Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Öffentliche Beschaffungen
  • Telekommunikation

Akteure

Prozesse

312 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Jahresrückblick 2023: Verkehr und Kommunikation

2023 standen drei grosse Standortbestimmungen zu Ausbauschritten im Bereich des Strassen- und Schienenverkehrs auf dem Programm des Bundesrats und des Parlaments. Trotz dieser politisch gewichtigen Programmpunkte blieb die Medienberichterstattung in diesem Themenbereich gesamthaft jedoch ungefähr auf demselben Niveau wie im Vorjahr (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Jedoch nahm die Berichterstattung zum Strassenverkehr im Vergleich zu den Vorjahren mehr Raum ein, während diejenige zum Flugverkehr deutlich abnahm und diejenige zum Schienenverkehr etwa gleich blieb.

Im medial viel bespielten Themenbereich des Strassenverkehrs dominierte der Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen und der entsprechende Zahlungsrahmen sowohl die parlamentarische als auch die ausserparlamentarische Debatte. Der Ausbauschritt 2023 war sehr umstritten, die Anträge zu den Projektvorschlägen des Bundesrats reichten von Zustimmung über Ablehnung einzelner Ausbauschritte bis hin zur Zurückweisung des gesamten Projekts. Schliesslich wurden aber alle fünf vom Bundesrat vorgeschlagenen Projekte sowie der entsprechende Verpflichtungskredit in der Höhe von rund CHF 5.3 Mrd. vom Parlament gutgeheissen und der Ausbauschritt sogar noch um ein Projekt in der Westschweiz erweitert. Eine Standesinitiative des Kantons Thurgau, welche die Aufnahme der Bodensee-Thurtal-Strasse in die Projektierung gefordert hatte, blieb hingegen erfolglos. Die Meinungen zum Ausbauschritt 2023 gingen auch in der medialen Berichterstattung auseinander und ökologische Kreise kündeten an, das Referendum gegen den Ausbauschritt zu ergreifen. Vergleichsweise unumstritten war in diesem Zusammenhang hingegen der Zahlungsrahmen für Unterhalt und Betrieb der bestehenden Nationalstrassen für die Jahre 2024 bis 2027 in der Höhe von CHF 8.8 Mrd.

Unabhängig von diesem geplanten Ausbauschritt der Nationalstrassen beschloss das Parlament zusätzlich durch Annahme einer Motion, dass die Autobahn A1 an kritischen Strassenabschnitten auf sechs Spuren ausgebaut werden soll. Auf der anderen Seite stand im Bereich des Strassenverkehrs auch die klimaneutrale Mobilität auf der politischen Agenda. Im Juni präsentierte der Bundesrat einen Bericht, in dem er Massnahmen eruierte, mit denen ein fossilfreier Verkehr bis 2050 ermöglicht werden könnte. Zudem wurde der Bundesrat vom Parlament beauftragt, einen Aktionsplan zur Förderung innovativer und klimaneutraler Mobilitätsangebote zu erstellen. Hingegen beschloss die Regierung, die Steuerbefreiung der Elektrofahrzeuge aufzuheben.

Eine zweite grosse Standortbestimmung im Themenbereich Verkehr fand 2023 mit der vierten Generation des Programms «Agglomerationsverkehr» an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr statt. Für die folgenden vier Jahre wurden zu unterstützende Projekte ausgewählt und ein entsprechender Finanzierungsrahmen bestimmt. Verteilt auf den öffentlichen Verkehr, den motorisierten Individualverkehr sowie auf den Langsamverkehr sprach das Parlament somit gesamthaft über CHF 1.5 Mrd. für Projekte in 23 Agglomeration.

Die dritte grosse Standortbestimmung nahm der Bundesrat im Herbst 2023 mit seiner Botschaft zum Stand und zu Änderungen der Ausbauprogramme für die Bahninfrastruktur vor. Für den Ausbauschritt 2025 und insbesondere für den Ausbauschritt 2035 schlug die Regierung zusätzlich zu den bereits beschlossenen Ausbauvorhaben Anpassungen sowie eine Krediterhöhung von gesamthaft über CHF 2.8 Mrd. vor. Aufgrund einer viel diskutierten Motion nahm er auch die Projektierung eines «multifunktionalen Grimseltunnels» in seine Botschaft auf.
Im Rahmen der Botschaft zu den Ausbauschritten präsentierte der Bundesrat zudem erste Zielsetzungen und Stossrichtungen der neuen Langfriststrategie im Schienenverkehr, der «Perspektive Bahn 2050». Der Fokus soll dabei auf dem Ausbau von kurzen und mittleren Strecken sowie auf den Agglomerationen liegen. Gleichzeitig gab die Regierung auch bekannt, dass sich die Fertigstellung verschiedener laufender Bauvorhaben, wie beispielsweise der Bahnknotenpunkte Bern oder Lausanne, um mehrere Jahre verzögern werde.

Zu Verzögerungen kam es auch in der Erreichung der 2021 festgelegten Ziele für den alpenquerenden Schwerverkehr. Im Verlagerungsbericht für die Jahre 2021–2023 hielt der Bundesrat im Berichtsjahr fest, dass die festgelegten Ziele trotz einer Zunahme des Schienengüterverkehrs insbesondere im Bereich des strassenseitigen Güterverkehrs nicht erreicht werden konnten. Auch im Bereich der Luft- und Lärmverschmutzung konnte trotz punktueller Verbesserungen gesamthaft keine ausreichende Reduktion erzielt werden. Somit wurde im Schwerverkehr auf Strasse und Schiene weiterhin Verlagerungspotential ausgemacht und für die folgenden Jahre projektiert.

Im Themengebiet Eisenbahn erhielt ein Unfall des Schienengüterverkehrs im Gotthard-Basistunnel die grösste mediale Aufmerksamkeit (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse): Die Entgleisung eines Güterzugs im August 2023 führte zu einer vorübergehenden Sperrung des Tunnels und zu geschätzten Schäden von über CHF 100 Mio. Dabei wurden rasch Fragen zu Ursachen, Haftung und Schadenersatz laut, gerade auch in Anbetracht der Haftpflicht im Schienenverkehr, zu deren Ausgestaltung der Bundesrat wenige Wochen zuvor einen Bericht veröffentlicht hatte.

Um die SBB finanziell zu stabilisieren, schlug der Bundesrat im Sommer 2023 eine Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) vor. Einerseits sollten die SBB einen einmaligen Kapitalzuschuss von CHF 1.15 Mrd. erhalten, andererseits sollte ihr Finanzierungsbedarf neu nicht mehr durch Tresorerie-, sondern durch Haushaltsdarlehen gedeckt werden. Diese Änderung der Finanzierungsgrundlage fand im erstberatenden Nationalrat jedoch wenig Unterstützung. Die grosse Kammer sprach sich für die Beibehaltung des geltenden Rechts aus. Das Urteil des Ständerats stand zum Ende des Berichtjahres noch aus.

Auch 2023 blieb der Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes Teil der parlamentarischen Debatte rund um Telekommunikation. Die Räte beschlossen im Rahmen einer Motion, den raschen Aufbau von 5G voranzutreiben. Eine gewisse Vorsicht gegenüber der 5G-Technologie blieb jedoch bestehen, was sich in der Beibehaltung der NISV-Anlagegrenzwerte niederschlug. Ergänzend zum Mobilfunknetz legte der Bundesrat eine Strategie zu Förderung und Ausbau des Hochbreitbandnetzes vor.

Jahresrückblick 2023: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die APK-NR rief den Bundesrat in einer Motion dazu auf, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Republik Korea (Südkorea) zu stärken und zu modernisieren. Sie forderte unter anderem einen besseren Marktzugang für Agrarprodukte, die Beseitigung von Handelshemmnissen sowie eine Vereinfachung bei Zollverfahren, Ursprungsregeln und Produktprüfungen. Auf der Wunschliste standen auch Verbesserungen im Bereich des Geistigen Eigentums und beim Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt sowie ein besserer Schutz für bilaterale Investitionen. Die Kommission wies zusammenfassend darauf hin, dass das 2006 abgeschlossene Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und der Republik Korea jenem zwischen der EU und der Republik Korea in gewissen Bereichen hinterherhinke.
Der Bundesrat teilte das Bestreben der APK-NR, das FHA zwischen der EFTA und Südkorea zu modernisieren. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Schweizer Anbieter auf dem südkoreanischen Markt gegenüber Drittstaaten nicht mehr benachteiligt werden. Zwar habe sich Südkorea offen gegenüber einer Aktualisierung des FHA gezeigt, auf der technischen Ebene hätten bislang jedoch noch keine Fortschritte erzielt werden können. Der Bundesrat beantragte die Motion allerdings trotzdem zur Ablehnung, weil deren Erfüllung von der Bereitschaft Südkoreas und der anderen EFTA-Mitgliedern, das FHA zu modernisieren, abhänge. Zudem enthalte die Motion auch Elemente, die nicht im Rahmen eines FHA geklärt werden könnten, beispielsweise Steuerfragen und der Schutz von Investitionen.

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2023 mit dem Vorstoss. Für die Kommission stellten Christine
Bulliard-Marbach (mitte, FR) und Laurent Wehrli (fdp, VD) die Motion vor. Laurent Wehrli betonte, dass sich die Kommission darüber im Klaren sei, dass diese Motion nur für die Schweizer Regierung, nicht jedoch für die anderen EFTA-Staaten bindend sei. Danach plädierte Bundesrat Parmelin aus den genannten Gründen noch einmal für Ablehnung. Der Nationalrat sprach sich dennoch einstimmig für Annahme der Motion aus.

Modernisierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Republik Korea (Mo. 23.4321)

Le rapport du Conseil fédéral préconisé par le postulat 19.4379 de la CER-CE, qui a pour vocation de permettre au Conseil des Etats de se prononcer de manière éclairée sur la motion 15.3399 de l'ancien conseiller national Andrea Caroni (plr, AR), a été publié en octobre 2023.
Dans ce document, le Conseil fédéral rappelle premièrement le contexte et l'objectif du rapport. Le postulat 19.4379 de la CER-CE a pour but d'évaluer la nécessité de changer l'art. 2, al. 7 de la loi fédérale sur le marché intérieur (LMI) en vue de l’ouverture des marchés fermés. Pour rappel, la LMI assure à toute entité ayant son siège ou établissement en Suisse un accès équitable et sans discrimination au marché, lui permettant ainsi de mener des activités économiques sur l'ensemble du territoire suisse. Il existe toutefois des marchés fermés, où le nombre d’acteurs ayant un droit d'accès est limité. Ces droits d'accès peuvent adopter diverses formes juridiques, comme la concession de monopole, la concession d'usage privatif, l'autorisation d'utilisation étendue des espaces publics, l'autorisation contingentée, le mandat de prestations, ou encore l'autorisation relevant du droit des assurances sociales.
Selon le rapport du Conseil fédéral, l’analyse montre qu'à part pour l'octroi de concessions, il existe certaines incertitudes juridiques - découlant de l’art. 2, al. 7 de la LMI et de l'art. 9 de l'AIMP - quant à l’obligation des autorités cantonales et communales de procéder à un appel d’offres public. Le rapport montre aussi que les autorités compétentes disposent d'une certaine latitude d'interprétation pour décider si l'octroi des droits d'accès à des marchés fermés doit être soumis ou non à un processus d'appel d'offres. Finalement, le rapport juge qu'au cours des dernières années, le Tribunal fédéral a concrétisé et affiné sa jurisprudence relative à l’art. 2, al. 7 de la LMI dans une multitude de domaines, ce qui a progressivement renforcé la sécurité juridique autour de cet article. Pour terminer, le Conseil fédéral estime qu'il n'est, pour l'instant, pas nécessaire d'adapter les bases légales.

Accès aux marchés fermés des cantons. Procédure équitable (Po. 19.4379)
Dossier: Zugang zu den geschlossenen Märkten des Bundes

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2023 bereits eine Motion zu Preisobergrenzen für das internationale Roaming abgelehnt hatte, befasste sich im Rahmen einer Motion Birrer-Heimo (sp, LU) auch der Nationalrat mit der Thematik. Die Motionärin forderte vom Bundesrat eine Anpassung des Fernmeldegesetzes, so dass Preisobergrenzen für die Endkundentarife im internationalen Roaming eingeführt würden. Sie kritisierte die ihrer Ansicht nach übermässigen Margen der Mobilfunkanbietenden, welche sowohl für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland als auch für Touristinnen und Touristen in der Schweiz eine Belastung darstellten.
Der Bundesrat sprach sich wie schon gegenüber dem Ständerat gegen die Einführung einer Preisobergrenze für das internationale Roaming aus. Das Fernmeldegesetz sehe zwar vor, dass im Rahmen von internationalen Abkommen Preisobergrenzen verhandelt werden können, eine unilaterale Festsetzung des Roaming-Preises durch den Bundesrat lehne er aber ab. Ohne internationale Abkommen könnten gemäss Regierung keine tieferen Roaminggebühren für die Schweizer Endkundinnen und -kunden festgelegt werden und auf die Roamingkosten von Touristinnen und Touristen, welche massgeblich von den Mobilfunkanbietenden im Ausland abhängen, hätte eine Tarifobergrenze für Schweizer Mobilfunkanbietende keinen grundlegenden Einfluss.
Elisabeth Schneider-Schneiter (mitte, BL), deren Motion zu Roamingpreisen kurz zuvor vom Ständerat abgelehnt worden war, wandte sich in der Ratsdebatte an Bundesrat Albert Rösti und wollte von ihm wissen, ob der Bundesrat bereit sei, entsprechend seinen Möglichkeiten im Fernmeldegesetz ein Roaming-Abkommen mit der EU auszuhandeln. Dies würde laut Schneider-Schneiter voraussetzen, dass das Rahmenabkommen mit der EU vorangetrieben werde. Bundesrat Rösti erachtete Roaming-Abkommen zwar als denkbar, zeigte sich aber nicht bereit, für ein Roaming-Abkommen Abstriche in anderen Bereichen der Verhandlungen mit der EU zu machen.
Der Nationalrat sprach sich schliesslich, wie bereits im Rahmen der Motion Schneider-Schneiter, mit 118 zu 78 Stimmen bei 3 Enthaltungen für eine Annahme der Motion aus und überwies diese somit an den Ständerat.

Preisobergrenzen für das internationale Roaming (Mo. 21.4627)

Entgegen der Meinung des Nationalrats sprach sich der Ständerat im September 2023 gegen eine Motion Schneider-Schneiter (mitte, BL) aus, welche eine Obergrenze für Roaming-Gebühren gefordert hatte. Joseph Dittli (fdp, UR) empfahl als Vertreter der KVF-SR, welche sich zuvor mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen die Motion ausgesprochen hatte, die Motion abzulehnen. In der Revision des Fernmeldegesetzes habe sich das Parlament 2019 dagegen entschieden, dem Bundesrat eine unilaterale Kompetenz zur Festlegung einer Preisobergrenze für Roaminggebühren zu erteilen. Weiter merkte der Kommissionssprecher an, dass die Roaming-Gebühren in den letzten Jahren massiv gesunken seien, dass bei der Schlichtungsstelle kaum mehr Beschwerden dagegen eingegangen seien und dass Kundinnen und Kunden der Mobilfunkanbieter zahlreiche Alternativen zu Roaming zur Verfügung hätten. Dies spreche gesamthaft gegen eine Obergrenze für Roaming-Gebühren. Auch der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt. Der Ständerat lehnte den Vorstoss in der Folge stillschweigend ab, womit die Motion erledigt war.

Abschaffung überhöhter Roaming-Gebühren (Mo. 21.3661)

Diskussionslos folgte der Nationalrat im Juni 2023 dem Antrag seiner KVF-NR und verlängerte die Behandlungsfrist für eine Standesinitiative des Kantons Tessin zur Gewährleistung eines landesweit dichten Hochbreitbandangebots bis zur Sommersession 2025.

Gewährleistung eines landesweit dichten Hochbreitbandangebots (Kt.Iv. 16.306)
Dossier: Revision des Fernmeldegesetzes (FMG)
Dossier: Hochbreitband (ab 2019)

Nach Erscheinen des Berichts in Erfüllung des Postulates Bourgeois (fdp, FR) zur Sicherstellung der Einhaltung der sozialen Mindestvorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen schrieb der Nationalrat den Vorstoss in der Sommersession 2023 als erfüllt ab. Der Bundesrat hatte die Abschreibung zuvor in seinem Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2022 beantragt.

Sanctions au lieu d'exécution des travaux (Po. 19.4213)

Im Sommer 2023 schrieb der Nationalrat im Rahmen des Berichts des Bundesrates über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 das Postulat Häberli-Koller (mitte, TG) zur nachhaltigen Ausgestaltung der Mobilfunknetze ab. Der Bundesrat erachtete das Anliegen mit der Veröffentlichung des entsprechenden Berichts «Nachhaltiges Mobilfunknetz» im Frühling 2022 als erfüllt.

Nachhaltiges Mobilfunknetz (Po. 19.4043)
Dossier: 5G – Mobilfunk, Strahlung und Gesundheit

Eine Motion Birrer-Heimo (sp, LU) zur Verhinderung von missbräuchlichen Kündigungsformen im Bereich von Konsumentenverträgen stiess im Nationalrat mehrheitlich auf offene Ohren. Mit 104 zu 80 Stimmen bei 3 Enthaltungen nahm die grosse Kammer das Anliegen in der Sondersession im Mai 2023 an und überwies die Motion an den Ständerat. Mit ihrem Votum auf Ablehnung unterlagen die geschlossenen Fraktionen der SVP und der FDP zusammen mit zwei Stimmen aus der Mitte-Fraktion den anderen Ratsmitgliedern. Prisca Birrer-Heimo erklärte im Rat, dass das OR zwar keine Vorgaben zur Kündigungsmodalität von Konsumentenverträgen mache, diese Freiheit aber vor allem seitens der Telekommunikationsanbieter missbräuchlich verwendet werde, indem Kündigungen nur via Life-Chat oder Telefon anerkannt würden. Schriftliche Kündigungen, die auch der Nachweisbarkeit dienten und insbesondere für ältere Menschen von Vorteil seien, würden indes nicht anerkannt. Bei Konsumentenschutzorganisationen häuften sich diesbezüglich Beschwerden, erklärte die Motionärin als gleichzeitige Präsidentin der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz weiter. Im Rat plädierte Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider für eine Ablehnung der Motion. Die Landesregierung sei sich des Problems der Vertragsklauseln bewusst, gab die Jurassierin zu Protokoll. Wenn Verträge darauf ausgerichtet seien, Kündigungen zu erschweren, so seien diese aber bereits nach geltendem Recht ungültig, da sie gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb verstiessen. Widerhandlungen könnten entsprechend bei den Zivilgerichten eingeklagt werden. Eine Einschränkung der Formfreiheit von Verträgen, wie sie hier verlangt werde, sei indes behutsam anzugehen. Obwohl sie gegen eine Annahme argumentierte, antizipierte Baume-Schneider bereits eine mögliche Annahme im Nationalrat und gab bekannt, bei einer solchen im Ständerat den Antrag stellen zu wollen, die Motion in einen Prüfauftrag abzuändern. Die Landesregierung bevorzuge, solche Praktiken und allfällige gesetzgeberische Massnahmen vorerst genauer auf ihre negativen Auswirkungen zu untersuchen.

Missbräuchliche Beschränkungen der Kündigungsformen verhindern (Mo. 21.4312)

Eine Mehrheit des Nationalrates war in der Sondersession im Mai 2023 der Meinung, dass eine Obergrenze für Roaming-Gebühren für die Nutzung des Handynetzes im Ausland eingeführt werden sollte. Mit 116 zu 68 Stimmen bei 4 Enthaltungen nahm die grosse Kammer eine entsprechende Motion Schneider-Schneiter (mitte, BL) an. Die Mitte-Nationalrätin beklagte die hohen Gebühren, die bei der Nutzung des Mobiltelefons mit Schweizer Telefonanbietenden im Ausland anfallen, und rief den Bundesrat in der Debatte dazu auf, in der Fernmeldeverordnung einseitig eine Preisobergrenze für Endkundentarife festzulegen. Da ein Beitritt zur EU-Roaming-Regelung – in der EU wurden sämtliche Roaminggebühren unter den Mitgliedstaaten aufgehoben – aufgrund der ungeklärten Beziehungen zur EU derzeit nicht möglich sei, sei eine Preisobergrenze der geeignete Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Bundesrat Albert Rösti erachtete eine solche einseitige Festlegung der Preisobergrenzen jedoch als nicht gangbar, weil sie einerseits bereits in der Teilrevision des Fernmeldegesetzes verworfen worden war und andererseits ausländische Telekomanbietende ohne internationale Vereinbarung nicht dazu angehalten werden könnten, Schweizer Preisobergrenzen einzuhalten. Nichtsdestoweniger folgten die geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP, der Mitte und der Grünen zusammen mit wenigen Mitgliedern der SVP und der FDP der Motionärin und überwiesen den Vorstoss an den Ständerat.

Abschaffung überhöhter Roaming-Gebühren (Mo. 21.3661)

Da der Bundesrat bis im Sommer 2023 einen Postulatsbericht zur Hochbreitbandstrategie des Bundes ausarbeiten wird, beantragte die KVF-NR im April 2023 mit 22 zu 3 Stimmen, die Standesinitiative des Kantons Tessin zur Gewährleistung eines landesweit dichten Hochbreitbandangebots bis zur Sommersession 2025 zu sistieren. Vom Bericht erhoffte sich die Kommission vertiefte Informationen, um sich besser mit der Thematik beschäftigen zu können. Die Kommission gab zu Protokoll, dass der Zugang zu schnellem Internet für die Entwicklung der Randregionen von grosser Bedeutung sei. Forderungen für eine Erhöhung der Internet-Mindestgeschwindigkeit auf 80 Megabit pro Sekunde waren bereits in einer eigenen, vom Ständerat sistierten Kommissionsmotion (Mo. 20.3915) geäussert worden. Auch diese Forderung werde im genannten Postulat geprüft.

Gewährleistung eines landesweit dichten Hochbreitbandangebots (Kt.Iv. 16.306)
Dossier: Revision des Fernmeldegesetzes (FMG)
Dossier: Hochbreitband (ab 2019)

Jahresrückblick 2022: Verkehr und Kommunikation

Auch der Themenbereich «Verkehr und Kommunikation» wurde 2022 durch den Ukraine-Krieg und dessen Folgen beeinflusst. Im Frühling wurde in der Schweiz ein starker Anstieg der Energiepreise und insbesondere der Treibstoffpreise verzeichnet. Die SVP forderte daher in mehreren Motionen erfolglos unter anderem eine 50-prozentige Senkung der Mineralölsteuern auf Treib- und Brennstoffen, der CO2-Kompensationspflicht sowie der MWST und einen pauschalen Berufskostenabzug für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte. Die Mehrheiten der beiden Kammern erachteten eine Entlastung der Autofahrerinnen und Autofahrer jedoch als nicht angezeigt, vielmehr müssten Entlastungsmassnahmen gezielt an ärmere Bevölkerungsgruppen ausgerichtet werden.

Weitergearbeitet wurde an der Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, insbesondere am sogenannten Raserartikel. Anfänglich hatten sich beide Räte dafür entschieden, den Gerichten bei Raserdelikten wieder mehr Ermessensspielraum zu geben, die Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu streichen und die Mindestdauer für den Entzug des Fahrausweises zu reduzieren. Aufgrund einer Referendumsdrohung durch die Stiftung Roadcross schwenkten die beiden Räte dann jedoch in fast allen Punkten auf das geltende Recht zurück und schwächten damit die Massnahmen des Via Sicura-Pakets nur wenig ab. Diese Revision konnte allerdings im Berichtsjahr noch nicht vollständig bereinigt werden.
Ebenfalls mehr Verkehrssicherheit sollte das neue Veloweggesetz bringen, das 2022 vom Parlament verabschiedet wurde. Damit soll der Verkehr entflechtet und sollen die Kantone zur Planung und Erstellung von grundsätzlich zusammenhängenden und durchgehenden Velowegnetzen verpflichtet werden.

Beim öffentlichen Verkehr lag der Fokus im Jahr 2022 hauptsächlich auf der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes, die in der Wintersession abgeschlossen werden konnte. Mit dieser Revision beabsichtigte der Bundesrat, das Bestellverfahren, also den Vorgang, bei welchem die Besteller (Bund und Kantone) mit den Transportunternehmen die Angebotsvereinbarung im regionalen Personenverkehr aushandeln, effizienter und transparenter auszugestalten und die Planungssicherheit für die Transportunternehmen zu erhöhen. Zudem sollte mit der Revision weiteren Subventionsskandalen wie demjenigen der BLS einen Riegel geschoben werden. Dazu war vorgesehen, dass im subventionierten Bereich keine Gewinne einkalkuliert werden dürfen, zudem wurde festgelegt, wie künftig mit ungeplanten Gewinnen umgegangen werden muss. Hierbei entschieden die Räte, dass die Unternehmen künftig nur die Hälfte ihrer allfälligen Gewinne auf den von Bund und Kantonen gemeinsam bestellten Angeboten einer Spezialreserve zuweisen müssen, der Bundesrat hatte sich ursprünglich für zwei Drittel ausgesprochen.

Schliesslich gab im Berichtsjahr auch das Thema Mobilfunkstandard 5G wieder zu reden: Im Frühjahr publizierte der Bundesrat den Bericht «Nachhaltiges Mobilfunknetz» in Erfüllung eines gleichnamigen Postulats. Darin erläuterte der Bundesrat unter anderem, dass durch eine Änderung der NISV für den Ausbau des 5G-Netzes deutlich weniger Antennen notwendig sein werden als bisher angenommen. Das UVEK gleiste zudem ein NIS-Monitoring, eine umweltmedizinische Beratungsstelle, die Harmonisierung im Vollzug sowie eine Intensivierung der Forschung auf, um den Ängsten in der Bevölkerung vor 5G zu begegnen. Überdies gab das Parlament im Berichtsjahr drei Standesinitiativen für ein Moratorium für den Aufbau des 5G-Millimeterwellennetzes (Kt.Iv. GE 20.309; Kt.Iv. NE 20.314; Kt.Iv. JU 21.305) keine Folge. Hingegen wurde eine neue Volksinitiative in diesem Bereich lanciert: Die sogenannte Saferphone-Initiative, in deren Komitee zahlreiche Politiker und Politikerinnen – insbesondere der SP und der Grünen – zu finden waren, forderte, dass Bund und Kantone für den Einsatz emissionsarmer Techniken in allen Anwendungsbereichen sorgen. Dies sollte durch tiefe Strahlengrenzwerte und eine grundsätzliche Versorgung von Wohn- und Geschäftshäusern mit Fernmeldediensten über das Kabelnetz erreicht werden. Die Initiative wurde jedoch im Dezember zurückgezogen.

Im Kapitel Verkehr und Kommunikation kam es im Juni 2022 zu einem Peak in der Medienberichterstattung, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse zeigt. Hauptverantwortlich dafür war der Flugverkehr, zumal zahlreiche Zeitungsartikel zu einer Panne bei Skyguide sowie zu abgesagten Flugverbindungen bei der SWISS erschienen. Verglichen mit dem Vorjahr gab es 2022 für den Bereich Verkehr und Kommunikation wieder etwas mehr Aufmerksamkeit seitens der Presse zu verzeichnen. Dies lag womöglich daran, dass über die in den beiden Vorjahren omnipräsente Covid-19-Pandemie im Berichtsjahr deutlich weniger geschrieben wurde und damit die übrigen Themenbereiche prozentual mehr Aufmerksamkeit erhielten.

Jahresrückblick 2022: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Bevölkerung und Arbeit

Das zentrale Thema im Politikbereich «Bevölkerung und Arbeit» stellten im Jahr 2022 die Löhne allgemein und das Lohndumping im Speziellen dar.

Allgemein standen die Löhne insbesondere Mitte des Jahres und ab Oktober im Zentrum der Diskussion – wie auch Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 verdeutlicht –, als die Gewerkschaften als Reaktion auf die Teuerung immer stärker auf eine Lohnerhöhung pochten. Die Löhne für das Jahr 2023 sollten demnach bis zu 4 Prozent ansteigen, um so die Senkung der Kaufkraft und der Reallöhne aufgrund der steigenden Inflation auszugleichen. Mit Lohnerhöhungen beschäftigte sich im Mai auch der Nationalrat, der eine Motion der SP-Fraktion, die eine Auszahlung von CHF 5'000 als Prämie für alle in der Covid-19-Pandemie als systemrelevant eingestuften Arbeitskräfte verlangte, deutlich ablehnte. Noch einmal Aufschwung erhielt die Diskussion um die Löhne im November 2022, als das BFS in einem Bericht die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern auf 18 Prozent bezifferte.

Das Thema «Lohndumping» stand insbesondere bei der Änderung des Entsendegesetzes (EntsG) zur Debatte. Dieses zielt darauf ab, die Anwendung der kantonalen Mindestlöhne schweizweit auf entsandte Arbeitnehmende auszudehnen. Zwar hatte der Nationalrat die Gesetzesänderung im März 2022 deutlich angenommen, der Ständerat sprach sich in der Sommersession jedoch gegen Eintreten aus. Damit brachte er die Gesetzesänderung nach zwei Jahren Arbeit zum Scheitern.
Ein Mittel gegen Lohndumping – mittels Anpassung der Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung im OR – suchte auch der Kanton Tessin durch eine Standesinitiative, welcher der Ständerat in der Frühlingsession jedoch keine Folge gab. Thematisiert wurde das Lohndumping schliesslich auch in einer weiteren Tessiner Standesinitiative, welche die Einführung einer Informationspflicht über Lohndumping-Verfehlungen im Bereich des Normalarbeitsvertrages verlangte und welche das SECO 2022 zur Zufriedenheit der WAK-SR umsetzte.

Doch nicht nur bezüglich Lohndumping diskutierte das Parlament über ausländische Arbeitskräfte, auch die Abhängigkeit des Gesundheits- und Sozialwesen von ausländischem Personal wurde in der Sondersession 2022 thematisiert. Dabei lehnte das Parlament ein Postulat ab, das eine Strategie zur Verringerung dieser Abhängigkeit anstrebte. Mehr Anklang fand hingegen eine Motion, gemäss der die Stellenmeldepflicht wieder auf diejenigen Berufsarten beschränkt werden soll, die eine schweizweite Arbeitslosenquote über 8 Prozent aufweisen – sie wurde der Kommission zur Vorberatung zugewiesen.

Als Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie wurde auch im Jahr 2022 über die Flexibilisierung der Arbeitsformen gesprochen. Der Ständerat lehnte eine Motion ab, mit der das Arbeitsrecht bezüglich Homeoffice flexibler hätte gestaltet werden sollen. Zuspruch fand hingegen ein Postulat für eine Untersuchung der Auswirkungen neuer Arbeitsformen auf die [Verkehrs-]Infrastrukturen.

Thematisiert wurde schliesslich auch das öffentliche Beschaffungswesen, wobei der Bundesrat im August einen Bericht zur Sicherstellung der Einhaltung der sozialen Mindestvorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen veröffentlichte. Darin beurteilte er das bestehende Kontroll- und Sanktionssystem zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften als angemessen. Eine weitergehende Forderung, wonach die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen so angepasst werden soll, dass auch Prinzipien aus anderen von der Schweiz nicht ratifizierten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu sozialen Mindestnormen eingehalten werden müssen, scheiterte hingegen am Ständerat.

Jahresrückblick 2022: Bevölkerung und Arbeit
Dossier: Jahresrückblick 2022

In der Herbstsession 2022 überwies der Nationalrat stillschweigend ein Postulat Romano (mitte, TI), das den Bundesrat beauftragt zu prüfen, ob das italienische Anti-Mafia-Zertifikat auch für das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz angewandt werden kann. Das vom italienischen Staat ausgestellte Zertifikat bestätigt, dass gegen die Antragstellerin keine besonderen Überwachungs- oder Sicherheitsmassnahmen oder Verurteilungen wegen bestimmter Delikte im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen vorliegen und muss in Italien von Unternehmen eingereicht werden, wenn sie an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen oder Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung erbringen wollen. Der Bundesrat zeigte sich in seiner Stellungnahme offen für die Idee, als Massnahme gegen Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen von Firmen mit Hauptsitz in Italien künftig dieses Zertifikat zu verlangen.

Das Anti-Mafia-Zertifikat, ausgestellt vom italienischen Staat, soll auch für das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz Pflicht werden (Po. 22.3658)

Der Ständerat beschäftigte sich im Rahmen der Herbstsession 2022 mit der Motion der WAK-NR zur Einhaltung der Prinzipien aus anderen, von der Schweiz nicht ratifizierten Übereinkommen der ILO zu sozialen Mindestnormen im öffentlichen Beschaffungswesen. Im Rahmen der Debatte betonte Kommissionssprecher Ruedi Noser (fdp, ZH), dass bei der Auftragsvergabe situativ angeschaut werden soll, welche sozialen Mindestnormen verlangt werden sollen – etwa auch abhängig davon, ob eine Leistung oder Güter eingekauft werden. Zudem präzisierte Noser, dass die in den ILO-Übereinkommen definierten Mindestnomen zuerst ins staatliche Recht aufgenommen werden müssen, bevor sie für Unternehmen gelten. Folglich würde es einer «schwarzen Liste» von Staaten bedürfen, in denen die Unternehmen nicht an die Regeln gebunden sind. Die Kommissionsmehrheit empfahl die Motion deshalb zur Ablehnung. Die Minderheitensprechenden Adèle Thorens Goumaz (gp, VD) und Stefan Engler (mitte, GR) argumentierten, dass Schweizer Unternehmen aktuell gegenüber ausländischen Unternehmen benachteiligt seien, da Letztere bei Vergaben nicht dieselben sozialen Standards einhalten müssten wie die Schweizer Unternehmen aufgrund des Arbeitsrechts. Der Ständerat folgte jedoch der Mehrheit der WAK-SR und lehnte die Motion mit 27 zu 16 Stimmen ab. Damit ist der Vorstoss erledigt. Gleichzeitig lehnte der Rat auch eine Motion der WAK-NR mit ähnlichem Anliegen ab (Mo. 22.3020).

Lücken bezüglich sozialer Mindestnormen im öffentlichen Beschaffungswesen schliessen (Mo. 22.3019)

Im Gegensatz zum Nationalrat sprach sich der Ständerat in der Herbstsession 2022 mit 26 zu 14 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen eine Motion der WAK-NR aus, die mit einer Anpassung des öffentlichen Beschaffungswesens darauf abzielte, Angestellte wirksam vor Mobbing und sexueller Belästigung zu schützen. Damit folgte die Mehrheit des Ständerats der Forderung seiner WAK und dem Antrag des Bundesrats, welche beide die Notwendigkeit der Motion in Frage stellten; dies unter anderem, da der Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung im Arbeitsgesetz bereits geregelt sei und es deshalb keiner spezialrechtlichen Regelung bedürfe. Des Weiteren sei die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen, die bei Annahme der Motion geändert werden müsste, erst seit dem 1. Januar 2021 in Kraft, weshalb eine Änderung zum jetzigen Zeitpunkt vorschnell wäre, argumentierte Bundesrat Maurer. Gleichzeitig lehnte der Ständerat auch eine weitere Motion der WAK-NR mit einem ähnlichen Anliegen ab (Mo. 22.3019).

Schutz vor sexueller Belästigung bei öffentlichen Aufträgen (Mo. 22.3020)

Im August 2022 veröffentlichte der Bundesrat seinen Bericht in Erfüllung des Postulates Bourgeois (fdp, FR) zur Sicherstellung der Einhaltung der sozialen Mindestvorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen. Der Bundesrat kam im Bericht zum Schluss, dass das bestehende Kontroll- und Sanktionssystem zur Einhaltung der sozialen Mindestvorschriften im öffentlichen Beschaffungswesen, bei dem verschiedene Organe für verschiedene Aspekte der Vorschriften zuständig sind, angemessen ist, wie auch ein Expertenbericht der Interface Politikstudien Forschung Beratung AG bestätigt habe. Herausforderungen gebe es aber bei der Kommunikation der Ergebnisse und Sanktionen, auch bezüglich des Datenschutzes, diese seien jedoch mit entsprechenden Bemühungen überwindbar. Basierend auf dem Expertenbericht nahm der Bundesrat verschiedene Massnahmen zur Systemverbesserung vor, die im Rahmen der Beschaffungsstrategie 2021–2023 umgesetzt werden. So wollte er etwa zusätzliche Materialien wie Checklisten und Musterverträge zur Verfügung stellen, Sensibilisierungsgespräche mit den verschiedenen Branchen und Sozialpartner veranlassen und die sozialen Mindestvorschriften in die Schulung des Kompetenzzentrums Beschaffungswesen Bund aufnehmen.

Sanctions au lieu d'exécution des travaux (Po. 19.4213)

Das Postulat Caroni (fdp, AR) betreffend die Frage eines besseren Zugangs zu geschlossenen Märkten des Bundes schrieb der Ständerat im Juni 2022 stillschweigend ab. Der Bundesrat hatte im Dezember 2021 einen Bericht zu insgesamt 16 geschlossenen Märkten und möglichen Verbesserungsmöglichkeiten in deren Zugangsverfahren veröffentlicht. Darin war er zum Ergebnis gelangt, dass keine legislativen Anpassungen vorgenommen werden müssten.

Améliorer l'accès aux marchés fermés de la Confédération (Po. 19.3701)
Dossier: Zugang zu den geschlossenen Märkten des Bundes

Im Juni 2022 schrieb der Nationalrat ein Postulat Chiesa (svp, TI) zur Frage der Marktzutrittsbedingungen in der Schweiz und ihren Nachbarländern unter dem Aspekt der Gegenseitigkeit stillschweigend ab. Der Bundesrat hatte das Postulat mit einem entsprechenden, im Vorjahr vorgelegten Bericht als erfüllt erachtet und daher dessen Abschreibung beantragt.

Rapport sur les conditions d'accès au marché entre la Suisse et les Etats limitrophes dans une perspective de réciprocité (Po. 17.3137)

Die FK-NR teile die Ansicht des Bundesrats, dass die bestehenden Instrumente ausreichten, um die Informationsbedürfnisse des Parlaments zu befriedigen, gab sie in einer Medienmitteilung bekannt. Das Postulat zur Information von Kommissionen über Vorarbeiten für grössere IT-Projektvorhaben könne entsprechend abgeschrieben werden. Die grosse Kammer folgte dieser Empfehlung in der Sommersession 2022.

Kommissionen über Vorarbeiten für grössere Projektvorhaben informieren (Po. 19.4093)

Sie stelle sich nicht gegen den Antrag des Bundesrats, ihre eigene Motion zur Berücksichtigung ortsüblicher Mietpreise für dezentrale Verwaltungseinheiten abzuschreiben, teilte die FK-NR in einem Medienbericht mit. Der Bundesrat hatte die Abschreibung in einem Bericht damit begründet, dass die Mietpreise der dezentralen Standorte in den meisten Fällen gar unter den marktüblichen Preisen liegen würden. Zudem werde das Modell der Mietkostenverrechnung in den kommenden Jahren angepasst. Der Nationalrat schrieb die Motion in der Frühjahrssession 2022 stillschweigend ab. Der Ständerat folgte ihm in der darauffolgenden Sommersession nach kurzer Debatte, in der Finanzminister Ueli Maurer den Regierungsbericht kurz erläuterte.

Ortsübliche Bau- und Mietpreise für Verwaltungseinheiten (Mo. 18.4089; BRG 21.060)

In der Sondersession vom Mai 2022 nahm der Nationalrat als Erstrat eine Motion seiner WBK-NR an, die mittels Anpassung der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen sicherstellen will, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Angestellten wirksam vor Mobbing und sexueller Belästigung schützen. Dabei berief sich die Mehrheit der Kommission – eine aus bürgerlichen Kommissionsmitgliedern bestehende Minderheit beantragte die Ablehnung der Motion – auf die nationale Studie zu sexueller Belästigung aus dem Jahr 2008, gemäss welcher zwei Drittel der befragten Personen angaben, dass ihr Arbeitgeber trotz gesetzlicher Pflicht keine Massnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung getroffen habe. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, wobei er die Ansicht vertreten hatte, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen im Arbeits- und Gleichstellungsgesetz sowie im Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ausreichten, um bei der Vergabe von Aufträgen auch den Arbeitsschutz im Bereich Mobbing und sexuelle Belästigung zu beurteilen. Der Nationalrat befürwortete die Motion mit 93 zu 86 Stimmen (3 Enthaltungen). Neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, Grünen und der GLP stimmte auch eine Mehrheit der Mitte-Fraktion für die Annahme des Vorstosses. Direkt im Anschluss an die nationalrätliche Behandlung zog Léonore Porchet (gp, VD) ihre parlamentarische Initiative mit demselben Anliegen zurück (Pa.Iv. 20.486). Gleichzeitig beriet der Nationalrat eine andere Motion der WAK-NR mit ähnlichem Anliegen, die er ebenfalls an den Zweitrat überwies (Mo. 22.3019).

Schutz vor sexueller Belästigung bei öffentlichen Aufträgen (Mo. 22.3020)

Der Bundesrat publizierte im April 2022 den Bericht «Nachhaltiges Mobilfunknetz» in Erfüllung des gleichnamigen Postulats von Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG). Die Regierung betonte in ihrem Bericht, dass leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen und Glasfasernetze für Wirtschaft und Gesellschaft essentiell seien, weshalb ein rascher Ausbau des 5G-Netzes und des Glasfasernetzes unabdingbar sei. Zudem wurde erläutert, dass einzelne Elemente der Vollzugshilfe zu adaptiven Antennen im Dezember 2021 in die NISV übernommen worden seien. Diese rechtlichen Anpassungen ermöglichten nun den Einsatz dieser adaptiven Antennen, was wiederum dazu führe, dass für den Ausbau des 5G-Netzes deutlich weniger Antennen notwendig seien als bisher angenommen und die Kosten deutlich tiefer ausfallen würden (CHF 3.2 Mrd. statt CHF 7.7 Mrd.). Das UVEK habe zudem als Begleitmassnahmen ein NIS-Monitoring, eine umweltmedizinische Beratungsstelle, die Harmonisierung im Vollzug sowie eine Intensivierung der Forschung aufgegleist, um den Ängsten in der Bevölkerung vor 5G zu begegnen. Der Bericht ging schliesslich auch der im Postulat Häberli-Koller aufgeworfenen Frage nach einem Einheitsnetz nach: Der Bundesrat schloss ein solches Einheitsnetz als Option aus. Zwar würde es zu weniger Antennenstandorten führen, davon erwarte man aber betreffend Strahlungsexposition kaum Vorteile im Vergleich zur heutigen Situation mit drei Netzen. Hingegen würde ein Einheitsnetz den Wettbewerb verhindern und die Ziele des FMG in Frage stellen, so der Bundesrat.

Nachhaltiges Mobilfunknetz (Po. 19.4043)
Dossier: 5G – Mobilfunk, Strahlung und Gesundheit

Mit einer Motion forderte Johanna Gapany (fdp, FR), dass der Bundesrat das in der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) vorgesehene Einsichtsrecht der öffentlichen Auftraggeberin in die Preiskalkulation der anbietenden Firma wieder streichen soll. Die betroffene Verordnung sieht vor, dass die öffentliche Hand in einer De-facto-Monopolsituation die Kostenkalkulation der anbietenden Partei einsehen kann, wenn der Auftragswert die Summe von CHF 1 Mio. übersteigt. Bei einer unrechtmässigen Kalkulation kann die öffentliche Hand Rückerstattungen geltend machen und damit einen wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Geldern sicherstellen. Die Freiburger Ständerätin monierte jedoch, dass diese Norm dem Rechtsgrundsatz «pacta sunt servanda» widerspreche, also dass einmal abgeschlossene Verträge einzuhalten seien und nicht einfach nachträglich und einseitig abgeändert werden könnten. Zudem störte sich Gapany daran, dass das Parlament eine ebensolche Bestimmung im Rahmen der Totalrevision des BöB gestrichen und der Bundesrat diese Norm später dennoch auf Verordnungsstufe umgesetzt hatte. Der Bundesrat brachte in seiner Stellungnahme vor, dass die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben beider Räte ein solches Einsichtsrecht zwar abgelehnt, die beiden Finanzkommissionen und die FinDel ein solches aber befürwortet hätten. Als Kompromisslösung habe der Bundesrat deshalb auf Verordnungsstufe eine Kann-Formulierung eingeführt. Zudem sei dieses Einsichtsrecht als Komponente in den Verträgen des öffentlichen Beschaffungswesens enthalten, weshalb der genannte Rechtsgrundsatz nicht verletzt werde. Er beantragte deshalb die Ablehnung der Motion.
In der Herbstsession 2020 hatte der Ständerat die Motion stillschweigend der zuständigen Kommission zur Vorbereitung zugewiesen. Hans Wicki (fdp, NW), der den Ordnungsantrag gestellt hatte, hatte erklärt, dass die Ausgangslage der Motion sehr komplex und die Thematik mit vielen Fragen verbunden sei, weshalb eine Abwägung durch die Kommission sinnvoll erscheine. Die WAK-SR beantragte im Februar 2022 mit acht zu fünf Stimmen, die Motion abzulehnen und damit das Einsichtsrecht beizubehalten. Dieses sei international üblich und in der Vergangenheit auch unbestritten gewesen. Dank der Norm hätten so beispielsweise – vor allem im monopolistisch geprägten Rüstungsbereich – zwischen 2015 und 2019 rund CHF 10 Mio. Franken an öffentlichen Geldern eingespart werden können. Die ablehnende Haltung der Räte zur Einführung des Einsichtsrechts in der damaligen Totalrevision des BöB sei denn auch dahingehend zu interpretieren, dass diese das Recht nicht auf Gesetzesstufe, sondern auf Verordnungsstufe hätten verankert haben wollen. Eine Minderheit Wicki erachtete den damaligen Entscheid des Parlaments hingegen als Willen, keine solche Bestimmung einzuführen. Stattdessen müssten andere Wege gegangen werden, um Monopolsituationen angemessen zu begegnen. Der Ständerat folgte seiner Kommission im März 2022 und votierte mit 22 zu 19 Stimmen gegen die Motion. Das Einsichtsrecht bleibt damit bestehen.

Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen, pacta sunt servanda (Mo. 20.3266)

Der Nationalrat schloss sich in der Frühjahrssession 2022 seiner vorberatenden KVF-NR sowie dem Ständerat an, indem er der Standesinitiative des Kantons Neuenburg bezüglich eines Moratoriums für den Aufbau des 5G-Millimeterwellennetzes sowie zwei ähnlichen Initiativen der Kantone Genf und Jura keine Folge gab. Diese sind somit erledigt.

Moratorium für den Aufbau des 5G-Millimeterwellen-Netzes (Kt.Iv. 20.314)
Dossier: 5G – Mobilfunk, Strahlung und Gesundheit