Zwischen der kantonalen Ärztegesellschaft (KAG) und dem Krankenkassenverband des Kantons Bern (KVBK) hatte sich im Jahr 1993 ein Streit entwickelt, nachdem die Ärzteorganisation jenen Mitgliedern, die den Abschluss von Sonderverträgen mit den Krankenkassen beabsichtigten, mit Sanktionen gedroht hatte. Dies nahm die Eidg. Kartellkommission zum Anlass, den bernischen Markt für ärztliche Dienstleistungen zu durchleuchten. Die Kartellkommission empfahl der KAG, die ausgesprochenen Drohungen (Ausschluss aus der Ärztegesellschaft, Aberkennung des FMH-Titels) zu widerrufen, da diese, weil sie das Entstehen tarifvertraglicher Alternativen verhindern, als Kartell im Sinn von Art. 2 Abs. 1 des Kartellgesetzes zu qualifizieren seien. Mit derselben Begründung wurde der KAG empfohlen, von dem in der Standesordnung festgehaltenen Sondervertrags- und Tarifunterschreitungsverbot Abstand zu nehmen. Da für diese Wettbewerbsbehinderungen keine zwingenden oder überwiegenden Gründe des Gesamtinteresses ersichtlich seien, müssten diese Abreden als schädlich erachtet werden. Im weiteren rief die Kartellkommission der KAG die ärztliche Pflicht zur Aufklärung der Patientinnen und Patienten auch über die Kosten einer Behandlung und von Behandlungsalternativen in Erinnerung.
Dem KVBK empfahl die Kommission, die Verpflichtung der Mitgliedkassen auf die Verbandsverträge und den Sondervertragsverzicht aufzuheben, da auch diese eine erhebliche Wettbewerbseinschränkung darstelle. Das Bundesamt für Sozialversicherung wurde mit Blick auf die Realisierung kostenbegrenzender Massnahmen in der Krankenversicherung ermuntert, eine aktivere, koordinierende Rolle zu übernehmen, insbesondere durch den Verzicht auf eine zu restriktive Regelung der Prämienreduktion bei besonderen Versicherungsformen (HMO, Bonus, erhöhte Franchise) und durch die Beseitigung wettbewerbsverzerrender Auswirkungen des Risikoausgleichs unter den Krankenkassen.
Eidg. Kartellkommission untersucht den bernischen Markt für ärztliche Dienstleistungen (1994)