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Da die EU den Abschluss eines bilateralen Stromabkommens aufgrund des fehlenden Rahmenabkommens auf Eis gelegt hatte, stieg die Nervosität in der Schweizer Energiebranche zunehmend an, wie der Presse zu entnehmen war. Die Schweiz werde dadurch vom Verhandlungstisch ausgeschlossen, was die Netzsicherheit verringere, ungeplante Stromflüsse wahrscheinlicher mache, die Kosten ansteigen und die Importfähigkeit der Schweiz sinken lasse. Dies sei vor allem in den Wintermonaten problematisch, da die Schweiz zu dieser Zeit zu wenig Strom produziere, um den Eigenbedarf decken zu können, erklärte die NZZ. Doch nicht nur in der Schweiz äusserte man Bedenken zur derzeitigen Situation. Auch in Deutschland wünschten Medienberichten zufolge FDP-Bundestagsmitglieder eine rasche Einigung mit dem kleinen Nachbarland. Aufgrund der zentralen Lage in Europa fliessen grosse Mengen des grenzüberschreitend gehandelten Stromes durch die Schweiz, weshalb das Land eine zentrale Rolle in der Stromversorgung in Europa einnimmt. Des Weiteren könnten die Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen die Schwankungen in der Produktion und der Nachfrage ausgleichen, so die Aargauer Zeitung. Aus Sicht Deutschlands sei vor allem letztere Funktion von zentraler Bedeutung, da Deutschland mit den Sonnenkollektoren und Windkraftanlagen unregelmässig Strom produziere und bis 2023 mit dem Ausstieg aus der Atomenergie an Bandenergie verliere. Auch die deutsche Bundesregierung hielt in ihrer Antwort auf die Anfrage der FDP fest, dass es eine Einbindung der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt brauche.

Trotz der «Schützenhilfe aus Berlin», wie das St. Galler Tagblatt titelte, habe das BFE damit begonnen, einen Plan B auszuarbeiten, sollte es zu keinem Abschluss mit der EU kommen, berichtete die NZZ. In diesem Zusammenhang wurde in den Schweizer Medien vermehrt wieder die Idee von inländischen Gaskombikraftwerken aufgegriffen. Dies auch, nachdem Forschende der ETH Lausanne und der HSG St. Gallen Ende Jahr einen Bericht zum nationalen Forschungsprogramm «Energie» veröffentlicht hatten. In jener Untersuchung, in welchem die Forschenden unter anderem der Frage nachgingen, was ein fehlendes Stromabkommen für die Schweiz bedeuten würde, stellten sie eine kontroverse These auf: Ohne Stromabkommen könne es «in der Schweiz langfristig zu Investitionen in Gaskraftwerke kommen, insbesondere wenn der Ausbau erneuerbarer Energien nicht stark politisch unterstützt und damit forciert [werde]».
Die Idee von Gaskraftwerken hatte vor einigen Jahren auch schon der Bundesrat vorgebracht, damals aber aus einem anderen Grund: Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie sei es gemäss dem Bundesratsbericht zum ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 möglich, dass bis im Jahr 2020 ein Gaskombikraftwerk nötig werde, war damals gemutmasst worden. Im Jahr 2019 bekam die Debatte aufgrund der Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg (BE) wieder neuen Aufwind, dies vor allem, nachdem sich der abtretende ElCom-Präsident Carlo Schmid-Sutter in der NZZ für eine «Enttabuisierung» solcher Gaswerke ausgesprochen hatte. Die Kraftwerke könnten dem schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien entgegenwirken und bei Stromengpässen die Versorgungssicherheit der Schweiz sicherstellen, so Schmid-Sutter weiter. Ein fehlendes Stromabkommen mit der EU dürfte somit womöglich auch Auswirkungen auf die Schweiz bezüglich der Erreichung der Pariser Klimaziele haben, stellte der Tages-Anzeiger fest. Ob die Schweiz künftig in den europäischen Strombinnenmarkt eingebunden sein wird und die Versorgungssicherheit auch ohne inländische Gaskombikraftwerke erreicht werden kann, hängt wohl wesentlich vom Abschluss dieses Stromabkommens ab. Doch bevor dieses fertig ausgehandelte Dokument unterschrieben werden kann, muss die Frage zum Rahmenabkommen geklärt werden, was vorerst eines Abwartens der eidgenössischen Volksabstimmung zur Begrenzungsinitiative bedarf.

Verhandlungen mit der EU über ein Stromtransitabkommen ab dem Jahr 2006
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Jahresrückblick 2019: Energie

Einen grossen Umbruch erlebte die Schweizer Energiepolitik 2019 mit der ersten Ausserbetriebnahme eines konventionell genutzten Kernkraftwerks der Schweiz. Am 20. Dezember um 12:30 Uhr wurde dem Atomkraftwerk Mühleberg (BE), das seit 1972 Elektrizität für die Schweiz geliefert hatte, sprichwörtlich der Stecker gezogen. Die Betreiberfirma BKW hatten schon Ende Oktober 2013 angekündigt, das «Atomi» – wie es Anwohnerinnen und Anwohner der Region nannten – vom Netz nehmen und die Rückbauarbeiten der Anlage bis im Jahr 2034 vollenden zu wollen. Ende 2019 wurde ebenfalls klar, dass das nahe Basel gelegene und seit Jahren in Kritik stehende elsässische AKW Fessenheim im Jahr 2020 den Betrieb einstellen wird.
Gleichzeitig sorgte in den Medien 2019 eine per 1. Februar in Kraft getretene Verordnungsanpassung im Kernenergiebereich für Furore. Der Bundesrat hatte in Artikel 123. Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung eine Präzisierung vorgenommen, wonach natürliche Störfälle, die im Schnitt einmal alle 10'000 Jahre vorkommen – beispielsweise ein stärkeres Erdbeben – klar der Störfallkategorie 3 zugeordnet werden sollen. Bisher war in der Verordnung nicht klar ersichtlich gewesen, ob solche Ereignisse der Störfallkategorie 2 oder 3 zugeordnet werden müssen. Die Präzisierung hat zur Folge, dass die AKWs bei Erdbeben dieser Art den weniger strengen Strahlendosisgrenzwert vom 100 mSv (Kategorie 3) anstatt jenem von 1 mSv (Kategorie 2) einhalten müssen und somit bei einem solchen Unfall mehr Radioaktivität austreten dürfte, als bei einer Einteilung in die Kategorie 2 erlaubt gewesen wäre. Die Änderung war – zumindest in den Augen der Kritikerinnen und Kritiker – insofern auch (rechtsstaatlich) brisant, als parallel zur Verordnungsanpassung ein gerichtliches Verfahren um genau diese Verordnungsstelle im Gange war, parlamentarische Prozesse in die Wege geleitet wurden (Po.18.3175; Mo. 18.3010; Mo. 18.4233) und in der Vernehmlassung diesbezüglich viele kritischen Stimmen laut geworden waren. Ein strengerer Grenzwert hätte aber vor allem bedeutet, dass beispielsweise die Kernenergieanlagen in Beznau die Sicherheitsbestimmungen (zumindest vorübergehend) nicht mehr erfüllt hätten und folglich vom Netz hätten genommen werden müssen. Mit dieser Frage musste sich 2019 auch die UREK-SR intensiv befassen, die selbst nach umfangreichen Anhörungen ein Kommissionspostulat als Erweiterung des in drei Sitzungen diskutierten ständerätlichen Postulats mit dem Ziel einreichte, bessere Kenntnisse über die Folgen dieser Verordnungsrevisionen für die Bevölkerung zu erlangen. Stillschweigend nahm das Stöckli das heiss diskutierte Postulat im Frühling 2019 an.
Zentrales Thema im Kernenergiebereich bildete zudem 2019 auch weiterhin die Suche nach geeigneten Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen aus Kernkraftwerken sowie aus der Forschung. Nach Abschluss der zweiten Etappe im Sommer 2018 begannen in der dritten Etappe vorwiegend auch im Jahr 2019 nach und nach verschiedenste Sondierbohrungen in den in der engeren Auswahl stehenden Standortgebieten Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (AG und ZH) und Zürich Nordost (TG und ZH). In den betroffenen Regionen wurden diese detaillierten Untersuchungen der Umweltbeschaffungen zum Dauerbrenner in den lokalen Zeitungen, vor allem auch deshalb, weil diese nun deutlich sichtbaren Arbeiten teils auf grossen Widerstand aus der lokalen Bevölkerung stiessen. Der Bundesrat rechnete indes damit, im Jahr 2029 den definitiven Standortentscheid für ein geologisches Tiefenlager bekannt geben zu können.

Das im Bereich der Wasserkraft dominierende Thema war zum einen die Frage nach der Festlegung des Wasserzinsmaximums – also die maximal mögliche durch den Kanton festgelegte Abgeltung der Wasserkraftwerkbetreiber an den Kanton für die Nutzung des öffentlichen Gutes Wasserkraft. Während die eine Seite für eine Senkung ebendieses Maximums plädierte mit der Begründung, die inländische Wasserkraft so finanziell besser aufstellen zu können, setzten sich in der Schlussabstimmung vom Mai 2019 die Gebirgskantone durch, die sich für eine Verlängerung des derzeit geltenden Wasserzinsregimes von CHF 110 pro Kilowatt Bruttoleistung bis Ende 2024 eingesetzt hatten.
Zum anderen diskutierten die UREK-Kommissionen und die Räte eine parlamentarische Initiative, die eine Anpassung der Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen verlangte. Demnach sollen bei Neukonzessionierungen für bestehende Wasserkraftanlagen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass die Basis für die Beurteilung für die Festlegung von Umweltkompensationsmassnahmen neu auf den Zustand zum Zeitpunkt der Konzessionseinreichung festgelegt werden soll. Nach bisheriger Regelung mussten Umweltschutzkompensationsmassnahmen auf Basis des Zustandes vor Errichtung der Anlage erfolgen. Da die Anlagen aber teilweise schon seit über 80 Jahren bestehen, die Ermittlung des ursprünglichen Landschaftsbildes sich als schwierig erwies und die Wasserkraftwerkbetreiber somit hoher Unsicherheit und hohen Kosten begegnen würden, stimmte eine Mehrheit des Nationalrates im Herbst 2019, sowie auch eine Mehrheit des Ständerates in der Wintersession für diese Lockerung der Umweltschutzbestimmungen. Eine Minderheit hatte vergebens die Meinung des Bundesrates vertreten und versucht, eine Formulierung beizubehalten, die mehr Massnahmen zugunsten der Umwelt beinhaltete.

Im Bereich der fossilen Energieträger sorgte eine Ankündigung des Bundesrates von Ende Oktober für grosses Aufsehen, in welcher er die Vernehmlassung für die Schaffung eines neuen Gasversorgungsgesetzes (GasVG) eröffnete. Der Bundesrat beabsichtigte demnach, den Gasmarkt in der Schweiz teilweise zu öffnen. Analog zum Modell im Strommarkt könnten so künftig Grosskundinnen und Grosskunden ihren Anbieter frei auf dem Markt wählen. Mit der Schaffung des neuen GasVG soll zudem eine spezielle Gasmarktordnung geschaffen werden, die den bisher sehr vage geregelten Gasmarkt besser koordinieren soll. Ein kleines Erdbeben mit nationaler Ausstrahlkraft verursachte zudem die kantonale Berner Energievorlage, die am 10. Februar 2019 eine knappe Abfuhr an der Urne erhielt. Die Vorlage beinhaltete Massnahmen im Gebäudebereich, mit denen die Energieziele des Bundes auf kantonaler Ebene – unter anderem durch den Ersatz von Gas- und Ölheizungen durch Technologien erneuerbarer Energiequellen – hätten umgesetzt werden sollen.

Ein in den Medien stark aufgegriffenes Thema war die Frage nach der Revision des Stromversorgungsgesetzes – also einer Neugestaltung des Strommarktdesigns dergestalt einer Strommarktliberalisierung mit einer freien Wahl des Stromanbieters für alle. Diese Diskussion war stets auch verknüpft mit der Frage nach einem Stromabkommen mit der EU, das eine solche Strommarktliberalisierung als Voraussetzung vorsieht. Die Arbeiten und Verhandlungen in diesem Bereich werden sich wohl in den kommenden Jahren fortsetzen.

Allgemein betrachtet verzeichnete das Kapitel «Energie» 2019 im Vergleich zu den Jahren 2016-2018 einen starken Rückgang an Zeitungsberichterstattungen – wie eine Analyse von APS Ende 2019 zeigte. Während der Themenbereich «Energie» in den Jahren 2016 und 2017 zwischen 3.5 bis fast 4 Prozent aller erfassten Zeitungsberichterstattungen ausmachte, halbierte sich dieser Anteil in den Jahren 2018 sowie 2019 um mehr als die Hälfte. Dies lässt sich wohl mit den beiden Volksabstimmungen «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)» von Ende 2016 sowie der Energiestrategie 2050 erklären, die ebenfalls in einer Referendumsabstimmung im Mai 2017 ihren Höhepunkt fand, und die für eine starke Berichterstattung sorgten. Innerhalb des Jahres 2019 liess sich ein leichtes Sommertief sowie ein Anstieg der Zeitungsberichterstattung auf die Herbstsession hin feststellen, wobei der Höchstwert von gut 2.4 Prozentpunkten im Jahresvergleich immer noch tief ausfiel.

Jahresrückblick 2019: Energie
Dossier: Jahresrückblick 2019

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand aus mindestens vier Gründen 2019 im Fokus der politischen Debatte. Zuerst gab die Departementsverteilung im Nachgang der Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2018, bei denen Doris Leuthard (cvp) und Johann Schneider-Ammann (fdp) durch Viola Amherd (cvp) und Karin Keller-Sutter (fdp) ersetzt worden waren, zu reden (vgl. auch den entsprechenden Peak bei der Medienberichterstattung). Nicht nur, dass mit Viola Amherd zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz eine Frau das VBS übernahm, sondern auch der Wechsel von Guy Parmelin ins WBF und von Simonetta Sommaruga ins UVEK wurden in den Medien diskutiert. Kommentiert wurde dabei insbesondere, dass die Verteilung offenbar erst nach einem Mehrheitsbeschluss innerhalb des Gremiums zustande gekommen war, was als schlechter Start und Herausforderung für die künftige Konkordanz interpretiert wurde. Mit der Wahl von zwei Frauen in die Landesregierung wurde der Debatte um die verfassungsmässige Festschreibung einer Frauenquote im Bundesrat der Wind aus den Segeln genommen. Ein entsprechender Vorstoss, der vom Ständerat noch angenommen worden war, wurde vom Nationalrat versenkt. Auch die Idee einer Karenzfrist, also das Verbot für ehemalige Magistratspersonen, Mandate von Unternehmen anzunehmen, die in Beziehung zu ihrem Regierungsamt stehen, wurde – wie schon 2015abgelehnt. Die Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat Ende Jahr lösten eine breite und medial stark begleitete Debatte um Zauberformel, Konkordanz, Systemstabilität und die Ansprüche der bei den Wahlen 2019 sehr erfolgreichen Grünen Partei auf einen Bundesratssitz aus. Die Mehrheit des Parlaments entschied sich, Regula Rytz, die Sprengkandidatin der Grünen, nicht anstelle von Ignazio Cassis in die Exekutive zu wählen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament war im Berichtjahr Gegenstand parlamentarischer Arbeit. Beraten wurde dabei insbesondere die Idee eines Verordnungsvetos. Die auf eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG; Pa.Iv. 14.422) zurückgehende, 2014 eingereichte Idee sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates gegen die Veröffentlichung einer bundesrätlichen Verordnung ein Veto einlegen kann, wenn die Stossrichtung der Verordnung nicht dem Willen des Parlaments entspricht. Während sich eine Mehrheit des Nationalrats davon eine präventive Wirkung erhoffte, lehnte die Mehrheit des Ständerats die Vorlage als zu kompliziert ab. Ein weiteres Mal abgelehnt wurde – ebenfalls nach längeren Diskussionen – die Idee einer Neuorganisation der Legislaturplanung. Das Parlament debattiert in schöner Regelmässigkeit seit der 2002 eingeführten Änderung, ob die Diskussionen um die zahlreichen Änderungsanträge an der Legislaturplanung zielführend seien. Der Antrag, die Planung wie vor 2002 einfach zur Kenntnis nehmen zu können und eben nicht als Bundesbeschluss behandeln zu müssen, stiess aber im Parlament erneut auf taube Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Diskussion nach den eidgenössischen Wahlen 2019 erneut losgehen wird.

Im Nationalrat wurde 2019 die Frage erörtert, wie politisch die Verwaltung sei. Während eine Motion Bigler (fdp, ZH; Mo. 17.4127), die eine Offenlegung der Interessenbindungen von Kaderangestellten verlangt, von der grossen Kammer angenommen wurde, lehnte diese ein Postulat Burgherr (svp, AG; Po. 17.3423) ab, mit dem hätte untersucht werden sollen, wann und wie die Verwaltung effektiv politischen Einfluss ausübt. Dauerbrenner im Parlament waren auch 2019 Sparmassnahmen bei den Personalkosten in der Verwaltung. Diese sollten, wäre es nach dem Nationalrat gegangen, mit Hilfe von Digitalisierung oder durch einen Ausgabenstopp in den Griff bekommen werden – der Ständerat verweigerte aber jeweils seinen Segen dazu.

Im letzten Jahr der 50. Legislatur kam es im Parlament noch zu fünf Mutationen. Insgesamt wurden in der 50. Legislatur 26 Nationalrats- und zwei Ständeratsmandate ersetzt; rund ein Drittel der Mutationen war durch die SP-Fraktion zu verantworten. Das Büro-NR will sich in einem Bericht auf ein Postulat Feri (sp, AG; Po. 18.4252) der Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf annehmen, einem Thema, das in den letzten Jahren immer virulenter zu werden scheint, wie verschiedene Vorstösse zeigen. Nicht einig wurde man sich in den Räten über verschiedene Spesenregelungen. Die SPK-NR entschloss sich deshalb, mit einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 19.431) wenigstens die Übernachtungsentschädigungen einheitlicher zu organisieren. Diskutiert wurde im Parlament auch 2019 wieder über Regeln für transparenteres Lobbying. Die seit Langem schwelende Debatte, die spätestens 2015 mit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» viel Fahrt aufgenommen hatte, wurde allerdings stark abgebremst: Fast wäre auch der letzte, ziemlich zahnlose Vorstoss in diese Richtung versandet, wenn nicht der nach den eidgenössischen neu zusammengesetzte Nationalrat den Nichteintretensentscheid auf einen Vorschlag der SPK-SR sozusagen in letzter Minute zurückgenommen hätte.

Etwas stärker in den Fokus als auch schon geriet 2019 die Judikative, was sich auch in der Medienkonjunktur zu diesem Thema zwischen März und September 2019 beobachten lässt. Dies hatte einerseits damit zu tun, dass im Nationalrat über die Revision des ziemlich umstrittenen Bundesgerichtsgesetzes debattiert wurde – insbesondere die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird wohl auch 2020 noch zu reden geben, auch wenn der Ständerat kurz vor Ende Jahr beschloss, nicht auf die Vorlage einzutreten. Andererseits standen einige Ersatzwahlen an, die jedoch in aller Regel geräuschlos über die Bühne gehen. Beinahe wäre jedoch eine Ersatzwahl ans Bundesgericht zur Ausnahme dieser Regel geworden, da die GK entgegen den Gepflogenheiten nicht die am stärksten untervertretene SVP, sondern die CVP berücksichtigte, was beinahe zu einer noch nie vorgekommenen Kampfwahl geführt hätte. Dafür, dass das Gerichtswesen auch in Zukunft im Gespräch bleibt, wird wohl auch die 2019 zustande gekommene Justizinitiative sorgen, die vorschlägt, oberste Richterinnen und Richter per Losverfahren zu bestimmen, um eben diese starke, dem Proporzgedanken geschuldete Verbindung zwischen Judikative und Parteien zu verhindern. Viel zu schreiben gab zudem die Bundesanwaltschaft. Nach langen und stark medial begleiteten Diskussionen zu einer Disziplinaruntersuchung um den amtierenden Bundesanwalts Michael Lauber wurde dieser erst nach einer Verschiebung der Wahl von der Sommer- in die Herbstsession und äusserst knapp für eine dritte Amtsperiode bestätigt.

Im Wahljahr 2019 trat die Nutzung der direkten Demokratie ein wenig in den Hintergrund. An zwei Abstimmungswochenenden wurde lediglich über drei Vorlagen abgestimmt. Dabei folgte die Mehrheit der Stimmbevölkerung sowohl bei den beiden Referenden (STAF und Waffenschutzrichtlinie) als auch bei der Zersiedelungsinitiative der Empfehlung von Parlament und Bundesrat. Die Ablehnung der Zersiedelungsinitiative bedeutet zudem, dass in der 50. Legislatur kein einziges Volksbegehren Erfolg hatte. Die wahlbedingte Abstimmungspause wird wohl in den folgenden Jahren zu einigen Abstimmungswochenenden mit mehreren Vorlagen führen, sind doch Ende 2019 ganze 16 Volksinitiativen im Unterschriftenstadium und 19 abstimmungsreif oder beim Bundesrat oder im Parlament in Beratung. Dafür, dass in Zukunft die direkte Demokratie umfassender genutzt werden könnte, sorgte das Parlament zudem mit seiner Entscheidung zur Kündigung von Staatsverträgen, die zukünftig nicht mehr dem Bundesrat, sondern der Legislative und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung obliegt. Eines der anstehenden Volksbegehren ist die Transparenzinitiative, für die die SPK-SR 2019 einen indirekten Gegenentwurf in die Vernehmlassung gab, mit dem die Offenlegung der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen im Gesetz geregelt werden soll und der in der Wintersession vom Ständerat mit Anpassungen gutgeheissen wurde.

Einen herben Dämpfer erlitt 2019 die Idee des elektronischen Wählens und Abstimmens. Nachdem der Kanton Genf bereits Ende 2018 sein E-Voting-System eingestellt hatte und das System der Post in einem öffentlich ausgeschriebenen Stresstest den Anforderungen nicht standgehalten hatte, bestanden keine brauchbaren technischen Angebote mehr für die effektive Durchführung von «Vote électronique». Daher entschied sich der Bundesrat, sein Ziel, E-Voting als ordentlichen Stimmkanal einzuführen, vorläufig zu sistieren. Gegenwind erhielt der elektronische Stimmkanal zudem von einer Anfang 2019 lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium. Immerhin entschied sich der Nationalrat für eine Motion Zanetti (svp, ZH; Mo. 19.3294) mit dem Ziel, die Abstimmungsunterlagen elektronisch zustellen zu können.

Jahresrückblick 2019: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2019

Eine Folge der eidgenössischen Wahlen 2019, die einen massiven Wahlgewinn der Grünen und eine Niederlage der Polparteien mit sich gebracht hatten, waren die virulenten Diskussionen um die Zusammensetzung und die Bestellung des Bundesrats. Auf der einen Seite wurde eine neue Zauberformel gefordert. Das Parlament müsse bei der Bestellung der Regierung rascher auf Veränderungen reagieren können. Auf der anderen Seite wurden Reformen gefordert, die eine Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, Koalitionsverhandlungen oder einen eigentlichen Systemwechsel weg von der Konkordanzidee vorsahen.

Die Zauberformel, die 1959 mit der Idee eingeführt worden war, dass die drei grössten Parteien je zwei und die viertgrösste Partei einen Sitz erhalten soll, wurde durch die aktuellen Wahlresultate gleich mehrfach in Frage gestellt. Jahrzehntelang passte die Formel gut zu den Kräfteverhältnissen, weil die FDP, die CVP und die SP bei den Nationalratswahlen jeweils mehr als 20 Prozent Wähleranteile hinter sich wussten und die SVP auf jeweils etwas mehr als zehn Prozent zählen konnte. Eine erste Verschiebung der Kräfteverhältnisse führte 2003 zu einem Sitzwechsel von der CVP zur SVP. Nach einer durch die Nichtbestätigung von Christoph Blocher 2007 beginnenden Übergangsphase, während der CVP, SVP und BDP je einen Sitz hatten, kehrte man mit der Wahl von Guy Parmelin im Jahr 2015 wieder zu dieser 2-2-2-1-Verteilung zurück – neu mit der CVP als Juniorpartner. War diese Verteilung freilich schon 2015 hinterfragbar, geriet sie 2019 vollends in die Kritik, weil mit der SVP nur noch eine Partei über 20 Prozent Wähleranteil verfügte (25.6%), aber vier Parteien neu über 10 Prozent lagen: Die SP mit 16.8 Prozent, die FDP mit 15.1 Prozent, die Grünen mit 13.2 Prozent und die CVP mit 11.4 Prozent. Diese Verteilung liess Raum für zahlreiche Rechenspiele, die in den Medien für viel Gesprächsstoff sorgten und die Diskussionen im Vorfeld der Bundesratswahlen anheizten.

Eine neue Zauberformel wurde natürlich insbesondere von den Gewinnerinnen und Gewinnern der eidgenössischen Wahlen 2019 gefordert. Die Frage war freilich, auf wessen Kosten die Grünen einen Bundesratssitz erhalten sollten. Wahlweise vorgeschlagen wurde, dass die CVP als neu kleinste Partei verzichten müsse. Aber auch die FDP und die SP hätten eigentlich – je nach Berechnung – keinen Anspruch auf zwei Sitze. Die GP selber forderte – unterstützt von der SP – den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Mediale Aufmerksamkeit erhielt ein Vorschlag von Christoph Blocher, der eine Proporz-Zusammensetzung vorschlug, die der SVP zwei Sitze und allen anderen Parteien inklusive der GLP (die bei den Wahlen auf 7.8% Wähleranteil gewachsen war) je einen Sitz zugestand. Freilich wurde in der Diskussion auch die Frage laut, ob für die Berechnung der Zusammensetzung lediglich die Wählerprozente, also nur die Zusammensetzung des Nationalrats, oder nicht vielmehr die Sitzverteilung in National- und Ständerat herangezogen werden müssten. Auf der Basis der totalen Anzahl Sitze aus beiden Kammern wäre die CVP (total 38 Sitze) wiederum stärker als die GP (total 33 Sitze), was für den Status Quo sprechen würde.
Eine Erweiterung der Diskussion wurde durch die Überlegung geschaffen, nicht Parteien, sondern Blöcke zu betrachten. Die NZZ schlug vor, den Polen – bestehend aus SVP auf der einen und SP zusammen mit den Grünen auf der anderen Seite – je zwei Sitze und den Parteien in der Mitte (FDP, CVP und allenfalls GLP) drei Sitze zuzusprechen. Wenn die Grünen einen Sitz erhielten und die SP ihre beiden Sitze behalten würde, dann wäre das linke Lager, das kumuliert auf rund 30 Prozent Wählerstärke komme, stark übervertreten, so die Argumentation der NZZ.

Als Problem für eine flexiblere Gestaltung der Regierungszusammensetzung wurde zudem die variable Amtszeit der Bundesrätinnen und Bundesräte ausgemacht. Würde die Amtszeit eines Regierungsmitglieds auf acht Jahre fixiert – inklusive der Verpflichtung, nicht freiwillig vor Ablauf dieser Zeit zurückzutreten – ergäben sich bei jeder Gesamterneuerungswahl Vakanzen, die eine Neuausrichtung der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrats vereinfachen würden, schlug CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) als weitere – schon etwas ältere – Idee vor.

Ein weiteres, medial diskutiertes Problem der starren 2-2-2-1-Zauberformel war die Repräsentativität des Bundesrats. Wurden 1959 durch die vier Regierungsparteien noch 85 Prozent der Wählerschaft (gemessen anhand der Wählerprozente bei den Nationalratswahlen) repräsentiert, sank dieser Wert aufgrund der zunehmenden Volatilität, aber auch aufgrund der Ausdifferenzierung des Parteiensystems 2019 erstmals unter 70 Prozent (68.9%). Die «formule magique» verliere ihre Magie, urteilte die Zeitung Le Temps auf Basis dieser Zahlen. In der Regierung müsse sich der Wille der Wählenden unmittelbar niederschlagen; wer fordere, dass die Grünen ihren Wahlerfolg in vier Jahren noch einmal bestätigen müssten, um einen Anspruch auf Einbindung in die Regierung zu haben, sei deshalb «ein schlechter Demokrat», urteilte der Tages-Anzeiger. Letztlich seien es «nicht die Wahlprozente, sondern die Mandatsträger im National- und im Ständerat», welche über die Regierungszusammensetzung entschieden. Dies sei «die eigentliche Machtarithmetik der Bundesratswahlen», kommentierte der emeritierte Historiker Urs Altermatt in der NZZ.

Als Alternative zu einer neuen Zauberformel und als Möglichkeit einer besseren Repräsentation wurde eine weitere alte Idee hervorgekramt: die Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder auf neun. Zwar waren in der Vergangenheit zahlreiche Vorstösse für eine Umsetzung dieser Idee gescheitert – etwa im Rahmen der Staatsleitungs- und Regierungsreform zu Beginn des Jahrtausends, aber auch bei Debatten zu einzelnen Reformvorschlägen –, die elf Prozent Wähleranteil, die rein arithmetisch bei neun Sitzen für einen Bundesratssitz reichen würden, würden aber ermöglichen, dass die Grünen einen Sitz erhielten, ohne dass die CVP einen Sitz abgeben müsste, so ein Argument in der Aargauer Zeitung. Insbesondere Christian Levrat (sp, FR) machte sich in den Medien für die Erhöhung der Anzahl Regierungsmitglieder stark. Damit könne nicht nur dem Anspruch der Grünen genüge getan werden, so der SP-Parteipräsident, sondern es sei auch nicht mehr zeitgemäss, lediglich sieben Minister zu haben. Dies sei weltweit fast einmalig wenig.

Weitere Vorschläge stellten die Idee der Konkordanz grundsätzlich in Frage. Nicht die wichtigsten Kräfte sollten in der Regierung vertreten sein, stattdessen müsse man ein Oppositionssystem einführen, in welchem wahlweise eine Mitte-Rechts- oder eine Mitte-Links-Regierung einer linken oder rechten Opposition gegenüberstehe, so ein Vorschlag im Tages-Anzeiger. Auch die Idee, dass Parteien mit programmatischen Koalitionsvorschlägen für die Regierung kandidieren könnten, würde das bestehende Konkordanzsystem verändern. Man müsse aber in der Tat mehr über politische Inhalte als bloss über Formeln sprechen, forderte die Aargauer Zeitung.

Man komme wohl in Zukunft nicht darum herum, die Regierungszusammensetzung nach jeden Gesamterneuerungswahlen neu zu diskutieren, folgerte der Tages-Anzeiger. Freilich steht die Konkordanz und die Zusammensetzung der Regierung schon seit einigen Jahren und stets bei Bundesratswahlen zur Diskussion, nur um dann für die nächsten vier Jahre wieder aus dem Fokus der Medien zu verschwinden. Um ebendies nach den Bundesratswahlen 2019, die hinsichtlich Regierungszusammensetzung trotz aller Reformdiskussionen den Status Quo zementierten, zu verhindern, schlug Gerhard Pfister einen «Konkordanzgipfel» vor, wie ihn die Medien betitelten: «Wir müssen die Zauberformel im Bundesrat, die Konkordanz in der Landesregierung, neu erfinden», gab Pfister im Sonntags-Blick zu Protokoll. Es gehöre zum Schweizer System, dass man gemeinsam nach Lösungen suche, begrüsste GLP-Parteipräsident Jürg Grossen (glp, BE) die Initiative der CVP. Alle Parteien waren sich einig, dass die Regeln den zunehmend volatiler werdenden Wahlresultaten angepasst werden müssen. Wie diese Anpassung auszusehen hat, blieb hingegen naturgemäss umstritten.

Reformideen im Nachgang der Bundesratswahlen 2019

Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass auch der Parlamentsbetrieb mit verschiedenen Ratings und Rankings vermessen werden kann, welche die Arbeit, den Einfluss oder die ideologische Positionierung der Parlamentsmitglieder zu bestimmen versuchen. Der Versuch, anschauliche Ranglisten zu erstellen und so auch durch Personalisierung die Komplexität von Politik zu reduzieren, dient vor allem den Medien, die sich auch 2019 den verschiedenen Analysen widmeten.

Den Beginn machte Anfang Juli eine neue Plattform namens «politik.ch» mit einer Auswertung der Präsenz während der ganzen bisherigen 50. Legislatur. «Präsenz» wurde dabei mit der Teilnahme an den total 4'076 Abstimmungen, die im Nationalrat bis zur vorletzten Session durchgeführt wurden, gemessen. Zum «Absenzenkönig von Bern» – so die Aargauer Zeitung, die über die Studie berichtete – wurde Roger Köppel (svp, ZH) gekürt. Er habe 22.4 Prozent aller Abstimmungen «geschwänzt», gefolgt von Martin Bäumle (glp, ZH; 21.9%) und Hans Grunder (bdp, BE; 21.7%). Frauen stimmten tendenziell disziplinierter ab, schloss die Zeitung, weil sich am anderen Ende der Skala Andrea Geissbühler (svp, BE), Barbara Keller-Inhelder (svp, SG) und Sandra Sollberger (svp, BL) fanden, die alle weniger als sechs der über 4'000 Abstimmungen verpasst hatten. Die Aargauer Zeitung liess die Protagonisten zu Wort kommen. Bei wichtigen Abstimmungen sei er vor Ort, nicht aber, wenn «das ausufernde Berufsparlament mit sich selbst beschäftigt» sei, verteidigte sich Roger Köppel. «Das Volk» habe sie ins Parlament gewählt und erwarte, dass sie an den Abstimmungen teilnehme, befand hingegen Andrea Geissbühler. Im Schnitt hatten die Nationalrätinnen und Nationalräte drei Prozent der Abstimmungen verpasst. Im Tages-Anzeiger wurde daran erinnert, dass «immer brav auf dem ehrwürdigen Nationalratssessel zu sitzen» nicht mit politischem Einfluss gleichzusetzen sei. Die wichtigsten Entscheidungen fielen nicht im Ratssaal, sondern «in den Kommissionen, in den Hinterzimmern des Bundeshauses und den Salons des Bellevue-Hotels».

Einen Versuch, diese Art von Einfluss zu messen, unternahm die Sonntagszeitung mit ihrem alle zwei Jahre publizierten «Parlamentarier-Rating». Hier erhält Punkte, wer viele Reden hält, in wichtigen Kommissionen sitzt und erfolgreich Vorstösse einreicht; wer innerhalb der eigenen Partei wichtige Funktionen innehat, einer starken Fraktion angehört, hohe Medienpräsenz hat und ausserhalb des Parlaments gut vernetzt ist. Wie schon zwei Jahre zuvor wies die Zeitung SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) als «mächtigsten» Parlamentarier aus, gefolgt von Pirmin Bischof (cvp, SO) und Thomas Aeschi (svp, ZG). Levrat sei «immer dabei, wenn es in der Schweizer Politik etwas anzuschieben oder zu blockieren» gelte. Allerdings falle die SP-interne grosse Lücke hinter Levrat auf. In den Top Ten gebe es kein weiteres SP-Mitglied, was darauf hindeute, dass die parteiinterne Erneuerung wohl noch nicht geschafft sei. Ausgerechnet bei den Frauen schneide die SP schlecht ab. Unter den 15 höchst bewerteten Frauen – diese Liste wurde von Tiana Angelina Moser (glp, ZH; total Rang 6) und Lisa Mazzone (gp, GE; Rang 13) angeführt – fänden sich lediglich zwei Genossinen: Maria Carobbio Guscetti (sp, TI; Rang 23) und Barbara Gysi (sp, SG; Rang 34). Für das Rating berücksichtigt wurden nur jene Parlamentsmitglieder, die seit Beginn der Legislatur in den Räten gesessen hatten und bei den eidgenössischen Wahlen 2019 wieder antreten wollten. Entsprechend war der 173. Rang auch der letzte. Dort befand sich Bruno Walliser (svp, ZH). Indem die Sonntagszeitung die Rangierung hinsichtlich Medienpräsenz mit der Gesamtrangierung verglich, machte sie auch «die grössten Blender» aus. Die drei Zürcher Abgeordneten Claudio Zanetti (svp), Roger Köppel (svp) und Regine Sauter (fdp) seien zwar «Lieblinge der Medien», spielten im Parlament aber «eine bescheidene Rolle».

Auf der Basis der Abstimmungen im Nationalrat berechnete die Sonntagszeitung in einer weiteren Analyse, wie häufig alle Volksvertreterinnen und -vertreter bei Gesamtabstimmungen in der 50. Legislatur zur Mehrheit gehört hatten. Wenig überraschend fanden sich auf den vorderen Rängen – die Sonntagszeitung nannte sie «die Erfolgreichsten» – Mitglieder der CVP- und der BDP-Fraktion, die jeweils mit links oder rechts oder innerhalb einer grossen Koalition Mehrheiten schaffen. Angeführt wurde die Liste von Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL), die bei 98.5 Prozent aller Gesamtabstimmungen gleich wie die Mehrheit gestimmt hatte, was ihr in der Weltwoche den Titel «[d]ie mit dem Strom schwimmt» einbrachte. Auf Platz zwei und drei folgten Viola Amherd (cvp, VS; 98.3%) und Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS; 98.2%). Bei den 68 «Erfolglosesten» handelte es sich durchgängig um SVP-Fraktionsmitglieder, angeführt von Erich Hess (svp, BE; 46.8%), Toni Brunner (svp, SG; 48.8)%) und Pirmin Schwander (svp, SZ; 49.8%).

Mitte Oktober warteten dann schliesslich die NZZ und Le Temps mit ihrem alljährlich erscheinenden «Parlamentarier-Rating» auf. Erneut wiesen die auf der Basis des Abstimmungsverhaltens vorgenommenen Positionierungen der Parlamentsmitglieder auf einer Skala von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts) auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb der Parteien hin. Insbesondere an den Polen habe die Fraktionsdisziplin ein noch nie gekanntes Ausmass erreicht, so die NZZ. So hätten sich die Mitglieder der SP-Fraktion vor den Wahlen 2015 auf einer Skalen-Spannweite von 3.4 Punkten verteilt, im aktuellen Rating betrage dieser Wert lediglich noch 1.2 Punkte. Die Extrempositionen in der SP besetzten im aktuellen Rating Silvia Schenker (sp, BS; -10.0) und Adrian Wüthrich (sp, BE; -8.8). Eine im Vergleich zu 2015 wesentlich grössere Fraktionsdisziplin wiesen bei dieser Berechnung auch die Grünen auf. Lagen das am meisten linke und am meisten rechte grüne Fraktionsmitglied 2015 noch um 2.7 Skalenpunkte auseinander, trennten Maya Graf (gp, BL; -9.2) und die drei ganz am linken Rand politisierenden Michael Töngi (gp, LU; -10.0), Irène Kälin (gp, AG; -10.0) und Regula Rytz (gp, BE; -10.0) im Jahr 2019 lediglich noch 0.8 Skalenpunkte. Damit waren die Grünen im Durchschnitt erstmals seit 2011 wieder weiter links positioniert als die SP: «Les Verts n'ont jamais été aussi à gauche», war dies Le Temps gar die Überschrift der Analyse wert. Am anderen Ende der Skala, bei der SVP, verringerte sich der Wert der Spannweite von 3.7 auf 1.2 Punkte – ohne Berücksichtigung von Roberta Pantani (lega, TI), die zwar der SVP-Fraktion angehört, aber die Lega vertritt und mit einem Wert von 8.2 die am weitesten «linke» Position in der SVP-Fraktion im Nationalrat vertrat. Gleich drei SVP-Nationalräte politisierten ganz rechts aussen und wiesen einen Skalenwert von 10.0 aus: Toni Brunner, Luzi Stamm (svp, AG) und Adrian Amstutz (svp, BE). Jean-Pierre Grin (svp, VD) fand sich bei Position 8.8 und war damit das am weitesten links positionierte Mitglied der SVP im Nationalrat. Selbst bei der CVP war eine Disziplinierung festzustellen: Es zeigte sich im Vergleich zu 2015 ein Rückgang der Spannweite von 3.6 auf 2.6 Punkte, wobei die Fraktion im Vergleich zum Vorjahr zahlreiche Mitglieder leicht rechts von der Mitte aufwies und sich von -1.0 (Dominique de Buman; cvp, FR) bis 1.6 (Philipp-Matthias Bregy; cvp, VS) erstreckte. Die der CVP-Fraktion angehörenden EVP-Mitglieder waren wesentlich weiter links als ihre Fraktion: Niklaus Gugger (ZH) wurde auf der Skala bei -4.2 und Marianne Streiff-Feller (BE) bei -4.3 eingestuft. Die restlichen drei Fraktionen hingegen waren im Vergleich zu 2015 heterogener geworden. Bei der FDP war die Zunahme von 2.5 auf 2.6 Skalenpunkte freilich minim. Die Fraktionsgrenzen wurden bei den Freisinnigen von Walter Müller (fdp, SG; 4.5) und Christa Markwalder (fdp, BE; 1.9) eingenommen. Grössere Sprünge machten die BDP und die GLP. Während sich bei der BDP die Spannweite im Vergleich zu 2015 von 1.2 auf 2.0 fast verdoppelte – wie schon 2015 deckte Rosmarie Quadranti (bdp, ZH; -1.7) die linke Flanke ab, während sich Hans Grunder (bdp, BE; 0.3) am rechten Rand der BDP positionierte – wuchs die Heterogenität innerhalb der traditionell eigentlich sehr homogenen GLP von 0.5 auf 2.7 Skalenpunkte an. Hauptgrund dafür war Daniel Frei (glp, ZH), der von der SP in die GLP gewechselt hatte und mit seiner Position von -5.7 zwar weit weg vom rechten Rand der SP (-8.8), aber auch weit weg vom linken Rand der bisherigen GLP-Mitglieder war. Dieser wurde von Kathrin Bertschy (glp, BE; -3.5) eingenommen, die in der Tat lediglich 0.5 Skalenpunkte von Martin Bäumle (-3.0), also dem rechten GLP-Rand, positioniert war. Die politische Landschaft verarme, schloss die NZZ aus diesen Zahlen. Vor allem zwischen den Mitte- und den Polparteien klaffe eine Lücke. Dort hätten früher moderate SVP- und SP-Vertreter als Brückenbauer gewirkt. Schuld für die zunehmende Fraktionsdisziplin seien aber nicht nur die Parteizentralen, sondern auch die wachsende Zahl an zu behandelnden Geschäften, bei denen Parlamentsmitglieder keine fundierte eigene Meinung mehr bilden könnten und deshalb gemäss der Empfehlung der Parteileitung stimmten.
Die zahlreichen auf die neue Legislatur 2019 bis 2023 hin angekündigten Rücktritte im Ständerat veranlasste die Verfasser des Ratings zur Spekulation eines Rechtsrutschs der kleinen Kammer nach den Wahlen 2019. Die politische Mitte des Ständerats befinde sich bei Pirmin Bischof, also bei -2.8. Da elf zurücktretende Kantonsvertreterinnen und -vertreter links und lediglich sieben rechts von Bischof seien und alle zurücktretenden im Schnitt deutlich linker (-5.3) positioniert seien als die wieder antretenden (-2.3), stellten die Ständeratswahlen vor allem für Mitte-Links eine Herausforderung dar, so die NZZ. Eindrücklich liess sich dies anhand von Raphaël Comte (fdp, NE) nachzeichnen. Der Neuenburger Freisinnige positionierte sich mit -5.7 näher bei Daniel Jositsch (sp, ZH), der mit -6.8 den rechten Rand der SP in der kleinen Kammer besetzte, als bei seinem am weitesten rechts positionierten Fraktionskollegen Philipp Müller (fdp, AG; 4.5) und dem Schnitt der FDP (2.3). Da Comte nicht mehr antrete, sei wohl auch in der FDP mit einem Rechtsrutsch in der kleinen Kammer zu rechnen.

Nationalratsrating

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in den sechs Kantonen Zürich, Luzern, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und Tessin stattfanden, musste die CVP einige Verluste verkraften. Insgesamt gab die Partei in diesen sechs Kantonen sieben Parlamentsmandate und ein Regierungsratsmandat ab. In ihrer Hochburg Luzern verzeichnete die CVP gar dramatische Sitzverluste – ein Trend, der im Innerschweizer Kanton seit den kantonalen Wahlen im Jahr 2011 zu beobachten ist. In Luzern verlor sie vier Sitze in der Legislative (neu: 34 Sitze) sowie 3.4 Prozentpunkten der Wählerschaft (neu: 27.5%). Auch im Kanton Tessin erlitt die CVP eine – wenn auch weniger bittere – Niederlage. Nicht nur verlor die Partei in diesem Kanton ein Parlamentsmandat (neu: 16 Sitze) und einen Prozentpunkt der Wählerschaft (neu: 17.6%), sondern kassierte auch die unerwartete Abwahl des amtierenden Regierungsrates Paolo Beltraminelli. An Beltraminellis Stelle wählte die Tessiner Stimmbevölkerung allerdings einen anderen CVP-Vertreter, nämlich Raffaele De Rosa. Im Kanton Zürich verlor die CVP einen Sitz im Parlament, konnte aber den Sitz in der Exekutive verteidigen. Im Kanton Basel-Landschaft, wo die CVP traditionell eher schwach ist, konnte die Partei ihre Sitze sowohl in der Legislative (acht Sitze) als auch in der Exekutive (einen Sitz) halten. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden verlor die CVP einen Parlamentssitz (neu: drei Sitze) und im Kanton Appenzell Innerrhoden blieb sie dominierende Kraft in die Exekutive, trotz Verlust eines Sitzes (neu: zwei Sitze) zugunsten von Parteilosen.

Erfolge und Verluste der CVP in den kantonalen Wahlen

Die SP verzeichnete bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in sechs Kantonen (ZH, LU, BL, AR, AI, TI) stattfanden, einige Erfolge.
Im Kanton Zürich verlor die Partei zwar einen Sitz im Parlament (neu: 35 Sitze); sie bestätigte aber ihre zwei Sitze in der Exekutive. Der Wähleranteil ging um 0.4 Prozentpunkte zurück (neu: 19.3 Prozent).
Im Kanton Luzern feierte die SP hingegen Erfolge. Der Wähleranteil stieg um 2 Prozentpunkte (neu: 13.8%) und die Genossinnen und Genossen konnten so um drei Sitze in der kantonalen Legislative zulegen (neu: 19 Sitze). Der Eingang in die Exekutive blieb der SP in Luzern aber auch bei den Wahlen 2019 verwehrt.
Im Rahmen des sogenannten Dreikönigstreffens, das im Januar stattfand, lancierte die SP ihre Kampagne im Kanton Basel-Landschaft. Die Partei verfolgte hier eine klare Wahlstrategie: Vorgesehen war, 10'000 Gespräche am Telefon und auf der Strasse durchzuführen. Dies bestätigte Parteipräsident Adil Koller in einem Interview in der Basellandschaftlichen Zeitung. Bis Mitte März, also gut zwei Wochen vor den Wahlen, hatte die SP 4'500 Gespräche mit 200 Freiwilligen durchgeführt. Als weiteres Element im Wahlkampf der Sozialdemokraten setzten sich alle Landratskandidierenden mit ihren Freunden, Verwandten und Bekannten an einen Tisch, um über Politik zu reden. Diese Kampagne entstand auch als Strategie gegen die von der FDP eingesetzte (und teils umstrittene) «Door2Door»-Wahlkampagne. Die Strategie schien aufzugehen, gewann die SP am Wahlsonntag doch einen zusätzlichen Sitz im Parlament (neu: 22 Sitze) und holte sich vor allem den Sitz in der Regierung zurück. In die Exekutive wurde Kathrin Schweizer gewählt. Die SP erhöhte zudem ihren Wähleranteil um knapp einen Prozentpunkt (neu: 22.8 Prozent).
Die Sozialdemokraten gewannen auch im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Hier schaffte es die Partei, zwei Sitze im Parlament zu erobern (neu: 9 Sitze). Zudem bestätigte sie ihren Sitz in der Regierung. Der Wähleranteil stieg hier gar um 3.2 Prozentpunkte (neu: 14.7%).
Im Tessin bestätigte die SP ihre 13 Sitze im Parlament und den Sitz in der Regierung. Der Wähleranteil betrug neu 17.1 Prozent, 2.25 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2015 und die Partei wurde damit wieder die vierte politische Kraft in der Südschweiz. Der Parteipräsident Igor Righini zog entsprechend eine positive Bilanz, auch weil der Sitz der SP in der Exekutive im Vorfeld der Wahlen von den bürgerlichen Parteien FDP und SVP beansprucht worden war. Eine Befragung der Tessiner Zeitung Corriere del Ticino hatte dieses mögliche Szenario mit Hilfe eines Wahlbarometers bestätigt: Die Umfrage sagte voraus, dass die SP einen Sitzverlust riskiere. Die Wiederwahl von Manuele Bertoli stellte für die Tessiner SP entsprechend einen wichtigen Erfolg dar.
Im Kanton Appenzell-Innerrhoden präsentierte die SP keine Kandidatur.

Erfolge und Verluste der SP in den kantonalen Wahlen

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen 2019, die in sechs Kantonen stattfanden (ZH, LU, BL, AR, AI und TI) verzeichnete die SVP sowohl Sitz- als auch Wählerverluste. Im Kanton Zürich verlor die kantonale SVP – die im Januar ihren Wahlkampf mit den Themen Steuersenkungen, Sozialhilfeabbau und Sicherheit startete – total neun von 54 Sitzen im Kantonsrat (neu: 45 Sitze). Lediglich 24 der 54 im Jahr 2015 gewählten SVP-Vertreterinnen und Vertreter kandidierten erneut. Die Partei verlor in fast allen Gemeinden Wähleranteile. Insgesamt sank die Wählerstärke der SVP im Kanton Zürich um 5.5 Prozentpunkte (neu: 25.5%). Die Volkspartei blieb aber die stärkste Partei im Kanton Zürich. Diese bitteren Verluste machten deutlich, dass sich die Partei in einer Abwärtsspirale befand – wie der Tages-Anzeiger schrieb. Eine Abwärtsspirale, die bereits mit Verlusten bei den vergangenen kommunalen Wahlen begonnen habe (vgl. Stadt Zürich und Winterthur). Gemäss Tages-Anzeiger lag der Grund für die Verluste bei den kantonalen Wahlen darin, dass es der Partei nicht gelungen sei, ihre Wähler und Wählerinnen zu mobilisieren. Die SVP hingegen gab den Medien die Schuld für die Schlappe im Kanton Zürich. Albert Rösti – zitiert im Tages-Anzeiger – äusserte den Vorwurf, dass das Staatsfernsehen «aus dem Klimastreik eine nie da gewesene Propagandaschlacht gemacht» habe. Dies hätte – so der Präsident der nationalen SVP – den Grünen und den Grünliberalen bei den Wahlen geholfen und sei zulasten der SVP gegangen.
Auch im Kanton Luzern musste die SVP Verluste einstecken. Hier ging die Anzahl Sitze im Kantonsparlament um sieben zurück (neu: 22 Sitze). Die Partei verzeichnete auch ein Minus von 4.5 Prozentpunkten Wähleranteil (neu: 19.6 Prozent). Gründe für die Verluste der SVP lagen wohl auch hier bei der fehlenden Thematisierung der Klimadebatte und der ungenügenden Mobilisierung – obwohl Parteipräsidentin Angela Lüthold gegenüber den Medien meinte, die SVP habe sehr gut mobilisiert.
Auch im Kanton Basel-Landschaft erlitt die SVP eine Niederlage. Im Landrat verlor sie sieben Sitze (neu: 21 Sitze) und der Wähleranteil reduzierte sich um 4 Prozentpunkte (neu: 22.7%).
Verluste kassierte die SVP auch im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Hier verlor sie fünf Sitze (neu: sieben Sitze) im Parlament. Der Wähleranteil ging um 4.1 Prozentpunkte zurück (neu: 12.2%).
Einzig im Kanton Tessin konnte die SVP zulegen und eroberte zwei Sitze im Parlament (neu: 7 Sitze). Zudem gewann die Partei Wähleranteile in zahlreichen Gemeinden. Diese positiven Resultate feierten Parteipräsident Piero Marchesi und die Parteisektion mit einiger Euphorie.
Zusammenfassend war es hinsichtlich der kantonalen Wahlen aber ein bitteres Jahr für die SVP. Ausser im Tessin verzeichnete die Partei Sitz- und Wählerverluste in allen Kantonen, in denen 2019 Wahlen stattfanden.

Erfolge und Verluste der SVP in den kantonalen Wahlen

Lange Zeit waren die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats fast eine Pflichtübung. Das hatte vor allem damit zu tun, dass die eidgenössischen Wahlen lange Jahre kaum politische Verschiebungen nach sich zogen. Zwar war die alte Zauberformel (2 CVP, 2 FDP, 2 SP, 1 SVP) mit dem Wahlerfolg der SVP stark hinterfragt und schliesslich nach einigen Jahren der Transition mit mehr oder weniger gehässigen und aufreibenden Regierungswahlen, der Nichtwiederwahl von Ruth Metzler (2003) sowie Christoph Blocher (2007) und einem Intermezzo der BDP in der Regierung gesprengt worden. Nach den eidgenössischen Wahlen 2015, dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf aus der nationalen Exekutive und dem Einzug eines zweiten SVP-Regierungsmitglieds schien dann aber eine neue Formel gefunden: 2 FDP, 2 SP, 2 SVP, 1 CVP.

Schon im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 war freilich spekuliert worden, dass die Grüne Partei die CVP hinsichtlich des Wähleranteils überflügeln könnte und damit einen Anspruch auf einen Sitz in der nationalen Regierung hätte – umso mehr, wenn sich die Grünen mit der GLP quasi zu einem gemeinsamen Sitz für die «Öko-Parteien» zusammenraufen könnten, wie die Aargauer Zeitung spekulierte. Falls sich die CVP halten könnte, wäre auch der Angriff auf einen der beiden FDP-Sitze denkbar, so die Hypothese zahlreicher Medien. Die angegriffenen Parteien wehrten sich mit dem Argument, dass eine Partei ihren Wahlerfolg zuerst bestätigen müsse, bevor sie einen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung erhalten könne. Dies sei auch bei der SVP der Fall gewesen – so etwa FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) bereits Mitte August 2019 in der Zeitung Blick. Zudem dürfe nicht nur der Wähleranteil bei den Nationalratswahlen in die Berechnung einfliessen, sondern man müsse auch die Vertretung im Ständerat berücksichtigen. Martin Bäumle (glp, ZH), Ex-Präsident der GLP, gab zudem zu verstehen, dass ein Öko-Lager aus GP und GLP kaum denkbar sei; zu unterschiedlich sei man in diversen Sachfragen. Ebenfalls früh wurde in den Medien über einen möglichen Rücktritt von Ueli Maurer spekuliert, was aus der vermeintlichen Pflichtübung eine spannende Wahl gemacht hätte. Maurer gab dann allerdings Anfang November bekannt, noch eine weitere Legislatur anzuhängen.

Die aussergewöhnlichen Erfolge der Grünen Partei bei den eidgenössischen Wahlen 2019 gaben dann den Diskussionen über die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats sehr rasch wieder ganz viel Nahrung und schafften Raum für allerlei Reformvorschläge zur Bestimmung der Landesregierung. In der Tat hatten die Grünen mit 13 Prozent Wähleranteil die CVP (11.4%) deutlich überflügelt und als viertstärkste Partei abgelöst. Die GLP kam neu auf 7.8 Prozent. Die NZZ rechnete vor, dass die aktuelle Regierung so wenig Wählerinnen und Wähler vertrete wie zuletzt vor 60 Jahren. Die Grünen und die Grünliberalen hätten rein rechnerisch ein Anrecht auf je einen Bundesratssitz.
Neben den medial zahlreich vorgetragenen Berechnungen wurde allerdings auch inhaltlich und historisch argumentiert. Der Einbezug in die Regierung sei immer auch an den Umstand geknüpft gewesen, dass eine Oppositionspartei auch in verschiedenen Sachthemen glaubhaft ihre Referendumsmacht ausspielen könne, wurde etwa argumentiert. Zwar sei das Klimathema wichtig und würde wohl auch nachhaltig bleiben, die Grünen und die GLP müssten aber – wie auch die SVP mit ihren gewonnenen Volksbegehren – mit Abstimmungserfolgen ihren Anspruch noch untermauern, so ein Kommentar in der NZZ. Die Grünen würden trotz Wahlgewinnen keinen Regierungssitz erhalten, weil «niemand Angst vor ihnen hat», wie die Aargauer Zeitung diesen Umstand verdeutlichte. Argumentiert wurde zudem, dass eine «Abwahl» – eigentlich handelt es sich um eine Nichtwiederwahl – nicht dem politischen System der Schweiz entspreche. Es brauche mehrere Wahlen, bei denen sich eine Partei konsolidieren müsse, um die Stabilität in der Regierung auch über längere Zeit zu gewährleisten, kommentierte dazu der Blick.

Der Tages-Anzeiger führte gar eine Umfrage durch, die aufzeigte, dass eine Mehrheit der Befragten die Zeit für einen grünen Bundesrat noch nicht für gekommen hielt. Wer ein grünes Bundesratsmitglied jedoch befürwortete (rund 40% der Befragten), wünschte sich, dass dies auf Kosten eines Sitzes der SVP (50%) oder der FDP (21%), aber eher nicht auf Kosten der CVP (10%) oder der SP (6%) gehen solle.
Für die WoZ war allerdings klar: «Cassis muss weg!» In der Tat forderte auch Regula Rytz (gp, BE) via Medien, dass die FDP freiwillig auf einen Sitz verzichte, da sie als lediglich drittgrösste Partei keinen Anspruch auf zwei Sitze habe. In der Folge schienen sich die Medien dann in der Tat vor allem auf den zweiten Sitz der FDP einzuschiessen. Freilich wurden auch andere Modelle diskutiert – so etwa ein von Christoph Blocher in der Sonntagszeitung skizziertes Modell mit der SVP, die zwei Sitze behalten würde, und allen anderen grösseren Parteien (SP, FDP, CVP, GP, GLP) mit je einem Sitz –, «sämtliche Planspiele» drehten sich aber «um einen Namen: Aussenminister Ignazio Cassis», fasste die Aargauer Zeitung die allgemeine Stimmung zusammen. Er sei «der perfekte Feind», «visionslos und führungsschwach». Der Aussenminister befinde sich im «Trommelfeuer» befand die Weltwoche. Häufig wurde seine Haltung im Europadossier kritisiert und entweder ein Rücktritt oder wenigstens ein Departementswechsel gefordert. Mit Ersterem müsste allerdings die Minderheitenfrage neu gestellt werden, war doch die Vertretung des Tessins mit ein Hauptgrund für die Wahl Cassis im Jahr 2017. Der amtierende Aussenminister selber gab im Sonntags-Blick zu Protokoll, dass er sich als Tessiner häufig benachteiligt fühle und spielte so geschickt die Minderheitenkarte, wie verschiedene Medien tags darauf kommentierten. Die Sonntags-Zeitung wusste dann noch ein anderes Szenario zu präsentieren: Einige SVP-Parlamentarier – das Sonntagsblatt zitierte Andreas Glarner (svp, AG) und Mike Egger (svp, SG) – griffen Simonetta Sommaruga an und forderten, dass die SP zugunsten der Grünen auf einen Sitz verzichten müsse. Die CVP sei in «Versuchung», wagte sich dann auch die NZZ in die Debatte einzuschalten. Würde sie Hand bieten für einen grünen Sitz auf Kosten der FDP, dann könnte sie im Bundesrat «das Zünglein an der Waage» spielen und Mehrheiten nach links oder nach rechts schaffen. Die NZZ rechnete freilich auch vor, dass grün-links mit zusammen rund 30 Prozent Wähleranteil mit drei von sieben Regierungssitzen klar übervertreten wäre, denn die GLP dürfe man nicht zu den Grünen zählen. Dies hatten vor allem die Grünen selbst implizit immer wieder gemacht, indem sie vorrechneten, dass die GLP und die GP zusammen auf 21 Prozent Wähleranteile kämen.

Neben Kommentaren und Planspielen warteten die Medien auch mit möglichen grünen Bundesratsanwärterinnen und -anwärtern auf. Häufig gehandelte Namen waren die scheidende Parteipräsidentin Regula Rytz, die Waatländer Staatsrätin Béatrice Métraux (VD, gp), die Neo-Ständerätin Maya Graf (gp, BL), der Berner alt-Regierungsrat Bernhard Pulver (BE, gp), der amtierende Fraktionschef der Grünen, Balthasar Glättli (gp, ZH) oder der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (gp, ZH). Ins Gespräch brachte sich zudem der Genfer Staatsrat Antonio Hodgers (GE, gp).

Die Grünen selber gaben sich lange Zeit bedeckt und waren sich wohl auch bewusst, dass eine Kampfkandidatur nur geringe Chancen hätte. Sie entschieden sich zwar an ihrer Delegiertenversammlung Anfang November in Bern für eine forschere Gangart und forderten einen grünen Bundesratssitz – Regula Rytz sprach davon, dass vorzeitige Rücktritte aus dem Bundesrat ein Ärgernis seien, weil sie Anpassungen nach Wahlverschiebungen erschweren würden. Mit der Forderung war einstweilen aber noch kein Name verknüpft, was der Partei prompt als «Lavieren» ausgelegt wurde (Blick). «Der grüne Favorit», wie der Tages-Anzeiger Bernhard Pulver betitelte, sagte Mitte November, dass er nicht zur Verfügung stehe. Auch der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (BE, gp) und die Aargauer alt-Regierungsrätin Susanne Hochuli (AG, gp), die ebenfalls als Kandidierende gehandelt worden waren, sagten via Medien, dass sie nicht zur Verfügung stünden.
Die «Kronfavoritin» (Tages-Anzeiger) Regula Rytz ihrerseits stand im zweiten Umgang der Ständeratswahlen im Kanton Bern. Ihr wurden intakte Chancen eingeräumt und wohl auch um diese nicht zu gefährden, versicherte sie, dass sie auf eine Bundesratskandidatur verzichten würde, sollte sie für den Kanton Bern in die kleine Kammer gewählt werden. Da sie dies allerdings verpasste, kündigte die Bernerin rund 20 Tage vor den Bundesratswahlen ihre Kandidatur an – noch bevor die Fraktion offiziell beschlossen hatte, eine Kandidatur einzureichen. Nach einer solchen Richtungswahl, wie es die eidgenössischen Wahlen gewesen seien, könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, erklärte sie gegenüber der Presse. Sie wolle für die Menschen und die Natur Verantwortung übernehmen. Ihr Angriff gelte aber nur dem FDP-Sitz von Ignazio Cassis. Würde sie für ein anderes Regierungsmitglied gewählt, würde sie die Wahl nicht annehmen – so die Bernerin. Die Fraktion der Grünen gab dann allerdings tags darauf bekannt, dass es nicht um die Person, sondern um die Übervertretung der FDP gehe. Ein Angriff auf Karin Keller-Sutter schien damit nicht wirklich ausgeschlossen. Die nach aussen als wenig abgesprochen erscheinende Strategie für die Ansage der Kampfwahl brachte der GP Kritik ein. Die Partei zeige sich «unbeholfen» und der Start sei «misslungen», urteilte etwa die NZZ. Auch die Weltwoche redete von einem «verpatzten Start» und die Sonntagszeitung sprach gar von dilettantischem Vorgehen. Es sei, als wären die Grünen ein Sprinter, der kurz vor dem Ziel auf die Uhr schaue und sich hinknie, um die Schuhe zu binden, so die Zeitung weiter.

Eine medial oft diskutierte Frage im Vorfeld der Wahlen war, welche Parteien die Grünen in ihrem Anliegen unterstützen würden. Klar schien, dass die FDP nicht Hand bieten würde. Auch die SVP würde – wenn überhaupt – die GP nur auf Kosten der SP unterstützen. Die CVP bzw. die neue Mitte-Fraktion (CVP zusammen mit BDP und EVP) entschied, Rytz nicht einmal zu einem Hearing einzuladen. Man sei nicht gegen eine grüne Vertretung in der Regierung, es sei aber «etwas zu früh», liess sich CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der Sonntagszeitung zitieren. Die GLP und die SP gaben bekannt, Rytz vor den Wahlen anhören zu wollen. Für Schlagzeilen sorgte dabei SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR), der die CVP aufforderte, mitzuhelfen, die Grünen in die Regierung zu hieven. Die Schweiz wäre sonst die einzige Demokratie, in der Wahlen keine Auswirkungen auf die Regierungszusammensetzung hätten. Zudem würde sich die Weigerung der CVP wohl über kurz oder lang rächen. Bei der GLP zeigte sich das Dilemma zwischen ökologischem und liberalem Gedankengut. Insbesondere in der Europafrage fanden sich die GLP und der amtierende Aussenminister eher auf der gleichen Linie. Für Rytz spreche das ökologische Anliegen, gegen sie ihre eher linke Ausrichtung, erklärte Tiana Moser (glp, ZH) dann den Entscheid für Stimmfreigabe der GLP. Zudem würde Rytz ohne Absprache mit den Grünliberalen den «Sitz der Ökokräfte» für sich beanspruchen. Letztlich stellte sich einzig die SP-Fraktion offiziell hinter Rytz. Die eher laue Unterstützung und der Versuch der amtierenden Regierungsparteien, die eigene Macht zu zementieren, mache das Unterfangen «grüne Bundesrätin» für Regula Rytz zu einer «mission impossible», fasste die Zeitung Le Temps die Situation dann kurz vor den Wahlen zusammen.

Nicht die Medien, nicht Umfragen und «nicht die Wahlprozente» (NZZ), sondern die Vereinigte Bundesversammlung bestimmt freilich letztlich, welche Parteien in der Regierung vertreten sein sollen. Und diese Entscheidung brachte das Resultat, das viele im Vorfeld aufgrund der Aussagen der verschiedenen Parteien auch erwartet hatten: die Wiederwahl aller Amtierenden und das Scheitern des Angriffs der Grünen. Auch die Ansprachen der Fraktionschefinnen und -chefs im Vorfeld der einzelnen Wahlen – die Erneuerungswahlen finden in der Reihenfolge der Amtszeit der Bundesratsmitglieder statt – machten dies bereits deutlich. Die CVP plädierte für Konkordanz und Stabilität und die SVP betonte, dass zum Erfolgsmodell Schweiz die angemessene Vertretung der Landesteile in der Regierung gehöre – die Diskriminierung der kleinsten Sprachregion durch die Grüne Partei sei abzulehnen. Die GLP erklärte, dass die Stärkung der ökologischen Anliegen und der Wähleranteil der Grünen zum Vorteil für Rytz gereiche, ihre Positionierung am linken Rand und der fehlende Anspruch von links-grün auf drei Sitze aber gegen sie spreche. Die SP erklärte, die Zauberformel sei keine exakte Wissenschaft, aber die beiden stärksten Parteien sollten zwei Sitze und die restlichen jeweils einen Sitz erhalten, was für Regula Rytz spreche. Die Fraktion der Grünen geisselte den Umstand, dass die Regierungsparteien während der Legislatur Sitze «austauschten» und so bewusst verunmöglichten, dass das Parlament die Resultate nach eidgenössischen Wahlen berücksichtigen könne. Die FDP schliesslich wollte sich einer künftigen Diskussion um eine Anpassung der Zusammensetzung des Bundesrats nicht verschliessen, amtierende Regierungsmitglieder dürften aber nicht abgewählt werden.

Der Angriff der Grünen folgte bei der fünften Wahl, auch wenn der Name Regula Rytz schon bei der Bestätigungswahl von Simonetta Sommaruga auftauchte. Gegen die 145 Stimmen, die Ignazio Cassis erhielt, war Regula Rytz jedoch chancenlos. Sie erhielt 82 Stimmen, was in den Medien als schlechtes Abschneiden kommentiert wurde, hätten doch die Grünen (35 Stimmen) und die SP (48 Stimmen) in der Vereinigten Bundesversammlung gemeinsam über 83 Stimmen verfügt. Weil darunter sicherlich auch ein paar CVP- und GLP-Stimmen seien, müsse dies wohl so interpretiert werden, dass einige SP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier die grüne Konkurrenz fürchteten; Ignazio Cassis könne hingegen zufrieden sein. Von den 244 Wahlzetteln waren 6 leer geblieben und 11 enthielten andere Namen als «Rytz» oder «Cassis».
Schon zuvor hatten die meisten Parlamentsmitglieder auf Experimente verzichtet. Bei der ersten Wahl wurde der amtsälteste Bundesrat, Ueli Maurer, mit 213 von 221 gültigen Wahlzetteln gewählt. 23 der 244 ausgeteilten Bulletins waren leer geblieben und acht auf Diverse entfallen. Beim Wahlgang für Simonetta Sommaruga entfielen 13 Stimmen auf Regula Rytz und 13 Stimmen auf Diverse. Da ein Wahlzettel ungültig war und 25 leer blieben, durfte sich die künftige Bundespräsidentin über 192 Stimmen freuen. Alain Berset erhielt 214 Stimmen. Bei ihm waren 14 Wahlzettel leer geblieben und 16 auf Diverse entfallen. Die Anzahl ungültige (1) und Leerstimmen (39) wuchs dann bei Guy Parmelin wieder an, so dass der Wirtschaftsminister noch 191 Stimmen erhielt – 13 Stimmen entfielen auf Diverse. Einen eigentlichen «Exploit» (Tages-Anzeiger) erzielte Viola Amherd bei der sechsten Wahl. Mit 218 Stimmen erhielt sie die zweitmeisten Stimmen der Geschichte; nur Hans-Peter Tschudi hatte 1971 mehr Stimmen erhalten, nämlich 220. Elf Stimmen blieben leer und 14 entfielen auf Diverse. Eingelangt waren nur noch 243 Wahlzettel. Ein etwas seltsames Gebaren zeigt sich bei der letzten Wahl. Karin Keller-Sutter wurde zwar auch hier im Amt bestätigt, sie erhielt aber lediglich 169 Stimmen, da von den 244 ausgeteilten Wahlzetteln 37 leer und einer ungültig eingelegt wurden und 21 Stimmen auf Marcel Dobler (fdp, SG) sowie 16 auf Diverse entfielen. In den Medien wurde spekuliert, dass dies wohl eine Retourkutsche vor allem von Ostschweizer SVP-Mitgliedern gewesen sei, weil Keller-Sutter sich im St. Galler Ständeratswahlkampf zugunsten von Paul Rechsteiner (sp, SG) ausgesprochen habe.

Der Angriff der Grünen sei zwar gescheitert, dies könne für die Partei aber auch befreiend sein, könne sie nun doch Oppositionspolitik betreiben und mit Hilfe der direkten Demokratie den Druck auf die anderen Parteien erhöhen, urteilte Le Temps nach den Wahlen. Ihr Anspruch auf einen Bundesratssitz sei nach diesen Bundesratswahlen nicht einfach vom Tisch, kommentierte Balthasar Glättli. In zahlreichen Medien wurde zudem die Stabilität des politischen Systems betont – auch der Umstand, dass es zu keinem Departementswechsel kam, obwohl kurz über einen Wechsel zwischen Alain Berset und Ignazio Cassis spekuliert worden war, wurde als Indiz dafür gewertet. Doch Stabilität bedeute nicht Stillstand; die neuen Mehrheiten im Nationalrat müssten sich auch auf die Diskussionen um eine neue Zauberformel auswirken – so die einhellige Meinung der Kommentatoren. An einem vor allem von der CVP geforderten «Konkordanzgipfel» sollten Ideen für die künftige Zusammensetzung der Landesregierung beraten werden. Entsprechende Gespräche wurden auf Frühling 2020 terminiert.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2019
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Im Anschluss an die Gesamterneuerungswahlen und die Vereidigung der Bundesrätinnen und Bundesräte schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl der Bundespräsidentin und des Vizepräsidenten 2020. Turnusgemäss wurde die amtierende Vizepräsidentin Simonetta Sommaruga zur Präsidentin gewählt. Von den 243 ausgeteilten Wahlzetteln waren 37 leer und 6 ungültig. Von den 200 gültigen Stimmen erhielt die SP-Magistratin 186 – 14 Stimmen entfielen auf Diverse – und trat damit zum zweiten Mal nach 2015 ein Präsidialjahr an. Fünf Jahre zuvor hatte Sommaruga noch fünf Stimmen weniger erhalten.
In ihrer an die Wahl folgenden Ansprache betonte die Neo-Präsidentin, dass zu Beginn der neuen Legislatur Aufbruchstimmung in der Luft liege. Noch nie zuvor habe ein Parlament die Bevölkerung so breit abgebildet, noch nie hätte es darin so viele Mütter, Frauen und junge Menschen gegeben. Es gebe jetzt im Parlament einen Wickeltisch und ein Stillzimmer und zwar dort, wo früher geraucht worden sei. «Sie sehen: Die Luft wird besser». Altersvorsorge, Klimaschutz und das Verhältnis zu Europa seien die Themen, die sie in ihrem Präsidialjahr besonders beachten wolle. Es brauche Zusammenarbeit, wozu sie auch heftige Debatten und Uneinigkeit zähle. Am Schluss müssten aber Lösungen gefunden werden, die die Bevölkerung mittrage. Die direkte Demokratie stelle hohe Anforderungen an Bundesrat und Parlament und das sei auch gut so, endete die Vorsteherin des UVEK und erhielt dafür grossen Beifall.
Zum Vizepräsidenten wählte die Vereinigte Bundesversammlung ebenfalls gemäss Turnus den amtierenden Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Von den noch 240 ausgeteilten Wahlzetteln gingen 238 ein. 52 blieben leer und 3 waren ungültig. Parmelin erhielt 168 Stimmen und 15 entfielen auf Diverse. Damit lag der Wirtschaftsminister leicht über dem Schnitt, der bei Wahlen für das Vizepräsidium seit dem Jahr 2000 bei knapp 163 Stimmen liegt.

2020 - Simonetta Sommaruga
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Neben den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates gerät die Wahl des Bundeskanzlers für die neue Amtsdauer in der Regel ein wenig in Vergessenheit, obwohl dieser immer wieder als «achter Bundesrat» bezeichnet wird. Der amtierende Bundeskanzler Walter Thurnherr war denn im Vorfeld der Ersatzwahlen 2018 auch immer wieder als Geheimfavorit für die Nachfolge von Doris Leuthard gehandelt worden, wäre damals also sozusagen vom achten zum siebten Bundesrat aufgestiegen. Thurnherr hatte freilich stets deutlich gemacht, dass er eine allfällige Wahl nicht annehmen würde. Die Bestätigung als Bundeskanzler bei den Gesamterneuerungswahlen 2019 nahm er dann allerdings sehr wohl an, was er – zusammen mit den bestätigten Bundesrätinnen und Bundesräten – mittels Vereidigung auch kenntlich machte. Thurnherr hatte 219 von 224 gültigen Stimmen erhalten. Von den 241 eingelangten Wahlzetteln blieben 14 leer, drei waren ungültig und fünf entfielen auf Diverse. Die 219 Stimmen waren zwar nicht mehr das Glanzresultat wie vor vier Jahren, als das CVP-Mitglied ganze 230 von 234 gültigen (und 245 eingelangten) Stimmen erhalten hatte, sie lagen aber immer noch weit über dem Durchschnitt der letzten fünf Bundeskanzlerwahlen (179).

Bundeskanzler Walther Thurnheer für die neue Amtsdauer bestätigt
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler

Bei den Bunderstaswahlen 2019 bestätigte die CVP ihren Sitz: Ihre bisherige Bundesrätin Viola Amherd wurde mit dem besten Resultat (218 Stimmen) wiedergewählt.
Nach vielen Spekulationen in den Medien über eine mögliche Unterstützung der CVP für einen grünen Bundesratssitz entschied sich die Mitte-Fraktion gegen den Angriff auf amtierende Bundesräte und für eine angemessene Vertretung der Sprachregionen und unterstützte folglich FDP-Bundesrat Ignazio Cassis – wie Gerhard Pfister (cvp, ZG) in der NZZ erläuterte. Entsprechend verzichtete die CVP auch darauf, Grünen-Kandidatin Regula Rytz zu einem Hearing einzuladen. Die WOZ wusste jedoch zu berichten, dass Gerhard Pfister Regula Rytz durchaus hätte einladen wollen, um so Druck auf die FDP auszuüben. Sein Ziel sei es gewesen, die Freisinnigen dadurch zu einer Zusage zu bewegen, Viola Amherd bei den Bundesratswahlen 2019 nicht abzuwählen. Er sei jedoch von der Fraktion überstimmt worden.
Gerhard Pfister äusserte sich in den Medien auch über die Zauberformel und erklärte, dass er einen Konkordanz-Gipfel organisieren werde, um über die Zusammensetzung des Bundesrates zu diskutieren. Die Parteien müssten eine neue Zauberformel für die Bundesratszusammensetzung erfinden, wobei die FDP wohl einen Bundesratssitz abgeben müsste. Die entsprechenden Gespräche – so Pfister – sollten im neuen Jahr beginnen.

Resultate der CVP bei den Bunderstaswahlen 2019

Der Nationalrat folgte in der Wintersession 2019 stillschweigend und diskussionslos seiner Schwesterkammer und nahm eine Motion der UREK-SR an, die eine langfristige Stromversorgungssicherheit in der Schweiz und eine Klärung der Verantwortlichkeiten verlangte. Die vorberatende und ebenfalls einstimmig gesinnte UREK-NR betonte die Wichtigkeit der Vorlage und verwies auf ihre eigene Motion 17.3970 («Revision des StromVG. Etablierung einer strategischen Reserve»), deren Stossrichtung dieselbe war. Beide Geschäfte forderten die Sicherstellung der langfristigen Stromversorgungssicherheit. Mittelfristig bis 2025 seien zwar grundsätzlich keine Stromengpässe zu erwarten, langfristig bestünden aber viele Unklarheiten, so zum Beispiel darüber, wie der Ausbau der Produktion in der Schweiz und in Europa verlaufen werde, inwieweit die Schweiz in den EU-Strombinnenmarkt eingebunden sein werde und wie stark ökologische Überlegungen der Dekarbonisierung im Bereich der Klimapolitik Auswirkungen auf die Strombranche haben würden. Von grosser Wichtigkeit sei daher vor allem die Beachtung des Zusammenspiels zwischen Energie- und Klimapolitik. Mit der Annahme der Motion wird sich der Bundesrat dieser zentralen Frage annehmen müssen.

Langfristige Stromversorgungssicherheit: Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (Mo. UREK-SR 19.3004)
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit

Die CVP verzeichnete bei den Nationalratswahlen 2019 moderate Verluste: Die Partei verlor 0.2 Prozentpunkte Wähleranteile (neu: 11.4 Prozent) und zwei Mandate (neu: 25 Sitze), wurde aber von den Grünen aus den Top-4-Parteien verdrängt: Neu war die CVP nach der SVP, der SP, der FDP und den Grünen nur noch die fünftstärkste Partei im Nationalrat. Parteipräsident Gerhard Pfister kommentierte die Resultate in den Medien als «schlimm, aber nicht ganz, ganz schlimm». Die Niederlage kam denn auch nicht völlig unerwartet, so hatte die Partei gemäss Generalsekretärin Gianna Luzio (GR, cvp) vier Szenarien für die Wahlen vorbereitet: ein Minus beim Wähleranteil mit hohen Sitzverlusten; ein Minus mit etwas geringeren Sitzverlusten; knappes Halten der Sitzzahl; und die Variante «Sitzgewinn». Dieses letzte Szenario wurde – laut Luzio – aber nur kurz berücksichtigt. Die Medien führten die moderate Niederlage einerseits auf kantonsspezifische Gründe und andererseits auf eine «zornige» Motivation der Partei und der Kandidierenden zurück.

Bis September 2019 war die Wahlkampagne der CVP in den Medien kaum präsent gewesen. Die Partei hatte gemäss Blick auch auf eine nationale Plakat- und Inseratekampagne verzichtet, was die Zeitung als mögliche Ursache für ihren Absturz im letzten vor den Wahlen durchgeführten Wahlbarometer heranzog. Im Sonntags-Blick bestätigte Luzio kurz danach, dass die CVP die kommenden Wochen bis zu den Wahlen nutzen werde, um noch einmal richtig Werbung in eigener Sache zu machen. Die Partei lancierte in der Folge eine Online-Wahlkampagne, mit der sie – so Luzio – auf mehreren Internetseiten die Positionen der politischen Gegner kritisch beleuchtete und den Positionen der CVP gegenüberstellte. Diese Kampagne wurde von den Medien und den anderen Parteien stark kritisiert, unterm anderen, weil auch Kandidierende aus Parteien, mit denen die CVP eine Listenverbindung eingegangen war, kritisch beleuchtet wurden. Auch Politikberater Mark Balsiger bezeichnete den Wahlkampfstil als unüblich für die Schweiz; solche Angriffe auf den Gegner würden wohl als Dreckwerfen wahrgenommen. CVP-Präsident Pfister verteidigte hingegen das Vorgehen und betonte, es sei «durchaus legitim», «Unterschiede zu anderen Parteien aufzuzeigen». Bei einigen CVP-Kantonalparteien stiess die Kampagne auf Kritik; die CVP Tessin distanzierte sich zum Beispiel explizit davon. Mediensprecher Michaël Girod kündigte in den Zeitungen Mitte September die Weiterführung der Kampagne an, solange es das Wahlkampfbudget zulasse.

Resultate der CVP bei den Nationalratswahlen 2019

Als grösste Verliererin der Nationalratswahlen 2019 machten die Medien die SVP aus. Im Nationalrat verlor die Partei 12 Mandate (neu: 53 Sitze) und 3.8 Prozentpunkte Wähleranteile (neu: 25.6 Prozent). Die Partei bestätigte damit den negativen Trend, der schon in den kantonalen Erneuerungswahlen ersichtlich gewesen war, blieb aber trotzdem stärkste Kraft im Nationalrat. SVP-alt-Bundesrat Christoph Blocher nannte die Resultate auf Tele Blocher zwar «nicht schön», sie seien aber auch «keine Katastrophe». Die Medien vermuteten, dass die Partei wohl höhere Verluste erwartet habe. Trotz der Verluste erhielt Parteipräsident Albert Rösti (svp, BE) (svp, BE) von der Parteiführung viel Lob: Er sei im Wahlkampf sehr fleissig und präsent gewesen, zitierte die NZZ eine nicht namentlich genannte Person in der SVP-Führung. Auch Christoph Blocher bestätigte in einem Interview, dass ein Wechsel in der Parteileitung als Folge der schlechten Wahlresultate nicht geplant sei.

Im Wahlkampf hatte die SVP bereits im August 2019 für einige Beachtung gesorgt. Sie warb nämlich anfänglich auf einem Plakat für die National- und Ständeratswahlen 2019 mit dem Slogan «Sollen Linke und Nette die Schweiz zerstören?». Auf dem Plakat war ein Apfel zu sehen, der von fünf Würmern in den Parteifarben der politischen Gegner und einem Wurm mit einer EU-Flagge zerfressen wurde. Wie Albert Rösti in einem Blick-Interview erklärte, zeige das Plakat die zentrale Botschaft der SVP: Die SVP sei die einzige Partei, die keinen Rahmenvertrag mit automatischer Übernahme von EU-Recht wolle. Die Medien spekulierten, dass die SVP damit versuche, das EU-Thema anstelle des unter hoher Aufmerksamkeit stehenden, aber von der Volkspartei weniger stark bearbeiteten Klimawandels ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen, zumal ein weiteres Kernthema der SVP, nämlich die Asylpolitik aufgrund der niedrigen Asylquoten wohl zu wenig mobilisieren würde.
Das Plakat sorgte in den sozialen Medien für viel Kritik, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Zudem wurde es auch parteiintern kritisiert: Franz Grüter argumentierte in den Medien Medien, dass es eine bessere Bildsprache gäbe, um die Botschaft zu transportieren. Auch der Berner SVP-Kantonalpräsident und Ständeratskandidat Werner Salzmann, der Nationalrat Thomas Burgherr und weitere SVP-Kantonalpolitiker und -politikerinnen äusserten ihre Skepsis gegenüber dem Plakat. Parteipräsident Alfred Rösti verteidigte die Affiche und bestätigte gegenüber dem Sonntags-Blick, dass der «schöne Schweizer Apfel tatsächlich ausgehöhlt wird!». So werde die Schweiz etwa auch durch Abgaben und Steuern oder die Zuwanderung im Innern ausgehöhlt. Auch der Verantwortliche für die Wahlkampagne der SVP, Adrian Amstutz (svp, BE), wies gegenüber der NZZ den Vorwurf zurück, die Partei sei mit dem Motiv zu weit gegangen, und bestätigte, dass der Apfel Hauptsujet der SVP-Wahlkampagne 2019 bleiben werde.

Resultate der SVP bei den Nationalratswahlen

Die CVP konnte bei den Ständeratswahlen 2019 die Anzahl Sitze, die sie 2015 gewonnen hatte (13 Mandate), bestätigen. Die Partei verlor allerdings ihren Fraktionschef Filippo Lombardi, der die Wiederwahl im Tessin um 45 Stimmen verpasste. Gegen den knappen Wahlausgang reichte ein Tessiner Anwalt Rekurse beim kantonalen Verwaltungsgericht und beim Bundesgericht ein. Der Grund: Viele Auslandtessiner und -tessinerinnen hätten die Wahlunterlagen zu spät erhalten und hätten nicht rechtzeitig abstimmen können. Die Tessiner Regierung ging auf das Anliegen nicht ein und das kantonale Verwaltungsgericht konnte keinen formalen Fehler im zweiten Wahlgang feststellen. Der Anwalt reichte somit Rekurs gegen das Urteil beim Bundesgericht ein, das den Rekus aber ebenfalls abwies und die Abwahl Lombardis bestätigte.
Wie der Corriere del Ticino mitteilte, stellte die Abwahl von Lombardi für die Medien in der Deutschschweiz und in der Romandie eine grosse Überraschung dar. So hatte zum Beispiel der Blick anfangs Oktober noch geschrieben, dass «Lombardis Chancen auf den Ständeratssitz intakt» seien.

Resultate der CVP bei den Ständeratswahlen 2019

In der Herbstsession 2019 lehnte der Nationalrat (mit 139 zu 43 Stimmen bei 2 Enthaltungen) eine Motion Nantermod (fdp, VS) ab, in welcher der Walliser eine (partielle) Liberalisierung des Stromzählermarktes forderte. Derzeit könnten der Verkauf, die Vermietung, die Installation und die Dienstleistungen im Bereich Messsysteme von Gesetzes wegen nur vom jeweiligen Netzbetreiber vorgenommen werden, was die Innovation hemme und den Vertreiberfirmen die Kassen auf Kosten der Endkonsumentinnen und Endkonsumenten fülle – «une poule aux oeufs d'or» wie es Nantermod vor dem Plenum bezeichnete. Der Bundesrat solle deshalb prüfen, ob es sinnvoll wäre, dieses Monopol zumindest in einigen Bereichen – beispielsweise nur für gewisse Kategorien von Endverbraucherinnen und Endverbrauchern – aufzubrechen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga pflichtete dem Motionär im Rat bei, dass eine teilweise oder vollständige Öffnung des Messwesens ein grosses Innovationspotential verspreche und dass die Preisgestaltung aufgrund des fehlenden Wettbewerbs tatsächlich nicht überall korrekt ausfalle. Die Energieministerin versprach deshalb, das Begehren demnächst im Rahmen der Beratungen zur Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) aufzunehmen – wo im Bereich Liberalisierung der Zählgeräte bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden sei. Der Bundesrat habe die Motion deshalb 2017 vorwiegend aus verfahrenstechnischen Gründen abgewiesen. Trotz der Ablehnung des Nationalrates und der ablehnenden Empfehlung des Bundesrates dürfte das vorliegende Anliegen demnach in einem anderen Mantel wieder auf der Traktandenliste erscheinen.

Liberalisierung des Stromzähler-Markts (Mo. 17.3923)

Eine «schöne Schweizer Politgeschichte» erzählte im September 2019 die NZZ. Diese zeige, dass Bundesbern nicht einfach zerstritten sei, sondern dass sich «Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Lager auch menschlich gut verstünden» – so dann das Urteil der Aargauer Zeitung im Jahresrückblick. Die Episode verrate viel über den Betrieb in Bern, begann die NZZ ihre Geschichte: Bei einem Nachtessen nach einer WAK-Sitzung in Solothurn erzählte Christian Levrat (sp, FR), dass er am nächsten Tag nicht zur Maturafeier seiner Tochter fahre, da er in der Kommission die Position der SP im Versicherungsvertragsgesetz vertreten müsse. Dass der politische Kampf vorgehe, sei mit der Tochter abgesprochen. Konrad Graber (cvp, LU), der in der Nähe von Christian Levrat sass, redete dem Sozialdemokraten ins Gewissen: So einen wichtigen Anlass dürfe er nicht verpassen. Weil der SP-Präsident aber so kurzfristig keinen Ersatz fand, schlug ihm der CVP-Politiker vor, in der Kommission sozusagen für Levrat und immer gleich zu stimmen, wie das zweite SP-Mitglied in der WAK, Roberto Zanetti (sp, SO). Levrat nahm das Angebot an, fand dann aber seinen Autoschlüssel nicht, was Finanzminister Ueli Maurer auf den Plan rief, der ebenfalls anwesend war, um über die Vorlage zu diskutieren. Flugs bot der SVP-Magistrat seine Bundesratslimousine samt Chauffeur an: «Und so kommt es, dass der oberste Sozialdemokrat in der Limousine des einstigen SVP-Präsidenten nach Bulle chauffiert wird und dort pünktlich eintrifft», bilanzierte die NZZ. In der Zwischenzeit war der Autoschlüssel Levrats gefunden worden, worauf sich erneut Ueli Maurer anbot, tags darauf seiner Limousine hinterherzufahren und das Auto von Levrat nach Bern zu fahren. Laut NZZ habe Roberto Zanetti seinem Parteikollegen in der Folge eine SMS geschickt: Graber habe stets korrekt gestimmt, Levrat solle aber in Zukunft sein Auto aufräumen. Man wisse nie, ob nicht der Bundespräsident damit im Land herumfahren müsse.

Bundesrat Maurer bietet SP-Präsident Levrat Bundesratslimousine an

Stillschweigend folgte der Ständerat in der Sommersession 2019 der einstimmigen UREK-SR, die im vorangehenden Februar eine Motion mit dem Ziel eingereicht hatte, die langfristige Stromversorgungssicherheit in der Schweiz sicherzustellen und dabei eine Klärung der Verantwortlichkeiten vorzunehmen. Die Energiekommission hatte die künftige Versorgungssicherheit in der Schweiz als unsicher erachtet, da mit dem vorgesehenen mittelfristigen Atomausstieg ein erheblicher Teil der inländischen Stromproduktion wegfallen wird und gleichzeitig noch kein Stromabkommen mit der EU abgeschlossen worden ist, welches eine vollständige Teilnahme am EU-Strombinnenmarkt ermöglichen würde und das Problem der Versorgungssicherheit entschärfen könnte. Bei der Planung müsse deshalb auch vom Szenario ausgegangen werden, dass kein Abkommen mit der EU zustande kommt, erklärte die Kommission. Der Bundesrat dürfe zudem die sinkende Exportfähigkeit der Nachbarländer nicht unterschätzen, da auch diese Umwälzungen in ihren Energiesystemen durch den Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie durchleben würden. Als konkrete Forderung nannte die Kommission deshalb, dass der Bundesrat im Rahmen der Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) eine Marktordnung unterbreitet, welche eine angemessene Stromproduktion im Inland anstrebt, um eine langfristige Versorgungssicherheit zu erreichen. Diese Marktordnung soll dabei die Ziele der Energiestrategie 2050 sowie jene zur Senkung des CO2-Ausstosses beachten. Zur Erreichung des angestrebten Zuwachses der Investitionen in erneuerbare Energien bedürfe es deshalb auch der Ausarbeitung neuer Förderinstrumente, welche die bestehenden und im Jahr 2023 auslaufenden Massnahmen ersetzen. Um für Entscheidungs- und Planungssicherheit zu sorgen, sollen zudem die Verantwortlichkeiten im Bereich der Stromversorgungssicherheit gesetzlich geklärt werden.
Die Kommission hatte ihre Forderungen mit einem Bericht der ELCOM vom Mai 2018 untermauert, in welchem die Elektrizitätskommission gemahnt hatte, dass vor allem fürs Winterhalbjahr weitere Massnahmen zu ergreifen seien, um zukünftig eine angemessene Inlandsproduktion – angesichts des mittelfristig wegfallenden Atomstroms und der bisher nicht erfolgten Umsetzung der Richtwerte beim Zuwachs von Windenergie und Geothermie – zu erreichen. Auch der Bundesrat erachtete das Anliegen als sinnvoll und möchte dieses in die laufenden Arbeiten bei der Ausarbeitung des Marktmodells integrieren.

Langfristige Stromversorgungssicherheit: Sicherstellung und Klärung der Verantwortlichkeiten (Mo. UREK-SR 19.3004)
Dossier: Energie - Versorgungssicherheit

Lediglich der Walliser CVP Neo-Nationalrat Philipp-Matthias Bregy und alle anwesenden Mitglieder der SVP-Fraktion unterstützten die Motion Ruppen (svp, VS), die verlangte, dass Personen, die bei Bundesratswahlen bisher unter dem Begriff «Diverse» aufgeführt werden, zukünftig namentlich erwähnt werden sollten. Ruppen wollte mit seinem Vorstoss das Büro-NR zu einem Gesetzesvorschlag verpflichten, der bestimmt, dass bei Wahlen in den Bundesrat in allen Wahlgängen die Resultate aller Personen verlesen werden müssen, die Stimmen erhalten haben. Die gängige Regel ist, dass im ersten und im zweiten Wahlgang Personen mit weniger als 10 Stimmen unter Diverse aufgeführt werden.
Diese Praxis habe sich bewährt, führte Edith Graf-Litscher (sp, TG) für das Büro aus. Es würde zu falschen Anreizen führen und sei einer Bundesratswahl nicht würdig, wenn alle Personen, die auch nur eine Stimme erhalten hätten, genannt werden müssten. Man müsse zudem bedenken, dass die Regelung auch für alle anderen Wahlen (z.B. Richterwahlen) angewendet werden müsste. Ruppen hingegen führte das Beispiel der Wahl von Karin Keller-Sutter in die Exekutive ins Feld. Damals hätten Verschiedene 27 Stimmen erhalten. Man wisse nun nicht – lediglich die Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler, die zu Stillschweigen verpflichtet seien – ob das 27 Einzelpersonen gewesen seien oder aber drei Personen mit je 9 Stimmen. Dies sei stossend, weil Resultate von wichtigen Wahlen transparent sein müssten. Die total 63 befürwortenden Stimmen kamen aber gegen die 113 ablehnenden Stimmen (1 Enthaltung) nicht an.

Diverse bei Bundesratswahlen namentlich erwähnen

Nachdem das Parlament das Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze im Dezember 2017 angenommen hatte, startete der Bundesrat im Sommer 2018 die Vernehmlassung für die Änderung der neun betreffenden Verordnungen. Im April 2019 kündigte er an, die Verordnungsrevisionen sowie das Bundesgesetz – gegen welches kein Referendum ergriffen worden war – per 1. Juni 2019 in Kraft treten zu lassen, wobei einige Bestimmungen erst in den Jahren 2020 und 2021 nachfolgen werden. Mit dem neuen Gesetz und den entsprechenden Verordnungen – welche teilweise nach der Vernehmlassung einige technische Änderungen erfahren hatten – soll eine rasche Flexibilisierung und Entwicklung des Stromnetzes angestrebt werden, um einerseits die bestehenden Engpässe im Übertragungsnetz zu verringern und andererseits der zunehmend dezentralen Energieversorgungsstruktur entgegenzukommen. Als zentrale Massnahmen gelten hierbei beispielsweise die neuen (ab 1. Juni 2020 geltenden) Bestimmungen zur Verlegung von Stromleitungen in den Boden und die betreffenden Regelungen zur Deckung dieser Mehrkosten im Vergleich zu Überlandleitungen. Zudem traten mit den neuen Bestimmungen eine zusätzliche befristete Unterstützungsmassnahme für die Wasserenergie sowie einige Konkretisierungen der Vorgaben für intelligente Messsysteme, die angesichts der komplexen Energieversorgungsstruktur – beispielsweise aufgrund von dezentral liegenden und unregelmässig Strom produzierenden Solaranlagen – zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität beitragen sollen, in Kraft.

Bundesgesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze

Dass der internationale Stromtransit durch die Schweiz teilweise zu Netzengpässen in der Übertragung führen kann, machte ein Vorfall vom 20. Mai 2019 deutlich. Während mehrerer Stunden sei die Situation sehr ernst gewesen und man habe kurz vor einem Blackout gestanden, wie die Presse berichtete. Von einem solchen flächendeckenden Stromausfall betroffen gewesen wären jedoch nicht nur die Schweiz, sondern auch Norditalien und Teile von Frankreich. Ein Interesse an einer raschen Lösung für das Problem sei gemäss der Basler Zeitung deshalb wohl auch vonseiten der EU zu erwarten. Mit einem Abkommen würde die Schweiz besser in die Planung der Stromflüsse einbezogen werden und bessere Kenntnis über die geplanten Lastflüsse erhalten, weshalb Swissgrid «an vorderster Front für ein Stromabkommen mit der EU» kämpfe, so der Tages-Anzeiger.

Internationaler Stromtransit durch die Schweiz wird zum Problem
Dossier: Stromabkommen mit der EU

Im Februar 2019 gab der Bundesrat bekannt, die Änderungen der Energieförderungsverordnung und der Energieverordnung per 1. April 2019 in Kraft treten zu lassen. Damit werden unter anderem die Förderbeiträge für Photovoltaikanlagen angepasst: Einerseits sinkt damit die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für grosse Anlagen mit einer Leistung ab 100 kW von elf auf zehn Rappen pro kWh. Diese Art von Vergütung steht allerdings nur noch für wenige hundert Anlagen zur Verfügung und läuft Ende 2022 aus. Mit der Revision treten zudem Anpassungen der KEV in den Bereichen Geothermie-, Wind- und Wasserkraftanlagen in Kraft. Andererseits sinkt auch die Einmalvergütung (EIV) für alle kleineren Photovoltaikanlagen mit einer Leistung bis 30 kW von CHF 400 auf CHF 340 pro kW, wobei aber der Grundbeitrag bei CHF 1400 unverändert bleibt. Für Anlagen über 30 kW wird hingegen die EIV – welche als Hauptförderungssystem bis 2030 vorgesehen ist – bei den bisherigen CHF 300 pro kW beibehalten, um den Zubau von grösseren Anlagen zu stärken. Gemäss dem Tages-Anzeiger plane Bundesrätin Simonetta Sommaruga zudem, die EIV-Beiträge auch im Jahr 2020 weiter zu senken, sodass ab 1. April 2020 alle Anlagen, unabhängig von ihrer Grösse, einen einmaligen Beitrag von CHF 300 pro Kilowatt Leistung erhalten. Die Anpassungen sollen das System vereinfachen und dem Preisrückgang für Solarmodule Rechnung tragen.

Teilrevisionen der Energieförderungsverordnung, der Energieverordnung und der Verordnung des UVEK über den Herkunftsnachweis und die Stromkennzeichnung

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Résumé
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Élections fédérales 2019


Des vagues vertes et violettes ont déferlé sur la Suisse lors des élections fédérales de 2019. En effet, celles-ci ont été marquées par la progression des partis écologistes et par une meilleure représentation des femmes sous la coupole. Portés par la présence de la question climatique dans le débat public, les vert.e.s sont passés de 13 à 35 parlementaires, et les vert'libéraux de 7 à 16. Les manifestations pour le climat ont permis à ce thème d'occuper le devant de la scène au cours de la campagne. De manière similaire, la grève des femmes du 14 juin 2019 a bénéficié d'une importante couverture médiatique. Dans les urnes, cela s'est traduit par une augmentation significative de la délégation féminine dans les deux chambres. 95 élues siégeront entre 2019 et 2023, contre 71 lors de la législature précédente.
En outre, la cuvée 2019 des élections fédérales s'est distinguée par un nombre record de candidatures. 4'645 personnes ont brigué un siège au Conseil national, contre 3'788 en 2015. Cette augmentation s'explique notamment par l'abandon des parrainages: les partis ont été exemptés de collecter des signatures pour présenter plusieurs listes. Ainsi, de multiples listes «jeunes», «femmes», «écologistes», «seniors» ou encore «innovation» ont été lancées. Avec divers apparentements, cela a permis à certain.e.s de grignoter les pourcentages nécessaires à la conquête d'un siège supplémentaire.

Lors de l'élection au Conseil national, les vert.e.s ont récolté 13.2 pour cent des voix (+6.1 points de pourcentage pp par rapport à 2015), franchissant ainsi pour la première fois la barre symbolique des dix pour cent. Leurs cousins vert'libéraux se sont établis à 7.8 pour cent (+3.2pp). Les partis gouvernementaux ont fait les frais de cette progression écologiste. Demeurant le premier parti du pays, l'UDC a cependant reculé à 25.6 pour cent (-3.8pp). Le PS a perdu 2pp pour s'établir à 16.8 pour cent, alors que le PLR a engrangé 15.1 pour cent des suffrages (-1.3pp). En perte de vitesse constante depuis plusieurs années, le PDC s'est fait passer devant par les vert.e.s. Avec 11.4 pour cent (-0.2pp), le parti démocrate-chrétien a réalisé le score le plus bas de son histoire. Enfin, le PBD a aussi perdu des plumes, avec un score de 2.5 pour cent (-1.6pp). En nombre effectif de mandats, 30 sièges sont revenus au groupe des vert.e.s, qui compte également deux membres de l'extrême-gauche (+18 par rapport à 2015). Les socialistes ont perdu 4 fauteuils mais en conservent 39. Les vert'libéraux obtiennent 16 mandats (+9) et le PLR 29 (-4). 31 parlementaires composent le groupe du centre (25 PDC, 3 PEV et 3 PBD), 5 de moins qu'en 2015. Malgré la perte de 12 sièges, le groupe UDC en compte encore 55, y compris un représentant de la Lega et un de l'UDF. Avec ce «Linksrutsch» («glissement à gauche»), les groupes UDC et PLR perdent la majorité absolue qu'ils détenaient entre 2015 et 2019.
Le vent de changement n'a en revanche pas atteint le Conseil des États. Favorisés par l'élection au système majoritaire pratiquée dans tous les cantons sauf le Jura et Neuchâtel, le PDC et le PLR demeurent les mieux représentés. Les démocrates-chrétiens ont conservé leurs 13 fauteuils. Le PLR en a perdu un pour s'établir à 12 mandats. Les vert.e.s ont progressé au détriment du PS. En effet, les écologistes (5 sièges) ont récolté 4 sièges supplémentaires, tandis que les socialistes (9 sièges) ont dû en abandonner 3. 6 sièges sont revenus à l'UDC (+1). Enfin, l'indépendant Thomas Minder a conservé son siège pour le canton de Schaffhouse.
L'étude électorale du FORS a révélé que le succès des vert.e.s était dû au soutien d'une grande part de l'électorat socialiste. En effet, un tiers des électeurs et électrices des vert.e.s avaient voté pour le PS en 2015. Globalement, le PES et le PVL ont bénéficié du soutien d'un électorat jeune. De son côté, l'UDC a eu de la peine à mobiliser son électorat, notamment car ses thèmes-phares, à savoir «l'immigration» et «l'asile», n'ont pas figuré en tête des problèmes jugés prioritaires par la population. Tandis que le PLR a aussi eu des difficultés à mobiliser son électorat, le PDC a pu compter sur ses fidèles. Pour le parti démocrate-chrétien, le bât blesse lorsqu'il s'agit de récolter des voix au-delà de ses troupes. En outre, la vague verte a été plus forte dans les villes que dans les campagnes. En revanche, pas de Röstigraben pour la progression écologiste, qui se fait ressentir tant en Suisse romande qu'en Suisse alémanique. Au Tessin, le succès des écologistes a été moins retentissant. L'arc lémanique et la région zurichoise ont connu les progressions les plus marquées des partis verts.
Poussé par son succès, le parti écologiste a revendiqué un siège au Conseil fédéral. Cependant, la candidature de la présidente du parti Regula Rytz (BE) n'a pas été couronnée de succès. Les partis bourgeois ont défendu le siège d'Ignazio Cassis et le Conseil fédéral a été renouvelé dans son intégralité.

Par canton:
Appenzell Rhodes-Extérieures: CE, CN
Appenzell Rhodes-Intérieures: CE, CN
Argovie: CE, CN
Bâle-Campagne: CE, CN
Bâle-Ville: CE, CN
Berne: CE, CN
Fribourg: CE, CN
Genève: CE, CN
Glaris: CE, CN
Grisons: CE, CN
Jura: CE, CN
Lucerne: CE, CN
Neuchâtel: CE, CN
Nidwald: CE, CN
Obwald: CE, CN
Saint-Gall: CE, CN
Schaffhouse: CE, CN
Schwytz: CE, CN
Soleure: CE, CN
Tessin: CE, CN
Thurgovie: CE, CN
Uri: CE, CN
Valais: CE, CN
Vaud: CE, CN
Zoug: CE, CN
Zurich: CE, CN
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Élections fédérales 2019 – Résumé / Eidgenössische Wahlen 2019 – Übersicht
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

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Zusammenfassung
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Eidgenössische Wahlen 2019

Eine grüne und eine violette Welle sind bei den eidgenössischen Wahlen 2019 über die Schweiz geschwappt. So waren die Wahlen geprägt vom Aufstieg der grünen Parteien und einer besseren Vertretung der Frauen im Bundeshaus. Getragen von der Präsenz der Klimafrage in der öffentlichen Debatte steigerten sich die Grünen von 13 auf 35 Sitze und die Grünliberalen von 7 auf 16. Unter anderem auch durch die Klimademonstrationen war das Thema im Laufe des Wahlkampfes stark in den Vordergrund gerückt. In ähnlicher Weise war der Frauenstreik am 14. Juni 2019 Gegenstand einer umfangreichen Berichterstattung in den Medien. Dies scheint sich dann an den Wahlurnen auch in einem deutlichen Anstieg der weiblichen Delegation in beiden Kammern abgebildet zu haben. 95 Frauen werden zwischen 2019 und 2023 im Parlament Einsitz nehmen, verglichen mit 71 in der vorherigen Legislaturperiode.
Darüber hinaus zeichneten sich die eidgenössischen Wahlen durch eine neue Rekordzahl an Kandidaturen aus. 4'645 Personen bewarben sich um einen Sitz im Nationalrat – gegenüber 3'788 im Jahr 2015. Dieser Anstieg dürfte auch auf die Abschaffung der Stimmrechtsbescheinigungen zurückzuführen sein: Die etablierten Parteien mussten keine Unterschriften mehr sammeln, um mehrere Listen aufstellen zu können. Dies führte zu einer Vielzahl von Listen für «Junge», «Frauen», «Grüne», «Senioren» oder «Innovation». Diese Unterlisten könnten es einigen Parteien ermöglicht haben, die für einen zusätzlichen Sitz erforderlichen Wählerinnen- und Wählerprozente zu erreichen.

Nationalrat: Am Wahltag erhielten die Grünen 13.2 Prozent der Stimmen (+6.1 Prozentpunkte (pp) im Vergleich zu 2015) und übersprangen damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte die symbolische Zehn-Prozent-Hürde. Die Grünliberalen kamen auf 7.8 Prozent (+3.2pp) der Stimmen. Die Regierungsparteien bekamen den Zuwachs der Grünen Parteien zu spüren. Die SVP blieb zwar die stärkste Partei des Landes, ihr Wählerinnen- und Wähleranteil fiel aber auf 25.6 Prozent (-3.8pp). Die SP verlor 2 Prozentpunkte und kam noch auf 16.8 Prozent, während die FDP 15.1 Prozent der Stimmen erzielte (-1.3pp). Die CVP, die schon seit einigen Jahren stetig an Zustimmung verloren hatte, wurde von den Grünen überholt. Mit 11.4 Prozent (-0.2pp) erzielte die CVP das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Auch die BDP verlor an Rückhalt und erhielt noch 2.5 Prozent (-1.6pp) der Stimmen. Insgesamt gingen damit 30 Sitze an die Grünen, deren Fraktion in der Folge auch zwei Mitglieder der extremen Linken umfasste (+18 Sitze im Vergleich zu 2015). Die Sozialdemokraten verloren 4 Sitze, behielten aber deren 39. Die Grünliberalen erhielten 16 Mandate (+9) und die FDP 29 (-4). 31 Parlamentarierinnen und Parlamentarier bilden neu die Mitte-Fraktion (25 CVP, 3 EVP und 3 BDP), 5 weniger als 2015. Trotz des Verlusts von 12 Sitzen zählt die SVP-Fraktion noch 55 Sitze, einschliesslich je eines Vertreters der Lega und der EDU. Mit diesem «Linksrutsch», wie die Medien das Resultat betitelten, verloren die Fraktionen von SVP und FDP die absolute Mehrheit, die sie zwischen 2015 und 2019 innehatten.
Dieser politische Stimmungsumschwung erreichte allerdings den Ständerat nur in sehr beschränktem Masse. Begünstigt durch das Majorzwahlsystem, das in allen Kantonen ausser Jura und Neuenburg praktiziert wird, blieben die CVP und die FDP in der kleinen Kammer weiterhin am stärksten vertreten. Die CVP behielt ihre 13 Sitze, während die FDP einen Sitz verlor und neu auf 12 Mandate kam. Die Grünen legten auf Kosten der SP zu und gewannen 4 zusätzliche Sitze (neu: 5 Sitze), während die SP (neu: 9 Sitze) 3 Sitze abgeben musste. 6 Sitze besetzte neu die SVP (+1). Der unabhängige Thomas Minder behielt seinen Sitz für den Kanton Schaffhausen.
Eine Analyse von FORS ergab, dass der Erfolg der Grünen auf die Unterstützung durch einen grossen Teil der bisherigen Wählerschaft der SP zurückzuführen ist. Tatsächlich hatte ein Drittel der Wählerinnen und Wähler der Grünen im Jahr 2015 noch die SP gewählt. Insgesamt profitierten die Grünen und die Grünliberalen aber auch von der Unterstützung einer jungen Wählerschaft. Die SVP hatte gemäss der Analyse Schwierigkeiten, ihre Wählerschaft zu mobilisieren; insbesondere weil ihre Hauptthemen «Einwanderung» und «Asyl» nicht zu den Problemen gehörten, die von der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Wahlen als vorrangig erachtet wurden. Während die FDP ebenfalls Schwierigkeiten hatte, ihre Wählerschaft zu mobilisieren, konnte die CVP auf ihre treuen Anhänger zählen. Für die CVP bestand das Problem vielmehr darin, über die eigene Anhängerschaft hinaus Stimmen zu sammeln. Darüber hinaus zeigte die Analyse, dass die grüne Welle in den Städten höher war als auf dem Land, jedoch kein Röstigraben zu beobachten war: Die grüne Welle war sowohl in der Romandie als auch in der Deutschschweiz zu spüren. Einzig im Tessin war der Erfolg der Grünen weniger durchschlagend. Den stärksten Zuwachs verzeichneten die grünen Parteien im Genferseegebiet und in der Region Zürich.
Von ihrem Erfolg beflügelt, erhoben die Grünen bei den folgenden Bundesratswahlen Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat. Die Kandidatur ihrer Parteipräsidentin Regula Rytz (BE) war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Die bürgerlichen Parteien bestätigten Ignazio Cassis im Amt und alle bisherigen Bundesrätinnen und Bundesräte wurden wiedergewählt.

Die eidgenössischen Wahlen in den Kantonen:
Aargau: SR, NR
Appenzell Ausserrhoden: SR, NR
Appenzell Innerrhoden: SR, NR
Basel-Landschaft: SR, NR
Basel-Stadt: SR, NR
Bern: SR, NR
Fribourg: SR, NR
Genève: SR, NR
Glarus: SR, NR
Graubünden: SR, NR
Jura: SR, NR
Luzern: SR, NR
Neuchâtel: SR, NR
Nidwalden: SR, NR
Obwalden: SR, NR
St. Gallen: SR, NR
Schaffhausen: SR, NR
Schwyz: SR, NR
Solothurn: SR, NR
Tessin: SR, NR
Thurgau: SR, NR
Uri: SR, NR
Valais: SR, NR
Vaud: SR, NR
Zug: SR, NR
Zürich: SR, NR
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Élections fédérales 2019 – Résumé / Eidgenössische Wahlen 2019 – Übersicht
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick