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Jahresrückblick 2021: Verbände

2021 wurde die Verbandslandschaft in der Schweiz wie schon im Vorjahr wesentlich durch das Coronavirus und die Massnahmen zu dessen Bekämpfung geprägt. So versuchten die Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften wie auch zahlreiche Branchenverbände wiederholt mit Positionsbezügen auf die Pandemiepolitik der Behörden Einfluss zu nehmen. Während in der Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Verbänden der Arbeitgebenden aus verschiedenen Branchen herrschte, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage. Besonders stark profilierte sich in der Öffentlichkeit GastroSuisse mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, der sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und im Herbst gegen die Zertifikatspflicht in Restaurants äusserte. Diese Forderungen brachten Platzer nicht nur mit manchen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen in Konflikt, sondern auch mit Economiesuisse und dem Schweizer Arbeitgeberverband (SAV): Die beiden Dachverbände befürworteten die Zertifikatspflicht, forderten aber vom Bundesrat verbindliche Aussagen darüber, ab welchen Impfquoten er welche Lockerungsschritte ausrufen werde. Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes.
Auch die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen. Darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Mit der Argumentation, dass ein vorsichtiger Weg letztlich schneller aus der Krise führe, mahnten SGB und Travail.Suisse bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen meist zu behutsamen Schritten. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice.

Eine strikte oder sogar absolute Beachtung individueller Freiheitsrechte und ein verhältnismässiges Vorgehen des Staats gehörten zu den Hauptforderungen mehrerer politischer Gruppierungen, die im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen entstanden und in der öffentlichen Debatte teilweise starke Beachtung fanden. Zu den prominentesten dieser neuen Organisationen zählten die «Freunde der Verfassung», die im Herbst 2021 bereits über 12'000 Mitglieder zählten und die gleich bei mehreren Referenden und Initiativen eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln von Unterschriften an den Tag legten. Weitere Organisationen, die sich zu Sprachrohren der Covid-Protestbewegung entwickelten, waren die an die jüngere Generation gerichtete Gruppierung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die «Freiheitstrychler». Auch wenn es zwischen diesen Organisationen bisweilen Differenzen über Inhalte und Stil gab, waren sie in ihrer Opposition gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision geeint; sie unterlagen indessen in beiden Volksabstimmungen klar.

Aber auch unabhängig von der Pandemie machten Verbände und Organisationen im Jahr 2021 von sich reden, so beispielsweise die Operation Libero, die sich gleich zu Beginn des Jahres mit einem medienwirksamen Crowdfunding erfolgreich aus einem Engpass bei der Finanzierung ihrer Fixkosten befreite, im Oktober mit Sanija Ameti eine profilierte neue Co-Präsidentin präsentierte und kurz darauf zusammen mit den Grünen eine Volksinitiative für eine engere Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU ankündigte.

Eher gegen den eigenen Willen geriet im Herbst die Gewerkschaft Unia in die Schlagzeilen, weil der beträchtliche Umfang ihres Vermögens bekannt wurde. Die Unia musste sich in der Folge gegen verschiedene Kritikpunkte verteidigen. Die Diskussion befeuerte aber auch übergeordnete Debatten, die bereits davor am Laufen gewesen waren, namentlich jene um eine angemessene Transparenz in der Politikfinanzierung und jene um eine korrekte Abgeltung der Sozialpartner für ihre quasistaatlichen Aufgaben bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge.

Auf der Seite der Arbeitgeber-Dachverbände bekannten sich Economiesuisse, der SGV und der SAV 2021 zum Ziel, in Zukunft eine stärkere und harmonischere Zusammenarbeit zugunsten der gemeinsamen Interessen zu pflegen. Das Bekenntnis ist als Neuanlauf zu werten, nachdem in den Vorjahren – etwa vor der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative Ende 2020 – beträchtliche Spannungen zwischen SGV und Economiesuisse zutage getreten waren und sich die Wirtschaftsverbände bei verschiedenen Volksabstimmungen nur mit Mühe oder gar nicht hatten durchsetzen können. Dasselbe war im Jahr 2021 namentlich bei den Abstimmungen über das Freihandelsabkommen mit Indonesien und das E-ID-Gesetz der Fall.

Auch andere Verbände engagierten sich mit wechselndem Erfolg in Abstimmungskämpfen. So konnte etwa der Bauernverband nach einer von ihm angeführten Kampagne, die zu einer aussergewöhnlich starken Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung beitrug, im Juni die Ablehnung der Trinkwasserinitiative und der Pestizidinitiative feiern. Intern gespalten war bei der Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative der Interessenverband der biologischen Landwirtschaft BioSuisse, eine Mehrheit seiner Delegierten entschied sich schliesslich für eine Nein-Empfehlung; die Pestizidinitiative wurde von BioSuisse hingegen unterstützt. Bei der Ablehnung des CO2-Gesetzes gehörten Verbände des Autogewerbes und der Erdölindustrie, der Hauseigentümerverband und GastroSuisse zu den Siegern. Die Gewerkschaften wiederum konnten mit der Ablehnung des E-ID-Gesetzes und der Annahme der vom Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) lancierten Pflegeinitiative Erfolge feiern; dies ist umso bemerkenswerter, als davor noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte eine gewerkschaftlich initiierte Volksinitiative an der Urne angenommen worden war. Auf ähnlich erfolgreiche Kampagnen in der Zukunft hoffen nebst der Operation Libero mit der oben erwähnten Europainitiative auch GastroSuisse mit seiner im März angekündigten Volksinitiative für «gerechte Entschädigungen» in künftigen Pandemiefällen sowie die GSoA mit ihrer Volksinitiative «Stopp F-35», welche die vom Bund geplante Beschaffung von Kampfflugzeugen des Typs F-35 unterbinden soll und für die 2021 bereits die Unterschriftensammlung begann.

Der Anteil der Verbände an der Presseberichterstattung bewegte sich 2021 auf ähnlichem Niveau wie in den beiden Vorjahren (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Jahresverlauf nahmen Verbände zwischen September und November am meisten Raum ein (vgl. Abbildung 1). Dies hatte zum einen mit der Berichterstattung zum Unia-Vermögen und zum SBK als Initiant der Pflegeinitiative zu tun. Noch mehr trug die Kategorie «Andere Verbände» bei, von denen neben der Operation Libero und GastroSuisse vor allem Gruppierungen der Klimabewegung – unter anderem mit Protestaktionen von Extinction Rebellion und einer Klage der Klimaseniorinnen – in der Presse von sich reden machten.

Jahresrückblick 2021: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

Im Jahr 2021 erzielte der AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds an der Börse eine Nettorendite von 5.28 Prozent (2020: 5.22%). Wider Erwarten habe sich die Wirtschaft rasch von der Covid-19-Pandemie erholt, berichtete die Compenswiss. Die Netto-Rendite des IV-Vermögens betrug 4.1 Prozent, womit die IV im Jahr 2021 zusätzlich CHF 159 Mio. erhielt. Wie bereits im Vorjahr war jedoch das Umlageergebnis der IV mit CHF -366 Mio. erneut negativ, die IV verzeichnete somit mehr Aufwände als Erträge. Folglich reichte auch das positive Anlageergebnis nicht für ein positives Betriebsergebnis: Die IV erzielte im Jahr 2021 ein negatives Jahresergebnis von CHF -207 Mio.

Jahresergebnis 2021 der IV
Dossier: Jahresergebnisse der IV

Eine sehr spezifische Verordnungsänderung verlangte Baptiste Hurni (sp, NE) im September 2021; er wollte nämlich einen jährlichen Anspruch auf mindestens ein Paar orthopädische Schuhe in der HVA schaffen. Ein solcher bestehe aktuell bei der IV (konkret in der HVI), von der aktuellen Regelung einer zweijährigen Übernahme der Kosten in der AHV könne jedoch nur aus medizinischen Gründen abgewichen werden, nicht aber, wenn die entsprechenden Schuhe abgenützt oder nicht für die jeweilige Jahreszeit geeignet sind. Entsprechend solle diese Verschlechterung, welche die Betroffenen nach ihrer Pensionierung und nach ihrem Wechsel von der IV zur AHV erfahren, korrigiert werden. Stillschweigend nahm der Nationalrat die Motion in der Wintersession 2021 an.

Orthopädische Schuhe für Personen mit Diabetes (Mo. 21.4036)

Eine von Ständerat Hans Wicki (fdp, NW) eingereichte Motion wollte den Bundesrat beauftragen, das Arbeitsrecht so anzupassen, dass Arbeitnehmende und Arbeitgebende flexibel Homeoffice praktizieren beziehungsweise anbieten können. Konkret schlug Wicki verschiedene Änderungen vor: So wollte er unter anderem den Begriff «Homeoffice» möglichst einfach und unabhängig davon, ob die Arbeitnehmenden teilweise, regelmässig oder unregelmässig von zu Hause aus arbeiten, definieren. Arbeitnehmende sollten schriftlich ihr Einverständnis für Homeoffice geben können, zudem sollten sie Arbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten «unter Wahrung der betrieblichen Notwendigkeiten» selbstständig festlegen können. Entsprechend sollten im Homeoffice auch keine Bewilligung für Nacht- und Sonntagsarbeit oder ein Lohnzuschlag nötig sein, sofern die Arbeitnehmenden die Arbeit nach ihrem freien Ermessen zu diesen Zeiten leisten. Diese Flexibilisierung der Arbeitszeit helfe bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, argumentierte Wicki.
Der Bundesrat beantragte, die Motion abzulehnen, da diese Fragen bereits in der parlamentarischen Initiative Burkart (fdp, AG; Pa.Iv. 16.484) behandelt würden.
Der Ständerat beschäftigte sich im Rahmen der Wintersession 2021 mit dieser Motion. Mittels Ordnungsantrag beantragte Erich Ettlin (mitte, OW), die Motion der WAK-SR zur Vorprüfung zuzuweisen, da sich die Kommission bereits mit anderen Vorstösse zum gleichen Thema beschäftigte (Pa. Iv. 16.414, Mo. 21.3686, Pa. Iv. 16.484). Sowohl Motionär Wicki als auch der Ständerat insgesamt unterstützten diesen Ordnungsantrag. Hannes German (svp, SH) bat jedoch darum, zukünftig auf solche Vorstösse oder auf ihre Zuweisung an die Kommissionen zu verzichten, um diese nicht zu überlasten. Der Ständerat sollte «in der Lage sein [...], über einfache Fragen zu entscheiden».

Homeoffice. Gelebte und akzeptierte Flexibilität legalisieren (Mo. 21.3686)
Dossier: Regelung von Homeoffice

Der Nationalrat beschäftigte sich in der Wintersession 2021 mit der Änderung des Entsendegesetzes. Die WAK-NR beantragte knapp, mit 12 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung), wie bereits der Ständerat nicht auf den Entwurf einzutreten, wie Kommissionssprecher Michaël Buffat (svp, VD) und Kommissionssprecherin Petra Gössi (fdp, SZ) am Anfang der Debatte ausführten. In den Augen der knappen Kommissionsmehrheit sollten die Kantone selbst sicherstellen, dass ihre kantonalen Mindestlöhne für alle Arbeitnehmenden auf dem Kantonsgebiet gelten, wie es beispielsweise der Kanton Jura tut – ein Argument, das auch von der WAK-SR und dem Ständerat eingebracht worden war. Somit liege ohne Regelung auf Bundesebene keine rechtliche Unsicherheit vor, die Kantone seien in der Lage, «die Frage [eigenständig] zu lösen». Daniela Schneeberger (fdp, BL) ergänzte, dass die entsprechende Änderung des EntsG zu einer Ungleichbehandlung zwischen schweizerischen Unternehmen und Unternehmen aus den EU/EFTA-Staaten führen würde, da «nur die ausländischen Arbeitnehmenden aufgrund des Entsendegesetzes sanktioniert werden könnten».
Minderheitssprecher Fabio Regazzi (mitte, TI) argumentierte hingegen, dass die Kantone selber das Problem nicht lösen könnten – entgegen den Aussagen der Kommissionsmehrheit. So müssten Arbeitgebende mit Sitz im Ausland gemäss EntsG nur in der Schweiz geltende Lohnbedingungen einhalten, «sofern diese in Bundesgesetzen, in Verordnungen des Bundesrates oder in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen geregelt sind». Folglich würde die Ergänzung des EntsG um solche kantonalen Rechtsgrundlagen eine Garantie gegen allfällige Beschwerden darstellen – und Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten, wie Bundesrat Guy Parmelin ergänzte. Zudem habe sich die Mehrheit der Kantone in der Vernehmlassung für den Entwurf ausgesprochen.
Nach einer langen Debatte setzten sich der Bundesrat und die Minderheit durch: Der Nationalrat sprach sich mit 104 zu 86 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) für Eintreten aus. Für Eintreten sprachen sich die Fraktionen der SP, der Mitte und der Grünen aus.

Révision partielle de la loi sur les travailleurs détachés (MCF 21.032)
Dossier: Vorschläge zur Änderung des Entsendegesetzes (EntsG)

Die grossen Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften sowie zahlreiche Branchenverbände bezogen zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr 2021 Position zur Pandemiepolitik der Behörden und stellten Forderungen dazu auf. Während Arbeitgebendenverbände aus verschiedenen Branchen wie auch die Gewerkschaften sich in ihrer Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen einig waren, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage.

Die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen in den Abstimmungen vom Juni und November 2021. Auch darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen; Travail.Suisse forderte überdies die Verlängerung dieser Massnahmen, bis die Wirtschaft das Niveau vor März 2020 wieder erreicht hat. Bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen mahnten SGB und Travail.Suisse meist zu behutsamen Schritten, denn ein vorsichtiger Weg führe letztlich schneller aus der Krise. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice. Der SGB wies darauf hin, dass es als Folge der Pandemie zu einer Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse etwa bei Kurierdiensten oder im Onlinehandel gekommen sei, was die Notwendigkeit von Gesamtarbeitsverträgen für diese Branchen verstärke. Travail.Suisse setzte sich zudem für eine Beibehaltung der öffentlichen Finanzierung der Testkosten ein und erklärte sich mit der Zertifikatspflicht im Grundsatz einverstanden, warnte aber vor deren Anwendung am Arbeitsplatz.

Besonders stark profilierte sich der Arbeitgebendenverband des Gastgewerbes, GastroSuisse, mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, in der Öffentlichkeit. Platzer äusserte sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und sprach von einer drohenden «Zerstörung der Branche». Die Öffnung der Innenräume kam schliesslich im Rahmen eines Lockerungspakets per Anfang Juni, freilich mit gewissen Einschränkungen – etwa einer Sitzpflicht und einer Begrenzung auf vier Personen pro Tisch. Vor der Abstimmung vom 13. Juni sprach sich GastroSuisse für ein Ja zum Covid-19-Gesetz aus, das unter anderem die gesetzliche Grundlage für die Härtefallgelder an die Gastrobranche enthielt. Auch wenn Platzer in diesem Abstimmungskampf auf derselben Seite stand wie der Bundesrat, wiederholte er in einem Interview mit der BZ im selben Monat eine Aussage, die er schon im Vorjahr gemacht hatte: Er bewerte die Coronapolitik des Bundesrats weiterhin mit der Note «ungenügend». Seit Ende 2020 machten die Behörden «Panik mit diesen Varianten und Mutanten», was aus Platzers Sicht übertrieben sei, die bis Ende Mai 2021 anhaltenden Einschränkungen der Wirtschaft seien nicht gerechtfertigt. Zudem flössen die Hilfsgelder an die Gastrobetriebe unregelmässig und langsam; damit dies bei einer künftigen Pandemie rascher gehe, hatte GastroSuisse bereits im März eine Volksinitiative angekündigt.
Nach den Sommerferien opponierte GastroSuisse dann scharf, aber vergeblich, gegen die Pläne des Bundesrats zur Ausweitung der Zertifikatspflicht auf die Innenräume von Gastrobetrieben. Weil Ungeimpfte nicht bereit sein dürften, sich für jeden Restaurantbesuch testen zu lassen, befürchtete GastroSuisse – unter anderem gestützt auf eine Umfrage unter seinen Mitgliedern – massive Umsatzeinbussen insbesondere bei Betrieben auf dem Land, wo die Impfquote geringer war als in der Stadt. GastroSuisse-Präsident Platzer sprach in dem Zusammenhang davon, dass der Bundesrat die Impfquote auf dem Buckel des Gastgewerbes steigern wolle; zumindest müsse der Bund die zusätzlichen Umsatzverluste durch Hilfsgelder entschädigen.
In der Folge äusserten nicht nur Medien öffentliche Kritik an Platzer – der Blick nannte ihn etwa «den Dauerempörten», für den «immer die Beizer die Opfer sind» –, sondern vermehrt auch Stimmen aus der Branche selbst. Dazu zählten etwa die Direktorin der Hotelfachschule Luzern Christa Augsburger, der langjährige Präsident des Zürcher Wirteverbands Ernst Bachmann und Präsidenten weiterer Kantonalverbände. Sie machten geltend, dass es auch im Sinn des Gastgewerbes sei, wenn die Zertifikatspflicht zu einer Reduktion der Fallzahlen führe; andernfalls drohe mit einem erneuten Lockdown ein weit schlimmeres Szenario. Ausserdem bedeute das «ewige Gejammer» einen Imageschaden für die Branche. Die Energie solle besser auf den Einsatz für angemessene Hilfsgelder konzentriert werden. Mit Blick auf die Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes im November, bei der sich die Diskussion vor allem um das Zertifikat drehte, beschloss GastroSuisse dann Stimmfreigabe. Hotelleriesuisse und der Schweizer Tourismusverband unterstützten die Vorlage hingegen, auch weil eine Zertifikatspflicht vielen Gästen – gerade auch aus dem Ausland – Sicherheit gebe.

Manche dieser Forderungen von GastroSuisse waren nicht nur intern umstritten, sondern wurden auch von den grossen Dachverbänden Economiesuisse und Schweizer Arbeitgeberverband (SAV) nicht geteilt. Zu Dissonanzen führte zunächst, dass die beiden Dachverbände im Februar einen Vorschlag für eine stufenweise Lockerung des Lockdowns vorlegten, der die Öffnung der Restaurants erst relativ spät, nach Impfung aller Risikopersonen, ansetzte. Economiesuisse begründete dies damit, dass man mit dem Plan ein «ausgewogenes» Konzept habe vorlegen wollen, «mit dem alle Planungssicherheit gewinnen». Ein erneuter Konflikt mit GastroSuisse entbrannte, als sich Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder im August für eine Zertifikatspflicht auch in Gastbetrieben aussprach. GastroSuisse und Hotelleriesuisse zeigten sich irritiert darüber, dass sie als direkt betroffene Branchenverbände von Economiesuisse vorgängig nicht einmal konsultiert worden seien.
Im Allgemeinen gaben sich Economiesuisse und SAV in ihren Positionen zur Pandemiepolitik vergleichsweise staatstragend und versuchten insbesondere auf mehr Planungssicherheit hinzuwirken. Zumindest in ihren öffentlich vorgetragenen Forderungen war ein gewisses Bestreben zu erkennen, auf Maximalforderungen zugunsten kurzfristiger Wirtschaftsinteressen zu verzichten und vielmehr eine nachhaltige, letztlich auch im Interesse der Wirtschaft liegende Pandemiebewältigung zu unterstützen. Im April handelten sich die beiden Verbände allerdings heftige Kritik ein, als sie davon sprachen, dass bis zu 30'000 Covid-19-Neuinfektionen pro Tag «verkraftbar» seien, sobald die Risikopersonen geimpft seien. Sie mussten diese Aussage in der Folge relativieren, hielten aber daran fest, dass sich die Massnahmen nach einer Impfung breiterer Bevölkerungsgruppen weniger an den Ansteckungszahlen und mehr an den Hospitalisationszahlen orientieren sollten. Ebenfalls im April forderten Economiesuisse und SAV eine Öffnung der Restaurantterrassen und die Umwandlung der Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung. Im Herbst befürworteten die beiden Dachverbände die Zertifikatspflicht, um drastischere Einschränkungen zu vermeiden, und vertraten diese Haltung auch im Abstimmungskampf über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder argumentierte in einem Gastbeitrag in der NZZ, das Zertifikat helfe «ein Stück Normalität im Alltag» zu ermöglichen und weitere Lockdowns zu vermeiden. Ausserdem erleichtere es den internationalen Reiseverkehr, was gerade für Geschäftsreisen wichtig sei. Ein Wunsch nach Planungssicherheit war auch in der Forderung von Economiesuisse und SAV vom Herbst zu erkennen, dass der Bund verbindlich erklären solle, ab welchen Impfquoten er einen Ausstieg aus den Massnahmen beschliessen werde. Der Bundesrat lehnte einen solchen Automatismus indessen ab, da die Entwicklung der Pandemie zu unberechenbar sei.

Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes. So forderte er etwa bereits im April eine sofortige Öffnung aller damals aufgrund der zweiten Pandemiewelle geschlossenen Wirtschaftszweige. Als der Bundesrat Ende Juni die Homeoffice-Pflicht und das Testregime für Unternehmen aufhob, begrüsste der SGV dies, forderte aber weitergehende Schritte: So sollten etwa auch die Einschränkungen für Gruppengrössen in Restaurants und – von deutlich grösserer Tragweite – die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz aufgehoben werden. Die «Sonderrechte», welche die besondere Lage dem Bundesrat verschaffe, drohten gemäss SGV «die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten ins Unermessliche steigen» zu lassen. Der SGV drang mit dieser Forderung indessen nicht durch; wie die NZZ zu bedenken gab, hätte eine Aufhebung der besonderen Lage zur Folge, dass Massnahmen wie etwa die Maskenpflicht im ÖV oder Vorgaben für Veranstaltungen dann wieder den Kantonen obliegen würden, womit ein Flickenteppich uneinheitlicher Massnahmen drohen würde.

Arbeitgebendenverbände und Gewerkschaften zu Corona-Massnahmen

Wie in der IV-Revision «Weiterentwicklung der IV» entschieden worden war, setzte der Bundesrat im November 2021 eine «Eidgenössische Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung» ein. Diese sollte unter anderem Kriterien für das Begutachtungsverfahren, für die Tätigkeit der Gutachterinnen und Gutachter, für die Zulassung von Gutachterstellen und für die Beurteilung der Qualität von Gutachten erstellen. Die Kommission besteht aus zwölf Personen: drei Ärztinnen und Ärzten, je zwei Vertretenden der IV/Unfallversicherung, von Patienten- und Behindertenorganisationen sowie der Wissenschaft, einer Neuropsychologin oder einem Neuropsychologen und je einer vertretenden Person der Gutachterstellen sowie des versicherungsmedizinischen Ausbildungswesens. Der Bundesrat wählte die Mitglieder der Kommission bis Ende 2023. Mit der Schaffung dieser Kommission wollten Bundesrat und Parlament auf die zunehmende Kritik an den IV-Gutachten reagieren.

Weiterentwicklung der IV (BRG 17.022)
Dossier: Weiterentwicklung der IV (2015-2020) und die dazu führenden Vorstösse

Ende November 2021 publizierte der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Gaststaatgesetzes, die aufgrund neuer Entwicklungen in Bezug auf das IKRK im Bereich der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge nötig geworden war. Dem Bundesrat soll damit die Kompetenz verliehen werden, dem IKRK zu ermöglichen, jene Mitarbeitenden, welche nicht bei der eidgenössischen AHV versichert sind, der Gesetzgebung über die berufliche Vorsorge zu unterstellen. Der Bundesrat argumentierte in der Botschaft, dass die Gaststaatpolitik ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik sei, die in den Massnahmen zur Stärkung der Rolle als Gaststaat 2020-2023 festgelegt ist. Das Gaststaatgesetz bestehe aus sieben Kapiteln, wobei durch die Änderung nur eine Bestimmung im zweiten Kapitel über die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen angepasst werden würde.

Änderung des Gaststaatgesetzes

Im November 2021 erschien der Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Cramer (gp, GE) über die Regelung der Arbeit auf Abruf. Wie das Postulat verlangte, wurde im Bericht geprüft, ob die Form der Arbeit auf Abruf im OR zufriedenstellend geregelt ist. Zudem erläuterte der Bericht die Regelung der Arbeit auf Abruf im AVIG.
Wie dem Bericht zu entnehmen ist, wird Arbeit auf Abruf im OR nicht definiert. Der Bericht definiert sie daher als diejenige Arbeit, bei welcher Arbeitnehmende vom Arbeitgebenden abgerufen werden, wenn sie gebraucht werden. Dabei sind sie «verpflichtet [...], die Angebote des Arbeitgebers anzunehmen». Im Bericht wurde erläutert, dass flexible Arbeitsformen mit unregelmässigen Arbeitszeiten wie die Arbeit auf Abruf aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids mit schweizerischem Recht kompatibel sind, auch wenn der Arbeitsvertrag keine fixe Arbeitszeit vorsieht. Dabei setzt das Bundesgericht der Freiheit des Arbeitgebenden, die Arbeitszeit der Arbeitnehmenden frei festzulegen, basierend auf dem OR jedoch gewisse Grenzen. Erstens darf der Arbeitgebende das Arbeitspensum nicht «in bedeutendem Umfang» verringern, nachdem der Arbeitsvertrag aufgelöst worden war. Wird dies trotzdem gemacht, muss der Arbeitgeber den Lohn für den Arbeitszeitausfall fortzahlen. Weiter darf das Betriebsrisiko nicht auf die Arbeitnehmenden übertragen werden. Verweigert also der Arbeitgebende die Annahme der Arbeitsleistung aus wirtschaftlichen Gründen, gerät er in Annahmeverzug und ist zur Lohnzahlung verpflichtet. Drittens wird die Zeit, während sich der Arbeitnehmende bereithält – die sogenannte Bereitschaftszeit – als Arbeitszeit betrachtet und muss entschädigt werden – ausser ein Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag sieht keine Entschädigung der Bereitschaftszeit vor. Somit schützen die bindenden gesetzlichen Grundlagen des Arbeitsvertragsrechtes die Arbeit auf Abruf zumindest teilweise.
Auch aus Sicht der Arbeitslosenversicherung besteht gemäss dem Bericht ein Schutz für Arbeitnehmende, die auf Abruf arbeiten: Diese haben unter anderem Anspruch auf Leistungen für Arbeitslose – wie alle anderen Arbeitnehmenden auch. Falls aber die Anzahl der Abrufe durch die Arbeitgebenden reduziert wird oder diese ganz entfallen, erleiden die Arbeitnehmenden keinen anrechenbaren Arbeits- beziehungsweise Verdienstausfall und haben folglich keinen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen. Der Bericht schildert jedoch auch Ausnahmen zu diesem Grundsatz aus der Praxis und der Rechtsprechung. Unter anderem zahlt die Arbeitslosenversicherung eine Arbeitslosenentschädigung, wenn «begründete Zweifel darüber [bestehen], ob die versicherte Person für die Zeit ihres Arbeitsausfalls gegenüber ihrem Arbeitgeber Lohn- oder Entschädigungsansprüche [...] hat oder ob ihre Forderungen erfüllt werden». Zudem verbietet das AVIG eine ständige Abrufbereitschaft der Arbeitnehmenden «über den Umfang der garantierten Beschäftigung hinaus», da dies die Vermittlungsfähigkeit der Betroffenen senkt.
Insgesamt erachtete der Bundesrat damit den Schutz der Arbeit auf Abruf als zufriedenstellend, da ihr sowohl das OR, als auch das AVIG Grenzen setzen. Er machte daher keinen Bedarf aus, die entsprechenden Regelungen zu ändern oder zu ergänzen.

Réglementer le travail sur appel (Po. 19.3748)

Um international gleichwertige Bestimmungen zu schaffen und die Arbeitsbedingungen von Berufsfahrenden im internationalen Strassentransportwesen zu verbessern, nahm der Bundesrat im November 2021 Anpassungen bei den Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten für Chauffeusen und Chauffeure vor. Die entsprechende Änderung in der Chauffeurverordnung stellt beispielsweise sicher, dass wöchentliche Ruhezeiten von 45 Stunden nicht mehr im Lastwagen verbracht werden dürfen. Weiter müssen Chauffeurinnen und Chauffeure regelmässig an den Standort des Unternehmens oder ihren Wohnsitz zurückkehren können. Die Anpassungen erfolgten als Angleichung an EU-Recht (Teil des EU-Mobilitätspakets I) und setzte gleichzeitig das Anliegen einer überwiesenen Motion Storni (sp, TI; Mo. 20.3524) um. Die Anpassungen traten per Jahresbeginn 2022 in Kraft.

Umsetzung Mobilitätspaket I - Teil 1: Anpassungen bei den Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten für Chauffeusen und Chauffeure
Dossier: Umsetzung EU-Mobilitätspaket (1-3)

Die sechs grössten Arbeitgebendenorganisationen und Verbände der Logistikbranche schlossen sich im November 2021 zu einem neuen Dachverband mit der Bezeichnung «Zustellung Schweiz» zusammen. Als Ziel nannten sie eine Vereinheitlichung der Anstellungsbedingungen in der Branche und den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV). Zu diesem Zweck begannen sie Verhandlungen mit der Gewerkschaft syndicom und dem Personalverband transfair. Bei einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss wollten die Sozialpartner anschliessend beim Bundesrat die Allgemeinverbindlichkeit des GAV beantragen. Wie ein Vertreter von syndicom erklärte, bestehe ein Bedürfnis nach einem GAV sowohl auf Arbeitnehmenden- als auch auf Arbeitgebendenseite, weil der Logistikmarkt sehr dynamisch sei, auch internationale Konzerne in die Schweiz drängten und die Anstellungsbedingungen bisher sehr unterschiedlich seien.

Neuer Dachverband der Arbeitgebenden in der Logistikbranche

Im November 2021 gab der Bundesrat bekannt, die Weiterentwicklung der IV per 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Vorgängig hatte er zur Umsetzung der Gesetzesänderungen überdies umfassende Verordnungsänderungen an der IVV, an der Verordnung über Geburtsgebrechen und an der Verordnung über ambulant erbrachte Leistungen vorgenommen. Nach einer zwischen Dezember 2020 und März 2021 durchgeführten Vernehmlassung gab er seine Änderungen bezüglich der Optimierung der Eingliederung (u.a. Früherfassung und Frühintervention oder Integrationsmassnahmen), medizinischen Massnahmen (u.a. eine Änderung der Definitionskriterien von Geburtsgebrechen und eine Aktualisierung der Geburtsgebrechenliste), zu einem Kompetenzzentrum Arzneimittel, zu Tarifierung und Rechnungskontrolle, zum stufenlosen Rentensystem, zur Fallführung sowie zu Verfahren und Begutachtung bekannt.

Weiterentwicklung der IV (BRG 17.022)
Dossier: Weiterentwicklung der IV (2015-2020) und die dazu führenden Vorstösse

Im Oktober 2021 erschien der Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Bruderer Wyss (sp, AG) über die Flexibilisierung des Sozialversicherungsrechtes, auch Flexi-Test genannt. Dabei wurde im Bericht geprüft, ob es nötig sei, das Sozialversicherungsrecht zu flexibilisieren, zudem wurden die Vor- und Nachteile konkreter Flexibilisierungsmöglichkeiten dargestellt. Der Bericht beschränkte sich jedoch auf die in der Schweiz noch wenig verbreitete Form der Plattformarbeit, welche der Bericht unter anderem darüber definiert, dass drei Parteien vorhanden sind – Plattformbetreibende, Plattformbeschäftigte und Auftraggebende –, wobei die Auftraggebenden die Plattformbeschäftigten über die Plattform kurzfristig und «ausserhalb herkömmlicher Betriebsstrukturen» mit einzelnen Aufträgen betrauen. Diese Arbeitsform eröffne nun den «Erwerbstätigen bezüglich der sozialen Absicherung neue Chancen und Risiken», wurde im Bericht erklärt.

Zuerst ging der Bericht auf den in der Schweiz bestehenden rechtlichen Rahmen der Sozialversicherungen ein. Demnach kann sich das aktuelle Sozialversicherungssystem den neuen Arbeitsformen anpassen und ist entsprechend flexibel. Gerade die Unsicherheit über die Frage, ob eine Tätigkeit auf einer Arbeitsplattform selbständig oder unselbstständig ist, und die damit verbundenen langen Wartefristen führten jedoch zu Problemen. Zudem habe eine «Neueinstufung der Plattform als Arbeitgeberin statt als einfache Vermittlerin beträchtliche finanzielle Auswirkungen». Hingegen könne ein fehlender oder teilweiser Sozialversicherungsschutz bei Anstellungen mit kleinem Pensum sowie bei Nebentätigkeiten sinnvoll sein, da sie einen Verbleib oder Einstieg in die Erwerbstätigkeit ermöglichten. Dennoch solle eine Anbindung dieser Personen an die zweite Säule geprüft werden.

Améliorer la protection sociale des indépendants travaillant à la tâche (Po.18.3936)

Johanna Gapany (plr, FR) a retiré sa motion par soucis d'efficacité, la majorité de la CER-CE soutenant une proposition identique d'ores et déjà acceptée par le Conseil national et qui sera, quelques minutes plus tard, acceptée à l'unanimité par les membres de la chambre haute.

Couverture sociale pour le ou la conjointe travaillant sur l'exploitation (Mo. 20.4574)
Dossier: Lage der Bäuerinnen verbessern

C'est à l'unanimité et avec le soutien du Conseil fédéral que le Conseil des Etats a accepté la motion de Montmollin (plr, GE) visant à améliorer la couverture sociale du ou de la partenaire qui travaille sur les exploitations agricoles. Comme précisé par la rapporteuse de la CER-CE, Adèle Thorens Goumaz (verts, VD), cette question touche principalement des paysannes, trop peu assurées, alors que plus de 43'000 femmes travaillent sur des exploitations familiales. Le but serait de mieux les protéger en cas d'accident, de maladie et d'invalidité, ce qu'il serait possible d'atteindre avec une modification de l'article 70a de la LAgr, selon la motionnaire.
Le Conseil fédéral s'est dit prêt à mettre rapidement en œuvre cette mesure, qui devrait être relativement contraignante, le versement des paiements directs devant être à l'avenir couplé à une protection sociale suffisante du ou de la conjointe qui travaille sur le domaine. Lors d'un même débat, la motion Gapany (plr, FR), au contenu identique, a été retirée pour des raisons d'efficacité, tandis que la motion 19.3445 sur l'amélioration de la situation des conjoint.e.s en cas de divorce a été acceptée et la motion 19.3446 du PBD sur l'allocation maternité a été rejetée.

Améliorer sans délai la situation du conjoint travaillant sur l'exploitation (Mo. 21.3374)
Dossier: Lage der Bäuerinnen verbessern

Die WAK-SR teilte in ihrer Medienmitteilung vom Juli 2021 mit, dass sie mit 8 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) beantragte, nicht auf die Vorlage über die Änderung des Entsendegestezes einzutreten, welche der Bundesrat zur Umsetzung einer Motion Abate (fdp, TI; Mo. 18.3473) geschaffen hatte. Die Mehrheit der Kommission war der Meinung, dass die Festlegung eines Mindestlohns in der Kompetenz der Kantone – und nicht in derjenigen des Bundes – liege. Zudem sollten die Kantone selber entscheiden können, ob alle im Kanton erwerbstätigen Personen einen Mindestlohn erhalten sollen. Die Kommissionsminderheit erachtete es hingegen als nicht nachvollziehbar, wieso die Gesamt- und Normalarbeitsverträge aufgrund des Entsendegesetzes eingehalten werden müssen, nicht aber die kantonalen Mindestlöhne.

Der Ständerat befasste sich mit dem Geschäft im Rahmen der Herbstsession 2021. Neben der Zuständigkeit der Kantone nahmen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mehrmals Bezug auf den Kanton Tessin, wo das Problem des Lohndumpings besonders akut ist. Die im Entwurf vorgeschlagenen Massnahmen würden nun die Situation im Tessin – aber auch in anderen Grenzkantonen – verbessern, warb Minderheitensprecher Paul Rechsteiner (sp, SG), unterstützt von Bundesrat Guy Parmelin (svp, VD), für Eintreten. Zudem sei die Vorlage im Vernehmlassungsverfahren von 23 Kantonen unterstützt worden. Mehrheitssprecher Hannes Germann (svp, SH) hingegen betonte erneut, dass es besser wäre, wenn die Kantone selber das Problem lösen würden. So kennen neben dem Kanton Tessin auch andere Kantone bereits Regelungen der Mindestlöhne. Damit wäre eine schweizweite Lösung gar nicht nötig. Am Ende der Debatte sprach sich der Ständerat mit 25 Stimmen zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen Eintreten aus.

Révision partielle de la loi sur les travailleurs détachés (MCF 21.032)
Dossier: Vorschläge zur Änderung des Entsendegesetzes (EntsG)

Die SGK-SR forderte im Mai 2021 in einem Postulat einen Bericht zur Trennung der Durchführungs- und Aufsichtsfunktionen der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS). Die ZAS ist für die Vollzugsaufgaben in der 1. Säule zuständig, unter anderem für die Kontrolle der Buchführung der Ausgleichskassen, die Führung der zentralen Register, die Abwicklung von Rentenzahlungen ins Ausland und die Durchführung der AHV für das Bundespersonal. Sie ist der EFV angegliedert, was die EFK aufgrund unklarer Aufsichtszuständigkeiten bei der EFV und beim BSV kritisierte. Infolgedessen forderte die Kommission, dass die Trennung der Aufsichtsaufgaben und der Durchführungsaufgaben geprüft werde, wobei Letztere aus der Bundesverwaltung auszugliedern seien. Der Bundesrat hiess das Anliegen gut, wollte aber eine ergebnisoffene Prüfung durchführen und den Ausgliederungsentscheid folglich nicht bereits vorgängig treffen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dem Postulat in der Herbstsession 2021 zu.

Bericht zu den Durchführungs- und Aufsichtsfunktionen der Zentralen Ausgleichsstelle innerhalb der Bundesverwaltung

Nach dem Bundesrat und dem Nationalrat sprach sich in der Herbstsession 2021 auch der Ständerat stillschweigend für eine automatische Ausstellung eines IV-Ausweises für bestimmte Personengruppen aus, nachdem zuvor auch die SGK-SR die Annahme der Motion befürwortet hatte. Gemäss Kommission könne die Umsetzung auf Weisungsebene erfolgen und bedürfe somit keiner Gesetzesänderung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anspruchsberechtigten über einen entsprechenden Ausweis verfügen – bisher hätten die Betroffenen gemäss dem Motionär häufig gar nichts von ihrem Anspruch gewusst.

Automatische Ausstellung eines Ausweises für den Bezug einer Hilflosenentschädigung

In der Herbstsession 2021 folgte der Ständerat stillschweigend dem Erstrat und seiner SGK-SR in der Frage der Ergänzungen der IV-Verfügungen in leichter Sprache. Die Kommission hatte Annahme der Motion empfohlen, um zukünftig Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Versicherten und den IV-Stellen zu verhindern. Als positiv hob die Kommission zudem hervor, dass die Mitarbeitenden der IV-Stellen bereits in entsprechenden Formulierungen geschult würden.

IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen

In der Herbstsession 2021 lehnte der Ständerat eine Motion von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ab. Die Motionärin hatte eine Vereinfachung und Erweiterung der Regelungen zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Gesetzen gefordert, etwa im AVIG, IVG, UVG, EOG oder im VVG. Zudem verlangte sie eine ergänzende Regelung für einen «Verdienstersatz bei Erwerbsausfall bei Personen in atypischen und prekären Arbeitsformen, für Selbstständigerwerbende und für Freischaffende in Theater und Film». Um zukünftig grosse finanzielle Probleme durch Erwerbslücken aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall bei den Selbständigerwerbenden zu verhindern, solle ihr Versicherungsschutz und ihr Verdienstausfall zukünftig garantiert werden. Der Bundesrat entgegnete in seiner Stellungnahme, dass ein entsprechender Versicherungsschutz bei der IV und der EO bereits gegeben sei, bei der Unfallversicherung und der Krankentaggeldversicherung müssten sich die Selbständigerwerbenden hingegen freiwillig versichern, wie auch im Rahmen des Postulats Nordmann (sp, VD; Po. 12.3087) noch einmal bestätigt worden sei. Nicht möglich sei schliesslich eine Arbeitslosenversicherung für Selbständigerwerbende, wie sie auch das Postulat Roduit (mitte, VS; Po. 20.4141) vorsehe, zumal hier das Missbrauchspotenzial zu gross sei. Mit 25 zu 11 Stimmen lehnte der Ständerat die Motion ab.

Erwerbsersatzordnungen an die veränderte Arbeitswelt anpassen

Mittels Motion verlangte Ruth Humbel (mitte, AG) im September 2019 die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, auf deren Grundlage das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox nur noch durch Ärzte und Ärztinnen mit entsprechender Ausbildung und Haftpflichtversicherung erlaubt sein soll. Vermehrt würden solche Injektionen in Kosmetikstudios durch Kosmetiker und Kosmetikerinnen sowie weiteren medizinisch nicht adäquat ausgebildeten Personen vorgenommen. Dabei komme es manchmal zu Komplikationen, mit welchen sich das Gesundheitssystem konfrontiert sehe, was wiederum auch Kosten für die Krankenkasse und somit für die Prämienzahlenden nach sich ziehe. Swissmedic untersage es medizinisch nicht ausgebildeten Personen zwar, Substanzen, die über dreissig Tage im Körper bleiben, zu spritzen, auf dem Schweizer Markt existierten allerdings gar keine Hyaluronsäure-Produkte, die eine Verbleibdauer von weniger als dreissig Tage im menschlichen Körper aufwiesen. Die Injektionen erfolgten demnach vorschriftswidrig. Auch deshalb verlangte die Motionärin die Schaffung klarer Regeln, welche eine ausschliessliche Durchführungserlaubnis für die Ärzteschaft und Massnahmen für Zuwiderhandlungen festhielten.
Der Bundesrat präzisierte in seiner Stellungnahme die bereits bestehende Kompetenz, diese Substanzen zu spritzen. Namentlich seien dies neben der Ärzteschaft auch Kosmetikerinnen und Kosmetiker, falls sie über eine entsprechende Ausbildung verfügten, und die Behandlung unter Kontrolle und Verantwortung eines Arztes oder einer Ärztin geschehe. Die MepV-Revision, welche Ende Mai 2020 in Kraft trete, enthalte diesbezüglich Konkretisierungen. Der Bundesrat erachte den Schutz der Patientenschaft daher als ausreichend, weshalb er die Motion zur Ablehnung empfehle.
Das Geschäft kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat. Dort erläuterte Ruth Humbel ihr Anliegen und Gesundheitsminister Berset vertrat den bundesrätlichen Standpunkt. Die grosse Kammer nahm die Motion knapp mit 96 zu 92 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die Ja-Stimmen stammten fast ausschliesslich aus den Fraktionen der SP, Mitte und der Grünen, während sich die Fraktionen der GLP, SVP und FDP gegen das Geschäft aussprachen.

Das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox gehört in die Hand von Ärztinnen und Ärzten (Mo. 19.4167)

Im September 2021 präsentierte das BSV die Finanzperspektiven der IV bis 2032, genauso wie auch diejenigen der AHV, der EO und der EL. Dabei berechnete das Bundesamt drei Szenarien, wie sich die Finanzierung der IV gemäss geltender Ordnung entwickeln könnte – bei der IV sei die Entwicklung deutlich schwieriger vorherzusehen als bei den anderen drei Sozialversicherungen, für die jeweils nur ein Szenario (EO und EL) respektive verschiedene Szenarien aufgrund von möglichen Gesetzesänderungen (AHV) berechnet wurden. Das mittlere Szenario prognostizierte der IV ein über die Jahre steigendes Umlageergebnis, das im Jahr 2032 bei CHF 740 Mio. zu liegen kommen würde. Ab dem Jahr 2031 würden die liquiden Mittel des IV-Fonds denn auch 50 Prozent übersteigen, wodurch wieder mit der Rückzahlung der Schulden beim AHV-Fonds begonnen werden könnte. Die Schulden würden sich folglich bis ins Jahr 2032 auf CHF 8.4 Mrd. reduzieren. Auch gemäss einem tieferen Szenario wäre das Umlageergebnis 2032 positiv; es käme bei CHF 429 Mio. zu liegen. Damit blieben jedoch die flüssigen Mittel bei 34 Prozent, wodurch kein Schuldenabbau möglich wäre. Im hohen Szenario würde der Schuldenabbau hingegen bereits im Jahr 2029 beginnen, das Umlageergebnis würde 2032 gar über CHF 1 Mrd. betragen.

Finanzperspektiven der IV bis 2032

Im September 2021 publizierte das BSV die Finanzperspektiven der EL zur AHV und IV bis ins Jahr 2032, wie auch zur AHV, zur IV und zur EO. Bei den EL zur AHV wurde ein Ausgaben- und Einnahmenwachstum von CHF 2.9 Mrd. (2020) auf CHF 3.6 Mrd. (2032) prognostiziert (+27%), wobei die Kosten zur Existenzsicherung etwas stärker ansteigen würden als die Heimkosten. Nur schwache Veränderungen gebe es beim Bundesanteil an den Ausgaben (2020: 30.1%, 2032: 31.0%) und bei der EL-Quote (2020: 12.6%; 2032: 12.9%). Bei der EL zur IV erwartete das BSV zwar ein schwächeres Ausgaben- und Einnahmenwachstum von CHF 2.0 Mrd. (2020) auf CHF 2.3 Mrd. (2032; +14%), wobei die zusätzlichen Kosten auch hier vor allem durch die Existenzsicherung bedingt sein sollten. Gleichzeitig wurde bei der EL zur IV aber auch ein Anstieg der EL-Quote von 49.3 Prozent (2020) auf 59.8 Prozent (2032) prognostiziert. Über beide Bereiche der EL (EL zur AHV und EL zur IV) wird somit ein Ausgabenanstieg von CHF 4.8 Mrd. (2020) auf CHF 5.9 Mrd. (2032) erwartet.

Finanzperspektiven der EL zur AHV und zur IV bis 2032

In der Herbstsession 2021 behandelte der Nationalrat eine Motion zur Einführung einer «nurse to patient ratio» zur Verbesserung der Pflegequalität und zur Reduktion der Pflegekosten, die 2019 von der BDP-Fraktion eingereicht worden war. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Geschäfts, da das Verhältnis von Pflegefachkräften zur Patientenschaft durch die Komplexität der vorliegenden Krankheiten und die Strukturen der Versorgungssysteme bestimmt werde. Allerdings zeigte sich die Landesregierung bereit, im Zusammenhang mit der Beantwortung eines Postulats Marchand-Balet (cvp, VS; Po. 18.3602) die Frage bezüglich eines Personalschlüssels und der damit in Verbindung stehenden Qualität und Patientensicherheit aufzugreifen. Entgegen der bundesrätlichen Empfehlung nahm der Nationalrat die Motion jedoch mit 106 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, wobei die Nein-Stimmen mit einer Ausnahme alle aus den Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen stammten.

Einführung einer "nurse to patient ratio" in der Pflege. Eine qualitative und wirtschaftliche Notwendigkeit (Mo. 19.4053)