Jahr die Frage der Sterbehilfe. Aufgegriffen wurde von den Zeitungen vor allem der Gerichtsprozess rund um Erika Preisig und den assistierten Suizid bei psychisch kranken Personen.

Die mediale Berichterstattung zu sportlichen Themen war im Juni 2019 besonders intensiv. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Monat nicht nur das Eidgenössische Turnfest in Aarau stattfand, sondern auch ein Formel-E-Rennen in Bern ausgetragen wurde, das bei der Bevölkerung auf Widerstand stiess und anlässlich dem eine Velo-Demonstration durchgeführt wurde. Zudem wurde die durch die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen ausgelöste Diskussion um die Gleichstellung der Geschlechter in dieser Sportart ebenfalls von den Schweizer Medien aufgenommen.
Im Parlament wurden bezüglich Sport zwei Vorlagen zu Sportzentren respektive zu der Finanzierung ihres Betriebs diskutiert. So nahmen beide Räte eine Motion Engler (cvp, GR, Mo. 18.4150) an, welche beabsichtigte, dem Bund eine Mitfinanzierungsrolle beim Trainings- und Wettkampfbetrieb auf Sportanlagen nationaler Bedeutung zukommen zu lassen. Im Dezember 2019 sagte die kleine Kammer Ja zu einem weiteren Postulat Engler (Po. 19.4044), das einen Bericht zur Realisierung von drei bis vier Wintersportzentren anstelle eines nationalen Schneesportzentrums forderte. Silva Semadeni (sp, GR), die in Vergangenheit eine referendumsfähige Gesetzesgrundlage zur Bundesmilliarde für Sion 2026 schaffen wollte, reichte 2018 eine parlamentarische Initiative ein, um die Unterstützung Olympischer Spiele im Allgemeinen einem fakultativen Referendum zu unterstellen (Pa.Iv. 18.445). In einem ersten Schritt gab die WBK-NR diesem Geschäft im Juni 2019 Folge. Im Gebiet der Dopingpolitik überwies der Nationalrat eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 19.3667) an den Ständerat, die die Prüfung der Errichtung einer Koordinationsstelle für Dopingfragen beim Fedpol zum Gegenstand hatte.

Im Bereich Sozialhilfe interessierten sich die Medien insbesondere für die Höhe der Sozialhilfebeiträge, über die in verschiedenen Kantonen diskutiert wurde. Als erster Kanton stimmte Bern im Mai in einer Volksabstimmung über entsprechende Kürzungen ab. Hätte sich das Stimmvolk für die Revision des Sozialhilfegesetzes ausgesprochen, so hätte der neue Grundbetrag die Empfehlung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) deutlich unterschritten. Von Bedeutung war dieser Entscheid auch für die anderen Kantone, da man sich vor einem «Domino-Effekt» und «Sozialhilfe-Tourismus» fürchtete. Gemäss Einschätzungen des Tagesanzeigers von Anfang Oktober verlor die Forderung nach dem Nein in Bern in anderen Kantonen und Städten an Unterstützung.

Jahresrückblick 2019: Gesundheit, Sozialhilfe und Sport
Dossier: Jahresrückblick 2019

Mittels Motion forderte Maya Graf (gp, BL) den Bundesrat auf, die systemische Erforschung der Antibiotikaresistenzverbreitung bei Mensch, Tier und in der Umwelt in seiner One-Health-Strategie zu optimieren und anhand der gesammelten Erkenntnisse eine Ursachenbekämpfungsstrategie zu erstellen. Bei der zunehmenden Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen handle es sich um «eine der grössten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte», schreibt Graf in der eingereichten Begründung. Die Schweiz gehe die Problematik zwar bereits sektorübergreifend und mit dem nationalen Forschungsprogramm «Antimikrobielle Resistenz» (NFP 72) und der nationalen Strategie Antibiotikaresistenz (Star) an, eine systemische Netzwerkanalyse zu den grossen Stoffflüssen und der damit verbundenen Zirkulation von antibiotikaresistenten Bakterien im System Mensch-Tier-Umwelt sei jedoch unerlässlich, um die Entwicklung von Resistenzen zu verstehen. Im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen würde es One-Health ermöglichen, eine systemische Untersuchung auf der Grundlage einer engeren Zusammenarbeit zwischen Human- und Veterinärmedizin in Gang zu setzen und dadurch die Krankheitsfälle bei Mensch und Tier zu verringern, die Wirksamkeit von Investitionen zu verbessern und zu einem besseren Schutz der Umwelt beizutragen. In seiner Stellungnahme äusserte sich der Bundesrat positiv gegenüber der Motion Graf. Er sei der Ansicht, dass dem One-Health-Ansatz für die Ursachenbekämpfung von Antibiotikaresistenzen eine grosse Relevanz zukomme. Einer der Hauptgründe für die Zunahme der Antibiotikaresistenzen sei der nicht sachgerechte Antibiotikaeinsatz. Momentan seien verschiedene Projekte am Laufen. Um den One-Health-Ansatz bezüglich ursachengerechter Resistenzbekämpfung zu verbessern, würden die Ergebnisse des NFP 72 und einer für Mitte 2021 geplanten Zwischenevaluation von Star in den Bereichen Mensch, Tier und Umwelt herangezogen und erforderliche Anpassungen in Star vorgenommen. Stillschweigend und diskussionslos nahm der Nationalrat die Motion in der Herbstsession 2019 an.

One Health Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen (Mo. 19.3861)

In der Herbstsession 2019 widmete sich der Nationalrat als Erstrat der Revision des Bundesgesetzes über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung. Die Eintretensdebatte wurde von den beiden Kommissionssprechern Christian Lohr (cvp, TG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) eröffnet. Zur Verbesserung der Situation von pflegenden Angehörigen seien vier zentrale Massnahmen vorgesehen: Eine Neuregelung der kurzzeitigen Arbeitsabwesenheit zur Betreuung von Angehörigen, ein Betreuungsurlaub von 14 Wochen für Eltern schwer beeinträchtigter Kinder, die Gewährleistung des Anspruchs der Hilflosenentschädigung der IV von Kindern während eines Spitalaufenthaltes und schliesslich die Ausweitung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften der AHV auf weitere pflegende Personenkreise. In ihren Anträgen habe die SGK-NR versucht, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der pflegenden Angehörigen und dem finanzpolitisch Machbaren zu finden, und sich stark an den Vorschlägen des Bundesrats orientiert, so die beiden Kommissionssprechenden.
Eine Minderheit Herzog (svp, TG) erachtete den Handlungsbedarf bezüglich der Angehörigenpflege als nicht gegeben und beantragte daher Nichteintreten. Wie Verena Herzog im Ratsplenum für die Minderheit und zugleich für die SVP-Fraktion argumentierte, solle die vorliegende Problematik auf betrieblicher Ebene mit freiwilligen, individuellen Lösungen angegangen werden, da diese zumal häufig grosszügiger ausfallen würden. Bereits heute bestehe zudem eine Pflicht für die Arbeitgebenden, Eltern und Partnerinnen und Partnern von betroffenen Eltern bei entsprechender ausgewiesener Notwendigkeit bis drei Tage frei zu geben. Mit der neuen Regelung sei aber unklar, welche Personen zusätzlich ebenfalls davon profitieren könnten. Diese Regelung bringe stattdessen hohe direkte und indirekte Kosten für die Unternehmen mit sich und stelle eine Gefahr für einvernehmliche Lösungen dar. Mit dieser Einschätzung stand die Fraktion allerdings weitgehend alleine da: Es sei wichtig, dass man die Situation von pflegenden Angehörigen erleichtere und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung bzw. -pflege verbessere, weshalb auf die Vorlage einzutreten sei, lautete der generelle Tenor der Rednerinnen und Redner aller übrigen Fraktionen. Mit 128 zu 45 Stimmen bei 14 Enthaltungen trat der Nationalrat denn auch auf die Vorlage ein, wobei eine Mehrheit der SVP-Fraktion aber auch eine Minderheit der FDP-Fraktion gegen Eintreten stimmten; die Enthaltungen stammten fast vollständig aus der SVP-Fraktion.

In der Folge startete die grosse Kammer die Detailberatung, wobei zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen, von denen jedoch keiner erfolgreich war. Umstritten waren etwa die kurzfristigen Absenzen. Die bundesrätliche Botschaft sah hier einen Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von maximal drei Tagen pro Ereignis und zehn Tagen jährlich für jene Zeit vor, welche «zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist». Einer Minderheit Nantermod ging die Formulierung «eines Familienmitglieds» zu weit, da damit auch entfernte Verwandte gemeint sein könnten, wie Regine Sauter (fdp, ZH) als Minderheitensprecherin ausführte. Stattdessen sollten nur Familienmitglieder in direkter Linie nach oben und unten Anspruch auf entsprechenden Urlaub erhalten. Ausserhalb der SVP- und FDP-Fraktion stiess dieser Antrag jedoch nicht auf Zustimmung und wurde mit dem Argument, dass damit den modernen Familienkonstellationen keine Rechnung getragen würde, abgelehnt. Mit einem Appell an die Eigenverantwortung in der Aufteilung der Urlaubstage beantragte eine Minderheit Bertschy (glp, BE) den Verzicht auf die Einschränkung von drei Tagen pro Ereignis, während sie die jährliche Obergrenze beibehalten wollte. Auch dieser Antrag fand ausserhalb der SP-, Grünen und GLP-Fraktionen nur wenig Zuspruch und wurde abgelehnt. Weiter lehnte der Nationalrat einen kompletten Verzicht auf die jährliche Bezugsgrenze von zehn Tagen (Minderheit Schenker: sp, BS) und die Kürzung der jährlichen Limite auf sechs Tage pro Jahr (Minderheit Herzog) ab.

Auch die bezahlte Betreuungszeit von 14 Wochen zur Pflege von schwerkranken oder verunfallten Kindern führte zu Diskussionen. Eine Minderheit Graf Maya (gp, BL) störte sich daran, dass die Betreuungszeit nur für schwer beeinträchtigte Kinder gelten soll und nicht auch für andere Familienmitglieder und forderte deshalb eine entsprechende Ausweitung. Schliesslich müssten in solchen Situation nicht nur Kinder betreut werden, sondern auch erwachsene Angehörige. Einen Betreuungsurlaub von je 14 Wochen pro Elternteil (statt je 7 Wochen) und somit eine Verdoppelung der Dauer des Betreuungsurlaubs, um dem hohen zeitlichen Aufwand der Pflege gerecht zu werden, forderte eine Minderheit Schenker. Eine Minderheit Heim (sp, SO) verlangte schliesslich die Klarstellung, dass ein Rückfall als neuer Krankheitsfall gehandhabt werden müsse und nicht dem vorangehenden zugerechnet werden dürfe. Auch diese Minderheitsanträge fanden im Ratsplenum keine Mehrheiten.

Im Rahmen der Ausweitung der AHV-Hilflosenentschädigung auf weitere Personen gestanden Bundesrat und Kommission Verwandten in auf- oder absteigender Linie sowie Geschwistern, Ehegatten, Schwiegereltern, Stiefkinder und Lebenspartnerinnen und -partnern einen Anspruch zu. Letztere mussten jedoch seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen mit den Versicherten einen gemeinsamen Haushalt geführt haben – wogegen sich eine Minderheit Bertschy wehrte. Diese Frist von fünf Jahren zur Anerkennung des Konkubinats sei nicht mehr zeitgemäss, da viele Paare sich schon vor einem gemeinsamen Haushalt gegenseitig unterstützten und spätestens nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes, wie die Minderheitensprecherin argumentierte. Sie forderte daher die Anerkennung des Konkubinats bereits ab zwei Jahren oder bei einem gemeinsamen Kind. Eine Minderheit Nantermod forderte hingegen die Streichung des gesamten Artikels und somit den Verzicht auf diese Ausweitung des Anspruchs. Beide Minderheitsanträge wurden in der Folge vom Ratsplenum abgelehnt.
Die einzige Änderung am bundesrätlichen Entwurf, welche das Ratsplenum guthiess, war eine von der SGK-NR beantragte Ergänzung der Voraussetzungen für Minderjährige zum Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Gemäss Bundesrat sollten minderjährige Personen nur an denjenigen Tagen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung erhalten, an welchen sie sich nicht in einem Heim aufhalten. Die SGK-NR wollte hingegen auch minderjährigen Personen in einer Heilanstalt Anspruch gewähren, sofern eine regelmässige Anwesenheit der Eltern sowohl notwendig als auch tatsächlich erfolgt ist.

Mit 129 zu 48 Stimmen bei 7 Enthaltungen nahm der Nationalrat den Entwurf in der Gesamtabstimmung an und schrieb zugleich stillschweigend die Postulate der SGK-NR (Po. 13.3366) und von Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO; Po. 16.3868) ab.

Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung (BRG 19.027)

Die kleine Kammer nahm eine Motion Graf (gp, BL) an, welche forderte, dass die Erkenntnisse aus dem Nationalen Forschungsprojekt „Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme“ umgesetzt werden, indem die empfohlenen Massnahmen geprüft und die notwendigen Anpassungen in Gesetzen und Verordnungen übernommen werden. Ziel der Motion war es, Menschen, Tiere und Ökosysteme gemäss dem Vorsorgeprinzip vor Gefahren von hormonaktiven Stoffen zu schützen. Sowohl die Kommission des Ständerates als auch der Bundesrat hatten die Motion zur Annahme empfohlen.

Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme

Als erster behandelte der Nationalrat in der Wintersession den Vorschlag des Bundesrates zu einem Transplantationsgesetz, welches unter anderem den Bundesbeschluss von 1999 über Blut, Blutprodukte und Transplantate in ordentliches Recht überführt. Das Gesetz regelt den Umgang mit Organen, Geweben und Zellen menschlichen und tierischen Ursprungs und verbietet deren Handel. Voraussetzung für die Organspende ist die Zustimmung des Spenders oder, wenn dieser vor seinem Tod keinen Willen geäussert hat, jene seiner nächsten Angehörigen (erweiterte Zustimmungslösung). Der Rat trat oppositionslos auf die Vorlage ein. In der Detailberatung gab vor allem das von den Grünen beantragte Verbot der Xenotransplantation zu reden, resp. der Antrag der SP auf ein zehnjähriges Moratorium für die (einer Bewilligungspflicht unterstellten) Übertragung tierischer Organe, Gewebe und Zellen auf den Menschen. Der Antrag Graf (gp, BL) wurde mit 108 zu 25 Stimmen klar abgelehnt, die Moratoriumsanträge der SP im Verhältnis 3:2. Unbestritten war die von der Kommission vorgenommene Verschärfung bei den Bestimmungen für die Lebendspende bei urteilsunfähigen Personen, ebenso die eingefügte Sicherstellung eines obligatorischen Versicherungsschutzes des Spenders. Lebhaft diskutiert wurde hingegen die bei der Organentnahme bei Verstorbenen wichtige Frage des Todeskriteriums. Eine Mehrheit folgte dem Bundesrat und definierte erstmals in einem Schweizer Gesetz den Tod. Demnach gilt ein Mensch als „tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind“. Ebenfalls nicht unumstritten war der Antrag der Kommission, dass bei gleicher medizinischer Dringlichkeit Patientinnen und Patienten mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Organzuteilung Vorrang vor im Ausland ansässigen Personen haben sollen. Trotz Opposition von Linken und Grünen wurde diese Bestimmung mit 80 zu 69 Stimmen angenommen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz mit 133 zu 5 Stimmen gutgeheissen.

Transplantationsgesetz (BRG 01.057)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen