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Befürworter eines EWR-Beitrittes betonten in ihrer Kampagne, dass die Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte und dass somit die schweizerische Identität ein Stück europäische Identität sei. Damit schliesse die Schweizer Identität laut Benedikt von Tscharner, Botschafter bei der EG, einen europäischen Auftrag ein, der uns letztlich die eigene Identität zu erkennen und zu wahren helfe. Die Bestimmung der eigenen kulturellen und nationalen Identität müsse demnach als Selbstdefinitionsprozess gegenüber dem nächsten Umfeld, in diesem Falle Europa, erfolgen.

Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte

Wie die Ergebnisse der 1992er Umfrage im Rahmen der UNIVOX-Untersuchung zur politischen Kultur in der direkten Demokratie zeigten, verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik; 52% der Befragten unterstützten die Aussage "Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut", was eine Zunahme von 9 Prozentpunkten im Vergleich zu 1989 darstellte. Über die Hälfte der Befragten glaubte im weiteren, dass sich die gewählten Politikerinnen und Politiker wenig um das Volk kümmern und den Kontakt mit ihm vollständig verloren haben. Nicht ganz die Hälfte der Befragten (46%) zeigten sich zufrieden mit der Art, wie die Schweiz regiert wird (1990: 54%; 1991: 42%), ein Drittel war unentschieden und ein Fünftel äusserte sich unzufrieden. Als wichtigste Probleme der Gegenwart wurde mit 21% die Arbeitslosigkeit und die Ausländerfrage genannt; gleichzeitig haben zu diesen beiden Themen immerhin 63% resp. 61% Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates.

verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik

Im Rahmen der 700-Jahr-Feier hatten die Koordinationskommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland (KOKO) und die Schweizerische Verkehrszentrale (SVZ) die grösste je von der Schweiz organisierte Informationskampagne durchgeführt. Die Schweiz erreichte durch diese Kampagne, während der 64 Pressetexte in einer Auflage von 2,4 Mio Exemplaren an 12 000 Redaktionen ausländischer Medien verschickt wurden, laut dem Institut für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich eine umfangmässig noch nie vorher dagewesene Präsenz. Hinsichtlich der Qualität der Artikel stellten Ulrich Saxer und Reto Stadler, die Leiter der Analysen, allerdings eine häufige Reproduktion von Klischees und Mythen, die der Schweiz anhaften, fest. Einzelne wichtige Medien wie "Der Spiegel", "Time" und "Newsweek" berichteten jedoch auf eine sehr differenzierte und kritische Art, was das Gesamtbild wieder ausglich.

Informationskampagne

"Sonderfall? Die Schweiz zwischen Réduit und Europa" war der Titel einer Ausstellung im Landesmuseum Zürich; die Ausstellungsmacher versuchten, über die klischeehafte Darstellung der Schweiz und ihrer Kultur hinauszugehen und stellten, laut Museumsdirektor Andres Furger, "den Sonderfall als geistige Baustelle" dar.

Sonderfall? Die Schweiz zwischen Réduit und Europa Ausstellung im Landesmuseum Zürich

Für den Politologen Leonhard Neidhart muss der Reformprozess der schweizerischen Institutionen in Richtung einer Vereinfachung unserer innenpolitischen Prozesse weisen. Gemäss seiner These hat das schweizerische Staatsgebilde aus Gründen seiner Kleinheit, gepaart mit einer grossen Heterogenität und den daraus entstehenden Konfliktpotentialen, das Konkordanzsystem sowie föderalistische und direktdemokratische Instrumente entwikkelt, um die Konflikte möglichst in Grenzen zu halten. Konfliktvermeidung oder -verringerung kann daher seiner Meinung nach im schweizerischen Kontext nicht über ein verstärkt parlamentarisches Modell, das seiner Natur gemäss eher konfliktträchtig ist, funktionieren, sondern sollte im bestehenden System mit einfacheren Prozeduren und erhöhter Flexibilität gesucht werden. Die Bewältigung einer grösseren Menge an Konfliktstoff sollte also seiner Meinung nach nicht mit einer zeitraubenden Änderung aller grundlegenden politischen Institutionen gekoppelt werden, sondern im Rahmen der Handlungsspielräume von Regierung und Parlament im Sinne einer Optimierung des Verhältnisses von Tradition und Innovation gesucht werden.

Reformprozess der schweizerischen Institutionen

Die in Buchform erschienenen Beiträge des im November 1991 abgehaltenen Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration ", organisiert von der Akademischen Kommission der Universität Bern, enthielten die Positionen von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Aus historisch-politischer, wirtschaftlicher und kultureller Sicht konnten praktisch alle Beteiligten Anknüpfungspunkte und eine entwicklungsfähige Grundlage von schweizerischen Eigenheiten für eine Annäherung an das enger zusammenrückende Europa feststellen. Das grösste Problem würde laut Professor Weibel die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Volk und Regierung sein; im Falle eines verstärkten aussenpolitischen Engagements könnte der politische Wille des Bundesrates als Ausdruck eines Handelns von oben nach unten in Form eines Autoritätsakts beim Volk missverstanden werden, wodurch letzteres die Regierung in Volksabstimmungen desavouieren könnte.

Symposiums zum Thema "Schweizerische Identität und Europäische Integration "

Nach dem Jubiläumsjahr 1991, während dem vielfältige Bereiche der schweizerischen Geschichte und der kulturellen Eigenart diskutiert und dargestellt worden waren, gewann die Problematik von schweizerischer Identitität und europäischer Integration durch die Ansetzung der Abstimmung über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember des Berichtsjahres an Bedeutung. Dabei betonten sowohl die Befürworter wie auch die Gegner einer verstärkten Integrationspolitik, dass in politisch-ökonomischer, sozialer und zum Teil auch kultureller Hinsicht in der Schweiz eine Politik der Erneuerung, der Öffnung und gleichzeitig der Deregulierung einsetzen sollte, gleichgültig ob die Schweiz den Alleingang oder den Integrationskurs wählt.

verschiedenen Sprachregionen EWR Graben zwischen deutschsprachiger und welscher Kultur

Das Thema der europäischen Integrationspolitik beherrschte auch die Reden, welche am Nationalfeiertag vielerorts gehalten wurden; unter anderem fand mit dem Schweizer Tag an der Weltausstellung in Sevilla, an welcher Bundesrat Ogi Bundespräsident Felber vertrat, die grösste Bundesfeier ausserhalb der Landesgrenzen statt. Bei der Behandlung der 1989 eingereichten parlamentarischen Initiative Ruf (sd, BE) sowie der von den Schweizer Demokraten eingereichten eidgenössischen Volksinitiative "Für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag" gelangte die zuständige Petitions- und Gewährleistungskommission aufgrund eines Gutachtens von Prof. Richli zur Auffassung, dass ein eidgenössischer Bundesfeiertag auch auf Gesetzesstufe zu verwirklichen sei. In der Folge hat sie einen Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Bundesfeiertag ausgearbeitet, der sich von einer stillschweigenden Bundeskompetenz aus der Natur der Sache ableitet. Da der Bundesrat sich einer möglichst breiten Abstützung im Volk gewiss sein wollte und eine bessere Gewährung der Rechtssicherheit wünschte, zog er den Weg über eine Initiative und damit eine Verfassungsänderung einer Lösung auf Gesetzesstufe vor. Der Bundesrat empfahl damit erst zum vierten Mal eine ausformulierte Initiative zur Annahme.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

In der Antwort auf eine Motion Ruf (sd, BE), welche verlangte, die tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne in Radio, Fernsehen und Lokalradio einzuführen, verwies der Bundesrat auf die verfassungsrechtlichen Gründe, aus denen das Anliegen nicht berücksichtigt werden kann: laut Art. 55 bis Abs. 3 BV ist den Veranstaltern von Radio und Fernsehen die Autonomie in der Programmgestaltung garantiert. Gemäss Guillaume Chenevière, Direktor des welschen Fernsehens TSR, würde die tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne dem Programm den Anstrich eines Staatsfernsehens verleihen, was nicht der Realität entspreche; Peter Schellenberg wies die Idee von sich, da die Nationalhymne nicht den Platz eines "Hitparadenbestsellers" mit täglicher Ausstrahlung verdiene. Mit 65 gegen 16 Stimmen wurde die Motion abgelehnt. Im Kanton Waadt sprach sich der Grosse Rat für einen verstärkten Einbezug der Landeshymne in den Schulunterricht aus, so dass die austretenden Schülerinnen und Schüler zumindest die erste Strophe der Nationalhymne kennen sollten.

Tägliche Ausstrahlung der Nationalhymne in Radio, Fernsehen und Lokalradio (Mo. 90.363)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Der am ETH-Tag in Zürich im November 1991 als Festrede gehaltene Vortrag des Theologen Hans Küng zum Thema "Die Schweiz ohne Orientierung? Europäische Perspektiven" wurde im Berichtsjahr in Buchform unter demselben Titel veröffentlicht. In seinem Plädoyer für eine Öffnung der Schweiz forderte Küng unter anderem, die Schweizer Geschichte mit einer kritischen Distanz zu lesen, einen verstärkten Dialog zwischen politischer und intellektueller Elite, die Erneuerung der demokratischen Strukturen, das Überdenken der schweizeischen Neutralität, weltpolitisches Engagement und eine aktive Mitgestaltung Europas sowie neue ethisch-religiöse Grundlagen. Insgesamt schlug der Theologe jedoch nur wenig Konkretes vor, das in bezug auf die Abstimmung über den EWR eine Orientierungshilfe für unentschiedene Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gebracht hätte.

Der am ETH-Tag in Zürich im November 1991 als Festrede gehaltene Vortrag des Theologen Hans Küng zum Thema "Die Schweiz ohne Orientierung? Europäische Perspektiven" wurde im Berichtsjahr in Buchform unter demselben Titel veröffentlicht

Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz machte sich eine Identitätskrise im Zusammenhang mit innenpolitischen Skandalen wie dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp oder der Fichen-Affäre, welche ihren Ausdruck auch in dem gegen die 700-Jahr-Feier gerichteten "Kulturboykott" fand, bemerkbar; in der West- und Südschweiz wurde das Selbstverständnis der eigenen Gesellschaft nicht derart in Frage gestellt wie östlich der Saane und nördlich des Gotthards.

Vor allem in der deutschsprachigen Schweiz machte sich eine Identitätskrise im Zusammenhang mit innenpolitischen Skandalen wie dem Rücktritt von Bundesrätin Kopp oder der Fichen-Affäre, welche ihren Ausdruck auch in dem gegen die 700-Jahr-Feier gerichteten "Kulturboykott" fand, bemerkbar; in der West- und Südschweiz wurde das Selbstverständnis der eigenen Gesellschaft nicht derart in Frage gestellt wie östlich der Saane und nördlich des Gotthards [2]

Der Geschichtsprofessor Ulrich Im Hof nannte in einem Seminar zum Nationalbewusstsein sieben für ihn relevante Elemente unserer nationalen Identität: Der demokratische Republikanismus, die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers, der Föderalismus, die Vielsprachigkeit, unser Arbeits- und Erziehungsethos, der Unabhängigkeitswille gekoppelt mit der Neutralität sowie der Solidaritäts- und Humanitätsgedanke. Gemäss seinen Ausführungen sind diese Identitätsfaktoren jedoch mit allzu abstrakten und mythischen Inhalten besetzt, so dass sie sich nicht mehr mit der effektiven Daseinsrealität decken würden. Um der Gefahr der Verunsicherung und des Misstrauens seitens der Bürger vorzubeugen, sollten diese Elemente neu überdacht und mit Inhalten, welche der heutigen Realität entsprechen, besetzt werden.

Seminar zum Nationalbewusstsein

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates ist laut einer im Juli und August durchgeführten UNIVOX-Befragung zum Teil stark zurückgegangen. Der Umweltschutz stand nach Ansicht der Befragten zwar weiterhin an der Spitze der ungelösten Probleme, aber die Ausländer- und Asylpolitik, die Sozialpolitik sowie politisch-institutionelle Anliegen haben stark aufgeholt. Der Anteil derjenigen, welche in den einzelnen Politikbereichen ohne Einschränkung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates vertrauten, ging im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozentpunkte zurück. Immerhin rund drei Fünftel der Bevölkerung glaubte in den erwähnten Problembereichen "unbedingt" und "eher" an die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates (1990: 80% bis 96%). Der Anteil der Befragten, welcher generell zufrieden war mit der Art, wie die Schweiz regiert wird, sank gegenüber dem Vorjahr von 54% auf 42%; derjenige der Unzufriedenen stieg von 16% auf 24%.

Vertrauen

Ein Kolloquium über nationale Identität und den Sonderfall Schweiz, organisiert von der Stiftung "Akademie 91 Luzern" zusammen mit der Theologischen Fakultät Luzern, machte deutlich, dass das Sonderfall-Bewusstsein ein Bestandteil unserer Nationalität ist, letztere aber als ein mentales Konstrukt und somit als ein Resultat von Lernprozessen und kommunikativen Vorgängen zu verstehen sei. Für den Wirtschaftshistoriker Siegenthaler hängt die Geschichte der nationalen Bewusstseinsbildung eng zusammen mit der Geschichte der nationalen Krisen und der Suche nach ihrer Bewältigung. Die Symbole der nationalen und kulturellen Identität seien jedoch in unterschiedlichen Zusammenhängen als Bausteine eines Ganzen zu verschiedenen Zwecken verwendet und immer wieder neu instrumentalisiert worden; aus diesem Grund könne die Sonderfallthese auch kritisch hinterfragt und, falls erforderlich, verändert werden.

Kolloquium über nationale Identität und den Sonderfall Schweiz

Erste Resultate aus den Untersuchungen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 21 über die kulturelle Vielfalt und nationale Identität zeigten, dass eine nationale Identität immer weniger von der Vorstellung des Sonderfalls leben kann, sondern mehr auf Sachrealitäten beruht, für die der Staat eine wichtige Organisationsgrösse geblieben ist. Ausserdem kann sich, gemäss dem Selbstverständnis des NFP 21 und dessen Leiter Prof. Kreis, die nationale Identität der Schweiz praktisch nur in der kulturellen Vielfalt verkörpern. In komplexen Gesellschaften wie der Schweiz von heute existiert kulturelle Identität laut mehrerer Teilstudien nicht als Einheit mit Ausschliesslichkeitscharakter. Indem das Individuum mehreren identitätsvermittelnden Gruppen angehört, entsteht eine Verkettung von verschiedenen partiellen Identitäten, wodurch die kulturelle Vielfalt in das Individuum hineinverlagert wird. Ein weiterer Bericht hielt aber auch die Verständigungsprobleme zwischen den verschiedenen Sprachregionen fest. Eine Untersuchung zu eidgenössischen Festen kam zum Schluss, dass diese heute, in der pluri-kulturellen, keinem einheitlichen Wertesystem verpflichteten Nation, ihre gesellschaftlich integrierende Funktion verloren hätten. Der Projektbericht der Politikwissenschafter hielt fest, dass die institutionelle politische Beteiligung dazu tendiert, von der jeweiligen Situation, der Art der Themen, der persönlichen Betroffenheit und des Stils der öffentlichen Auseinandersetzung abhängig zu werden; nur rund dreissig Prozent der Stimmbürgerschaft können als konstante Urnengänger bezeichnet werden, fünfzig Prozent hingegen als unregelmässige oder gelegentliche Urnengänger und zwanzig Prozent als prinzipielle Abstinenten.

Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21)

Zahlreiche Aktivitäten im Ausland, wie zum Beispiel die Ausstellung "Switzerland 700" in London, entstanden aus der Zusammenarbeit der schweizerischen diplomatischen Vertretungen und den entsprechenden ausländischen Behörden sowie der Privatwirtschaft.

grenzüberschreitende Projekte

Ein parlamentarischer Vorstoss für die Ausarbeitung eines politischen Leitbildes für die Schweiz in einem gewandelten europäischen Kontext wurde von Ständerat Rhinow (fdp, BL) in Form eines Postulats eingereicht. Der von 30 Standesvertretern unterschriebene Text fordert den Bundesrat auf, die Stellung der Schweiz in bezug auf ihre Position in Europa und in der Welt neu zu definieren und einen breiten Dialog über die Identität unseres Landes, über die tragenden und verbindenden, überlieferten und neuen Werte, über Optionen und Ziele unseres Landes sowie die Wiederbelebung der gegenseitigen Verständigung in Gesellschaft und Politik zu initiieren.

Ausarbeitung eines politischen Leitbildes

Die Fragen der nationalen Identität, der soziokulturellen und politischen Vorstellungen im kollektiven Bewusstsein sowie deren Bedeutung für ein modernes Staatswesen in einem sich wandelnden Kontext wurden im Berichtsjahr in vielfältiger Weise aufgeworfen. Unter anderem war dies auch das Thema eines Kolloquiums auf Schloss Lenzburg (AG), an welchem z.B. der Geschichtsprofessor Ulrich Im Hof in seiner Rede die Vaterlandsliebe als Liebe des Esels zum Stall charakterisierte. Gemäss seinen Ausführungen berge die Selbstgenügsamkeit vieler Bürgerinnen und Bürger in der heimatlichen Geborgenheit die Gefahr in sich, die Herausforderungen einer sich öffnenden, komplexen Welt, welche andere Wertvorstellungen repräsentiere, zu ignorieren.

Herausforderungen einer sich öffnenden, komplexen

Für die Geschichtsprofessorin Beatrix Mesmer bedeutet die Phase der Offenlegung verschiedenster Missstände, welche in der Schweiz in den letzten Jahren aufgedeckt worden sind, auch eine Chance der Läuterung, einer Katharsis, mit deren Hilfe das Land ein neues Geschichtsbild und damit vielleicht auch einen neuen politischen Stil aufbauen könnte. Die aussenpolitische Herausforderung der europäischen Integration könnte in dieser Situation helvetischen Umbruchs auch eine neue Staatskultur hervorbringen.

Katharsis

Dans les deux Chambres, la plupart des parlementaires et des groupes félicitèrent, lors des débats, le gouvernement pour la rapidité de sa réaction. Bien qu'ayant accepté la prise de sanctions économiques, certains d'entre eux soulignèrent le changement intervenu, par cette action, dans la politique de neutralité de la Suisse. Lors des discussions menées au Conseil national, la question de l'appartenance à l'Organisation des Nations Unies se posa à nouveau.

Sanctions économiques envers l'Irak et le Koweït
Dossier: Erster Irakkrieg
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten

Auch der Schriftsteller Adolf Muschg, der unter dem Titel "Die Schweiz am Ende – am Ende die Schweiz" Aufsätze, Reden und Artikel über die Schweiz der 70er und 80er Jahre veröffentlichte, thematisierte den 'Sonderfall' Schweiz und dessen Ende. Mit der Kopp-Affäre, den Enthüllungen zur Geldwäscherei und dem Fichen-Skandal sei das Ende des 'Sonderfalles' deutlich zu Bewusstsein gekommen. Eine neue Auseinandersetzung sowohl mit der Vergangenheit als auch mit den Problemen der Zukunft sollte gemäss Muschg unbedingt einsetzen. Was die Vergangenheit anbelangt, müsste die Schweiz sich vermehrt mit der Bundesstaatsgründung 1848 – ein Markstein der. Integration der Schweiz – auseinandersetzen; für die Zukunft ist für Muschg die Erhaltung kleiner, überblickbarer Strukturen relevant, ohne dass jedoch das Fremde und Ausländische einfach ausgegrenzt und aus dem Bewusstsein ausgelöscht wird.

Adolf Muschg

Eine ähnliche Problematik kam am Forum "Störfall Heimat – Störfall Schweiz", organisiert vom Zürcher Institut für angewandte Psychologie, zur Sprache. Thematisiert wurde das Ende des 'Sonderfalls' sowie das Spannungsfeld von verunsichertem Selbstverständnis und europäischer Herausforderung. Die Referenten unterschieden verschiedene Ebenen von Identität und deren mögliche Konsequenzen wie Provinzialismus, Fremdenfeindlichkeit, aber auch Kooperations- und Integrationsfähigkeit. Die These, wonach die übermässige Beschäftigung mit sich selber als Zeichen einer allgemeinen Verunsicherung wie auch einer Schweiz im Umbruch zu deuten sei, wurde ebenfalls diskutiert. Im Spannungsfeld zwischen Öffnung und Heimatbezogenheit plädierten die einen für eine verstärkte Integration der Schweiz in ein übergeordnetes Europa, während andere die Idee Heimat in der Region, auch in der staatenübergreifenden, als erstrebenswert erachteten.

Störfall Heimat – Störfall Schweiz

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes "Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21) ergab eine repräsentative Befragung der Bevölkerung über die territoriale Identifikation, dass sich die Bewohner der französischen und der italienischen Schweiz stärker mit der Region und weniger mit der ganzen Schweiz identifizieren als jene der deutschen Schweiz; letztere identifizieren sich aber gleichzeitig stärker mit der Gemeinde. Ausserdem zeigte die Studie auf, dass einem tiefen Bildungsgrad eine hohe kommunale Bindung und geringe übernationale Bindung entspricht. Aus den Abstimmungsresultaten zum Freihandelsabkommen von 1972 und zum UNO-Beitritt 1986 leitete eine Studie ab, dass im Hinblick auf eine europapolitische Abstimmung zum EWR-Vertrag oder zu einem EG-Beitritt mit drei Lagern zu rechnen sei, die sich etwa folgendermassen zusammensetzen: ein Viertel "harte Isolationisten" (vor allem in ländlichen Gebieten), ein Viertel "harte Integrationisten" (eher in städtischen Siedlungen mit hohem Linkswähleranteil) und etwa die Hälfte "weiche Integrationisten" (eher in Arbeitergemeinden und kleinbürgerlicher Umgebung), wobei letztere vor allem am wirtschaftlichen Nutzen einer Öffnung interessiert sind.

Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21)

Die Gruppe Olten, welche sich 1989 noch grundsätzlich gegen einen Boykottaufruf ausgesprochen hatte, stimmte im Juni an ihrer Generalversammlung mit 22 Ja gegen 17 Nein bei 5 Enthaltungen für die Unterstützung des Boykotts. Dass sich Gegner und Befürworter des Boykotts praktisch die Waage hielten, zeigte, wie umstritten diese Frage war. Einerseits betonten die Befürworter den Grundsatzcharakter der Boykottfrage. Kulturschaffende sollten dem Uberwacherstaat nicht durch konstruktive Kritik im Rahmen der Zentenarfeiern dienen, weil sie damit bloss eine Alibifunktion übernehmen und das bestehende Machtgefüge legitimieren würden. Gegner betonten, dass die Mitarbeit an den kulturellen Veranstaltungen eine einmalige Gelegenheit der Mitsprache und Mitgestaltung am kulturellen und politischen Geschehen in der Schweiz sei, die es nicht zu verpassen gelte.

Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates

In der Folge unterzeichneten über 700 Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz die Erklärung "Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates". Sie machten die Abschaffung der politischen Polizei und die vollständige Offenlegung von allen Fichen und Dossiers bis Ende Jahr zur Bedingung für die Mitarbeit an kulturellen Veranstaltungen anlässlich der 700-Jahr-Feier. Nachdem diese Erklärung ohne wahrnehmbare Wirkung bei Regierung und Parlament geblieben war, gingen die Initianten einen Schritt weiter und liessen im April der Boykottdrohung den Boykottbeschluss folgen. Bis zum Juli unterschrieben über 500 Kulturschaffende die Boykotterklärung.

Keine Kultur zur Feier des Schnüffelstaates