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Gerade die britische Presse nahm die Gedenkveranstaltung, an welcher auch der britische Aussenminister Rifkind teilnahm, zum Anlass, die dunkleren Seiten der schweizerischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs aufzuzeigen. In einer oft polemischen antischweizerischen Kampagne wies sie auf die Kooperation der Schweizer Behörden und Unternehmen mit den nationalsozialistischen Herrschern in Deutschland hin. Ins gleiche Horn stiess der Vorsitzende des Bankenausschusses des amerikanischen Senats, Alfonse D'Amato, welcher sich als eifrigster Kritiker der Schweiz profilierte.

Zürcher Rede

Die damalige schweizerische Flüchtlingspolitik beschäftigte auch Gross (sp, ZH). In einer einfachen Anfrage und, nach Eingang der Antwort des Bundesrats, in einer ähnlich lautenden Interpellation, regte er die Erstellung eines Mahnmals an, zum Gedenken an die Rückweisung der, vor allem jüdischen, Flüchtlinge während des Zweiten Weltkriegs. Der Bundesrat fand die Idee an sich erwägenswert, befürchtete jedoch, dass eine Skulptur der Darstellung einer so komplexen Materie wie der schweizerischen Flüchtlingspolitik während der Bedrohung durch den Nationalsozialismus nicht gerecht werde und verwies auf die begonnene Offenlegung der diese Zeit betreffenden Akten. Der Antrag des Interpellanten, den auch die zweite Antwort des Bundesrats unbefriedigt gelassen hatte, auf Diskussion wurde vom Rat abgelehnt.

Erstellung eines Mahnmals

Der Ständerat überwies eine gemeinsame, auf der Basis eines Zwischenberichts erarbeitete Motion der beiden Verständigungskommissionen, welche vom Bundesrat verlangt, bei allen Beschlüssen der sprachlichen und regionalen Verständigung innerhalb der Schweiz besondere Beachtung zu schenken. Verschiedene Redner wiesen in ihren Erwägungen auf den verstorbenen Schriftsteller Dürrenmatt hin, der schon vor Jahren festgestellt hatte, dass die deutsche und die französische Schweiz längst nicht mehr miteinander, sondern nur gerade nebeneinander leben.

Motion zur sprachlichen und regionalen Verständigung

Ähnliche Forderungen wurden an einer Tagung in Lausanne auch von den "Rencontres suisses", einer Gruppe von Wissenschaftern und Intellektuellen, gestellt. In ihren Augen muss sich die Förderung des nationalen Zusammenhalts und des Heimatgefühls am Ziel einer gemeinsamen Zukunft orientieren. Einzelne Gemeinden, welche zum Teil schon vor der EWR-Abstimmung sprachübergreifende Gemeinde- oder Städtepartnerschaften eingegangen waren, engagierten sich konkret für die kulturelle Verständigung, indem sie einen Schüleraustausch oder gegenseitige Behördenbesuche organisierten.

Förderung des nationalen Zusammenhalts

Nach der Verwerfung des EWR-Vertrages in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 hatte das Parlament Spezialkommissionen zur Verständigung zwischen den Sprachgebieten bestellt. Die Aufgabe der 15 National- und acht Ständeräte bestand darin, Vorschläge zur Überbrückung der kultur- und sprachpolitischen Gräben auszuarbeiten. In ihrem Bericht forderten die Verständigungskommissionen unter anderem eine Totalrevision der Bundesverfassung, eine zukunftsgerichtete 150-Jahr-Feier des Bundesstaats sowie eine Landesausstellung im Jahre 2000, welche ein Begegnungsort für die verschiedenen Kultur- und Sprachgemeinschaften werden soll. Insbesondere im Geschichtsunterricht sollte das Augenmerk vermehrt auf die Bundesstaatsgründung und die Geschichte der modernen Schweiz gerichtet werden.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Gemäss der Vox-Analyse ergaben sich bei den sozio-demographischen Merkmalen nur relativ geringe Unterschiede in der Zustimmung. Paradoxerweise stimmten die Wähler und Wählerinnen aus dem linken Spektrum der von den SD lancierten Initiative viel stärker zu, als jene aus dem rechten Teil, was wiederum auf die unterschiedliche Bedeutung der Initiative zurückzuführen war. Den einen ging es vor allem um einen zusätzlichen bezahlten arbeitsfreien Tag, den anderen um den Bundesfeiertag. Der positive Ausgang der Volksabstimmung konnte demzufolge kaum als Sieg der Rechtsparteien interpretiert werden.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

Ohne lange Diskussionen hiessen National- und Ständerat die von den Schweizer Demokraten am 25. Oktober 1990 eingereichte „Volksinitiative Für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag“ mit 62 zu 2 resp. 22 zu 6 Stimmen gut. In bezug auf den Begriff arbeitsfrei, welcher im Initiativtext nur ungenau definiert war, wies der Kommissionssprecher der kleinen Kammer darauf hin, dass dieser Feiertag gemäss Bundesrat nicht kompensiert wird, falls er auf einen Sonntag fällt, dass er aber von Arbeitnehmern kompensiert werden kann, wenn er in den Ferien auf einen andern Tag als auf den Sonntag fällt.

Obwohl die Schweizer Demokraten mit der Lancierung der Initiative patriotische Ziele verfolgten, war ihr Vorschlag praktisch unbestritten, da auch die Attraktivität eines zusätzlichen Feiertages sowie der Aspekt der einheitlichen Regelung eine wichtige Rolle im Entscheidprozess spielten. Bis anhin war der 1. August in den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Genf ein Feiertag, während in den andern Kantonen entweder halbtags oder bis vier Uhr gearbeitet wurde. Im Vorfeld der Abstimmung gaben einzig die allfälligen Kosten für die Arbeitgeber Anlass zu Diskussionen.

Für die Volksabstimmung gaben alle Parteien ausser den Grünen und der LP die Ja-Parole heraus. Für die Liberalen bedeutete die Bundeskompetenz einen zu starken Eingriff in den Föderalismus, weshalb sie das Begehren ablehnten; die Grünen entschlossen sich für Stimmfreigabe, weil sie keine Initiative aus der rechtsnationalistischen Ecke unterstützen wollten. In der SP sorgte der Umstand, dass zwölf sozialdemokratische Abgeordnete im Abstimmungskomitee zusammen mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Schweizer Demokraten vertreten waren, für Unmut. Die Gewerkschaften empfahlen die Ja-Parole, während sich der Arbeitgeber- und der Gewerbeverband wegen der Belastung der Wirtschaft durch einen zusätzlichen Feiertag bei voller Lohnzahlung gegen die Initiative stellten.


„Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag“
Abstimmung vom 26. September 1993

Beteiligung: 39,9%
Ja: 1'492'285 (83,8%) / 20 6/2 Stände
Nein: 289'122 (16,2%)

Parolen:
Ja: FDP (*6), SP, CVP (*3), SVP (*2), AP, SD, LdU, EVP, PdA, EDU, Lega; SGB, CNG.
Nein: LP (*2); ZSAO, SGV.
Stimmfreigabe: GP (*3).
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


In der Abstimmung vom 26. September befürworteten 83,8% der Stimmenden die Initiative, wobei alle Kantone zustimmten. Der Kanton Appenzell Innerrhoden, der schon überdurchschnittlich viele Feiertage kennt, unterstützte die Initiative mit 59,3% am knappsten, während das Tessin und Genf mit 92,9% resp. 90,2% am deutlichsten zustimmten.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

Auf der Suche nach verschiedenen Gründen der Ablehnung des EWR-Vertrages durch eine Mehrheit der Deutschschweizer stiessen politische Beobachter auf die Bedeutung des Heimatgefühls, das für viele Stimmende in der Deutschschweiz entscheidend für die Ablehnung des EWR-Vertrages gewesen war. Viele Romands wurden sich bewusst, dass in der Vielschichtigkeit des Begriffs "Heimat", der im Französischen nur auf umständliche Weise umschrieben werden kann, einer der kulturellen Unterschiede zwischen der alemannischen und der welschen Bevölkerung begründet ist. Kultur- und Medienschaffende der Romandie stellten auch einen verstärkten Trend zur Herstellung eines Heimatbezugs in der Musik und im Kinoschaffen von Deutschschweizern fest. Im Gegensatz zur Romandie schienen ihnen die Intellektuellen und die Jungen ebenso wie die andern sozialen Schichten und Altersklassen in der Deutschschweiz den Mythen um Berge und Heimat stark verbunden.

Bedeutung des Heimatgefühls in der Deutschschweiz

Eine wissenschaftliche Arbeit über Nationalismus im Rahmen der Bundesfeierlichkeiten zeigte auf, wie schwierig die Zielsetzungen der Bundesfeiern bei der 700-Jahr-Feier mit jenen der Vorbereitungen zur EWR-Abstimmung in Einklang zu bringen waren. Patriotismus, Nationalismus und Sonderfalldenken konnten gemäss dieser Studie im Rahmen der Feierlichkeiten eine Eigendynamik entwickeln, die durch die vorwiegend auf rationaler Ebene geführte Argumentation der EWR-Befürworter nicht mehr gebremst werden konnte.

Eine wissenschaftliche Arbeit über Nationalismus im Rahmen der Bundesfeierlichkeiten zeigte auf, wie schwierig die Zielsetzungen der Bundesfeiern bei der 700-Jahr-Feier mit jenen der Vorbereitungen zur EWR-Abstimmung in Einklang zu bringen waren

Praktisch einstimmig, wenn auch ob der schwierigen Finanzlage ohne grosse Begeisterung, gewährte das Parlament dem Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf eine jährliche Finanzhilfe von 1,1 Mio Fr. für die Jahre 1994-1997. Anders als noch im Vorjahr, wo die Unterstützung für die Jahre 1992 und 1993 in erster Linie als Starthilfe betrachtet wurde, setzte sich diesmal die Überzeugung durch, dass der Bund damit wohl ein dauerhaftes Engagement übernehme, welchem er sich aber angesichts des verpflichtenden Erbes Henri Dunants nicht entziehen könne.

Der Nationalrat forderte den Bundesrat im Anschluss an dieses Geschäft mit einem Postulat auf, dafür besorgt zu sein, dass innerhalb eines Jahres ein Konzept zur Erhöhung der Besucherfrequenzen und zur Verankerung dieses Museums in der Bevölkerung des ganzen Landes erstellt wird.

Dauerhaftes Engagement des Bundes zugunsten des Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseums

Wichtiges Diskussionsthema im Berichtsjahr blieb nach der Ablehnung des EWR-Vertrages die Frage, auf welche Weise zwischen den verschiedenen Bevölkerungsund Sprachgruppen eine Einigung in bezug auf die zukünftige Europapolitik der Schweiz erreicht werden könnte. Der Genfer Staatsrat und alt Nationalrat Guy-Olivier Segond (fdp) wies unter anderem auch auf die Notwendigkeit hin, innerhalb der Deutschschweiz – vor allem zwischen Stadt und Land – Brücken zu schlagen. Eine Tagung zum Thema "Europa als kulturelle Herausforderung" auf dem Schloss Waldegg bei Solothurn zeigte den Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf, wie schwierig die Position der mit Schuldgefühlen behafteten Deutschschweizer gegenüber der zum Teil apodiktischen Haltung der Welschen war. Jacques Pilet, Chefredaktor des "Nouveau Quotidien", forderte zur Bewältigung der Krise namentlich eine verbesserte Kommunikation in Form eines Ausbaus des Strassen- und Schienennetzes zwischen den Regionen und der Realisierung des Swiss-Metro-Eisenbahn-Projektes sowie die systematische Förderung der Zweisprachigkeit an den Schulen.

zukünftige Europapolitik der Schweiz

Befürworter eines EWR-Beitrittes betonten in ihrer Kampagne, dass die Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte und dass somit die schweizerische Identität ein Stück europäische Identität sei. Damit schliesse die Schweizer Identität laut Benedikt von Tscharner, Botschafter bei der EG, einen europäischen Auftrag ein, der uns letztlich die eigene Identität zu erkennen und zu wahren helfe. Die Bestimmung der eigenen kulturellen und nationalen Identität müsse demnach als Selbstdefinitionsprozess gegenüber dem nächsten Umfeld, in diesem Falle Europa, erfolgen.

Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte

Wie die Ergebnisse der 1992er Umfrage im Rahmen der UNIVOX-Untersuchung zur politischen Kultur in der direkten Demokratie zeigten, verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik; 52% der Befragten unterstützten die Aussage "Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut", was eine Zunahme von 9 Prozentpunkten im Vergleich zu 1989 darstellte. Über die Hälfte der Befragten glaubte im weiteren, dass sich die gewählten Politikerinnen und Politiker wenig um das Volk kümmern und den Kontakt mit ihm vollständig verloren haben. Nicht ganz die Hälfte der Befragten (46%) zeigten sich zufrieden mit der Art, wie die Schweiz regiert wird (1990: 54%; 1991: 42%), ein Drittel war unentschieden und ein Fünftel äusserte sich unzufrieden. Als wichtigste Probleme der Gegenwart wurde mit 21% die Arbeitslosigkeit und die Ausländerfrage genannt; gleichzeitig haben zu diesen beiden Themen immerhin 63% resp. 61% Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates.

verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik

Im Rahmen der 700-Jahr-Feier hatten die Koordinationskommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland (KOKO) und die Schweizerische Verkehrszentrale (SVZ) die grösste je von der Schweiz organisierte Informationskampagne durchgeführt. Die Schweiz erreichte durch diese Kampagne, während der 64 Pressetexte in einer Auflage von 2,4 Mio Exemplaren an 12 000 Redaktionen ausländischer Medien verschickt wurden, laut dem Institut für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich eine umfangmässig noch nie vorher dagewesene Präsenz. Hinsichtlich der Qualität der Artikel stellten Ulrich Saxer und Reto Stadler, die Leiter der Analysen, allerdings eine häufige Reproduktion von Klischees und Mythen, die der Schweiz anhaften, fest. Einzelne wichtige Medien wie "Der Spiegel", "Time" und "Newsweek" berichteten jedoch auf eine sehr differenzierte und kritische Art, was das Gesamtbild wieder ausglich.

Informationskampagne

"Sonderfall? Die Schweiz zwischen Réduit und Europa" war der Titel einer Ausstellung im Landesmuseum Zürich; die Ausstellungsmacher versuchten, über die klischeehafte Darstellung der Schweiz und ihrer Kultur hinauszugehen und stellten, laut Museumsdirektor Andres Furger, "den Sonderfall als geistige Baustelle" dar.

Sonderfall? Die Schweiz zwischen Réduit und Europa Ausstellung im Landesmuseum Zürich

Für den Politologen Leonhard Neidhart muss der Reformprozess der schweizerischen Institutionen in Richtung einer Vereinfachung unserer innenpolitischen Prozesse weisen. Gemäss seiner These hat das schweizerische Staatsgebilde aus Gründen seiner Kleinheit, gepaart mit einer grossen Heterogenität und den daraus entstehenden Konfliktpotentialen, das Konkordanzsystem sowie föderalistische und direktdemokratische Instrumente entwikkelt, um die Konflikte möglichst in Grenzen zu halten. Konfliktvermeidung oder -verringerung kann daher seiner Meinung nach im schweizerischen Kontext nicht über ein verstärkt parlamentarisches Modell, das seiner Natur gemäss eher konfliktträchtig ist, funktionieren, sondern sollte im bestehenden System mit einfacheren Prozeduren und erhöhter Flexibilität gesucht werden. Die Bewältigung einer grösseren Menge an Konfliktstoff sollte also seiner Meinung nach nicht mit einer zeitraubenden Änderung aller grundlegenden politischen Institutionen gekoppelt werden, sondern im Rahmen der Handlungsspielräume von Regierung und Parlament im Sinne einer Optimierung des Verhältnisses von Tradition und Innovation gesucht werden.

Reformprozess der schweizerischen Institutionen

Die in Buchform erschienenen Beiträge des im November 1991 abgehaltenen Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration ", organisiert von der Akademischen Kommission der Universität Bern, enthielten die Positionen von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Aus historisch-politischer, wirtschaftlicher und kultureller Sicht konnten praktisch alle Beteiligten Anknüpfungspunkte und eine entwicklungsfähige Grundlage von schweizerischen Eigenheiten für eine Annäherung an das enger zusammenrückende Europa feststellen. Das grösste Problem würde laut Professor Weibel die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Volk und Regierung sein; im Falle eines verstärkten aussenpolitischen Engagements könnte der politische Wille des Bundesrates als Ausdruck eines Handelns von oben nach unten in Form eines Autoritätsakts beim Volk missverstanden werden, wodurch letzteres die Regierung in Volksabstimmungen desavouieren könnte.

Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration "

Nach dem Jubiläumsjahr 1991, während dem vielfältige Bereiche der schweizerischen Geschichte und der kulturellen Eigenart diskutiert und dargestellt worden waren, gewann die Problematik von schweizerischer Identitität und europäischer Integration durch die Ansetzung der Abstimmung über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember des Berichtsjahres an Bedeutung. Dabei betonten sowohl die Befürworter wie auch die Gegner einer verstärkten Integrationspolitik, dass in politisch-ökonomischer, sozialer und zum Teil auch kultureller Hinsicht in der Schweiz eine Politik der Erneuerung, der Öffnung und gleichzeitig der Deregulierung einsetzen sollte, gleichgültig ob die Schweiz den Alleingang oder den Integrationskurs wählt.

verschiedenen Sprachregionen EWR Graben zwischen deutschsprachiger und welscher Kultur

Das Thema der europäischen Integrationspolitik beherrschte auch die Reden, welche am Nationalfeiertag vielerorts gehalten wurden; unter anderem fand mit dem Schweizer Tag an der Weltausstellung in Sevilla, an welcher Bundesrat Ogi Bundespräsident Felber vertrat, die grösste Bundesfeier ausserhalb der Landesgrenzen statt. Bei der Behandlung der 1989 eingereichten parlamentarischen Initiative Ruf (sd, BE) sowie der von den Schweizer Demokraten eingereichten eidgenössischen Volksinitiative "Für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag" gelangte die zuständige Petitions- und Gewährleistungskommission aufgrund eines Gutachtens von Prof. Richli zur Auffassung, dass ein eidgenössischer Bundesfeiertag auch auf Gesetzesstufe zu verwirklichen sei. In der Folge hat sie einen Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Bundesfeiertag ausgearbeitet, der sich von einer stillschweigenden Bundeskompetenz aus der Natur der Sache ableitet. Da der Bundesrat sich einer möglichst breiten Abstützung im Volk gewiss sein wollte und eine bessere Gewährung der Rechtssicherheit wünschte, zog er den Weg über eine Initiative und damit eine Verfassungsänderung einer Lösung auf Gesetzesstufe vor. Der Bundesrat empfahl damit erst zum vierten Mal eine ausformulierte Initiative zur Annahme.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

In der Antwort auf eine Motion Ruf (sd, BE), welche verlangte, die tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne in Radio, Fernsehen und Lokalradio einzuführen, verwies der Bundesrat auf die verfassungsrechtlichen Gründe, aus denen das Anliegen nicht berücksichtigt werden kann: laut Art. 55 bis Abs. 3 BV ist den Veranstaltern von Radio und Fernsehen die Autonomie in der Programmgestaltung garantiert. Gemäss Guillaume Chenevière, Direktor des welschen Fernsehens TSR, würde die tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne dem Programm den Anstrich eines Staatsfernsehens verleihen, was nicht der Realität entspreche; Peter Schellenberg wies die Idee von sich, da die Nationalhymne nicht den Platz eines "Hitparadenbestsellers" mit täglicher Ausstrahlung verdiene. Mit 65 gegen 16 Stimmen wurde die Motion abgelehnt. Im Kanton Waadt sprach sich der Grosse Rat für einen verstärkten Einbezug der Landeshymne in den Schulunterricht aus, so dass die austretenden Schülerinnen und Schüler zumindest die erste Strophe der Nationalhymne kennen sollten.

Tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne in Radio, Fernsehen und Lokalradio (Mo. 90.363)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Der am ETH-Tag in Zürich im November 1991 als Festrede gehaltene Vortrag des Theologen Hans Küng zum Thema "Die Schweiz ohne Orientierung? Europäische Perspektiven" wurde im Berichtsjahr in Buchform unter demselben Titel veröffentlicht. In seinem Plädoyer für eine Öffnung der Schweiz forderte Küng unter anderem, die Schweizer Geschichte mit einer kritischen Distanz zu lesen, einen verstärkten Dialog zwischen politischer und intellektueller Elite, die Erneuerung der demokratischen Strukturen, das Überdenken der schweizeischen Neutralität, weltpolitisches Engagement und eine aktive Mitgestaltung Europas sowie neue ethisch-religiöse Grundlagen. Insgesamt schlug der Theologe jedoch nur wenig Konkretes vor, das in bezug auf die Abstimmung über den EWR eine Orientierungshilfe für unentschiedene Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gebracht hätte.

Der am ETH-Tag in Zürich im November 1991 als Festrede gehaltene Vortrag des Theologen Hans Küng zum Thema "Die Schweiz ohne Orientierung? Europäische Perspektiven" wurde im Berichtsjahr in Buchform unter demselben Titel veröffentlicht

Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz machte sich eine Identitätskrise im Zusammenhang mit innenpolitischen Skandalen wie dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp oder der Fichen-Affäre, welche ihren Ausdruck auch in dem gegen die 700-Jahr-Feier gerichteten "Kulturboykott" fand, bemerkbar; in der West- und Südschweiz wurde das Selbstverständnis der eigenen Gesellschaft nicht derart in Frage gestellt wie östlich der Saane und nördlich des Gotthards.

Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz machte sich eine Identitätskrise im Zusammenhang mit innenpolitischen Skandalen wie dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp oder der Fichen-Affäre, welche ihren Ausdruck auch in dem gegen die 700-Jahr-Feier gerichteten "Kulturboykott" fand, bemerkbar; in der West- und Südschweiz wurde das Selbstverständnis der eigenen Gesellschaft nicht derart in Frage gestellt wie östlich der Saane und nördlich des Gotthards [2]

Der Geschichtsprofessor Ulrich Im Hof nannte in einem Seminar zum Nationalbewusstsein sieben für ihn relevante Elemente unserer nationalen Identität: Der demokratische Republikanismus, die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers, der Föderalismus, die Vielsprachigkeit, unser Arbeits- und Erziehungsethos, der Unabhängigkeitswille gekoppelt mit der Neutralität sowie der Solidaritäts- und Humanitätsgedanke. Gemäss seinen Ausführungen sind diese Identitätsfaktoren jedoch mit allzu abstrakten und mythischen Inhalten besetzt, so dass sie sich nicht mehr mit der effektiven Daseinsrealität decken würden. Um der Gefahr der Verunsicherung und des Misstrauens seitens der Bürger vorzubeugen, sollten diese Elemente neu überdacht und mit Inhalten, welche der heutigen Realität entsprechen, besetzt werden.

Seminar zum Nationalbewusstsein

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates ist laut einer im Juli und August durchgeführten UNIVOX-Befragung zum Teil stark zurückgegangen. Der Umweltschutz stand nach Ansicht der Befragten zwar weiterhin an der Spitze der ungelösten Probleme, aber die Ausländer- und Asylpolitik, die Sozialpolitik sowie politisch-institutionelle Anliegen haben stark aufgeholt. Der Anteil derjenigen, welche in den einzelnen Politikbereichen ohne Einschränkung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates vertrauten, ging im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozentpunkte zurück. Immerhin rund drei Fünftel der Bevölkerung glaubte in den erwähnten Problembereichen "unbedingt" und "eher" an die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates (1990: 80% bis 96%). Der Anteil der Befragten, welcher generell zufrieden war mit der Art, wie die Schweiz regiert wird, sank gegenüber dem Vorjahr von 54% auf 42%; derjenige der Unzufriedenen stieg von 16% auf 24%.

Vertrauen

Ein Kolloquium über nationale Identität und den Sonderfall Schweiz, organisiert von der Stiftung "Akademie 91 Luzern" zusammen mit der Theologischen Fakultät Luzern, machte deutlich, dass das Sonderfall-Bewusstsein ein Bestandteil unserer Nationalität ist, letztere aber als ein mentales Konstrukt und somit als ein Resultat von Lernprozessen und kommunikativen Vorgängen zu verstehen sei. Für den Wirtschaftshistoriker Siegenthaler hängt die Geschichte der nationalen Bewusstseinsbildung eng zusammen mit der Geschichte der nationalen Krisen und der Suche nach ihrer Bewältigung. Die Symbole der nationalen und kulturellen Identität seien jedoch in unterschiedlichen Zusammenhängen als Bausteine eines Ganzen zu verschiedenen Zwecken verwendet und immer wieder neu instrumentalisiert worden; aus diesem Grund könne die Sonderfallthese auch kritisch hinterfragt und, falls erforderlich, verändert werden.

Kolloquium über nationale Identität und den Sonderfall Schweiz