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  • Schmid-Federer, Barbara (cvp/pdc, ZH) NR/CN
  • Bortoluzzi, Toni (svp/udc, ZH) NR/CN
  • Dreifuss, Ruth (sp/ps) BR EDI / CF DFI

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Ob sogenannte Komatrinker Aufenthalte in Spitälern oder Ausnüchterungszellen selber bezahlen müssen, ist seit 2010 Gegenstand parlamentarischer Beratungen. Eine parlamentarische Initiative Bortoluzzi (svp, ZH) sollte jedenfalls auf eine entsprechende Regelung hinwirken. Der Vorstoss wurde zunächst von beiden Gesundheitskommissionen unterstützt, ehe er 2014 erstmals im Plenum des Nationalrats traktandiert wurde. Damals liess man sich jedoch noch nicht auf eine Diskussion ein, um noch weiterführende Arbeiten abwarten zu können. So gelangte der Vorstoss nach der Fristerstreckung erst im Winter 2015 auf die Agenda der Volkskammer. Und die Debatte hatte es in sich, sie war nicht nur lang, sondern auch sehr emotional. Am Ende obsiegte der SGK-Antrag auf Abschreibung der Initiative, das Anliegen wurde damit verworfen.

Mit der Initiative sollte das KVG derart angepasst werden, dass durch exzessiven Alkoholkonsum resultierende Spitalaufenthalte (resp. Behandlungen in den Notaufnahmen) zulasten der Verursacher, also der „Trinker“ abgerechnet werden. Nachdem diesem Vorstoss Folge gegeben wurde, hatte die SGK eine Subkommission eingesetzt und diese beauftragt, einen Entwurf auszuarbeiten. Zwischen Ende Juni und Ende Oktober 2014 wurde dazu eine Vernehmlassung durchgeführt. Von 92 eingegangenen Stellungnahmen lehnte ein Grossteil den Entwurf ab, mit unterschiedlichen Argumenten. Unter anderem wollte man keinen Systemwechsel im KVG durch Einführen der Verschuldensfrage, zudem bezweifelte man die Wirksamkeit der Massnahme. Unklare Kostenentwicklung sowie eine Befürwortung alternativer Massnahmen im Bereich Prävention waren weitere Argumente dagegen. Trotz dieser Abwehrhaltung, vor allem der Kantone, übergab die SGK-NR den Erlassentwurf unverändert zusammen mit dem Vernehmlassungsbericht an den Bundesrat (allerdings mit 13 zu 11 Stimmen und einer Enthaltung knapp). Die Kommission war also damals noch für diese Gesetzesänderung.
Daraufhin veröffentlichte die Regierung ihre Stellungnahme im Sommer 2015. Dort wurde dargelegt, dass der Erlassentwurf vom Bundesrat in vorliegender Form nicht unterstützt wurde. Ursächlich dürfte auch die Skepsis aus der Vernehmlassung gewesen sein. Jedoch war dies nicht der einzige Grund, wie der Bundesrat wiederholt bekräftigte. Auch mit Verweis auf seine frühere Haltung in ähnlichen Geschäften machte er deutlich, dass er nicht Hand biete für einen Systemwechsel im KVG. Überdies seien wichtige Programme unterwegs, um Alkoholsucht zu begegnen, so zum Beispiel das Nationale Programm Alkohol oder auch die Revision der Alkoholgesetzgebung.
Mit diesem Gegenwind hatte die SGK ihre sessionsvorbereitende Sitzung zu bewältigen, wo sie eine Kurskorrektur vornahm. Sie schwenkte um und war fortan mehrheitlich gegen den Erlass. Neben dem Systemwechsel war auch die Wirksamkeit der Massnahme unklar und führte darum zur Ablehnung. So sei denkbar, dass Personen in wirtschaftlich prekären Verhältnissen auf eine Behandlung verzichteten, was beispielsweise zu hohen Folgekosten führen würde. Weiter war unklar, ob nur jugendliche Komatrinker gemeint sind oder auch ältere Alkoholkonsumierende. Die nicht definierbare Kostenfolge sollte ebenfalls als kritisches Argument ins Feld geführt werden. Gegen die Abschreibung wehrte sich eine Minderheit Frehner (svp, BS), die sich von der Notwendigkeit der Gesetzesänderung überzeugt zeigte. Betroffene müssten in die Pflicht genommen werden, was eine Stärkung der Eigenverantwortung bedeutete. Steigende Kosten im Gesundheitswesen rechtfertigten überdies einen solchen Schritt.

Es waren dieselben Argumente für und wider den Erlassentwurf, die in der Debatte abermals vorgebracht wurden. Kommissionssprecherin Schmid-Federer (cvp, ZH) brachte einen wichtigen Punkt zur Sprache. Es war bis anhin schon möglich, dass die Kantone die Kosten einer alkoholbedingten Hospitalisierung den Patienten in Rechnung stellen, dies würde auf jeden Fall so bleiben. Mit der Ablehnung der Initiative würde bloss die Pflicht der Kostenabwälzung umgangen. Weiterhin läge es also in der Kompetenz der kantonalen Legislative, dergleichen zu beschliessen. Ihr Gegenspieler in dieser Sache war Nationalrat de Courten (svp, BL), der sowohl die Kommissionsminderheit, als auch die SVP-Fraktion vertrat. Er wollte das Ziel der parlamentarischen Initiative nicht aus den Augen verlieren und dem Erlass zum Durchbruch verhelfen. Es könne nicht sein, dass Personen durch ein „absichtliches Besäufnis“ der Allgemeinheit zur Last fallen. Er kritisierte überdies auch die Haltung der Kommission, die nach ihrer vormaligen Unterstützung die Initiative nun fallen lassen wollte. Die Diskussion zog sich hin, von rechts wurde der Entwurf gelobt, von links als „eine der wohl absurdesten Vorlagen, die es im Rat je so weit geschafft“ haben, bezeichnet (Steiert (sp, FR)).
Es kam schliesslich zu einem einigermassen knappen Resultat von 97 Stimmen für die Abschreibung der Initiative und 85 dagegen, elf Nationalrätinnen und Nationalräte enthielten sich. Das Geschäft wurde damit versenkt. Es waren die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP, die in der Ausmarchung unterlagen. Acht von elf Unentschiedenen gehörten der FDP-Liberalen Fraktion an.

Komatrinker ihre Aufenthalte im Spital und in Ausnüchterungszellen selber bezahlen

Im April publizierte der Bundesrat seinen Bericht zur Kostendeckung von Ausnüchterungszellen in Erfüllung eines Postulates der SGK-NR. Das Postulat ist im Zuge der Behandlung einer parlamentarischen Initiative Bortoluzzi (svp, ZH) eingereicht worden. Der Bericht wurde hingegen in der abschliessenden Beratung zu besagter Initiative nicht zitiert.
Es ging darum, eine Übersicht zu liefern, wie die Kantone mit den anfallenden Kosten umgehen, die durch die Behandlung alkoholisierter Personen anfallen. Im Bericht wird festgehalten, dass der Begriff „Ausnüchterungszelle“ unterschiedlich verwendet wird. Etwa die Hälfte der Kantone kennt gesetzliche Grundlagen, um die Kosten auf die Alkoholisierten abzuwälzen; seien es jene aus einer Spitalbehandlung oder infolge einer Festnahme wegen übermässigem Alkoholkonsum. Eine bundesgesetzliche Lösung werde teilweise begrüsst, es sei aber gleichzeitig schwierig, die Kosten zu beziffern. Es sei dem Bundesrat nicht möglich „aufzuzeigen, mit welchen Mitteln und auf welcher Rechtsebene die Forderung nach Deckung der Kosten der Ausnüchterungszellen durch die Verursacher am sinnvollsten und effizientesten erreicht werden kann.“ Überdies seien die Gebühren in den meisten Fällen ohnehin nicht kostendeckend und einige Kantone verzichteten gar – trotz gesetzlicher Regelung – auf eine Kostenabwälzung.
Es wird, so die Regierung, aus den Erkenntnissen kein eigentlicher Koordinationsbedarf durch den Bund erkannt. Das Postulat wurde damit als erledigt abgeschrieben.

Kostendeckung von Ausnüchterungszellen

Für die parlamentarische Initiative Bortoluzzi (svp, ZH), wonach Komatrinker ihre allfälligen Aufenthalte in Spitälern oder Ausnüchterungszellen selber bezahlen sollen, hat der Nationalrat in der Sommersession 2014 eine Fristverlängerung bis 2016 beschlossen. Die SGK-NR wollte weitere, noch laufende Arbeiten abschliessen, bevor diese Initiative abschliessend behandelt werden kann. Insbesondere stand der Vernehmlassungsbericht zur Anpassung des Krankenversicherungsgesetzes noch in Aussicht, der aus dem Verfahren zwischen Juli und Oktober 2014 resultieren wird. Zuvor liess die Volkskammer mit der Überweisung eines Postulats der SGK-NR durch den Bundesrat Abklärungen zur Kostendeckung von Ausnüchterungszellen vornehmen.

Komatrinker ihre Aufenthalte im Spital und in Ausnüchterungszellen selber bezahlen

Im März 2014 hat der Nationalrat ein Postulat seiner SGK angenommen, womit der Bundesrat Bericht über die Kostendeckung von Ausnüchterungszellen erstatten soll. Das Postulat ist im Zusammenhang mit der Umsetzung des zweiten Teils der parlamentarischen Initiative Bortoluzzi (svp, ZH) eingereicht worden. Dieser wollte die durch exzessiven Alkoholkonsum resultierenden Kosten für die Belegung von Ausnüchterungszellen auf die Konsumenten überwälzen. Der im Kommissions-Postulat geforderte Bericht soll vor allem aufzeigen, mit welchen Mitteln und auf welcher Rechtsebene die Forderung nach Deckung der Kosten der Ausnüchterungszelle durch die Verursacher respektive ihre gesetzlichen Vertreter am sinnvollsten und effizientesten erreicht werden kann. Der Bundesrat hatte seine Bereitschaft zu einer Evaluation bei den Kantonen signalisiert, entsprechend kam das Postulat im Ratsplenum diskussionslos durch.

Kostendeckung von Ausnüchterungszellen

Aufgrund der Zunahme der wegen exzessivem Alkohol- oder Drogenmissbrauch notfallmässig behandelten Patienten regte Nationalrat Bortoluzzi (svp, ZH) mit einer parlamentarischen Initiative an, dass Komatrinker ihre Aufenthalte im Spital und in Ausnüchterungszellen selber bezahlen sollten. Dafür seien das KVG sowie weitere Gesetze dahingehend anzupassen, dass die Kosten der aufgrund exzessiven Alkohol- und Drogenmissbrauch notwendigen medizinischen Notversorgung durch die Verursacher oder ihre gesetzlichen Vertreter in vollem Umfange getragen werden müssen. Eine Verrechnung über die solidarische Krankenversicherung soll nicht möglich sein. Gleiches soll auf einen Aufenthalt in einer Ausnüchterungszelle angewendet werden. Solche Ereignisse kämen einem massiven Missbrauch des Solidaritätsgedankens gleich und müssten unverzüglich angegangen werden, so der Initiant. Der Entscheid, in übermässigem Masse Alkohol zu konsumieren oder Drogen zu missbrauchen, sei vermeidbar und liege in der Eigenverantwortung jedes Bürgers. Es sei eine Zumutung für die Allgemeinheit, die dann diese massiven Kosten zu tragen habe. Nachdem die erstbehandelnde SGK-NR im Mai 2011 der Initiative Folge gegeben hatte, folgte diejenige des Ständerates Anfang 2012.

Komatrinker ihre Aufenthalte im Spital und in Ausnüchterungszellen selber bezahlen

2004 hatte Nationalrat und Präventivmediziner Gutzwiller (fdp, ZH) eine parlamentarische Initiative eingereicht mit der Forderung einer bundesweit einheitlichen Regelung eines Rauchverbots in geschlossenen Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Nach zweijähriger Vorbereitung schlug die SGK-N nun ein spezielles Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen vor, welches auch die Zustimmung des Bundesrates fand. Die Kommissionssprecherin unterstrich den Paradigmenwechsel der Vorlage: Statt der Freiheit des Rauchens werde die Freiheit des Nichtrauchens ins Zentrum gerückt. Die Regelung sei verhältnismässig und aus gesundheits- und präventionspolitischen Gründen erforderlich. Das Eintreten auf die Vorlage wurde von einer Kommissionsminderheit, vertreten durch Bortoluzzi (svp, ZH), bekämpft. Wenn ein zugelassenes Produkt wie der Tabak für Dritte derart gefährlich sei, müsste es eigentlich ganz verboten werden, meinte er. Weiter sei die Vorlage eigentums- und KMU-feindlich. Die Minderheit wurde unterstützt von der SVP-Fraktion und einer Mehrheit der FDP-Fraktion. So wehrte sich Huber (fdp, UR) gegen staatliche Bevormundung und betonte das liberale Prinzip von Freiwilligkeit und Selbstverantwortung auch in dieser Frage. Für die SP lobte Schenker (BS) hingegen den Kommissionsvorschlag als wichtigen Schritt zum Schutz vor dem Passivrauchen, insbesondere auch für das Servicepersonal, das vielfach unfreiwillig dem Tabakrauch in Restaurants ausgesetzt sei. Mit 111 zu 64 Stimmen beschloss der Rat Eintreten auf die Gesetzesvorlage.

In der Detailberatung drehte sich die Diskussion vor allem um die Ausnahmeregelungen im Bereich der Gastrobetriebe. Hier setzte sich die Kommissionsminderheit mit 95 zu 77 Stimmen durch. Demnach ist das Rauchen in abgetrennten, speziell gekennzeichneten Räumen mit ausreichender Belüftung generell erlaubt, auch wenn dort Angestellte arbeiten. Die Kommission hatte lediglich unbediente „Fumoirs“ zulassen wollen. Weiter können Gastrobetriebe und Nachtlokale auf Bewilligung hin als gekennzeichnete Raucherbetriebe geführt werden. Die Bewilligung wird erteilt, wenn „eine Trennung von Raucher- und Nichtraucherräumen nicht möglich oder unzumutbar ist“. Damit, so Minderheitssprecher Borer (svp, SO), bleibe man eine tolerante Gesellschaft, in der die eine Seite auf die andere Rücksicht nimmt und die gegenseitigen Bedürfnisse akzeptiert werden. Die Fraktionen von SP und Grünen warnten vergeblich, dass mit diesen Ausnahmen das Gesetz und der Arbeitnehmerschutz unterlaufen werden. Unterstützt wurden die Anträge der Minderheit von den Fraktionen der SVP, der FDP und der CVP. Betreffend Arbeitnehmerschutz vertrat Engelberger (fdp, NW) die Meinung, dass niemand in einem Raucherbetrieb arbeiten müsse, wenn er nicht wolle. Ausnahmen für Einzelarbeitsplätze sowie wohnungsähnliche Einrichtungen (z.B. geschlossene Abteilungen psychiatrischer Kliniken, Strafvollzugsanstalten etc.) waren schon im Kommissionsentwurf vorgesehen und wurden nicht bestritten. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 109 zu 52 Stimmen angenommen.

Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen (BRG 04.476)
Dossier: Rauchverbote

Nach dem Scheitern der Revision des Betäubungsmittelgesetzes 2004 in der grossen Kammer hatte die SGK des Nationalrates 2005 beschlossen, die unbestrittenen Elemente der Revision, insbesondere das 4-Säulen-Konzept (Prävention inklusive Jugendschutz, Therapie, Schadensverminderung – beispielsweise durch die medizinisch kontrollierte Heroinabgabe – und Repression) mit einer parlamentarischen Initiative wieder aufzunehmen. Im Mai legte die Kommission ihre Vorschläge für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes vor. Der Bundesrat war damit weitgehend einverstanden

Bereits in der Eintretensdebatte wurde in erster Linie die heroingestützte Behandlung Schwerstsüchtiger ins Zentrum gerückt. Um die Behandlung des brisanten Geschäfts zu verzögern, reichte Ruey (lp, VD) einen Rückweisungsantrag an die Kommission ein. Er erklärte, die Heroinabgabe müsse vertieft untersucht werden, bevor man den auf Ende 2009 befristeten Bundesbeschluss in ordentliches Recht überführe. Support erhielt er von Bortoluzzi (svp, ZH), der die entsprechenden Untersuchungen des BAG als zu wenig neutral einstufte. Bundesrat Couchepin widersprach und wies auf zahlreiche Studien hin, welche die Wirksamkeit der Heroinabgabe belegen (weniger Drogentote, gesündere Konsumenten, geringere Beschaffungskriminalität). Rueys Antrag wurde deutlich mit 61 zu 11 Stimmen abgelehnt. In der Detailberatung meldeten sich die Befürworter einer strengen Abstinenzpolitik erneut wortreich: Die Heroinabgabe habe nichts mit Menschenliebe zu tun (Freysinger, svp, VS), sei sogar menschenverachtend (Waber, edu, BE). Dem hielten die Befürworter gegenüber, sie rette Menschenleben (Gutzwiller, fdp, ZH) und sei mittlerweile auch von der WHO als Therapiemöglichkeit für Schwerstsüchtige anerkannt (Ménetrey-Savary, gp, VD). Die medizinisch indizierte Heroinabgabe passierte schliesslich mit 111 zu 73 Stimmen, die gesamte Revision mit 106 zu 65. Nicht durchsetzen konnte sich der Bundesrat mit seinem Wunsch, Heroin aus der Liste der verbotenen Stoffe in jene der verschreibbaren Betäubungsmittel umzuklassieren. Couchepin plädierte vergeblich, dabei handle es sich um eine reine Frage der Logik. Um nicht noch einmal die gesamte Vorlage zu gefährden, wurde dieser Antrag mit 106 zu 70 Stimmen mit dem Argument verworfen, dies könne auch auf Verordnungsstufe geschehen. Im Fall einer Zustimmung durch den Ständerat drohte die EVP/EDU-Fraktion bereits mit einem Referendum, dem sich wohl auch Teile der SVP anschliessen dürften; damit könnte das Stimmvolk zum zweiten Mal nach 1999 über die heroingestützte Therapie befinden.

Auf Antrag des Bundesrates lehnte der Nationalrat eine Motion Wasserfallen (fdp, BE) (Mo. 04.3376) ab, welche eine deutliche Verschärfung der 4-Säulen-Politik des Bundes sowie ein klar verankertes Verbot des Cannabiskonsums verlangte; das relativ knappe Stimmenverhältnis (90:80) zeigte aber die nach wie vor bestehende Gespaltenheit der grossen Kammer

4-Säulen-Konzept

Da dies der Rechtssprechung des Eidg. Versicherungsgerichts widersprechen würde, lehnte der Ständerat eine Motion der SGK des Nationalrates ab, die den Bundesrat beauftragen wollte, weiterhin Institutionen der privaten Drogenrehabilitation mit Mitteln der IV zu unterstützen. Weil viele dieser Einrichtungen durch die Praxisänderung des BSV in eine schwierige finanzielle Situation geraten sind, überwies er den Vorstoss jedoch in der Postulatsform mit der Bitte, Hand für Übergangslösungen zu bieten; Bundesrätin Dreifuss verwies auf bereits unternommene Anstrengungen und versicherte, dass alles getan werde, um den Betrieb dieser Institutionen sicherzustellen.

Institutionen der privaten Drogenrehabilitation

Nicht ganz so leicht hatte es die Vorlage im Nationalrat. Vor allem Abgeordnete aus dem rechtsbürgerlichen Lager lieferten vehemente Rückzugsgefechte. Angeführt von der SVP zogen sie alle Register, um die Vorlage abzublocken. Sandoz (lp, VD) wollte das Geschäft verschieben, weil ein Expertenbericht der WHO aussteht. Fehr (svp, ZH) und Waber (edu, BE) forderten Nichteintreten, Bortoluzzi (svp, ZH) und Keller (sd, BL) Rückweisung. Fehr behauptete, Bundesrätin Dreifuss nehme ihren Fürsorgeauftrag nicht mehr ernst; Bortoluzzi erklärte, es gehe nur um die Ruhigstellung einer Randgruppe, welche “unappetitlich, kriminell und rufschädigend” für die Schweiz sei. FDP, CVP, SP, Grüne, LdU/EVP sowie Liberale stellten sich mit dem Verweis auf das klare Nein des Stimmvolkes zur Initiative “Jugend ohne Drogen” hinter die Politik des Bundesrates. Mit 106 zu 25 wurde die Vorlage ohne Differenzen zum Ständerat klar gutgeheissen.

dringlichen Bundesbeschluss über ärztlich verordnete Heroinabgabe als Therapie (BRG 98.015)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Nach der politischen Sommerpause setzte der Abstimmungskampf für die Volksinitiative “für eine vernünftige Drogenpolitik” ein, welche unter dem gängigeren Namen “Droleg” den Drogenkonsum generell freigeben und die Drogenbeschaffung als Staatsmonopol etablieren wollte, um damit der organisierten Kriminalität die Daseinsberechtigung zu entziehen. Da niemand, nicht einmal die SP, deren Vorstand Stimmfreigabe beschloss, deren Delegiertenversammlung dann aber für eine Unterstützung votierte, wirklich an einen Erfolg des Volksbegehrens glaubte, wurde die Kampagne von beiden Seiten recht lau geführt, wobei auch ins Gewicht fiel, dass die Befürworter nur sehr beschränkte Mittel einsetzen konnten. Wortführerin der ablehnenden Kreise war Bundesrätin Dreifuss, die betonte, die Initiative sei im Interesse der Volksgesundheit abzulehnen. Die Vorstellung, mit einer Legalisierung könnte der Schwarzmarkt effizient bekämpft werden, gehöre ins Land der Illusionen. Zudem würde sich die Schweiz damit international isolieren und das weltweite Netz der Verbrechensbekämpfung schwächen.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Die bürgerlichen Parteien - mit Ausnahme der rechtsbürgerlichen FP, SD und EDU, welche die Initiative einhellig unterstützten - zeigten sich allesamt gespalten. Die SVP, vor allem der Zürcher Flügel um Nationalrat und Mitinitiant Bortoluzzi, stellte sich hinter die Initiative, die Sektionen der Kantone Bern, Thurgau und Graubünden bekämpfte sie. Auch die Liberalen traten in beiden Abstimmungskomitees auf, die Waadtländer Leuba und Sandoz bei den Initianten, der Basler Eymann bei den Gegnern. Unter den Befürwortern figurierten auch einige FDP-Nationalräte, namentlich der Neuenburger Frey sowie die Luzerner Aregger, Theiler und Tschuppert. Bei der CVP stellte sich nur gerade ein alt Ständerat (Kündig, ZG) hinter das Volksbegehren.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Im Abstimmungskampf, der von beiden Seiten sehr intensiv und emotional geführt wurde, waren die Fronten von Anbeginn klar. Die drei Bundesratsparteien CVP, FDP und SP sowie die Grünen engagierten sich in einem gemeinsamen Abstimmungskomitee gegen die Initiative. Sie fanden die Unterstützung von rund 20 gesamtschweizerischen Organisationen aus den Bereichen Medizin, Drogen, Sozialarbeit, Kirche und Jugendfragen, die sich in einer Nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik (NAS) zusammenschlossen, sowie die praktisch einhellige Gefolgschaft aller Printmedien, auch jener aus der Romandie. Mehrere Kantons- und Stadtregierungen, die für gewöhnlich keine Empfehlungen für eidgenössische Urnengänge abgeben, sprachen sich ebenfalls gegen die Initiative aus, unter anderem jene in den besonders von der Drogenproblematik betroffenen Kantonen Basel-Stadt, Bern, Genf und Zürich. Ihnen schloss sich der 1996 zum Zweck einer intensiveren drogenpolitischen Koordination gebildete Nationale Drogenausschuss von Bund, Kantonen und Städten an. Der Bundesrat seinerseits eröffnete seinen Abstimmungskampf viel früher als gewöhnlich. In ungewohnt scharfer Weise bezeichnete Bundesrätin Dreifuss die Ziele der Initiative als unrealistisch, unwirksam und unmenschlich; eine Annahme der Initiative hätte für die eigentlichen Opfer, die Drogensüchtigen, verheerende Folgen und würde dazu führen, dass weiterhin die (noch) nicht ausstiegswilligen Konsumenten härter bekämpft würden als die eigentlichen Profiteure einer repressiven Drogenpolitik, nämlich die Drogenmafia.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Diese Argumente stiessen hingegen im Ständerat auf offene Ohren: Er lehnte die Initiativen zwar gleichermassen ab, nahm aber mit 32:5 Stimmen einen von seiner Kommission ausgearbeiteten Gegenvorschlag zu "Jugend ohne Drogen" an. Demnach sollte in der Verfassung das Ziel der drogenfreien Gesellschaft explizit verankert werden. Der Ständerat übernahm dabei grosso modo den Vorschlag der CVP, der auch von der gesamten "Parlamentariergruppe Drogenpolitik" unterstützt wurde. Die Verschreibung von Drogen sollte unter der Bedingung der medizinischen Anwendung weiter möglich sein. Für den Gegenvorschlag machten sich vor allem die CVP-Ständeräte Cottier (FR), Danioth (UR) und Frick (SZ) stark. Zusammen mit den SP-Abgeordneten Plattner (BS) und Gentil (JU) sowie Dick Marty (fdp, TI) bot Bundesrätin Dreifuss dem Gegenvorschlag vergebens die Stirn. Das Argument, dass juristisch keine Notwendigkeit für einen neuen Verfassungsartikel zur Drogenpolitik bestehe, wog im Rat weniger schwer als die mehrfach vorgebrachte Warnung davor, der Initiative "Jugend ohne Drogen" in der Abstimmung mit leeren Händen gegenüber zu treten.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Der Nationalrat nahm gegen den Willen des Bundesrates eine Motion Bortoluzzi (svp, ZH) an, die verlangt, dass bei der Erteilung eines Lernfahrausweises die Bewerber auf eine allfällige Suchtmittelabhängigkeit untersucht werden. Bundesrat Koller hätte die Diskussion lieber im Rahmen der anstehenden Revision des Strassenverkehrsgesetzes geführt, weshalb er eine Umwandlung in ein Postulat beantragt hatte.

Motion Lernfahrausweis erst nach Untersuch auf allfällige Suchtmittelabhängigkeit

Um einen abrupten Abbruch der therapeutischen Behandlungen zu vermeiden, und weil sich die an den Versuchen beteiligten Kantone und Gemeinden überwiegend für die Fortsetzung der medizinisch kontrollierten Betäubungsmittelabgabe aussprachen, beschloss der Bundesrat, jenen Personen, die Ende 1996 in ein Abgabeprojekt eingebunden sind, mindestens bis zum Vorliegen des Schlussberichts (voraussichtlich Sommer 1997), spätestens aber bis Ende 1998 die von ihnen benötigten Betäubungsmittel (Heroin, Morphin und intravenös zu verabreichendes Methadon) weiter abzugeben. Da auch der zweite Zwischenbericht eine durchaus positive Bilanz der Versuche mit der Betäubungsmittelverschreibung ziehen konnte, ging Bundesrätin Dreifuss anlässlich der eidgenössischen Jugendsession noch weiter und kündigte an, dass sie dem Bundesrat bald eine Gesetzesrevision vorschlagen werde, um die Versuche mit der kontrollierten Drogenabgabe zu einem festen Instrument der Drogenpolitik zu machen. Dabei sei die Drogenabgabe aber nur für diejenigen Süchtigen gedacht, die auf keine andere Therapie mehr ansprechen würden.
Der in der Solothurner Strafanstalt Oberschöngrün seit einem Jahr durchgeführte, weltweit erste Versuch mit der Abgabe von Heroin an schwerstabhängige Inhaftierte ergab ebenfalls sehr gute Resultate

Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1990–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Der Bundesrat beschloss, bis 1999 sein Engagement im Bereich der Nikotinprävention mit jährlich CHF 2.5 Mio. zu vervierfachen. Wie Bundesrätin Dreifuss ausführte, will sich der Bund vermehrt für eine kohärente Nichtraucher-Politik einsetzen, da die Schweiz in diesem Bereich im Vergleich zu den Nachbarländern im Rückstand sei. Das Programm des Bundesrates verfolgt drei Ziele: Die Zahl neueinsteigender junger Raucherinnen und Raucher soll reduziert, der Schutz gegen Passivrauchen verstärkt und die Hilfe für Ausstiegswillige ausgebaut werden.

Verstärktes Engagement des Bundes in der Nikotinprävention (1995)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Die Kantone Basel-Stadt und Solothurn beantragten beim BAG, versuchsweise in ausgewählten Strafanstalten Heroin an Häftlinge abgeben zu dürfen. Das BAG erteilte dem weltweit einmaligen Projekt grünes Licht und auch Bundesrätin Dreifuss stellte sich ausdrücklich hinter das brisante Vorhaben. Ab Mitte Jahr wurden daraufhin in der solothurnischen Strafanstalt Oberschöngrün Heroinprogrammplätze geschaffen, wobei die Bedingungen zur Teilnahme gleich definiert wurden wie in den Drogenversuchen des Bundes. Auch dieses Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die grosse Kammer folgte der kleinen und stimmte der Ratifizierung von zwei UNO-Konventionen zum Umgang mit illegalen Drogen (Übereinkommen von 1971 über die psychotropen Substanzen und Zusatzprotokoll von 1972 zum Einheitsübereinkommen von 1961) zu, allerdings erst nach einer längeren Grundsatzdebatte. Eine Kommissionsminderheit um den Zürcher CVP-Abgeordneten Seiler plädierte für Nichteintreten, da nur etwa 20 Staaten – und nicht die wichtigsten – die Abkommen auch in die nationale Gesetzgebung überführt hätten, weshalb die Schweiz auch bei einer Nichtratifizierung kein Aussenseiter wäre. Streng genommen würde die Anwendung der Konventionen dazu führen, neu auch den nicht ärztlich verordneten Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln zu kriminalisieren. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte Rückweisung an den Bundesrat, damit noch genauer abgeklärt werden könne, ob die Konventionen nicht doch den drogenpolitischen Handlungsspielraum der Schweiz entscheidend einengen würden. Als Vertreter einer auf Abstinenz ausgerichteten Drogenpolitik wollte SD-Vertreter Keller (BL) die Vorlage ebenfalls an die Regierung zurückweisen, allerdings verbunden mit dem Auftrag, auch das ungleich repressivere Wiener Übereinkommen von 1988 den Räten umgehend zur Ratifikation zu unterbreiten.

Bundesrätin Dreifuss betonte, mit den Übereinkommen werde eine eigenständige Drogenpolitik der Schweiz nicht beeinträchtigt. Es gehe allein darum, internationale Solidarität zu üben. Von einer Kriminalisierung des Medikamentenkonsums könne keine Rede sein, da sich die Konventionen lediglich gegen den Schwarzmarkt richten. Der Nichteintretensantrag und die beiden Rückweisungsanträge wurden daraufhin deutlich verworfen. In der Gesamtabstimmung passierte das Übereinkommen über psychotrope Substanzen mit 108 zu 42 Stimmen und das Zusatzprotokoll mit 107 zu 42 Stimmen.

Bei den durch die Überführung der Abkommen in nationales Recht notwendig werdenden Anpassungen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) beantragten mehrere Abgeordnete, Art. 8 BetmG, welcher Heroin und Cannabis als total verbotene Stoffe aufführt, die nicht einmal vom Arzt verordnet werden dürfen, ersatzlos zu streichen oder zumindest derart abzuschwächen, dass die Versuche mit der medizinisch indizierten Abgabe von Heroin erlaubt werden. Bundesrätin Dreifuss wies darauf hin, dass bereits eine Expertengruppe am Werk ist, um notfalls dringende Änderungen des BetmG vorzulegen, weshalb eine Gesetzgebung im Schnellzugsverfahren nicht angezeigt sei. Die Antragsteller beugten sich dieser Argumentation und zogen ihre Anträge zurück. Keinen Erfolg hatte auch ein weiterer Antrag Rechsteiner, zumindest jetzt schon auf die Bestrafung des Konsums zu verzichten. In der Gesamtabstimmung wurde das geänderte BetmG mit 108 zu 22 Stimmen deutlich angenommen.

Ratifikation von internationalen Betäubungsmittelabkommen (BRG 94.059)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Mit einer Motion verlangte Ständerat Morniroli (lega, TI) vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Drogenkonzepts. Der Bundesrat verwies auf die bereits in Angriff genommenen Arbeiten und empfahl der Kammer die Umwandlung in ein Postulat. Unterstützt von Ständerat Danioth (cvp, UR) beantragte der Motionär, zumindest zwei Punkte seines Vorstosses in der verbindlichen Form anzunehmen, nämlich die Auflistung von differenzierten Massnahmen, die der Gefährlichkeit der einzelnen Drogen Rechnung tragen, sowie eine Verbesserung der Ausgangsbedingungen für die Therapie von Drogensüchtigen durch deren Einweisung in Spezialkliniken. Der Rat folgte der Argumentation von Bundesrätin Dreifuss, welche im letzteren Punkt die Gefahr von Zwangstherapien sah, und verwarf diesen. Der Hinweis von Danioth, dass mit einer Differenzierung der Massnahmen auch erfolgreicher gegen neue Modedrogen wie etwa Ecstasy vorgegangen werden könnte, verfehlte seine Wirkung hingegen nicht, weshalb dieser Punkt als Motion überwiesen wurde.

Motion für eine Ausarbeitung eines Drogenkonzepts (Mo. 94.3579)

Zum zweitenmal nach 1991 lud das EDI Behördenmitglieder und Interessengruppen aller drei staatlichen Ebenen zu einer nationalen Drogenkonferenz nach Bern ein. Die Bundesräte Koller und Dreifuss riefen dazu auf, die drogenpolitische Debatte zu deblockieren. Polarisierte Meinungen prallten kaum aufeinander. CVP, FDP und SP bekräftigten schon vor der Tagung ihre Absicht, eine Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes anzustreben, um möglichst rasch die gesetzliche Grundlage für die ärztlichen Substitutionsprogramme mit Heroin zu schaffen. Derart konkrete Fragen behandelte die Konferenz allerdings nur am Rande. Generell herrschte Einigkeit darüber, dass in der Drogenpolitik differenziert und behutsam vorgegangen werden muss, wobei Kohärenz, Koordination und Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern und auszubauen seien.

Zweite nationale Drogenkonferenz (1995)

In Anbetracht dieser Ausrichtung seiner Drogenpolitik ist es nicht erstaunlich, dass der Bundesrat die 1993 eingereichte, äusserst restriktive Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» zur Ablehnung empfehlen will. Anfangs Dezember 1994 gab das EDI einen entsprechenden direkten Gegenvorschlag in die Vernehmlassung. Die in einem neuen Verfassungsartikel umschriebene Drogenpolitik des Bundes zielt darauf ab, die schädigende Wirkung des Drogenkonsums zu minimieren, und sie stützt sich dabei auf die vier Säulen Repression, Vorbeugung, Therapie und Überlebenshilfe. Die Verankerung in der Verfassung soll Bund, Kantone und Gemeinden auf diese Leitidee verpflichten. Wie Bundesrätin Dreifuss erläuterte, will der Bundesrat zwar auch, dass Jugendliche nicht zu Drogen greifen, doch sei eine drogenfreie Gesellschaft wohl ein nicht zu erreichendes Idealziel, weshalb es vor allem gelte, die Folgen des Konsums zu reduzieren.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

In die Drogenpolitik des Bundes kam im Berichtsjahr 1994 neue Bewegung. Die Landesregierung bekundete ihr zunehmendes Engagement durch die Schaffung einer Drogendelegation, bestehend aus Bundesrätin Dreifuss (Vorsitz) und den Bundesräten Koller und Villiger, sowie durch die Einsetzung einer interdepartementalen Arbeitsgruppe für Drogenfragen auf Verwaltungsebene. Gleichzeitig bekräftigte sie ihren Willen, mit der seit 1992 eingeschlagenen Drogenpolitik fortzufahren und insbesondere die Versuche mit der medizinisch kontrollierten Abgabe von harten Drogen zu intensivieren.

Anfangs Oktober 1994 zog Dreifuss eine erste positive Zwischenbilanz der verschiedenen Projekte. Sie führte aus, der Gesundheitszustand der in den Versuchen betreuten Patientinnen und Patienten habe sich deutlich gebessert, und es sei gelungen, mit marginalisierten, desintegrierten und verelendeten Süchtigen den Kontakt aufzunehmen und sie in einen therapeutischen Prozess mit strengen Regeln einzugliedern. Aus diesem Grund – und weil die Verabreichung von Morphin vor allem bei Frauen starke Nebenwirkungen gezeigt hatte – beschloss der Bundesrat, die Heroinversuche mittelfristig auf rund 1000 Probandinnnen und Probanden auszudehnen und gleichzeitig die 250 bestehenden Morphin- in Heroinplätze umzuwandeln. Allein in Zürich sollen rund 300 Schwerstabhängige Heroin erhalten.

Andererseits will der Bundesrat seine Anstrengungen im Bereich Therapie und Rehabilitation von Drogensüchtigen ausbauen und die Kantone bei der Schaffung eines qualitativ hochstehenden Therapieangebots unterstützen sowie die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Insbesondere sollen Startbeiträge für neue Angebote in der stationären Drogentherapie ausgerichtet werden. Zwischen 1994 und 1998 ist so die Inbetriebnahme von jährlich fünf bis sieben Projekten mit rund 380 zusätzlichen Behandlungsplätzen vorgesehen, womit das gesamtschweizerische Angebot um etwa ein Viertel vergrössert würde. Bis ins Jahr 2000 rechnet der Bundesrat dafür mit Ausgaben von CHF 13.3 Mio., welche noch der Zustimmung des Parlaments bedürfen.

Als dritte Massnahme setzte der Bundesrat eine Expertenkommission ein, welche bis Ende 1995 Vorschläge für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes ausarbeiten soll. Im Zentrum der Diskussionen stehen dabei die Regelungen des fürsorgerischen Freiheitsentzugs (FFE) zur Einleitung einer Therapie, die Entkriminalisierung des Drogenkonsums und seiner Vorbereitungshandlungen sowie die Ausdehnung der ärztlich kontrollierten Verschreibung von Betäubungsmitteln an Drogenabhängige.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Heroinversuche wurden vom umliegenden Ausland teilweise sehr argwöhnisch beobachtet. Besonders Deutschland und Frankreich machten klar, dass sie zu keiner Lockerung ihrer auf Repression ausgerichteten Drogenpolitik Hand bieten würden. Anfangs Februar 1994 trafen sich die für Drogenfragen zuständigen Minister von 25 europäischen Ländern in Strassburg. Zum erstenmal nahm Ruth Dreifuss als Vorsteherin des EDI an diesen Beratungen teil. Eindringlich trat sie Verdächtigungen entgegen, dass die Versuche mit der kontrollierten Abgabe von Heroin zwangsläufig zu einer Legalisierung der harten Drogen führen müssten. Sie machte deutlich, dass das zeitlich auf drei Jahre begrenzte und nur einen Bruchteil der Drogenkranken umfassende Projekt schon vom Umfang her gar nicht die befürchtete Signalwirkung haben könne.

Treffen von für Drogenfragen zuständigen Ministerinnen und Ministern von 25 europäischen Ländern (1994)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Nachdem sich bereits Bundesrätin Ruth Dreifuss bei einem Augenschein in der Zürcher Drogenszene für mehr Menschlichkeit im Umgang mit Drogenabhängigen sowie weniger Emotionen in der Drogenpolitik ausgesprochen und die Möglichkeit einer breiteren staatlichen Drogenabgabe nicht ausgeschlossen hatte, bekam die Diskussion zu Jahresende neue Impulse durch zwei weitere SP- bzw. ex-SP-Exponenten, nämlich den designierten Bundespräsidenten Otto Stich und die abtretende Zürcher Fürsorgedirektorin Emilie Lieberherr. Stich, bisher nicht für sein liberales Drogenengagement bekannt, sprach sich in mehreren Interviews dezidiert für ein pragmatischeres Vorgehen und damit für die staatliche Drogenabgabe aus. Lieberherr betonte ebenfalls, nur eine kontrollierte Abgabe der «auf der Gasse» gehandelten Drogen könne die Drogenszene aus der Kriminalität führen und die Drogensüchtigen einer effizienten Betreuung und Ausstiegshilfe zuführen.

Zusätzliche Stimmen fordern mehr Menschlichkeit im Umgang mit Drogenabhängigen und ein Umdenken in der Drogenpolitik (1993)

Vertreter dieser Gruppe gehörten federführend zum Initiativkomitee, welches Ende Jahr eine Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» lancierte. Dem Copräsidium gehören die Nationalrätinnen und Nationalräte Aubry (fdp, BE), Borer (ap, SO), Bortoluzzi (svp, ZH), Dreher (ap, ZH), Friderici (lp, VD), Giezendanner (ap, AG), Leuba (lp, VD), Miesch (fdp, BL), Moser (ap, AG), Müller (svp, AG), Philipona (fdp, FR), Rohrbasser (svp, FR), Sandoz (lp, VD), Jürg Scherrer (ap, BE), Werner Scherrer (edu, BE), Steinemann (ap, SG) und Tschuppert (fdp, LU) sowie die beiden Ständeräte Kündig (cvp, ZG) und Morniroli (lega, TI) an. Massiv vertreten im Initiativkomitee sind Sportler vorab aus dem Umkreis der schweizerischen Ski-Nationalmannschaft und einige Prominente aus der Unterhaltungsbranche.

Gemäss dem Initiativtext soll der Bund das Rauschgiftproblem mit einer restriktiven, direkt auf Abstinenz ausgerichteten Drogenpolitik bekämpfen und die notwendigen Gesetze dazu erlassen, zudem eine aktive Drogenprävention verfolgen und Entzugs- und Wiedereingliederungsmassnahmen fördern. Ausdrücklich verbieten wollen die Initianten die Abgabe von Betäubungsmitteln. Vorbehalten ist eine Abgabe zu rein medizinischen Zwecken, wobei Heroin und Kokain allerdings ausgeschlossen sind. Als bekannt wurde, dass auch der umstrittene Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM) hinter der Initiative steht, distanzierten sich einzelne Sportler von ihrem Engagement.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)