Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Forschung
  • Berufsbildung

Akteure

Prozesse

918 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Jahresrückblick 2023: Bildung und Forschung

Im Jahr 2023 war der Bereich Bildung und Forschung von keinem grösseren Ereignis geprägt, es waren vielmehr verschiedene kleinere Debatten, die im Laufe des Jahres inner- und ausserhalb des Parlaments geführt wurden. Dies zeigte sich auch in der Medienberichterstattung (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse), wo sich kein grösserer inhaltlicher Schwerpunkt feststellen lässt. Generell brachten die Medien dem Themenbereich «Bildung und Forschung» im Vergleich zu den Vorjahren relativ wenig Interesse entgegen (vgl. Abbildung 2). Zweifellos wurden aber 2023 auch in diesem Themenbereich wichtige Punkte debattiert.

Bei den Grundschulen, insbesondere auf Primarstufe, war der Lehrkräftemangel ein wichtiges Thema. Wie bereits im Vorjahr waren auch im Frühling 2023 im Hinblick auf das neue Schuljahr noch viele Stellen unbesetzt. Um diesem Problem auf den Grund zu gehen, überwies das Parlament zwei Postulate, die einen Bericht zu den Gründen für den Berufswechsel von Lehrpersonen und eine systematische Evaluation der vergangenen und laufenden Schulreformen forderten. Eine weitere Motion, die verlangte, dass Absolventinnen und Absolventen der Berufsmatura ohne Aufnahmeprüfung zum Studium als Primarlehrerin oder Primarlehrer an der PH zugelassen werden, scheiterte im Ständerat. Durch Annahme eines weiteren Postulats ist der Bundesrat jedoch angehalten, die Zulassungsbedingungen zur PH zu überprüfen.

In der Berufsbildung verlangte eine viel beachtete Motion die Anpassung der Titel von Abschlüssen: Durch die Einführung der sogenannten Titeläquivalenz durch die Schaffung eines Professional Bachelor und Professional Master soll eine Aufwertung der höheren Berufsbildung (HBB) im In- und Ausland erfolgen. Der Vorstoss scheiterte jedoch im zweitberatenden Ständerat; befürchtet wurde eine Verwechslung mit den akademischen Titeln der universitären Hochschulen. Jedoch wird der Bundesrat 2024 in Erfüllung zweier Motionen (Mo. 18.3392 und Mo. 18.3240) einen Entwurf in die Vernehmlassung schicken, in dem die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» lediglich als Zusätze zu den bestehenden und geschützten Berufsbezeichnungen eingeführt werden sollen, wie der Bundesrat im November 2023 in einem Bericht erklärte. Die neuen international verständlichen Titel sollen also nur gemeinsam mit den eidgenössisch anerkannten HBB-Titeln getragen werden dürfen.

Bei den Beziehungen der Schweiz zur EU kam es im Berichtsjahr zu keiner substanziellen Einigung (vgl. Jahresrückblick zur Aussenpolitik), daher bewegte sich auch bei der von der Schweiz gewünschten Assoziierung an das Forschungsprogramm Horizon nicht viel. Allerdings beschloss der Bundesrat für das Jahr 2023 Übergangsmassnahmen in der Höhe von CHF 625 Mio. für die Ausschreibungen des Horizon-Pakets. Zudem legte die WBK-SR einen Vernehmlassungsentwurf für das Horizon-Fonds-Gesetz vor, das zwei Basler Standesinitiativen umsetzen soll. Dieser zeitlich befristete Fonds soll die finanziellen Mittel für die Schweizer Forschungsstätten in der aktuellen Horizon-Programmperiode 2021–2027 besser sichern und die Nachteile infolge der Nichtassoziierung der Schweiz möglichst kompensieren.

Jahresrückblick 2023: Bildung und Forschung
Dossier: Jahresrückblick 2023

Jahresrückblick 2023: Soziale Gruppen

Von allen Themen im Bereich der «Sozialen Gruppen» berichteten die Medien im Jahr 2023 wie bereits im Vorjahr am häufigsten über Asylfragen (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Sowohl parlamentarische als auch ausserparlamentarische Diskussionen drehten sich im Jahr 2023 häufig um potentielle und aktuelle Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung von Asylsuchenden, bedingt durch die stark ansteigenden Asylgesuchszahlen sowie durch zahlreiche Schutzsuchende aus der Ukraine. Dabei kam es auch zu Misstönen zwischen Bund und Kantonen. Die Kantone, aber auch die Schweizer Armee stellten im Frühherbst weitere Unterbringungsplätze zur Verfügung; im Spätherbst war die Lage zwar angespannt, eine Notlage blieb jedoch aus. Eine umfassende, respektive konkretere Notfallplanung nach weiteren Absprachen zwischen Bund und Kantonen empfahl die Evaluationsgruppe zum Schutzstatus S in ihrem Schlussbericht.

Die SVP machte den Asylbereich zu einem ihrer Haupt-Wahlkampfthemen. Anfang Juli lancierte sie die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» (Nachhaltigkeitsinitiative), mit der sie unter anderem die von ihr empfundenen Missstände im Asylwesen bekämpfen will. Im Berichtsjahr verlangte die SVP zudem gleich drei ausserordentliche Sessionen zur Asylpolitik. Insgesamt fanden die zahlreichen und aus diversen Parteien stammenden Motionen im Bereich Asyl im Jahr 2023 jedoch kaum Mehrheiten im Parlament und scheiterten meist bereits im Erstrat. Der Bundesrat wiederum gab im Berichtsjahr einen Entwurf in die Vernehmlassung, mit dem der Zugang zur beruflichen Ausbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers erleichtert werden soll.

In der Migrationspolitik gab die Masseneinwanderungsinitiative zu reden. Gleich bei zwei Gesetzesrevisionen wurde die Frage der Vereinbarkeit mit dem durch die Annahme der Initiative im Jahr 2014 in die Bundesverfassung aufgenommenen Zuwanderungsartikel in den Raum gestellt: Sowohl bei der Vorlage zur Beseitigung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug als auch bei derjenigen zur Lockerung der Zulassungsbestimmungen für ausländische Drittstaatenangehörige mit Schweizer Hochschulabschluss kam es wegen vertiefter Abklärungen der Verfassungsmässigkeit zu einem Marschhalt.

Die Politik setzte sich 2023 auch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auseinander. So wies ein Postulatsbericht für die Schweiz im europäischen Vergleich einen hohen gesamten geschlechtsspezifischen Einkommensunterschied (Gender Overall Earnings Gap) und einen relativ hohen geschlechtsspezifischen Unterschied bei den Gesamtrenten (Gender Pension Gap) aus. Ein weiterer Postulatsbericht zeigte Einflussfaktoren auf, die einen beruflichen Wiedereinstieg oder die Erhöhung des Arbeitspensums von Frauen mit Kindern begünstigen. Als Mittel zur verstärkten Arbeitsmarktintegration von Frauen verwies der Bundesrat darin auf die Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung sowie auf die hängige Vorlage zur Beteiligung des Bundes an den elterlichen Kita-Betreuungskosten, obwohl er Letztere ablehnte. Nachdem der Nationalrat der Vorlage im März ohne die vom Bund verlangte Gegenfinanzierung zugestimmt hatte, bestand die ständerätliche Kommission auf der Prüfung eines alternativen Modells, das 2024 in die Vernehmlassung geschickt werden soll. In jedem Fall wird sich das Parlament in Kürze wieder zur Frage der Subventionierung der Betreuungskosten äussern: Die im Vorjahr lancierte Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle» (Kita-Initiative) kam im Sommer zustande.

Nicht vorgelegt werden der Stimmbevölkerung zwei die Frauen betreffende Volksinitiativen mit dem Ziel der Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Diese scheiterten im Berichtsjahr im Sammelstadium. Erfolgreicher war eine aus der Frauensession 2021 resultierende Forderung zur Verstärkung der Erforschung von Frauenkrankheiten, die in Form einer Motion im Berichtsjahr an den Bundesrat überwiesen wurde. Ebenfalls gab der Bundesrat 2023 die Lancierung eines Nationalen Forschungsprogramms zur Gendermedizin bekannt. Die Lohngleichheit war eine der grossen Forderungen am Feministischen Streik 2023, entsprechende parlamentarische Forderungen wurden im Parlament jedoch beinahe allesamt abgelehnt.

Grundsätzlich wurde Massnahmen gegen häusliche Gewalt oder zur Verstärkung des Opferschutzes bei häuslicher Gewalt wie bereits 2022 auch 2023 ein hoher Stellenwert beigemessen. So gab der Bundesrat einen Entwurf in die Vernehmlassung, mit der die gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert werden soll. Als Erstrat behandelte der Nationalrat in der Wintersession zudem eine Vorlage, die ausländische Opfer von häuslicher Gewalt besser schützen will. Auch einige parlamentarische Initiativen und Motionen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt stiessen 2023 in der Legislative auf Zuspruch.

Ende 2023 läuft die 20-jährige Frist zur Ermöglichung des barrierefreien Zugangs zum ÖV für Menschen mit Handicap ab, wie es das im Jahr 2004 in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz vorsah. Im März präsentierte der Bundesrat einen Bericht, der bei der Zugänglichkeit noch beträchtliche Lücken aufzeigte. Die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, sowohl im Verkehr als auch in allen weiteren Lebensbereichen, forderte die im April lancierte Inklusions-Initiative. Ebenfalls mehr Einbindung verlangten im März die Teilnehmenden der ersten Behindertensession, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die Teilhabe an der Politik legten. Ferner diskutierte ein im Herbst vom Bundesrat publizierter Bericht, ob der Stimmrechtsausschluss von Menschen mit einer geistigen Behinderung legitim sei. Durch die medial begleitete (Wieder-)Wahl von Philipp Kutter, Christian Lohr und Islam Alijaj in den Nationalrat dürften Menschen mit Behinderung in Zukunft auch innerhalb des Parlaments ein breiteres Sprachrohr haben.

Auch LGBTQIA-Personen erhielten durch die Kandidatur und schliessliche durch die Wahl von Anna Rosenwasser in Zürich verstärkte Aufmerksamkeit. Zu einem bedeutenden Fortschritt für schwule und bisexuelle Männer kam es dank einer vom Parlament verabschiedeten Änderung des Heilmittelgesetzes, die unter anderem einen diskriminierungsfreien Zugang zur Blutspende ermöglicht. Somit werden in Zukunft grundsätzlich alle schwulen und bisexuellen Männer nach jahrzehntelangem Ausschluss als potentielle Blutspender zugelassen. Im Berichtsjahr überwies das Parlament ferner ein Postulat, das einen Bericht zur Verbesserung der Situation von nicht-binären Personen fordert.

Jahresrückblick 2023: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2023

Ende September 2023 reichte Maya Graf (gp, BL) ein Postulat ein, mit dem sie den Bundesrat mit der Prüfung betrauen wollte, wie er gemeinsam mit den Kantonen sicherstellen kann, dass der Studiengang Pädiatrie KJFF von den Berufsschulen und den Ausbildungsorten in koordinierter Zusammenarbeit angeboten wird. Das Geschäft kam in der Wintersession 2023 in den Ständerat, wo die Postulantin ihr Anliegen genauer erläuterte. Mit dem Vorstoss wolle sie darauf abzielen, dass die Versorgung mit spezialisierten Pflegekräften gewährleistet sei. Hierzulande existierten seit 2002 lediglich generalistische Pflegeausbildungen und die Ausbildung im Bereich der pädiatrischen Pflege finde einzig am Arbeitsort statt. Die entsprechenden Betriebe, Verbände und Organisationen würden dafür allerdings nicht entschädigt. Bedingt durch den Personalmangel gestalte sich die Sicherstellung der Ausbildung vor Ort zunehmend schwierig, was in Engpässen in der pädiatrischen Versorgung münde. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulats. Bildungsminister Guy Parmelin begründete dies damit, dass Ausbildungsinhalte im Gesundheitswesen durch Branchen- und Berufsverbände definiert würden und die Hochschulen die Autonomie besässen, zusammen mit der betroffenen Akteurschaft die Studieninhalte zu bestimmen. Der Bundesrat erachte es daher nicht als angezeigt, mittels Top-Down-Vorgehensweise in das System einzugreifen. Der Ständerat folgte mit 23 zu 20 Stimmen dem bundesrätlichen Votum und sprach sich gegen das Postulat aus.

Wie kann der Bedarf an spezifischen Pflegenden im Bereich Pädiatrie KJFF (Kinder, Jugendliche, Familie und Frau) sichergestellt werden? (Po. 23.4170)

Der Bundesrat veröffentlichte im Dezember 2023 den Bericht zur Erfüllung des Postulats Graf (gp, BL; Po. 21.3290) und des Postulats der WAK-NR (Po. 21.4342). Das Postulat Graf hatte den Bundesrat beauftragt, die Auswirkungen der Corona- sowie der Klima-Krise und der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt und auf die Berufsbildung zu untersuchen. Das Postulat der WAK-NR hingegen forderte den Bundesrat dazu auf, Massnahmen für eine bessere Abstimmung der Aus- und Weiterbildungsbedürfnisse der Wirtschaft mit denjenigen der Arbeitnehmenden vorzuschlagen.
Die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung (EHB) führte im Auftrag des SBFI eine Studie durch, um die Anliegen der beiden Postulate zu untersuchen. Durch eine Literaturanalyse sowie durch Interviews mit Expertinnen und Experten recherchierte die EHB Auswirkungen von aktuellen Entwicklungen und Trends auf das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt und schätzte deren Anpassungsfähigkeit ein. Der Bericht kam einerseits zum Schluss, dass es nötig sei, den Lehrbetrieben optimale Rahmenbedingungen zu gewähren und andererseits, dass die Berufsbildung auch für schulisch starke Schülerinnen und Schüler attraktiv sein sollte, damit genügend Jugendliche für die Berufsbildung gewonnen werden können. Weiter brauche es in der beruflichen Grundbildung eine verstärkte Ausrichtung der Allgemeinbildung auf die künftigen Anforderungen der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes, etwa auf die Digitalisierung oder auf flexiblere Arbeitsmodelle. Auch müssten die involvierten Akteure verstärkt für den Klimawandel und Umweltprobleme sensibilisiert werden. Zudem zeigte der Bericht, dass die Steuerungsmechanismen bei der Weiterentwicklung der Berufs- und Allgemeinbildung eine Herausforderung darstellen. Letztlich sei es auch ein Anliegen, dass die Berufsentwicklung innovativ gestaltet werde, so der Bericht.
Am Schluss wurden Massnahmen zu den aufgezeigten Handlungsfeldern vorgeschlagen. Da der Bericht dabei jeweils Massnahmen hervorhob, die der Bund in den genannten Handlungsfeldern bereits unternimmt oder in die Wege geleitet hat – so zum Beispiel die Umsetzung des Projekts «Berufsmaturität 2030», wo der Anpassungsbedarf der Berufsmaturitätsverordnung geprüft wird, oder die Einführung des Förderschwerpunkts «Nachhaltige Entwicklung in der Berufs- und Weiterbildung» – sah der Bundesrat keinen weiteren Handlungsbedarf.

Auswirkungen der Covid-19-Krise, der Klimakrise und der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt (Po. 21.3290)
Dossier: Die Digitalisierung im Arbeitsmarkt

Im November 2023 informierte das SBFI in einem Bericht über den Stand und das weitere Vorgehen beim Projekt «Positionierung Höhere Fachschulen». Seit dem letzten nationalen Spitzentreffen der Berufsbildung im November 2022 hatte das SBFI die Massnahmen zur Stärkung der HBB und ihrer Abschlüsse weiter konkretisiert und betroffene Kreise dazu konsultiert. Bezüglich der Titeläquivalenz schlug das SBFI nun vor, die ergänzenden Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» als Titelzusätze zu den bestehenden geschützten Titeln hinzuzufügen. Dies bedeutet, dass alle Diplome der höheren Fachschulen sowie alle Berufsprüfungen den Zusatz «Professional Bachelor» erhalten sollen, während den Absolventinnen und Absolventen der höheren Fachprüfungen auch der Titel «Professional Master» zustehen würde. Die Einführung dieser ergänzenden Titel sei von den Akteurinnen und Akteuren der Berufsbildung begrüsst worden, FH Schweiz und Swissuniversities als Vertretung der universitären Hochschulen hätten sich demgegenüber allerdings kritisch gezeigt. Die neuen Titelzusätze sollten gemäss SBFI mittels einer Revision im BBG verankert werden, wofür bis spätestens im Herbst 2024 eine Vernehmlassung eröffnet werden solle. Dieses Vorgehen hatte Bildungsminister Parmelin bereits in der Frühlingsession 2023 im Ständerat im Rahmen der Debatte der Motion Aebischer (sp, BE; Mo. 20.3050) angekündigt, die eine Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung forderte.

Akademisierung der Höheren Berufsbildung
Dossier: Höhere Fachschulen

Der Bundesrat präsentierte Mitte November 2023 die Botschaft zum Movetiagesetz. Die Agentur Movetia, welche bislang durch eine privatrechtliche Stiftung von Bund und Kantonen getragen wurde, soll auf Grundlage dieses Gesetzes in eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes überführt werden. Sie soll über einen Verwaltungrsrat, eine Geschäftsleitung sowie eine unabhängige Revisionsstelle verfügen. Movetia wird als dezentrale Verwaltungseinheit des Bundes zukünftig durch Bundesrat und Parlament beaufsichtigt. Zu den Aufgaben des Bundesrates gehören dabei die Vorgabe von strategischen Zielen, die Wahl des Verwaltungsrates sowie die Abnahme des jährlichen Geschäftsberichts. Die Kantone wiederum sollen insbesondere durch die Konsultation über die strategischen Ziele sowie durch ihr Antragsrecht auf drei von sieben Verwaltungsratssitzen an Movetia mitwirken.
Der Aufgabenbereich von Movetia wird durch das neue Gesetz nicht wesentlich verändert. Sie soll weiterhin nationale und internationale Aktivitäten für Austausch, Mobilität und Kooperation in allen Bildungsbereichen und -stufen sowie in der Erwachsenenbildung und im ausserschulischen Bereich fördern.

Movetiagesetz (BRG 23.072)
Dossier: Erasmus und Horizon

Diana Gutjahr (svp, TG) reichte im Juni 2023 ein Postulat ein, mit welchem sie einen Bericht über die Chancen eines erfolgreichen Übertritts vom Gymnasium in die Berufslehre verlangte. Der Bundesrat solle darin darlegen, welche Möglichkeiten sich aus dem Übertritt vom Gymnasium in die Berufslehre eröffnen und welche Massnahmen getroffen werden müssten, um diese Möglichkeit bekannt zu machen und den Übertritt möglichst einfach zu gestalten.
Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Der Vorstoss wurde in der Herbstsession 2023 stillschweigend angenommen.

Die Chancen eines erfolgreichen Übertritts vom Gymnasium in die Berufslehre erhöhen (Po. 23.3663)

Im September 2022 reichte Mustafa Atici (sp, BS) eine Motion ein, mit der er verlangte, dass zukünftig auch Personen aus Drittstaaten, die eine höhere Berufsbildung in der Schweiz abgeschlossen haben, in der Schweiz bleiben dürfen, um zu arbeiten. Aktuell durften nur Drittstaatenangehörige mit Schweizer Hochschulabschluss erleichtert zugelassen werden, wenn ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse ist, nicht aber Personen mit höherer Berufsbildung. Diese Ungleichbehandlung sei «stossend», so Atici in der Begründung für seinen Vorstoss.
In seiner Stellungnahme vom November 2022 beantragte der Bundesrat, die Motion abzulehnen, da er bereits im Rahmen des Postulates Nantermod (fdp, VS; Po. 19.3651) verschiedene Massnahmen ergriffen habe, um den Arbeitsmarktzugang für Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu erleichtern.
Der Nationalrat nahm die Motion in der Herbstsession 2023 dennoch mit 136 zu 53 Stimmen an; einzig die SVP-Fraktion votierte dagegen. Zuvor hatte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) erfolglos betont, dass eine weitere Ausnahme bei den Höchstzahlen mit der Regelung zur Masseneinwanderungsinitiative in der Bundesverfassung kollidieren würde.

Den Fachkräftemangel mit allen mildern, die einen Abschluss in der höheren Berufsbildung haben (Mo. 22.4105)

Die grosse Kammer beugte sich in der Herbstsession 2023 über das bundesrätliche Anliegen, dass Berufsbildnerinnen und Berufsbildner ihre Lernenden auch während des Bezugs von Kurzarbeitsentschädigungen ausbilden können. Andreas Glarner (svp, AG) stellte die entsprechende Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes dem Plenum vor. Damit solle sichergestellt werden, dass Lernende ihre Ausbildung nicht unterbrechen müssen, wenn der Lehrbetrieb KAE bezieht. Der Entwurf war im Nationalrat ebenso unbestritten wie bereits im Ständerat. Die grosse Kammer trat ohne Gegenantrag darauf ein und nahm ihn einstimmig an.
In den Schlussabstimmungen stimmten die beiden Räte dem Entwurf erneut jeweils ohne Gegenstimmen zu.

Kurzarbeitsentschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner (BRG 23.026)
Dossier: Schulen und Ausbildung während Covid-19 – Reaktionen und Folgen

Mehr Anerkennung und eine Berufsbildung für Personen, die sich um Betagte und Menschen mit Behinderungen kümmern; dies verlangte Pierre-André Page (svp, FR) mittels einer im März 2022 eingereichten Motion. Er forderte den Bundesrat konkret dazu auf, Personen, die sich ohne anerkannte Ausbildung um Betagte oder Menschen mit Behinderungen kümmern, berufsbegleitende Ausbildungen zu ermöglichen und die in der Betreuung erworbenen Kompetenzen anzuerkennen.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, betonte aber, dass er das Engagement der betreffenden Personen anerkenne und schätze. Die bestehenden Rahmenbedingungen genügten indes bereits, um die Forderungen der Motion zu erfüllen. Der Bundesrat nannte in seiner Stellungnahme beispielsweise die vom Roten Kreuz angebotenen Ausbildungsgänge zu Pflegehelfenden. Auch sei es gemäss BBG bereits möglich, sich die informell erworbenen Kompetenzen und Erfahrungen im Pflege- und Betreuungsbereich bei der Berufsbildung anrechnen zu lassen. Der Bundesrat gab schliesslich zu bedenken, dass die Schaffung eines offiziellen Ausbildungsgangs für Betreuungsaufgaben dazu führen könne, dass ein solcher nach einer gewissen Zeit vorausgesetzt wird, damit eine Person Betreuungsaufgaben überhaupt wahrnehmen kann.
Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2023 mit dem Anliegen. Nachdem Pierre-André Page sowie Bildungsminister Guy Parmelin Pro und Contra des Vorstosses dargestellt hatten, stimmte die grosse Kammer über das Anliegen ab. Die Motion wurde mit 103 zu 66 Stimmen bei 16 Enthaltungen angenommen. Gegenstimmen stammten von Mehrheiten der SP-, der FDP.Liberalen- sowie von der Mitte-Fraktion.

Anerkennung und Berufsbildung für Personen, die sich um Betagte und Menschen mit Behinderungen kümmern (Mo. 22.3323)

Der Ständerat diskutierte in der Herbstsession 2023 darüber, Absolventinnen und Absolventen der Berufsmaturität den prüfungsfreien Zugang zum Studium der Primarstufe an der PH zu ermöglichen. Die Mehrheit der vorberatenden WBK-SR hatte sich gegen eine entsprechende Motion des Nationalrates ausgesprochen, wie Matthias Michel (fdp, ZG) berichtete. Michel argumentierte für die Kommissionsmehrheit, dass die Aufnahmeprüfung für die PH, welche die Berufsmaturanden und -maturandinnen bestehen müssen, kein Hindernis darstelle. Dies beweise der Anteil von 60 Prozent der Studierenden an den PH, die über keine gymnasiale Matura verfügten. Folglich liege das grösste Problem im Bereich des Lehrpersonenmangels nicht im Zugang zur Ausbildung, sondern vielmehr bei Einstieg und Verbleib im Beruf. Jedoch werde die Allgemeinbildung im Rahmen einer Berufsmaturität weniger stark gewichtet als bei der gymnasialen Maturität; die entsprechende Lektionenzahl sei bei der Berufsmaturität nur halb so gross, was die Ungleichbehandlung rechtfertige. Schliesslich solle zuerst der Bericht in Erfüllung des vom Nationalrat bereits überwiesenen Postulats 22.4267 abgewartet werden. Maya Graf (gp, BL) vertrat die Kommissionsminderheit, die sich für Annahme des Vorstosses einsetzte. Sie war der Ansicht, dass die sozialen Kompetenzen, die Arbeitserfahrungen und das Allgemeinwissen, welche die Absolventinnen und Absolventen der Berufsmaturität erworben hätten, «für den Eintritt in ein pädagogisches Hochschulstudium [... ] und auch für die spätere Primarlehrpraxis ausreichend» seien. Des Weiteren herrsche derzeit ein Ungleichgewicht zwischen Personen, welche ab 28 oder 30 Jahren prüfungsfrei «sur dossier» in die PH eintreten dürften und den Berufsmaturandinnen und Berufsmaturanden, die eine Prüfung ablegen müssen. Zudem sei der Weg über die Aufnahmeprüfung nicht einheitlich geregelt, jede PH habe hierfür andere Kriterien. Der Ständerat lehnte die Motion in der Folge mit 21 zu 19 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab.

Prüfungsfreier Zugang mit der Berufsmatura zu Pädagogischen Hochschulen für die Ausbildung zur Primarlehrperson (Mo. 22.4268 & Po. 22.4267)
Dossier: Mangel an Lehrpersonen

Aussenminister Ignazio Cassis reiste im September 2023 nach Kanada, wo er auf sein kanadisches Pendant, Mélanie Joly, traf. Im Zentrum der Gespräche stand die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Umwelt sowie Menschenrechte. Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde thematisiert. Ein weiteres Augenmerk wurde auf die neue kanadische Initiative zum Schutz von willkürlich verhafteten Personen gelegt. Diese Initiative prangerte die Praxis einiger Staaten an, «Personen willkürlich zu inhaftieren und sie als Druckmittel in der Aussenpolitik einzusetzen». Gemäss Bundesrat widerspreche diese Praxis den in der Amerikas-Strategie festgehaltenen Grundsätzen der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.
Diese Initiative wurde auch im Rahmen der UNO-Generalversammlung von Ende September 2023 diskutiert, an der Ignazio Cassis ebenfalls teilnahm. Ansonsten prägte der russische Angriff auf die Ukraine die Agenda des Aussenministers in New York; er nahm dabei unter anderem an einem Ministertreffen zur Revision des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs teil, das zum Ziel hatte, ein starkes Signal gegen die Straflosigkeit des Verbrechens der Aggression zu setzen.

Bundesrat Ignazio Cassis reist nach Kanada

Die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission reichte im Juni 2023 ein Postulat ein, mit welchem sie einen Bericht über die Stärkung der Aufsicht und Kontrolle der biologischen Hochsicherheitslabore forderte. Die GPK-NR wollte in diesem Bericht zahlreiche Fragen rund um die Sicherheit der biologischen Hochsicherheitslabore klären; so etwa wie die Aufsicht des Bundes über die Kontrolltätigkeit der Kantone gestärkt und wie der Vollzug durch die Kantone selber vereinheitlicht und verbessert werden kann oder auch wie ein intensiverer Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Bund und Kantonen zu Stande kommen kann. Im Postulatsbericht solle auch festgehalten werden, ob die entsprechenden Rechtsgrundlagen durch die erwähnten Massnahmen angepasst werden müssen. Die GPK-NR begründete ihren Vorstoss mit dem Umstand, dass die Kantone die Kontrolltätigkeit über diese Labore sehr unterschiedlich handhabten, beispielsweise in Bezug auf die Häufigkeit der Kontrollen oder auch in Bezug auf die Ressourcen, die für die Inspektionen aufgewendet werden. Zudem verfüge der Bund derzeit nur über begrenzte Aufsichtskompetenzen über die Kontrolltätigkeit der Kantone; es gebe zum Beispiel keine Regelung, wann und in welchem Umfang dem Bund Informationen zu den Kontrollen übermittelt werden müssen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates und der Nationalrat nahm den Vorstoss in der Herbstsession 2023 stillschweigend an.

Stärkung von Aufsicht und Kontrolle über biologische Hochsicherheitslabore (Po. 23.3965)

Ende September 2021 reichte Judith Bellaiche (glp, ZH) eine Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat damit betrauen wollte, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten zu errichten. Das Geschäft kam gut zwei Jahre nach Einreichen in den Nationalrat, wo die Motionärin ihr Anliegen ausführte. Durch die Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass zurzeit kein Instrument vorhanden sei, das eine systematische Verfolgung von Krankheiten und deren Veränderungsverhalten ermögliche. Damit rechtzeitig auf neue Krankheitserreger oder Bakterienresistenzen reagiert werden könne, sei dies allerdings essenziell. Gesundheitsminister Berset empfahl die Motion zur Ablehnung. In Folge der Covid-19-Pandemie habe man Ausweitungen an der genomischen Überwachung vorgenommen, weshalb die für eine entsprechende Plattform benötigten Rahmenbedingungen bereits existierten. Zudem fliesse die Fragen zur genomischen Überwachung und zu den entsprechenden Plattformen in das derzeit in Überarbeitung befindliche EpG ein. Dennoch nahm die grosse Kammer die Motion mit 109 zu 63 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) an. Während die Fraktionen der SP, GLP, Mitte und der Grünen geschlossen respektive mit einigen Enthaltungen das Geschäft befürworteten, sprachen sich die SVP- und die FDP-Fraktion geschlossen respektive grossmehrheitlich gegen den Vorstoss aus.

Dauerhafte genomische Überwachungsplattform für Infektionskrankheiten (Mo. 21.4175)

FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (fdp, ZH) reichte im November 2021 ein Postulat ein, mit welchem er vom Bundesrat in Zusammenarbeit mit der EDK eine Auslegeordnung zum «unternehmerischen Denken und Handeln» in der Schweizer Bildungslandschaft forderte. Der geforderte Bericht solle in Ergänzung zum ähnlich gelagerten Postulat 20.4285, bei welchem der Fokus auf den Lehrmitteln und der Geschlechtergleichstellung liegt, erstellt werden.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulats, da er die Forderungen für alle Stufen des Bildungssystems als erfüllt erachtete: So werde beispielsweise mit der Revision der gymnasialen Maturität dafür gesorgt, dass der Status von Fächern wie Wirtschaft und Recht sowie die Gewichtung transversaler Kompetenzen überprüft werden. Im Bereich der höheren Berufsbildung (eidgenössische Prüfungen und höhere Fachschulen) würden den Absolventinnen und Absolventen spezifische Fortbildungen angeboten, die helfen, «Führungsaufgaben [zu] übernehmen oder ein eigenes Unternehmen auf[zu]bauen». Schliesslich sei die Förderung des Unternehmertums auch in den strategischen Zielen 2021–2024 des Bundesrates für den ETH-Bereich festgehalten.
Der Nationalrat behandelte den Vorstoss in der Herbstsession 2023. Andri Silberschmidt zeigte sich mit der Stellungnahme des Bundesrates nicht einverstanden. Diese veranschauliche vielmehr, dass es kaum eine koordinierte Abstimmung des «unternehmerischen Denkens und Handelns» über die verschiedenen Bildungsstufen hinweg gebe. Der Bundesrat gehe zudem gar nicht auf den wichtigen Bereich der beruflichen Grundbildung ein. In der Folge nahm der Nationalrat das Postulat mit 103 zu 70 Stimmen bei 17 Enthaltungen an. Während die Mitglieder der SP- und der SVP-Fraktion mehrheitlich gegen das Postulat stimmten, sprachen sich die Mitglieder der anderen Fraktionen dafür aus.

Auslegeordnung zum «unternehmerischen Denken und Handeln» in der Schweizer Bildungslandschaft (Po. 21.4348)

Im September 2023 wurde der Bericht zum Forschungsprojekt über die sexuellen Missbräuche innerhalb der schweizerischen katholischen Kirche seit 1950 unter grosser medialer und politischer Aufmerksamkeit veröffentlicht. Das Forschungsteam hatte darin in rund zwei Dutzend Archiven Akten von Missbrauchsfällen zusammengesucht, gelesen und einige Fälle analysiert. Ergänzend bezog es mediale Berichte zum Thema ein und führte Interviews mit Betroffenen, Expertinnen und Experten sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Kirche.

Die Studie identifizierte zwischen 1950 und 2023 insgesamt 1'002 Fälle von sexuellem Missbrauch mit 510 Täterinnen und Tätern und 921 Betroffenen. Während die Beschuldigten bis auf wenige Ausnahmen männlichen Geschlechts waren, waren 39 Prozent der Betroffenen weiblich. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Minderjährige (74%), wobei die gesamte Altersspanne vertreten war. Doch bei mindestens 14 Prozent der Fälle handelte es sich auch um erwachsene Betroffene, was gemäss Bericht ein wichtiger Befund sei, da bisherige Untersuchungen nur Minderjährige in den Fokus genommen und somit eine grosse Gruppe an Betroffenen nicht berücksichtigt hätten. Die untersuchten Fälle fanden mehrheitlich vor der Jahrhundertwende statt (47% zwischen 1650 und 1969; 41% zwischen 1970 und 1999; 12% zwischen 2000 und 2022).

Zudem lieferte die Studie einen Überblick über die Archivsituation in der katholischen Kirche. So sei zwar der Zugang zu den Archiven grösstenteils gegeben gewesen, wie es die katholische Kirche im Vorfeld versprochen hatte, jedoch gab es in Bezug auf die Qualität der Archivierung teils grosse Unterschiede. Einzelne Archive hätten demnach grössere Schwächen in der Organisation sowie Lücken in der Dokumentation aufgewiesen. Eine Hürde stellte dabei eine Regel im kanonischen Recht der katholischen Kirche dar, wonach alle Akten zehn Jahre nach dem Vorfall oder bei Tod der beschuldigten Person vernichtet werden sollten. Obwohl die Mehrheit der Bistümer diese Regelung heute mehrheitlich nicht mehr umsetzten, fanden die Forschenden in einigen Archiven nach wie vor Hinweise auf eine solche Vernichtung von Akten. Zum «diplomatische[n] Schutz der Nuntiatur» erhielt das Forschungsteam zudem keinen Zugang in die Archive der Apostolischen Nuntiatur der Schweiz, der diplomatischen Vertretung des Vatikans. Da es Aufgabe des Nuntius ist, Brüche mit dem katholischen Recht, wie etwa sexueller Missbrauch, dem Papst zu melden, erachtete das Forschungsteam das entsprechende Archiv als wichtige Quelle für weitere Untersuchungen und befürchtete, dass die bisherigen Zahlen wohl nur «die Spitze des Eisberges» seien.

Weiter zeichnete der Bericht ein Bild über den Umgang der katholischen Kirche mit Fällen von sexuellem Missbrauch. So gebe es erst im 21. Jahrhundert schrittweise eine konsequentere Aufarbeitung und Verfolgung von sexuellem Missbrauch, während die Fälle zuvor meist «bagatellisiert» und oft «ausgesessen» worden seien. So seien Täterinnen und Täter etwa oft in andere Bistümer versetzt statt des Amtes enthoben worden, zudem habe es eine Schweigepflicht für Betroffene oder Mitwissende gegeben.

Der Bericht betonte zuletzt, dass die Ergebnisse mehrheitlich auch als Grundlage für zukünftige und weitergehende Untersuchungen dienen sollten. Entsprechend behandelte er auch Empfehlungen für weitergehende Untersuchungen und identifizierte Forschungslücken. Zentral sei etwa, dass die verschiedenen Strukturen der katholischen Kirche miteinbezogen würden und dass der Blick über die Bistümer hinausgehe. Untersucht werden müssten demnach unter anderem auch katholische Kinder- und Jugendverbände, wie etwa die Jungwacht-Blauring.

In der Folge kam es zu einer breit geführten medialen Debatte über den Bericht und dessen direkten Folgen, zudem wurden Forderungen an die katholische Kirche gestellt.

Ein prominent diskutiertes Thema waren dabei erstens die Strukturen der katholischen Kirche, welche Missbrauch potenziell fördern könnten. So kritisierten die Medien etwa das Pflichtzölibat, wonach geweihte Personen ihre Sexualität in keinerlei Form ausleben dürfen, als unrealistisch. Es verhindere, dass junge Männer einen gesunden Umgang mit der eigenen Sexualität erlernen könnten. Folglich würden sexuelle Präferenzstörungen wie Pädophilie wahrscheinlicher, zudem könnten Personen davon angezogen werden, die bereits ein gestörtes Sexualverhältnis haben. Unter anderem der Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz, Felix Gmür, forderte deshalb eine Abschaffung des Zölibats.
Zudem wurde die fehlende Gewaltenteilung innerhalb der katholischen Kirche kritisiert. So sind Bischöfe derzeit zugleich Legislative, Exekutive und Judikative, was einerseits Vertuschungen begünstige, andererseits Bischöfe in ein Dilemma zwischen Schutz ihrer Unterstellten und Pflicht zur Aufklärung der Taten stürzten. Folglich wurde eine bessere Machtteilung innerhalb der katholischen Kirche und eine Einschränkung der Macht der Bischöfe gefordert.

Zweitens hatte der Bericht auch direkte Auswirkungen für die katholische Kirche. So meldeten sich viele neue Betroffene von sexuellem Missbrauch bei den entsprechenden Meldestellen der katholischen Kirche. Viele Betroffene fänden nun den Mut, über den erfahrenen Missbrauch zu sprechen. Jedoch seien die Mehrheit der Betroffenen mittlerweile Seniorinnen und Senioren und die Fälle folglich verjährt. Bei den nicht verjährten Fällen hätten die Bistümer jedoch offiziell Strafanzeige erstattet. Zudem kam es nach der Veröffentlichung des Berichts zu zahlreichen Austritten aus der katholischen Kirche. Dies brachte starke finanzielle Einbussen für die katholische Kirche mit sich und stellte durch den Austritt vieler langjähriger, engagierter Freiwilliger auch das Funktionieren gewisser Gemeinden in Frage. Der durch diese Ereignisse mutmasslich verstärkte Austritt von vor allem aufgeschlossenen und liberalen Gläubigen bremse zusätzlich den Wertewandel innerhalb der katholischen Kirche, lautete der Tenor in den Medien. Nicht zuletzt sorgte der Auftrag des Papstes an den Churer Bischof Joseph Bonnemain, eine Voruntersuchung gegen sechs Bischöfe einzuleiten, für einige Diskussionen. Ein Berner Pfarrer hatte die Bischöfe gegenüber den Forschenden und dem Schweizer Nuntius beschuldigt, sexuellen Missbrauch begangen oder solchen vertuscht zu haben.

Nach der Veröffentlichung des Berichts kam es zudem zu einer Reihe von parlamentarischen Vorstössen, welche forderten, dass der Bund die Vorfälle selbst untersucht (Mo. 23.4302); dass die Beziehung zwischen Kirche und Staat klarer und transparenter geregelt wird (Po. 23.4294); dass die Kirche verpflichtet wird, einheitliche Schutzmassnahmen gegen sexuellen Missbrauch zu ergreifen (Mo. 23.4191; 23.4192; 23.4193; 21.4194; 21.4195; 23.4196); und dass die katholische Kirche als Konzern für Missbrauchsfälle haftbar gemacht werden kann (Pa.Iv. 23.460).

Die Bischofskonferenz versprach derweil gegenüber der Öffentlichkeit, dass ein Wertewandel innerhalb der katholischen Kirche angestrebt werde. Insbesondere der Churer Bischof Joseph Bonnemain betonte, dass es an der Zeit sei, dass die Kirche ihre Schuld eingestehe und entsprechende Massnahmen umsetze. Zudem soll gemäss Felix Gmür, dem Bischof des Bistums St.Gallen, ein unabhängiger kirchlicher Gerichtshof eingesetzt werden, der weiterhin unabhängig vom weltlichen Recht agiert und sich um strafrechtliche oder disziplinarische Verfahren innerhalb der Kirche kümmert. Dies müsse jedoch zuerst mit dem Vatikan abgesprochen werden, da dafür bisher keine kirchenrechtliche Grundlage bestehe. Die Medien bezweifelten jedoch die Umsetzung der Versprechen der Bischofskonferenz – bereits früher seien auf Versprechen keine Änderungen erfolgt. Erste Schritte unternahm hingegen das Bistum St. Gallen, das unter anderem die Forscherinnen der Universität Zürich mit einer zweiten Studie beauftragte und die Regelung, Akten nach 10 Jahren zu vernichten, aufhob – dies ohne grünes Licht aus Rom.

Archivöffnung der katholischen Kirche zur Untersuchung sexuellen Missbrauchs

Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung

Autorinnen und Autoren: Bernadette Flückiger, Marco Ackermann und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die Finanzierung sämtlicher Bereiche in Bildung, Forschung und Innovation wird alle vier Jahre in der sogenannten BFI-Botschaft geregelt – so auch in der 51. Legislatur. Für die Jahre 2021 bis 2024 sprach das Parlament insgesamt Mittel im Umfang von CHF 28.1 Mrd., zuvor hatte es die 14 Bundesbeschlüsse teilweise während drei Sessionen beraten. Damit entpuppte sich die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 auch zum am längsten debattierten Geschäft der Legislatur im vorliegenden Themenbereich.

Im Bereich der frühkindlichen Förderung bot ein vom Bundesrat verfasster Bericht zur Politik der frühen Kindheit unter anderem den Anstoss zur Einreichung einer Kommissionsinitiative, die eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den elterlichen Kosten der ausserfamiliären Kinderbetreuung fordert.

Während der 51. Legislatur wurden in den Medien verschiedene Diskussionen zur obligatorischen Schule intensiv geführt. So gab während des Lockdowns in der Corona-Pandemie etwa das für eine Zeit nötig gewordene Homeschooling oder die später eingeführte Maskentragepflicht zu reden. Doch auch nach Ende der Pandemie standen die Schulen vor grossen Herausforderungen: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stellte sich die Frage zur Integration geflüchteter ukrainischer Kinder in das Schweizer Schulsystem. Ab dem Jahr 2022 intensivierten sich die Diskussionen um den Mangel an Lehrpersonen, was auch in politische Vorstösse – etwa bezüglich des Zugangs zum Beruf oder zur Ausbildung – mündete.

Neben Diskussionen um die obligatorische Schule wurden in den Medien auch Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Berufsbildung diskutiert. Mit dem sogenannten EHB-Gesetz schuf der Bundesrat in der 51. Legislatur eine eigene gesetzliche Grundlage für die Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung. Aufgrund des Widerstands des Ständerates nicht zustande kam hingegen die Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung.

In den Bereichen Forschung und Hochschulen beschäftigte die Revision des ETH-Gesetzes die Räte, mit der unter anderem Empfehlungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle zu generellen Aufsichtskompetenzen des ETH-Rates umgesetzt wurden. Das Geschäft konnte schliesslich nach der Einigungskonferenz verabschiedet werden. Ebenfalls ausführlich debattiert worden war die Finanzierungsbotschaft für die Beteiligung am Horizon Paket 2021-2027 der EU – allerdings noch bevor es zum Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU kam. Nach besagtem Verhandlungsabbruch und der Schweizer Zurückhaltung in Sachen Kohäsionsmilliarde war es der Schweiz lediglich möglich, als nicht-assoziierter Drittstaat an «Horizon Europe» teilzunehmen, worauf Bundesrat und Parlament verschiedene Übergangsmassnahmen verabschiedeten. In Erfüllung zweier Standesinitiativen gab der Bundesrat Ende 2022 ferner einen Entwurf zur Schaffung eines Horizon-Fonds – ein befristeter Fonds für die finanzielle Unterstützung der internationalen Forschungszusammenarbeit für die Zeit der Nicht-Assoziierung an «Horizon Europe» – in die Vernehmlassung. Auch bleibt der Schweiz nach wie vor die Assoziierung an Erasmus+ versagt.

Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Bildung und Forschung
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rétrospective de la 51e législature : La gestion du système politique face aux (grandes) crises

Auteures: Anja Heidelberger et Marlène Gerber

Traduction: Lloyd Fletcher et Karel Ziehli

Etat au 17.08.2023

Les événements, histoires et débats politiques qui ont eu lieu en très grand nombre au cours de la 51e législature peuvent être retracés de manière détaillée dans nos rapports de législature, classés par thèmes politiques. Toutefois, on se souviendra sans doute surtout des différentes crises qui ont secoué la Suisse au cours de cette législature. En effet, pratiquement aucun domaine politique n'a échappé à au moins une grande crise au cours des quatre dernières années. Par conséquent, nous mettons l'accent, dans cette rétrospective transversale de la 51e législature, sur ces crises et leurs nombreuses répercussions sur la politique et la société.

La pandémie de Covid-19
La pandémie de Covid-19 a eu des répercussions sur presque tous les domaines politiques. En effet, outre le système de santé fortement touché et mis à contribution, les mesures de lutte contre la pandémie ont posé de gros problèmes à différentes branches et catégories de personnes – en particulier aux entreprises et aux indépendants, que le Conseil fédéral a aidés en étendant les allocations pour perte de gain et le chômage partiel et en créant des crédits-relais et des aides pour les cas de rigueur. Les médias, les acteurs culturels, les ligues et associations sportives ainsi que les transports publics et le transport aérien ont également bénéficié de soutiens financiers, tandis que des mesures d’un autre type ont été réclamées dans le domaine des écoles ainsi que pour les loyers commerciaux. Les mesures exhaustives prises pour lutter contre la pandémie ont entraîné un déficit budgétaire considérable, amenant le Parlement à prolonger le délai du remboursement de la dette afin d’éviter des coupes budgétaires draconiennes. La pandémie a également été une charge pour la population, avec des baisses de salaires (lors du chômage partiel), la garde d'enfants en télétravail ou encore l'anxiété. En outre, la pandémie a également posé un problème à la société dans son ensemble, en entraînant (ou en renforçant) une perte de confiance d'une partie de la population dans le gouvernement. Une partie de la population suisse s’est montrée sceptique quant à la vaccination contre le Covid-19, ce qui a suscité des débats émotionnels autour de l'introduction dudit certificat Covid-19. En revanche, tant l'armée, la protection civile et le service civil – en effectuant de nombreuses heures dans des interventions, notamment dans le domaine de la santé – que le monde de la recherche qui a développé des vaccins et des médicaments contre le Covid-19 ont pu démontrer leur utilité dans le cadre de la pandémie. Enfin, la pandémie a également stimulé le télétravail et, plus généralement, la flexibilisation et la numérisation du monde du travail. Au cours de la 51e législature, le peuple et les cantons ont également accepté l'initiative sur les soins, qui contenait des mesures visant à garantir les soins infirmiers de base, dont l'importance a été soulignée pendant la pandémie.

La pandémie a également eu des répercussions sensibles sur le système institutionnel. Au début, le gouvernement a clairement pris les choses en main, prenant toutes les décisions importantes après la proclamation de la situation extraordinaire au sens de la loi sur les épidémies grâce à des décrets d'urgence fondés sur la Constitution et à la loi sur les épidémies, tandis que le Parlement a interrompu prématurément sa session de printemps en raison du début de la pandémie. Le Parlement a obtenu davantage de marge de manœuvre lorsque les ordonnances d'urgence ont dû être remplacées par une loi au bout de six mois, conformément à la Constitution – l'examen de la loi Covid 19 et de ses cinq révisions à ce jour ont donné lieu à des débats animés au Parlement et parfois à des modifications centrales des projets du Conseil fédéral. Les droits populaires ont également connu un coup d'arrêt temporaire, bien que le corps électoral a pu ensuite s'exprimer à trois reprises sur les révisions de la loi Covid 19, qu'il a à chaque fois approuvées. Non seulement les relations entre l'exécutif et le législatif, mais aussi la position des cantons dans la pandémie ont fait l'objet de discussions récurrentes. Ainsi, la déclaration de la situation extraordinaire avait clairement fait basculer le rapport de force en faveur de la Confédération. Certaines phases durant lesquelles les cantons ont temporairement pris le contrôle ont abouti à des patchworks de réglementations entre cantons et à des appels fréquents pour que la Confédération prennent à nouveau les décisions. L'année 2022 a finalement été marquée par les premières tentatives de résoudre politiquement la crise de la Covid-19, avec des propositions discutées pour rendre la Confédération et le Parlement plus résistants aux crises.

La guerre en Ukraine et les problèmes d'approvisionnement en énergie
Immédiatement après la pandémie, la guerre d'agression contre l'Ukraine a attiré l'attention sur des thèmes qui étaient auparavant moins mis en lumière. Ainsi, la guerre a déclenché en Suisse des discussions animées sur l'orientation de la politique étrangère et de la neutralité, après que la Confédération a repris les sanctions décidées par l'UE contre la Russie et que la question de la livraison d’armes à l’Ukraine s’est posée. Cette crise a conduit à l'accueil de réfugié.e.s ukrainien.ne.s en Suisse et à la première utilisation du statut de protection S, ainsi qu'à l'augmentation du budget militaire jusqu'en 2030 et à des discussions sur la sécurité de l'approvisionnement dans le secteur agricole. De plus, la Banque nationale suisse (BNS) a enregistré une perte de 150 milliards de CHF en 2022, qu'elle a notamment attribué aux conséquences de la guerre en Ukraine sur l'économie mondiale.

Conséquence directe de la guerre en Ukraine, les problèmes d'approvisionnement en énergie se sont intensifiés, entraînant une hausse des prix de l'énergie, ce qui s'est répercuté sur les autres prix. En réaction à une possible pénurie d'énergie, le Conseil fédéral a principalement misé sur les énergies renouvelables, tout en faisant construire des centrales de réserve à gaz en cas d'urgence. Des débats sur les avantages de l'énergie nucléaire ont également refait surface dans le monde politique. Enfin, on suppose que la crise énergétique a contribué à la majorité en faveur du contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, bien que des projets d'expansion de l'approvisionnement en électricité en hiver aient été privilégiés au Parlement par rapport aux préoccupations environnementales.

Dans l'ensemble, les différentes crises survenues au cours de la 51e législature ont mis en évidence une vulnérabilité d’une ampleur inattendue en matière de sécurité de l'approvisionnement dans de nombreux domaines, en particulier dans le domaine médical, comme les unités de soins intensifs et les médicaments, ainsi que dans le domaine économique, notamment en matière d'énergie et d'agriculture.

Ce qui a également été important
Bien entendu, la 51e législature a également été marquée par des événements, des choix et des décisions politiques importants, indépendamment des crises.

La rupture des négociations sur l'accord-cadre institutionnel en avril 2021 a particulièrement marqué les relations entre la Suisse et l'UE. Le refus de l'accord-cadre a conduit tant à un blocage de la participation suisse au programme de recherche européen « Horizon Europe »; une situation que même le déblocage du deuxième milliard de cohésion ne changera pas. Après plusieurs autres entretiens exploratoires entre la Suisse et l'UE, le Conseil fédéral a adopté en 2023 des lignes directrices pour un nouveau mandat de négociation avec l'UE.

L'effondrement de Credit Suisse en mars 2023 et son rachat par UBS ont également suscité une attention particulière. C’est pour enquêter sur ces événements que le Parlement a décidé d’instituer la cinquième commission d'enquête parlementaire de l'histoire suisse.

Les femmes ont écrit l'histoire en augmentant de manière significative leur représentation dans les deux chambres lors des élections fédérales de 2019. Près de cinquante ans après l'introduction du droit de vote des femmes – la 51e législature a également été l'occasion de célébrer le 50e anniversaire –, la proportion de femmes au Conseil national a dépassé pour la première fois les 40 pour cent, tandis que celle au Conseil des États s'élevait à 26 % après les élections.

Bien que le Parlement soit devenu plus vert avec les dernières élections fédérales, les questions climatiques ont surtout été au centre de l'attention en 2021, lorsque le corps électoral a rejeté de justesse la révision totale de la loi sur le CO2. En revanche, la loi sur le climat et l'innovation, qui constituait un contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, été approuvée en votation populaire en 2023.

De manière générale, le taux d'acceptation des projets soumis au référendum facultatif au cours de la 51e législature a été relativement faible par rapport aux législatures précédentes, avec 7 échecs sur un total de 21 référendums. De plus, la participation électorale a été élevée de 5 points de pourcentage en plus par rapport à la moyenne depuis 1990, ce qui pourrait être lié au climat politique enflammé pendant la pandémie de Covid-19. Le taux d'acceptation des initiatives lors de la 51e législature a été relativement élevé (3 initiatives sur 13), tandis que le nombre d'initiatives populaires soumises au vote a été moins élevé que lors des législatures précédentes. En revanche, le Conseil fédéral et le Parlement ont élaboré de nombreux contre-projets directs ou indirects aux initiatives populaires au cours de cette législature.


Vous trouverez des informations sur les votations populaires ainsi que des explications sur les objets parlementaires et des descriptions des événements centraux de la 51e législature dans les différentes rétrospectives thématiques de la législature ainsi que dans les rétrospectives annuelles qui y sont liées.

Liens vers les rapports de législature, classés par thèmes politiques:
Problèmes politiques fondamentaux
Ordre juridique
Institutions et droits populaires
Structures fédéralistes
Elections
Politique étrangère
Armée
Politique économique
Crédit et monnaie
Agriculture
Finances publiques
Energie
Transports et communications
Aménagement du territoire et logement
Protection de l'environnement
Population et travail
Santé
Assurances sociales
Groupes sociaux
Enseignement et recherche
Culture, langues, églises
Médias

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen

Autorinnen: Anja Heidelberger und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die unzähligen Geschichten, Ereignisse und politischen Diskussionen, die sich während der 51. Legislatur ereigneten, lassen sich ausführlich in unseren thematischen Legislaturrückblicken nachlesen. In Erinnerung bleiben werden aber wohl in erster Linie die verschiedenen Krisen, welche die Schweiz in dieser Legislatur beschäftigt haben. So war denn auch kaum ein Themenbereich nicht von mindestens einer grossen Krise betroffen. Folglich stellen wir die Krisen und deren zahlreiche Auswirkungen für Politik und Gesellschaft in den Fokus dieses themenübergreifenden Rückblicks auf die 51. Legislatur.

Die Covid-19-Pandemie
Insbesondere die Covid-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf fast alle Politikfelder, denn neben dem stark betroffenen und belasteten Gesundheitssystem stellten die Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie verschiedene Branchen und Personengruppen vor grosse Probleme – insbesondere auch die Unternehmen und Selbständigerwerbenden, denen der Bundesrat etwa durch Ausdehnung des Erwerbsersatzes und der Kurzarbeit sowie mit der Schaffung von Corona-Krediten und Härtefallhilfen entgegen kam. Finanziell unterstützt wurden insbesondere auch die Medien, die Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, die Sportligen und -vereine sowie der öffentliche Verkehr und der Luftverkehr, während etwa im Bereich der Schulen, aber auch bei den Geschäftsmieten alternative Regelungen gefragt waren. Die umfassenden Massnahmen gegen die Pandemie führten in der Folge zu einem grossen Loch im Bundeshaushalt, dessen Abbaufrist das Parlament verlängerte, um einschneidende Sparrunden zu verhindern. Eine Belastung war die Pandemie auch für die Bevölkerung, welche etwa durch tiefere (Kurzarbeits-)Löhne, Kinderbetreuung im Home-Office oder Angstgefühle. Zudem stellte die Pandemie auch ein Problem für die Gesellschaft als Ganzes dar, indem sie bei Teilen der Bevölkerung zu einem Vertrauensverlust in die Institutionen führte (oder diesen verstärkte). Teile der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz standen denn auch der Covid-19-Impfung skeptisch gegenüber, was zu besonders emotionalen Diskussionen rund um die Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats führte. Hingegen konnten Armee, Zivilschutz und Zivildienst in zahlreichen Einsatzstunden v.a. im Gesundheitsbereich, aber etwa auch die Forschung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 ihren Nutzen im Rahmen der Pandemie unter Beweis stellen. Schub bedeutete die Pandemie schliesslich für die Förderung von Homeoffice und allgemein für die Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt. In der 51. Legislatur nahmen Volk und Stände auch die Pflegeinitiative an, welche Massnahmen enthielt, um die pflegerische Grundversorgung zu sichern, deren Wichtigkeit im Zuge der Pandemie noch verdeutlicht worden war.

Spürbare Auswirkungen hatte die Pandemie auch auf das Institutionengefüge. Zu Beginn nahm eindeutig die Regierung das Zepter in die Hand, welche nach Ausrufen der ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz mithilfe von auf der Verfassung beruhenden Notverordnungen und dem Epidemiengesetz alle wichtigen Entscheidungen traf, während das Parlament wegen des Ausbruchs der Pandemie die eigene Frühjahrssession vorzeitig abbrach. Mehr Spielraum erhielt das Parlament, als die Notverordnungen nach sechs Monaten verfassungsmässig durch ein Gesetz ersetzt werden mussten – die Beratung des Covid-19-Gesetzes und seine bisher fünfmalige Revision führten zu angeregten Debatten im Parlament und teilweise zu zentralen Änderungen an den bundesrätlichen Entwürfen. Zwischenzeitlich zum Stillstand kamen auch die Volksrechte, zu den Revisionen der Covid-19-Gesetze konnte sich die Stimmbevölkerung jedoch dann insgesamt dreimal äussern, wobei sie diese jeweils guthiess. Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative, sondern auch die Stellung der Kantone in der Pandemie sorgte immer wieder für Diskussionen. So hatte die Ausrufung der ausserordentlichen Lage die Kräfteverhältnisse eindeutig zugunsten des Bundes verschoben. Einzelne Phasen, in denen die Entscheidungsgewalt temporär bei den Kantonen lag, endeten zudem jeweils in sogenannten Flickenteppichen an Regelungen zwischen den Kantonen und nicht selten auch in dem Ruf nach erneuten Entscheidungen durch den Bund. Das Jahr 2022 stand schliesslich im Zeichen erster politischer Aufarbeitung der Covid-19-Krise, wobei insbesondere Vorstösse diskutiert wurden, mit denen Bund und Parlament krisenresistenter gemacht werden sollten.

Krieg in der Ukraine und Energiekrise
Gleich im Anschluss an die Pandemie erhielten mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zuvor etwas weniger beleuchtete Themenbereiche aussergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit. So löste der Krieg in der Schweiz hitzige Diskussionen zur Ausrichtung der Aussen- und Neutralitätspolitik aus, nachdem der Bund die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland und in der Folge auch alle Ausweitungen übernommen hatte und überdies über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert wurde. Der Krieg führte in der Schweiz unter anderem zur Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine und zur ersten Ausrufung des Schutzstatus S, aber auch zur Aufstockung des Militärbudget bis 2030 sowie zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit im Landwirtschaftsbereich. Darüber hinaus verzeichnete die SNB im Jahr 2022 einen Verlust von CHF 150 Mrd., den sie unter anderem auf die weltwirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zurückführte.

Als direkte Folge des Ukraine-Krieges verstärkte sich zudem die Versorgungsproblematik im Energiebereich, woraufhin die Energiepreise anstiegen, was sich auch auf die übrigen Preise auswirkte. Als Reaktion auf die mögliche Energieknappheit wollte der Bundesrat in erster Linie auf erneuerbare Energien setzen, für den Notfall liess er jedoch Reservegaskraftwerke bauen. Auch flammten in der Politik gleichzeitig Diskussionen um die Vorteile von Atomkraft auf. Schliesslich wird vermutet, dass die Energiekrise dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zu einer Mehrheit verhalf, gleichzeitig wurde aber Ausbauprojekten zur Stromversorgung im Winter im Parlament Vorrang gegenüber Umweltbedenken gegeben.

Insgesamt zeigten die verschiedenen Krisen während der 51. Legislatur eine ungeahnt grosse Vulnerabilität bezüglich der Versorgungssicherheit in zahlreichen Bereichen auf, insbesondere im medizinischen Bereich, etwa bei den Intensivstationen und den Medikamenten, aber auch im wirtschaftlichen Bereich, hier insbesondere bei der Energie und in der Landwirtschaft.

Was sonst noch wichtig war
Natürlich brachte die 51. Legislatur auch unabhängig von den Krisen wichtige Ereignisse, Weichenstellungen und politische Entscheide mit sich.

Der im April 2021 erfolgte Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen prägte die Beziehungen der Schweiz mit der EU in besonderem Masse. So führte der Verhandlungsabbruch etwa auch zu einer Blockierung der Teilnahme am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe», woran auch die Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde nichts änderte. Nach verschiedenen weiteren Sondierungsgesprächen zwischen der Schweiz und der EU verabschiedete der Bundesrat 2023 Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU.

Für besonderes Aufsehen sorgte auch der im März 2023 bekannt gewordene Untergang der Credit Suisse respektive deren Übernahme durch die UBS. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde die fünfte parlamentarische Untersuchungskommission der Schweizer Geschichte initiiert.

Geschichte schrieben auch die Frauen, die bei den eidgenössischen Wahlen 2019 ihre Vertretung in den beiden Räten signifikant hatten steigern können. Fast fünfzig Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – in der 51. Legislatur fanden auch die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum statt – betrug der Frauenanteil im Nationalrat erstmals über 40 Prozent, derjenige im Ständerat belief sich nach den Wahlen auf 26 Prozent.

Generell war die Annahmequote von durch das fakultative Referendum initiierten Abstimmungsvorlagen in der 51. Legislatur im Vergleich zu vorherigen Legislaturen eher niedrig, so scheiterten 7 von insgesamt 21 solcher Referendumsvorlagen. Zudem lag die Abstimmungsbeteiligung im langjährigen Schnitt (seit 1990) um 5 Prozentpunkte höher, was mit der während der Covid-19-Pandemie aufgeheizten politischen Stimmung in Zusammenhang stehen könnte. Die Annahmequote von Initiativen in der 51. Legislatur war vergleichsweise hoch (3 von 13 Initiativen), während gleichzeitig eher über weniger Volksbegehren abgestimmt wurde als in früheren Legislaturen. Dafür erarbeiteten Bundesrat und Parlament in dieser Legislatur auch zahlreiche direkte Gegenentwürfe oder indirekte Gegenvorschläge zu Volksinitiativen.


Informationen zu den Abstimmungsvorlagen sowie Ausführungen zu den in den jeweiligen Themenbereichen zentralen Geschäften und Ereignissen der 51. Legislatur finden Sie in den einzelnen thematischen Legislaturrückblicken sowie in den dort verlinkten Jahresrückblicken.

Zu den thematischen Legislaturrückblicken:
Politische Grundfragen
Rechtsordnung
Institutionen und Volksrechte
Föderativer Aufbau
Wahlen
Aussenpolitik
Landesverteidigung
Wirtschaftspolitik
Geld, Währung, Kredit
Landwirtschaft
Öffentliche Finanzen
Energie
Verkehr und Kommunikation
Raumplanung und Wohnungswesen
Umweltschutz
Bevölkerung und Arbeit
Gesundheit
Sozialversicherungen
Soziale Gruppen
Bildung und Forschung
Kultur, Sprache, Kirche
Medien

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Juni 2023 publizierte die EKR eine Studie zum Thema Rassismus in Lehrmitteln. Die Autorinnen und Autoren kamen zum Schluss, dass sich die Gesellschaft stärker mit den Themen Rassismus und Diversität auseinandersetze als noch vor einigen Jahren. In den Lehrmitteln würden entsprechend offensichtlich rassistische Ausdrücke durch neutrale Begriffe ersetzt, was die EKR begrüsse. In den Lehrmitteln werde Rassismus aber nicht als eigene Thematik behandelt. Falls Rassismus überhaupt in einem Schulbuch thematisiert werde, dann allen voran als zwischenmenschliches oder historisches Phänomen, jedoch nicht als strukturelle Form der Diskriminierung von Menschen. In den Lehrplänen fehle die Thematik zudem gänzlich. Eine Befragung von Lehrpersonen habe darüber hinaus ergeben, dass sich die verwendeten Lehrmittel nicht eigneten, um das Thema im Unterricht zu diskutieren. Auch fehle den Lehrerinnen und Lehrern das «Rüstzeug», um im Unterricht eine entsprechende Debatte zu führen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse empfahl die EKR das Thema in die Lehrpläne aufzunehmen, den Umgang mit bestehenden Lehrmitteln zu thematisieren sowie den Lehrpersonen in der Aus- und Weiterbildung die notwendigen Kompetenzen für die Diskussion von Rassismus im Unterricht zu vermitteln.
Einige Tage nach der Publikation der Studie führte die EKR auch eine Tagung zum Thema Rassismus und Jugendliche durch und stellte die Studie einem Fachpublikum vor. An dieser Tagung debattierten die Teilnehmenden aber nicht nur über Rassismus in Bildung und Schule, sondern auch im Sport sowie im digitalen Raum.

Studie zum Thema Rassismus in Lehrmitteln

Ende Juni 2022 verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU. Im Vorfeld wurde in der Öffentlichkeit die Hoffnung geäussert, dass die Verhandlungsgrundlage dieses Mal besser sei als jene beim gescheiterten institutionellen Rahmenabkommen. Die vom Bundesrat präsentierten Eckwerte sollen als Grundlage für weitere Gespräche und als Leitlinien für mögliche künftige Verhandlungen mit der EU dienen. Der Bundesrat definierte damit also jene Bereiche, die in einem künftigen Verhandlungsmandat abgedeckt werden sollten. Ergänzt wurden diese durch Oberziele allfälliger Verhandlungen und durch spezifische Ziele in einzelnen Bereichen. Zu den Oberzielen gehören unter anderem: Eine Stabilisierung des bilateralen Wegs und dessen für die Schweiz massgeschneiderte Entwicklung; hindernisfreie Binnenmarktbeteiligung in den Bereichen Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft, Strom, Lebensmittelsicherheit sowie in allen Kapiteln des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen; der Abschluss eines Stromabkommens, eines Abkommens im Bereich Lebensmittelsicherheit und eines Gesundheitsabkommens; die Zulassung der Schweiz zu EU-Programmen wie beispielsweise Horizon 2021-2027. Im Gegenzug zu diesen Zugeständnissen biete die Schweiz Hand zu institutionellen Lösungen zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen. Zudem wolle die Schweiz sektoriell eingeschränkte staatliche Beihilferegelungen der EU übernehmen und die Verstetigung der Kohäsionszahlungen an die EU prüfen.
Der Bundesrat teilte in seiner Medienmitteilung mit, dass die betroffenen Bundesämter damit beauftragt worden seien, die noch offenen Punkte in Gesprächen mit der EU zu klären, unter anderem die Frage, wie die neuen Abkommen in das Verhandlungspaket integriert werden sollen. Er kündigte an, bis Ende Jahr die Verabschiedung des Verhandlungsmandats vorzubereiten, sofern die internen Arbeiten und die Gespräche mit der EU weiterhin gut verliefen.

Die Schweizer Öffentlichkeit reagierte unterschiedlich auf die Positionsbestimmung des Bundesrats. Während der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail Suisse auf viele ungelöste Probleme verwiesen und den präsentierten Kompromissen kritisch gegenüber standen, betonte der Arbeitgeberverband, dass die «allermeisten offenen Punkte» bei den flankierenden Massnahmen gelöst werden konnten. Die Eckpunkte stiessen auch bei den Parteien nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) bezeichnete die Eckwerte vor der Verabschiedung des Verhandlungsmandats als unnötigen Zwischenschritt, der nur dazu diene, «alle ruhigzustellen». Die SVP monierte laut «La Liberté», dass der Bundesrat mit diesen Eckwerten die Souveränität des Landes opfern wolle. SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter (svp, LU) kritisierte, dass die heiklen Punkte wie die dynamische Rechtsübernahme oder die Streitbeilegung mit dem EuGH als Entscheidungsinstanz die gleichen wie beim institutionellen Rahmenabkommen seien. Ebenfalls unzufrieden, wenngleich aus anderen Gründen, waren die Grünen. Sie warfen dem Bundesrat vor, die Verhandlungen mit der EU bis nach den nationalen Wahlen im Herbst 2023 zu verzögern. Sibel Arslan (basta, BS) sprach dem Bundesrat den politischen Willen und den Mut zu Verhandlungen ab. Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) störte sich in der «Republik» an dieser Verlangsamung der Gespräche, denn damit sei nichts zu gewinnen. Ähnliches vernehme man auch aus Brüssel, berichtete die NZZ. Der Sprecher der Europäischen Kommission gab zu Protokoll, dass man die Ankündigung des Bundesrates zur Kenntnis nehme und bereit sei, die laufenden Sondierungsgespräche fortzusetzen. Das übergeordnete Ziel für die EU sei es, eine systemische Lösung für alle strukturellen Fragen in den verschiedenen Abkommen zu finden. Für die EU sei jedoch ein «glaubwürdiger Zeitplan» wichtig, man wolle die Verhandlungen noch während der Amtszeit der derzeitigen Kommission zu Ende führen. Auch die Gewerkschaften, deren Vorbehalte gegen das institutionelle Rahmenabkommen mitverantwortlich für dessen Scheitern gewesen waren, äusserten sich zu den Eckwerten des Bundesrates. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) warf Bundesrat Cassis vor, schönfärberisch über die Fortschritte im EU-Dossier zu kommunizieren. Seiner Meinung nach nehme man in den Gesprächen mit der EU kaum etwas von diesen vermeldeten Fortschritten wahr, da sich die EU-Kommission auf ihre Positionen aus den Verhandlungen zum Rahmenabkommen berufe. Der SGB befürchtete nicht nur die Schwächung des Schweizer Lohnschutzes, sondern auch Forderungen der EU in weiteren Bereichen wie der Spesenregelung oder bei der Liberalisierung des Service public. Pierre-Yves Maillard nannte das Schienennetz oder den Strommarkt als Beispiele, bei denen man hart bleiben müsse. Er bezeichnete die Gefahr eines erneuten Scheiterns der Verhandlungen angesichts der derzeitigen Ausgangslage als «gross».

EU-Verhandlungsmandat

Nach Überweisung der Motion 22.3392 der SPK-NR in der Wintersession 2022, die den Bundesrat damit beauftragte, den Zugang zur beruflichen Ausbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers zu erleichtern, schickte der Bundesrat im Juni 2023 nach Prüfung verschiedener Varianten eine entsprechende Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) in die Vernehmlassung. Darin beantragte er, dass betroffene Personen zum Zweck der beruflichen Grundbildung eine Aufenthaltsbewilligung mittels Härtefallgesuch erhalten können, wenn sie mindestens zwei Jahre ununterbrochen die obligatorische Schule in der Schweiz besucht haben. Die bestehende Verordnung ermöglicht es erst nach mindestens fünf Jahren ununterbrochenen Besuchs der obligatorischen Schule in der Schweiz, ein Härtefallgesuch zu stellen, damit eine berufliche Grundbildung absolviert werden kann. Zudem möchte der Bundesrat mit der vorgesehenen Verordnungsänderung die Frist für die Einreichung eines entsprechenden Härtefallgesuchs nach Absolvierung der obligatorischen Schule von einem Jahr auf zwei Jahre ausdehnen. Die geltenden Kriterien für die Integration sowie zur Erteilung einer Härtefallbewilligung sollen allesamt beibehalten werden.

In seinem Bericht nahm der Bundesrat ebenfalls Stellung zu einer Motion Markwalder (fdp, BE; Mo. 20.3322), die vom Ständerat und dessen vorberatender Kommission zuvor aus formalen Gründen abgelehnt worden war, da eine Erfüllung des Anliegens im Rahmen der Umsetzung der erwähnten Motion der SPK-NR in Aussicht gestellt worden war. Die Erfüllung des Anliegens, das erreichen möchte, dass Asylsuchende nach abgelehntem Asylentscheid ihre Lehre in der Schweiz beenden dürfen, werde mit der Änderung einer Weisung des SEM in die Wege geleitet, so der Bundesrat. Demgemäss werde das SEM in Zukunft die Ausreisefrist von Personen, die bereits einen Lehrvertrag besassen, bevor ihr Asylgesuch abgelehnt wurde, bis nach Beendigung der beruflichen Grundbildung ausdehnen.

Verordnungsänderung zur Erleichterung des Zugangs zur beruflichen Grundbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans Papiers
Dossier: Lehrabschlüsse für abgewiesene Asylsuchende und Sans Papiers

Am 18. Juni 2023 gelangte der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, der mittlerweile unter dem Titel Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) lief und meist als «Klimagesetz» bezeichnet wurde, zur Abstimmung. Die Vorlage umfasste Fördergelder für den Ersatz von fossilen Heizungen und für innovative Technologien sowie Ziele und Richtwerte für die Treibhausgasreduktion, etwa in Form von Reduktionszielen für die einzelnen Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude. Das grundlegende Ziel der Vorlage lag in der Erreichung von Netto Null bis 2050. Die einzelnen dafür notwendigen Massnahmen sollten jedoch erst im Rahmen der Weiterentwicklung des CO2-Gesetzes festgelegt werden.

Gegen dieses neue Gesetz hatte die SVP erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie wurde dabei vom HEV und kleineren rechts-konservativen Parteien unterstützt. Die Gegnerschaft kritisierte, dass die Umsetzung des Gesetzes zwangsläufig zu einem Verbot von Öl, Gas, Diesel und Benzin führen werde. Infolgedessen würden der Strombedarf und die entsprechenden Kosten massiv steigen. Der erhöhte Strombedarf werde wiederum dazu führen, dass die Landschaft mit Windkraftanlagen und Solarpanels zerstört werde und trotzdem könne es gerade im Winter zu einer Strommangellage kommen.

Die Befürworterinnen und Befürworter des Klimagesetzes bestanden aus den Parteien Grüne, SP, GLP, Mitte, EVP sowie FDP.Liberale. Dazu gesellten sich noch zahlreiche Organisationen und Verbände, wie etwa Swissmem, der Schweizer Tourismus-Verband oder auch die Bankiervereinigung. Auch die Kantone, in Form der KdK, unterstützten das Gesetz. Koordiniert wurden die verschiedenen Akteurinnen und Akteure durch den eigens für den Abstimmungskampf gegründeten «Verein Klimaschutz», welcher laut eigenen Angaben über ein Budget von rund CHF 4 Mio verfügte. Das Komitee der Befürwortenden argumentierte, dass die Vorlage den Klimaschutz stärke, wichtige Anreize für die Abkehr von Öl und Gas setze und damit auch die Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Energielieferanten verringere. Die Bevölkerung und die Schweizer Wirtschaft würden finanziell entlastet, respektive bei der Entwicklung von klimafreundlichen Technologien unterstützt. Die Umsetzung des Gesetzes geschehe – entgegen der Einschätzung der Gegnerschaft – ohne Verbote oder neue Abgaben.

In den Medien gab besonders die Position des HEV Schweiz zu reden. Dieser hatte die Nein-Parole beschlossen, mehrere kantonale Sektionen sprachen sich jedoch für ein Ja oder für Stimmfreigabe aus. Aufgrund der Kampagne des HEV, die sich optisch und inhaltlich an der Kampagne der SVP ausrichtete, gab der damalige Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) gar seinen Austritt aus dem HEV bekannt und kritisierte, dass der HEV von der SVP übernommen worden sei. In den Medien meldeten sich auch die beiden Klimawissenschaftler Thomas Stocker und Reto Knutti zu Wort. Während sich Stocker über die grelle Kampagne der SVP, welche lediglich Ängste schüre, und über einen vom Komitee «Rettung Werkplatz Schweiz» an fast alle Schweizer Haushalte versendeten Flyer enervierte – letzterer sei «unerträglich» und voller Unwahrheiten – monierte Knutti, dass lediglich über die zu befürchtenden Kosten und den Strom gesprochen werde und nicht über den Nutzen, der in der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen liege.

Wie die APS- Zeitungs- und Inserateanalyse, welche im Vorfeld der Abstimmung durchgeführt wurde, zeigte, wurde die Abstimmungsvorlage überdurchschnittlich stark mit Inseraten beworben. Gut zwei Drittel der Inserate stammten dabei aus dem Lager der Befürwortenden, ein Drittel von den Gegnerinnen und Gegnern. Dieses Verhältnis deckte sich in etwa mit demjenigen zur Abstimmung über das CO2-Gesetz in 2021. Dem Anfang Juni 2023 publizierten Zwischenbericht des Fög konnte entnommen werden, dass das Klimagesetz in den Medien starke Beachtung fand und überwiegend positiv darüber berichtet wurde. Interessanterweise lösten nicht nur die offiziellen Kampagnen-Starts von Befürwortenden und Gegnerschaft, sondern auch die Turbulenzen um die Position des HEV einen Peak in der Medienberichterstattung aus.

In den Vorumfragen fand das Klimagesetz eine hohe, aber über die Zeit abnehmende Zustimmung. So zeigte etwa die Anfang Juni 2023 veröffentlichte dritte Umfragewelle von 20 Minuten/Tamedia, dass 56 Prozent der Befragten dem Gesetz zustimmen wollten (« Ja» oder « Eher Ja»). Der Tages-Anzeiger griff aus dieser Vorumfrage die Stimmungslage der Anhängerinnen und Anhänger der FDP heraus. Bemerkenswerterweise beabsichtigten diese grossmehrheitlich, die Vorlage abzulehnen, obwohl die Partei offiziell die Ja-Parole beschlossen hatte.

Das Abstimmungsresultat vom 18. Juni fiel dann jedoch deutlicher aus, als es die Vorumfragen prophezeit hatten. Bei einer Stimmbeteiligung von 42.5 Prozent stimmten fast 60 Prozent der Stimmenden für das neue Klimagesetz.

Abstimmung vom 18. Juni 2023

Beteiligung: 42.54%
-Ja: (59.1%)
-Nein: (40.9%)

Parolen:
-Ja: EVP, FDP (1*), GLP, GPS, Mitte, PdA, SP; SBV, SGB, VPOD
-Nein: EDU, Lega, SVP; HEV (4)
-Stimmfreigabe: SD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse brachte zu Tage, dass die Parteizugehörigkeit respektive -sympathie ausschlaggebend war für das Stimmverhalten. So sprachen sich lediglich Personen, die sich als rechtsaussen bezeichneten und/oder sich der SVP zugehörig fühlten, mehrheitlich gegen das Klimagesetz aus. Anders als bei der Abstimmung im Jahr 2021 votierten die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Mitte und der FDP nun mehrheitlich für das Klimagesetz (64% respektive 66%). Das Geschlecht war ebenfalls ein wichtiger Faktor beim Abstimmungsverhalten: Frauen legten häufiger ein Ja in die Urne als Männer (63% respektive 55% Ja-Anteil). Zudem sprachen auch ein hoher Bildungsgrad sowie ein hohes Salär tendenziell für eine Zustimmung zum Klimagesetz. Bei den Motiven für oder gegen das Gesetz wurden insbesondere das Thema «Umweltschutz» und «Kostenfolgen» genannt. Während sich die Befürwortenden also vor allem einen Ausbau des Umweltschutzes erhofften, kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage die Kosten, die mit der Umsetzung des Gesetzes einhergehen.
Die Medien ergänzten, dass wohl auch die Unverbindlichkeit der Vorlage – sie bestand bekannterweise mehrheitlich aus Zielen sowie Fördergeldern und nicht aus neuen Abgaben – zum klaren Ja geführt hatte. Zudem wurde an jenem Sonntag, im Gegensatz zur Abstimmung über das CO2-Gesetz von 2021, nicht noch über weitere umweltpolitische Anliegen abgestimmt, welche die ländliche Bevölkerung vermehrt an die Urne gelockt hätte und für mehr Nein-Stimmen hätte sorgen können. Bei der Frage nach dem « Wie weiter?» waren sich die Medien einig, dass die grosse Arbeit jetzt erst anfange. Diese bestehe darin, rasch viel Strom zu produzieren. Die politischen Akteure waren sich jedoch uneinig, wie dies am Besten geschehen solle. Zum einen befand sich der sogenannte Mantelerlass zur Zeit der Abstimmung über das Klimagesetz auf der Zielgeraden. Er soll die Erzeugung von Solar- und Windenergie sowie der Wasserkraft stark vorantreiben. Zum anderen wurde bereits im August 2022 mit der Unterschriftensammlung für die Initiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» gestartet, welche sich mehr oder weniger explizit für den Bau neuer Atomkraftwerke ausspricht.

Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 (Pa.Iv. 21.501)
Dossier: Die Gletscherinitiative, ihr direkter Gegenentwurf und ihr indirekter Gegenvorschlag

In der Sommersession 2023 stand eine Motion der WBK-NR zur Schaffung von Transparenz über die verwendeten Mittel des Horizon-Pakets mittels eines Dashboards auf der Traktandenliste des Ständerats. Die vorberatende UREK-SR hatte dem Stöckli im März 2023 mit 6 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen beantragt, die Motion abzulehnen. Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) legte im Rat dar, dass bereits genügend Transparenz über die Verwendung der finanziellen Mittel bei den Auffangmassnahmen bestehe. Zwar seien die Unterlagen teilweise komplex, bei Unklarheiten könne die Kommission aber jederzeit bei der Verwaltung detailliertere Unterlagen zu einzelnen Krediten verlangen. «[N]ur weil es schwerfällt, das transparent Dargestellte zu verstehen», brauche es keine Motion, schloss Würth. Auch Guy Parmelin argumentierte im Namen des Bundesrats für eine Ablehnung, da bereits genügend Transparenz bestehe. Dieser Ansicht war auch der Ständerat und lehnte die Motion stillschweigend ab. Das Anliegen war damit erledigt.

Transparenz bezüglich der verwendeten und nicht verwendeten Mittel des Verpflichtungskredits «Horizon-Paket 2021-2027» (Mo 22.3876)
Dossier: Erasmus und Horizon

Eine Bestimmung im Covid-19-Gesetz sah vor, dass Berufsbildnerinnen und Berufsbildner ihre Lernenden auch während dem Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen ausbilden können. Da diese Bestimmung im Covid-19-Gesetz Ende 2023 auslaufen wird, beabsichtigte der Bundesrat, sie in das AVIG zu überführen, um sie dauerhaft beizubehalten. Die vorberatende SGK-SR hatte sich im Mai einstimmig hinter die bundesrätliche Vorlage gestellt und bekannt gegeben, die Anpassungen des AVIG für «sinnvoll und zweckmässig» zu halten. Auch im Ständerat erfuhr die Vorlage in der Sommersession 2023 grossen Zuspruch. Stillschweigend trat dieser auf das Geschäft ein und nahm den Entwurf in der Gesamtabstimmung einstimmig (mit 37 Stimmen) an. Wie Bundesrat Guy Parmelin im Rat erläuterte, touchiere die Anpassung nur wenige Gesetzesartikel und es seien jährlich mit maximal CHF 1.4 Mio. zusätzlichen Ausgaben zu rechnen. Um eine Gesetzeslücke zu verhindern, soll das Gesetz auch bei einer späteren Behandlung im Nationalrat auf den 1. Januar 2024 rückwirkend in Kraft treten. Da die Rückwirkung mit relevanten Gründen gerechtfertigt werden könne, keine Rechte Dritter touchiert oder wohlerworbene Rechte verletzt würden, sei eine rückwirkende Bestimmung als «klare Ausnahmesituation» angezeigt, schloss Kommissionssprecher Hans Stöckli (sp, BE).

Kurzarbeitsentschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner (BRG 23.026)
Dossier: Schulen und Ausbildung während Covid-19 – Reaktionen und Folgen