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Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand aus mindestens vier Gründen 2019 im Fokus der politischen Debatte. Zuerst gab die Departementsverteilung im Nachgang der Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2018, bei denen Doris Leuthard (cvp) und Johann Schneider-Ammann (fdp) durch Viola Amherd (cvp) und Karin Keller-Sutter (fdp) ersetzt worden waren, zu reden (vgl. auch den entsprechenden Peak bei der Medienberichterstattung). Nicht nur, dass mit Viola Amherd zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz eine Frau das VBS übernahm, sondern auch der Wechsel von Guy Parmelin ins WBF und von Simonetta Sommaruga ins UVEK wurden in den Medien diskutiert. Kommentiert wurde dabei insbesondere, dass die Verteilung offenbar erst nach einem Mehrheitsbeschluss innerhalb des Gremiums zustande gekommen war, was als schlechter Start und Herausforderung für die künftige Konkordanz interpretiert wurde. Mit der Wahl von zwei Frauen in die Landesregierung wurde der Debatte um die verfassungsmässige Festschreibung einer Frauenquote im Bundesrat der Wind aus den Segeln genommen. Ein entsprechender Vorstoss, der vom Ständerat noch angenommen worden war, wurde vom Nationalrat versenkt. Auch die Idee einer Karenzfrist, also das Verbot für ehemalige Magistratspersonen, Mandate von Unternehmen anzunehmen, die in Beziehung zu ihrem Regierungsamt stehen, wurde – wie schon 2015abgelehnt. Die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat Ende Jahr lösten eine breite und medial stark begleitete Debatte um Zauberformel, Konkordanz, Systemstabilität und die Ansprüche der bei den Wahlen 2019 sehr erfolgreichen Grünen Partei auf einen Bundesratssitz aus. Die Mehrheit des Parlaments entschied sich, Regula Rytz, die Sprengkandidatin der Grünen, nicht anstelle von Ignazio Cassis in die Exekutive zu wählen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament war im Berichtjahr Gegenstand parlamentarischer Arbeit. Beraten wurde dabei insbesondere die Idee eines Verordnungsvetos. Die auf eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG; Pa.Iv. 14.422) zurückgehende, 2014 eingereichte Idee sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates gegen die Veröffentlichung einer bundesrätlichen Verordnung ein Veto einlegen kann, wenn die Stossrichtung der Verordnung nicht dem Willen des Parlaments entspricht. Während sich eine Mehrheit des Nationalrats davon eine präventive Wirkung erhoffte, lehnte die Mehrheit des Ständerats die Vorlage als zu kompliziert ab. Ein weiteres Mal abgelehnt wurde – ebenfalls nach längeren Diskussionen – die Idee einer Neuorganisation der Legislaturplanung. Das Parlament debattiert in schöner Regelmässigkeit seit der 2002 eingeführten Änderung, ob die Diskussionen um die zahlreichen Änderungsanträge an der Legislaturplanung zielführend seien. Der Antrag, die Planung wie vor 2002 einfach zur Kenntnis nehmen zu können und eben nicht als Bundesbeschluss behandeln zu müssen, stiess aber im Parlament erneut auf taube Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Diskussion nach den eidgenössischen Wahlen 2019 erneut losgehen wird.

Im Nationalrat wurde 2019 die Frage erörtert, wie politisch die Verwaltung sei. Während eine Motion Bigler (fdp, ZH; Mo. 17.4127), die eine Offenlegung der Interessenbindungen von Kaderangestellten verlangt, von der grossen Kammer angenommen wurde, lehnte diese ein Postulat Burgherr (svp, AG; Po. 17.3423) ab, mit dem hätte untersucht werden sollen, wann und wie die Verwaltung effektiv politischen Einfluss ausübt. Dauerbrenner im Parlament waren auch 2019 Sparmassnahmen bei den Personalkosten in der Verwaltung. Diese sollten, wäre es nach dem Nationalrat gegangen, mit Hilfe von Digitalisierung oder durch einen Ausgabenstopp in den Griff bekommen werden – der Ständerat verweigerte aber jeweils seinen Segen dazu.

Im letzten Jahr der 50. Legislatur kam es im Parlament noch zu fünf Mutationen. Insgesamt wurden in der 50. Legislatur 26 Nationalrats- und zwei Ständeratsmandate ersetzt; rund ein Drittel der Mutationen war durch die SP-Fraktion zu verantworten. Das Büro-NR will sich in einem Bericht auf ein Postulat Feri (sp, AG; Po. 18.4252) der Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf annehmen, einem Thema, das in den letzten Jahren immer virulenter zu werden scheint, wie verschiedene Vorstösse zeigen. Nicht einig wurde man sich in den Räten über verschiedene Spesenregelungen. Die SPK-NR entschloss sich deshalb, mit einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 19.431) wenigstens die Übernachtungsentschädigungen einheitlicher zu organisieren. Diskutiert wurde im Parlament auch 2019 wieder über Regeln für transparenteres Lobbying. Die seit Langem schwelende Debatte, die spätestens 2015 mit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» viel Fahrt aufgenommen hatte, wurde allerdings stark abgebremst: Fast wäre auch der letzte, ziemlich zahnlose Vorstoss in diese Richtung versandet, wenn nicht der nach den eidgenössischen neu zusammengesetzte Nationalrat den Nichteintretensentscheid auf einen Vorschlag der SPK-SR sozusagen in letzter Minute zurückgenommen hätte.

Etwas stärker in den Fokus als auch schon geriet 2019 die Judikative, was sich auch in der Medienkonjunktur zu diesem Thema zwischen März und September 2019 beobachten lässt. Dies hatte einerseits damit zu tun, dass im Nationalrat über die Revision des ziemlich umstrittenen Bundesgerichtsgesetzes debattiert wurde – insbesondere die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird wohl auch 2020 noch zu reden geben, auch wenn der Ständerat kurz vor Ende Jahr beschloss, nicht auf die Vorlage einzutreten. Andererseits standen einige Ersatzwahlen an, die jedoch in aller Regel geräuschlos über die Bühne gehen. Beinahe wäre jedoch eine Ersatzwahl ans Bundesgericht zur Ausnahme dieser Regel geworden, da die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte, was beinahe zu einer noch nie vorgekommenen Kampfwahl geführt hätte. Dafür, dass das Gerichtswesen auch in Zukunft im Gespräch bleibt, wird wohl auch die 2019 zustande gekommene Justizinitiative sorgen, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, um eben diese starke, dem Proporzgedanken geschuldete Verbindung zwischen Judikative und Parteien zu verhindern. Viel zu schreiben gab zudem die Bundesanwaltschaft. Nach langen und stark medial begleiteten Diskussionen zu einer Disziplinaruntersuchung um den amtierenden Bundesanwalts Michael Lauber wurde dieser erst nach einer Verschiebung der Wahl von der Sommer- in die Herbstsession und äusserst knapp für eine dritte Amtsperiode bestätigt.

Im Wahljahr 2019 trat die Nutzung der direkten Demokratie ein wenig in den Hintergrund. An zwei Abstimmungswochenenden wurde lediglich über drei Vorlagen abgestimmt. Dabei folgte die Mehrheit der Stimmbevölkerung sowohl bei den beiden Referenden (STAF und Waffenschutzrichtlinie) als auch bei der Zersiedelungsinitiative der Empfehlung von Parlament und Bundesrat. Die Ablehnung der Zersiedelungsinitiative bedeutet zudem, dass in der 50. Legislatur kein einziges Volksbegehren Erfolg hatte. Die wahlbedingte Abstimmungspause wird wohl in den folgenden Jahren zu einigen Abstimmungswochenenden mit mehreren Vorlagen führen, sind doch Ende 2019 ganze 16 Volksinitiativen im Unterschriftenstadium und 19 abstimmungsreif oder beim Bundesrat oder im Parlament in Beratung. Dafür, dass in Zukunft die direkte Demokratie umfassender genutzt werden könnte, sorgte das Parlament zudem mit seiner Entscheidung zur Kündigung von Staatsverträgen, die zukünftig nicht mehr dem Bundesrat, sondern der Legislative und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung obliegt. Eines der anstehenden Volksbegehren ist die Transparenzinitiative, für die die SPK-SR 2019 einen indirekten Gegenentwurf in die Vernehmlassung gab, mit dem die Offenlegung der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen im Gesetz geregelt werden soll und der in der Wintersession vom Ständerat mit Anpassungen gutgeheissen wurde.

Einen herben Dämpfer erlitt 2019 die Idee des elektronischen Wählens und Abstimmens. Nachdem der Kanton Genf bereits Ende 2018 sein E-Voting-System eingestellt hatte und das System der Post in einem öffentlich ausgeschriebenen Stresstest den Anforderungen nicht standgehalten hatte, bestanden keine brauchbaren technischen Angebote mehr für die effektive Durchführung von «Vote électronique». Daher entschied sich der Bundesrat, sein Ziel, E-Voting als ordentlichen Stimmkanal einzuführen, vorläufig zu sistieren. Gegenwind erhielt der elektronische Stimmkanal zudem von einer Anfang 2019 lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium. Immerhin entschied sich der Nationalrat für eine Motion Zanetti (svp, ZH; Mo. 19.3294) mit dem Ziel, die Abstimmungsunterlagen elektronisch zustellen zu können.

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2019

Im Auftrag der GPK-SR evaluierte die Parlamentarische Verwaltungskontrolle die Anwendungspraxis von DNA-Analysen in Strafverfahren sowie die Aufsichtsfunktion des Fedpol über die Koordinationsstelle, die die DNA-Datenbank betreibt, und über die DNA-Analyselabors. Während die PVK die Anwendung der DNA-Analyse schweizweit und unter Berücksichtigung der verschiedenen Deliktarten als zweckmässig und angemessen erachtete, stellte sie diesbezüglich unangemessene Unterschiede zwischen den Kantonen fest, die weder mit der Anzahl der in den Kantonen geführten Strafverfahren noch mit der kantonalen Kriminalitätsentwicklung erklärt werden konnten. Die Auslagerung des operativen Betriebs der DNA-Datenbank CODIS an eine externe Koordinationsstelle bezeichnete die PVK hingegen als zweckmässig und die Ansiedlung derselben am Institut für Rechtsmedizin (IRM) der Universität Zürich habe sich bewährt. Gleichzeitig kritisierte sie aber, dass das Fedpol den Auftrag an das IRM Zürich seit der Vergabe im Jahr 2000 nie mehr überprüft habe. Zu den Aufgaben der Koordinationsstelle gehöre zudem die formelle Interessenvertretung der DNA-Analyselabors gegenüber dem Fedpol; diese könne das IRM, da es selbst auch ein DNA-Analyselabor sei, jedoch nicht unabhängig wahrnehmen. Überdies hinterfragte die PVK die Zuteilung und insbesondere die Finanzierung weiterer, nicht formell vorgesehener Aufträge an die Koordinationsstelle, wie beispielsweise die Beratung des Fedpol in fachlichen Fragen. Als potenziell problematisch beurteilte die PVK schliesslich die Delegation der Aufsicht über die DNA-Analyselabors an die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS), die auch für die Akkreditierung der DNA-Labors zuständig ist. Weil die Begutachtung für die Akkreditierung im Sinne eines Peer-Review-Verfahrens unter Mitwirkung der anerkannten Labors erfolge, habe das Fedpol seine Kontrollfunktion damit zum Teil an die zu kontrollierenden Labors delegiert, womit die Aufsicht nicht unabhängig sei. In der Praxis hätten sich hier jedoch bis anhin keine konkreten Probleme gezeigt, relativierte die PVK.

Gestützt auf die Evaluation der PVK formulierte die GPK-SR in ihrem Bericht vom 27. August 2019 vier Empfehlungen für administrative Anpassungen an den Bundesrat. Erstens regte die GPK-SR an, dass der Bundesrat zusammen mit den Kantonen prüfe, wie die Anwendungspraxis in den Kantonen stärker harmonisiert und allenfalls dem Fedpol eine stärkere Steuerungsfunktion zuerkannt werden könnte. Die Rechtsgleichheit gebiete, dass es bei einem Grundrechtseingriff wie einer DNA-Probe nicht darauf ankommen dürfe, in welchem Kanton diese angeordnet werde. Zweitens forderte die GPK den Bundesrat auf, die Vergabe des Auftrags an die Koordinationsstelle periodisch zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu beurteilen oder auszuschreiben. Drittens müsse der Bundesrat dafür sorgen, dass die Unabhängigkeit der Koordinationsstelle sowie die unabhängige Interessenvertretung der DNA-Analyselabors gegenüber dem Bund jederzeit gewährleistet seien. Viertens forderte sie vom Bundesrat eine Prüfung, mit welchen Massnahmen die Unabhängigkeit der Aufsicht über die DNA-Analyselabors gestärkt werden könne sowie ob die SAS als Aufsichtsorgan geeignet ist.

DNA-Analysen in Strafverfahren: Administrative Anpassungen (Bericht der GPK-SR)

Mit der Annahme einer Motion der RK-NR im Herbst 2016 hatten die eidgenössischen Räte den Bundesrat beauftragt, einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern festzulegen. Infolgedessen analysierte das Bundesamt für Justiz in Zusammenarbeit mit der KKJPD die kantonalen Vollzugspraktiken und erarbeitete Vorschläge für verschiedene gesetzgeberische Massnahmen. Der entsprechende Bericht wurde im November 2018 am ersten Forum des Schweizerischen Kompetenzzentrums für den Justizvollzug (SKJV) in Freiburg vorgestellt. In vier Bereichen wurden uneinheitliche Systeme oder Funktionsweisen als möglicherweise problematisch erkannt: bei den Fachkommissionen zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit, beim Risikomanagement, beim Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten sowie beim Verfahren zur nachträglichen Anordnung oder Änderung einer Sanktion bzw. zur Verlängerung einer Massnahme. Der bedeutendste Neuerungsvorschlag sieht die Schaffung einer Aufsichtsmassnahme als Zwischenform zwischen einer therapeutischen und einer sichernden Massnahme – z.B. einer Verwahrung – vor, die nach Ende der Sanktion bei gefährlichen Straftätern mit erhöhtem Rückfallrisiko angeordnet werden könnte. Damit soll verhindert werden, dass gefährliche Straftäter am Ende der Sanktion ohne Vorbereitung, Betreuung oder Auflagen freigelassen werden, falls das Gericht einen Antrag auf nachträgliche Anordnung oder Änderung der Sanktion bzw. Verlängerung der Massnahme ablehnt.

Einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern (Mo. 16.3002)
Dossier: Straf- und Massnahmenvollzug bei gefährlichen Tätern
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Ein 2013 überwiesenes Postulat Fehr (sp, ZH) hatte vom Bundesrat gefordert, zu prüfen, wie das Opferhilfegesetz angepasst werden könnte, um den Opferschutz von Kindern zu stärken. Anstatt einen eigenen Bericht zu verfassen, verwies der Bundesrat auf eine Studie des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern, die Ende 2015 veröffentlicht worden war. Die Autoren der Studie kamen zum Schluss, dass kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe, dem Anliegen jedoch im Vollzug mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Der Bundesrat erachtete das Anliegen des Postulats damit als erfüllt und beantragte dessen Abschreibung. Der Nationalrat folgte diesem Antrag im Juni 2017 und schrieb den Vorstoss ab.

Stärkung der Kinder in der Opferhilfe (Po. 13.3881)

Im Frühling 2015 besuchte eine Delegation des Anti-Folter-Ausschusses verschiedene Einrichtungen des Freiheitsentzuges der Schweiz und führte Gespräche mit inhaftierten Personen. Im daraus hervorgegangenen Bericht zu den Schweizer Gefängnissen formulierte sie anschliessend verschiedene Empfehlungen, Beobachtungen und Fragen. Der Ausschuss kam zum Schluss, dass Gefangene in der Mehrheit der Einrichtungen korrekt behandelt und unter sehr guten Haftbedingungen leben würden. Gegenüber der Haftanstalt Champ-Dollon (GE) wurde die Kritik geäussert, dass diese seit der letzten Evaluation weiterhin stark überbelegt sei. Laut Aargauer Zeitung sei dies insbesondere deshalb problematisch, da Forschende kurz zuvor erstmals einen Zusammenhang zwischen der Überbelegung und der Zahl der Selbstmordversuche im «berüchtigten Genfer Gefängnis» nachgewiesen hatten. Handlungsbedarf legte der Bericht des Anti-Folter-Ausschusses zudem bei der Unterbringung von Gefangenen mit schweren psychischen Störungen offen. Diese seien noch immer häufig in Hochsicherheitstrakten untergebracht, würden isoliert und hätten nur beschränkt Zugang zu Therapiemassnahmen. In polizeilichen Einrichtungen im Kanton Genf berichteten Betroffene von Polizeigewalt und Misshandlungen. Darüber hinaus würde festgenommenen Personen in einigen polizeilichen Anstalten das Recht, Angehörige zu informieren, gar nicht oder erst nach Verstreichen von Stunden gewährt. Von ähnlichen Umständen berichtete auch die NZZ im September 2016: Im Gegensatz zum Strafvollzug gelte für Inhaftierte in einigen Einrichtungen der Untersuchungshaft ein Telefon-Verbot, sie hätten keine Sport- und Arbeitsmöglichkeiten und sässen bis zu 23 Stunden am Tag in der Zelle. Personen in Untersuchungshaft, für welche die Unschuldsvermutung gilt, würden hierzulande teilweise schlechter behandelt als verurteilte Straftäter, schloss der Artikel der NZZ. Hinzu komme, dass aufgrund der Überbelegung in Schweizer Gefängnissen viele verurteilte Personen in der eigentlich für kurzfristige Aufenthalte konzipierten Untersuchungshaft längere Zeit auf einen Haftplatz warten müssten (Blick am Sonntag und St. Galler Tagblatt).
Zum Bericht der Anti-Folter-Kommission nahm der Bundesrat zusammen mit den Kantonen im Juni 2016 ausführlich Stellung und führte zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Personen im Freiheitsentzug auf. So sollen Misshandlungen strikter geahndet sowie verstärkt in der Aus- und Weiterbildung thematisiert werden. Um sowohl der Überbelegung in Strafvollzugsanstalten als auch der nicht angemessenen Unterbringung von Personen mit schweren psychischen Störungen entgegenzuwirken, sei die Entstehung neuer Strafvollzugsanstalten bzw. zusätzlicher spezieller Haftplätze bereits in Planung. Der Bundesrat gab in seiner Stellungnahme zudem Auskunft zu den Beschäftigungs- und Kontaktmöglichkeiten in verschiedenen Einrichtungen des Schweizer Freiheitsentzugs und begründete das teilweise kleine Angebot mit dem Mangel an Personal- und Infrastrukturkapazitäten.

Bericht des europäischen Anti-Folter-Ausschusses über Schweizer Gefängnisse

In Erfüllung eines Postulats von Nationalrätin Natalie Rickli (svp, ZH) veröffentlichte der Bundesrat im Juli 2015 seinen Bericht zur Verwahrungspraxis in der Schweiz. Der Bericht basierte auf Daten des BFS, auf Erhebungen einer Arbeitsgruppe der KKJPD sowie auf einer schriftlichen Umfrage bei den Kantonen. Er zeigte auf, dass seit dem Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts im Januar 2007, gemäss welcher eine gefährliche Person mit einer psychischen Störung nur verwahrt werden darf, wenn eine Therapie keinen Erfolg verspricht (Art. 64 StGB), die Anzahl verwahrter Personen abgenommen hat. Waren Ende Dezember 2006 noch 229 Straftäter und Straftäterinnen verwahrt, schrumpfte diese Zahl in den nächsten sieben Jahren auf 144. 80 altrechtliche Verwahrungen wurden in diesem Zeitraum in eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB umgewandelt. Der Nationalrat schrieb das Postulat im Sommer 2016 ab.

Bericht über die Verwahrungspraxis in der Schweiz (Po. 13.3978)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In Erfüllung der als Prüfauftrag überwiesenen Motion Heim (sp, SO) veröffentlichte der Bundesrat im Januar 2015 einen Bericht zur Eindämmung der häuslichen Gewalt. Darin wurden verschiedene Massnahmen geprüft, welche den Schutz für Opfer von Gewalt verbessern sollen. Nach aktueller Gesetzgebung können Opfer einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten sowie von Drohung oder Nötigung die Sistierung und Einstellung des Strafverfahrens beantragen. Wenn dies freiwillig geschieht, müssen die Behörden dem Antrag stattgeben. Opfer häuslicher Gewalt falle es schwer, den beschuldigten Partner oder die beschuldigte Partnerin strafrechtlich verfolgen und verurteilen zu lassen. Diese Vermutung wird durch die hohe Einstellungsquote von Strafverfahren, welche je nach Kanton zwischen 53 und 92 Prozent variiert, gestützt. Um diese beunruhigenden Zahlen künftig senken zu können, solle der Strafverfolgungsbehörde ein grösserer Ermessensspielraum zugesprochen werden, so der Vorschlag des Bundesrats. Das Opfer würde zwar noch immer angehört, die Verantwortung über die Sistierung, Einstellung oder Weiterführung des Strafverfahrens läge jedoch künftig bei den Behörden. Ist die beschuldigte Person wegen eines Delikts der häuslichen Gewalt vorbestraft, soll eine Sistierung des Strafverfahrens in Zukunft zudem nicht mehr möglich sein.
Dazu seien einige Anpassungen im StGB nötig, welche zusammen mit der Umsetzung der Motion Keller-Sutter (fdp, SG; Mo. 12.4025) vorgenommen werden sollen. Weitere Massnahmen wie höhere Strafdrohungen bei bestimmten Gewaltdelikten oder eine Beschränkung des nächtlichen Alkoholverkaufes im Detailhandel seien zudem im Rahmen der Harmonisierung der Strafrahmen bzw. der Revision des Alkoholgesetzes denkbar.
Motionärin und Nationalrätin Bea Heim hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass eine Einstellung des Strafverfahrens nur dann möglich sein soll, wenn der Täter ein «Lernprogramm gegen Gewalt» besucht. Dadurch könne eine Deeskalation bewirkt werden und es bestehe die «Chance, dass die Familie in Frieden wieder zusammenfinden kann», argumentierte sie im Gespräch mit der NZZ. Auf eine solche Pflicht verzichtete der Bundesrat in seinem Vorschlag mit dem Argument, dass viele Gewalttäter trotz Besuch eines solchen Trainings rückfällig würden.

Eindämmung der häuslichen Gewalt (Mo. 09.3059)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Auch 2014 prägte die Debatte über den Umgang mit Straftätern die Medien. Dabei bildeten sich jeweils zwei oppositionelle Lager: Die Befürworter härterer Strafmassnahmen bezeichneten das aktuelle Strafrecht als "Kuscheljustiz" und wurden dafür von ihren Gegnern als „Wutbürger“ bezeichnet. Letztere hielten fest, es brauche für ein funktionierendes Rechtssystem keinen Rückschritt in das Fehdewesen und in die Lynchjustiz, vielmehr müssten die ausgesprochenen Strafen verhältnismässig sein, aber auch den Wunsch nach Bestrafung erfüllen. Tragische Vorfälle in den vergangenen Jahren hatten das Sicherheitsbedürfnis der Schweizer Bevölkerung erhöht. Insgesamt wurden häufig längere Freiheitsstrafen verhängt. Da gleichzeitig die Bereitschaft zur vorzeitigen Entlassung sank, überstieg der Bedarf an Gefängnisplätzen 2013 erstmals die Kapazität. Besonders prekär war die Situation in der Westschweiz, wo die Auslastung über 113% betrug.
Die komplexer werdenden Herausforderungen im Straf- und Massnahmenvollzug erfordere eine verstärkte Zusammenarbeit der Kantone. Zu diesem Schluss gelangte ein Bericht, den der Bundesrat in Beantwortung eines Postulats Amherd (cvp, VS) erstellt hatte. Da jedoch keine Lücken in der bestehenden Gesetzeslage entdeckt wurden, sah der Bundesrat von der Schaffung eines Bundesgesetzes über den Straf- und Massnahmenvollzug ab. Vielmehr wäre eine verstärkte interdisziplinäre und interkantonale Zusammenarbeit notwendig. Diese sei besonders im Umgang mit Risikostraftätern wichtig, da dieser einen Professionalisierungsschub benötigte. Einen ersten Schritt in die vorgeschlagene Richtung stellte die im Herbst 2013 von der KKJPD beschlossene Schaffung eines Kompetenzzentrums Justizvollzug dar.

Überprüfung des Strafvollzugs in den Kantonen (Po. 11.4072)
Dossier: Straf- und Massnahmenvollzug bei gefährlichen Tätern

Le parlement a pris acte du rapport de la délégation suisse auprès de l’Assemblée parlementaire du Conseil de l’Europe. Dans leur présentation, les délégués ont mis l’accent sur les principaux thèmes de leurs travaux: démocratie et droits de l’homme, cohésion sociale, développement et consolidation de la stabilité démocratique en Europe de l’Est et protection des diversités culturelles. En outre, le gouvernement a annoncé sa volonté de ratifier d’ici la fin de la magistrature 2003 la Convention pénale que le Conseil de l’Europe consacre à la lutte contre la corruption. Celle-ci entend harmoniser les normes pénales des Etats membres et simplifier la coopération internationale. Le texte devrait permettre de combler quelques lacunes du droit suisse, notamment en matière de répression de la corruption passive de fonctionnaires étrangers.

Rapport de la délégation suisse auprès de l’Assemblée parlementaire du Conseil de l’Europe

Für einiges Aufsehen sorgten Berichte von Amnesty International (AI) und des UNO-Komitees gegen die Folter über die Haftbedingungen in der Schweiz. Im ersten Bericht wurde über Misshandlungen von Ausländern während der Polizeihaft namentlich in Genf berichtet. Im zweiten wurde gefordert, den von der Polizei Festgenommenen sofortigen Kontakt mit Angehörigen und Anwälten zu garantieren. Folter im Sinn der internationalen Konventionen kommt nach dem Urteil der UNO-Kommission in der Schweiz nicht vor. Namentlich der Bericht von AI, der nicht von der Schweizer Sektion, sondern von der Londoner Zentrale aufgrund von nicht überprüften Zuschriften von angeblich Misshandelten verfasst worden war, blieb nicht unwidersprochen. Dass es bei Festnahmen nicht immer gewaltfrei zugeht, wurde zwar auch von der Polizei zugegeben, Misshandlungen würden aber, sofern eine Beschwerde vorliege, untersucht und disziplinarisch geahndet. Der Bundesrat räumte in seiner Stellungnahme zu einem im Vorjahr publizierten Inspektionsbericht des Europäischen Komitees gegen die Folter ein, dass in einem Teil der Polizeigefängnisse die räumlichen Verhältnisse unbefriedigend sind.

Haftbedingungen in der Schweiz