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Im Jahr 2017 war zunehmende Kritik von Seiten der Landschaftsschützer und -planer betreffend Zunahme der Bautätigkeit im Nichtbaugebiet zu vernehmen. Die vielen, jüngst hinzugefügten Ausnahmen zum Bauen in der Landwirtschaftszone – darunter etwa die neuen raumplanerischen Bestimmungen zur Haltung von Sport- und Freizeitpferden (Pa.Iv. 04.472) oder zur hobbymässigen Kleintierhaltung in der Landwirtschaftszone (Mo. 16.3622) – förderten das Missbrauchspotential, bekräftigte Lukas Bühlmann, Direktor der Vereinigung für Landesplanung, gegenüber der Aargauer Zeitung und stützte damit die Position der Stiftung für Landschaftsschutz Schweiz. Die Zeitung ihrerseits rechnete vor, dass in der ursprünglichen Fassung des Raumplanungsgesetzes (RPG) aus dem Jahr 1980 gerade einmal zwei Bestimmungen das Bauen ausserhalb der Bauzonen regelten; im aktuellen RPG seien es deren 30. Von Seiten des Bauernverbands wurde betont, dass der Strukturwandel den Bauernstand zur Modernisierung zwinge, was etwa das Anbieten von Agrotourismus und das Betreiben von «Besenbeizen» bedinge, und somit gewisse Möglichkeiten zu Rennovationen am Bau erforderlich seien. Die NZZ wies darauf hin, dass gesamtschweizerische Zahlen zu den Auswirkungen dieser Ausnahmeregelungen sowie zu strukturell bedingten Veränderungen fehlten. Ein Postulat, das einen Bericht über die Wirkungen und Defizite der Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen sowie das Aufzeigen von Massnahmen zur Stärkung des Vollzugs gefordert hatte, war zwei Jahre zuvor vom Nationalrat abgelehnt worden. Dass die Bestimmungen teilweise zu grosszügig ausgelegt würden, hatte auch das ARE mit Bezug auf eine Bestimmung aus dem Jahr 2012 im Kanton Bern festgestellt, wonach das Bundesamt vom Kanton Anpassungen der Bewilligungspraxis gefordert hatte. Die Bestimmung beruht auf Annahme einer Standesinitiative aus dem Kanton St. Gallen und sieht vor, dass für Bauten, die nach Inkrafttreten der strikten Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet noch landwirtschaftlich genutzt wurden (Stichtag 1.7.72), dieselben baulichen Möglichkeiten in Bezug auf Abbruch, Wiederaufbau und Erweiterung zulässig sind wie für Wohnbauten oder zum Stichtag nicht mehr genutzte landwirtschaftliche Gebäude, wobei Veränderungen am äusseren Erscheinungsbild an gewisse Bedingungen geknüpft sind.
Zu Reden gab ferner die Annahme einer Kommissionsmotion durch den Ständerat im Herbst 2017. Das Anliegen bezweckte, den Kantonen die Umnutzung von nicht mehr benötigten landwirtschaftlichen Bauten – so etwa Ställe oder Maiensässe – in Wohnraum zu erleichtern, sofern diese auf einer Grundlage im Richtplan basiert. Während die Befürworter des Anliegens argumentierten, dass damit bedrohtes Kulturgut erhalten werden könne, befürchtete die Stiftung Landschaftsschutz zahlreiche neue Zweitwohnungen, da das Ausführungsgesetz zur Zweitwohnungsinitiative keine Regelungen zu Bauten ausserhalb der Bauzonen festlege. Das Anliegen wurde jedoch im Folgejahr vom Ständerat, nach Abänderung durch den Nationalrat, abgelehnt und somit erledigt.
Auf harsche Kritik von Seiten der Landesplanung und des Naturschutzes, aber auch von Seiten der Kantone, stiess nicht zuletzt das jüngste, vom Bundesrat angestossene Gesetzesvorhaben zur Regelung des Bauens ausserhalb der Bauzonen, wie im Sommer 2017 durch veröffentlichte Stellungnahmen zur ergänzenden Vernehmlassung zur zweiten RPG-Revision bekannt wurde. Während Landschaftsschützer und -planer die zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten für die Kantone mit Blick auf einen griffigen Kulturlandschutz kritisch beäugten, hinterfragte insbesondere die BPUK die Vollzugstauglichkeit des damals vorliegenden Entwurfs. In seiner Grundidee bezweckt die RPG-Teilrevision die Abkehr von einem Ausnahmen-Regime hin zur Definition von grundsätzlichen Rahmenbedingungen, gemäss welchen Kantone in ihren Richtplänen Nichtbaugebiete bestimmen dürften, in denen eine Umnutzung grundsätzlich zulässig ist.

Verbände äussern 2017 vermehrt Kritik an den Regelungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen
Dossier: Bauen ausserhalb der Bauzonen

2017 wurde in Zürich der Verein «Qualitätssicherung der Muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen» (QuaMS) gegründet, der eine muslimische Seelsorge im Kanton anbieten soll. Die Trägerschaft setzt sich aus den Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ) und dem Kanton Zürich zusammen. Unterstützt wurde der Verein von der reformierten und der katholischen Kirche. Mit dem Projekt «Zürich-Kompetenz» schuf die QuaMS ausserdem eine Weiterbildung für muslimische Betreuungspersonen, welche es in der Schweiz so sonst nicht gebe, wie der Kanton Zürich auf seiner Homepage schrieb. Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg mit dieser Weiterbildung für angehende Seelsorgende betreut.

Nachdem das SEM 2018 aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten das Pilotprojekt für eine muslimische Seelsorge in den Zürcher Bundesasylzentren trotz positiver Ergebnisse eingestellt hatte, führte der Verein QuaMS das Angebot ab Sommer 2018 weiter. Neben den bisherigen Geldgebern wurde das Projekt von 2020 bis 2021 auch durch das fedpol im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus unterstützt.

Muslimische Seelsorge in Zürich

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD) hatten die eidgenössischen Räte im Herbst 2016 einerseits eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes verabschiedet und andererseits einen Bundesbeschluss erlassen, der die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation in der Bundesverfassung verankert. Im Hinblick auf das auf den 12. Februar 2017 angesetzte obligatorische Referendum über die Verfassungsänderung gewann das Thema im zu Ende gehenden Jahr 2016 auch in der öffentlichen Debatte langsam an Präsenz. Mit Ausnahme der „Weltwoche“, die schon Anfang November das erste Mal zum verbalen Zweihänder griff und die Linke bezichtigte, „sich von den vielen Eingebürgerten viele linke Stimmen“ zu erhoffen, sowie die „Umwälzung der politischen Entscheide, ja des ganzen politischen Erfolgsmodells der Schweiz“ befürchtete, liess das Nein-Lager lange Zeit nichts von sich verlauten. Die erste SVP-Exponentin, die sich in dieser Sache zu Wort meldete, war Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU); als gebürtige Slowakin, die sich nach ihrer Heirat selbst erleichtert hatte einbürgern lassen, sprach sie sich im „Blick“ allerdings für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus. So war es denn auch das Befürworter-Komitee – eine breite Allianz aus Vertreterinnen und Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP –, das unterstützt von den Alt-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss (sp, GE) und Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR) sowie Alt-Bundesrat Pascal Couchepin (fdp, VS) am 22. November 2016 medienwirksam den Abstimmungskampf eröffnete. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass dem Pro-Komitee die finanziellen Mittel fehlten, um eine sichtbare Inseratekampagne zu führen, da sich die Wirtschaftsverbände in dieser Frage nicht engagierten. Neben der grossen Kontroverse um die Unternehmenssteuerreform III fristete die Debatte um die erleichterte Einbürgerung somit ein Mauerblümchendasein.

Das laue Lüftchen gegen die Vorlage – hauptsächlich Argumente bezüglich föderalistischer Bedenken oder mangelnden Handlungsbedarfs – wich Anfang 2017 jedoch schlagartig einem Wirbelsturm, der sich – für eine von SVP-Exponenten geführte Kampagne nicht ganz untypisch – einmal mehr um ein Burka-Plakat drehte. „Die kennen wir doch!“, übertitelte der „Blick“ einen Artikel, in dem er aufzeigte, dass das gleiche Sujet bereits bei den Kampagnen für das Minarettverbot und die Masseneinwanderungsinitiative sowie bei der Unterschriftensammlung für das nationale Verhüllungsverbot zum Einsatz gekommen war. Damit war die öffentliche Debatte definitiv lanciert, wenn auch vielmehr jene über die Angemessenheit der Plakate als jene über das inhaltliche Für und Wider der erleichterten Einbürgerung. Mit dem Motiv hätten die Gegner das Thema völlig verfehlt, da es sich bei den betreffenden Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation hauptsächlich um italienische, spanische, portugiesische und türkische Staatsangehörige handle, empörte sich die Unterstützerseite. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Gegenseite fehlende Argumente unterstellte, verkündete Initiantin Ada Marra im Radio gar, dem- oder derjenigen 2000 Franken zu bezahlen, der oder die ihr eine Burka tragende Ausländerin der dritten Generation zeige. Im Internet sorgten die Plakate mit dem „Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste“ (BZ) derweil auch für Belustigung, indem das Sujet in völlig andere Kontexte gesetzt, ad absurdum geführt und durch den Kakao gezogen wurde. Selbst aus den Reihen der SVP ertönten kritische Stimmen zum umstrittenen Plakat. Während SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (svp, AG) das Sujet als „nicht optimal“ bezeichnete, war es für Alex Kuprecht (svp, SZ) als Befürworter der Vorlage schlicht „einige Niveaus zu tief“. Die Mitglieder des Pro-Komitees legten daraufhin etwas Geld für eine eigene, kleine Plakatkampagne an einigen grossen Bahnhöfen der Deutschschweiz zusammen. Nachdem die grosse Welle der Empörung abgeebbt war, plätscherte der Abstimmungskampf wieder gemächlich vor sich hin.

Mit näher rückendem Abstimmungstermin richtete sich die Aufmerksamkeit nochmals auf einen ganz anderen Aspekt der Abstimmung: das Ständemehr. Was das Volksmehr betrifft, zeigten die letzten Umfragen eine eher klare Tendenz zu einem Ja, doch das Ständemehr war bereits früheren Bestrebungen zur erleichterten Einbürgerung zum Verhängnis geworden (insb. bei der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994). Experten gingen davon aus, dass die Westschweizer Kantone und Zürich der Vorlage bei einem Volksmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit zustimmen würden, während die meisten Zentral- und Ostschweizer Kantone – traditionell skeptisch in Ausländerfragen – eher zur Ablehnung der Vorlage neigen sollten. Den entscheidenden Ausschlag erwarteten sie von den als „Swing States“ bezeichneten Kantonen Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, Solothurn, Wallis und Zug. Dies sind zugleich jene Kantone, die die Einbürgerung der dritten Ausländergeneration im Jahr 2004 mit weniger als 60% Nein-Stimmen abgelehnt hatten. Angesichts der aktuellen, weniger radikalen Reform, die im Gegensatz zu jener von 2004 insbesondere keinen Automatismus vorsieht, ist es durchaus denkbar, dass einige der „Swing States“ nun ins andere Lager wechseln.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Die Frage, wie die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der SVP umgesetzt werden sollte, liess die drei grossen Wirtschaftsverbände auch im Jahr 2016 gespalten. Bevor das Geschäft in den Nationalrat kam, liess der Gewerbeverband (SGV) verlauten, dass er Kontingente und Höchstzahlen ablehne und sich stattdessen für einen „niederschwelligen“ Inländervorrang einsetze. Das Bekenntnis des Gewerbeverbands zu einer sanften Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war für die Medien eine Überraschung, da der Verband zuletzt durch seine Nähe zur SVP aufgefallen war. Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler sagte diesbezüglich in einem Interview mit dem Tagesanzeiger, dass es intern „keine grosse Opposition“ gegen diese Position gegeben habe und sich auch SVP-Vertreter dafür ausgesprochen hätten. Economiesuisse und der Arbeitgeberverband (SAV) hingegen sprachen sich vor der Nationalratsdebatte für eine strengere Umsetzung der Volksinitiatve aus. Zwar befürworteten auch sie in einer ersten Phase eine milde Umsetzung. Sollte sich diese aber als wirkungslos herausstellen, sollte der Bundesrat in einer zweiten Phase die Möglichkeit haben, strengere Massnahmen zu ergreifen, notfalls auch ohne Einwilligung der EU. Economiesuisse schwenkte jedoch um, nachdem sich der Nationalrat Mitte September für einen „Inländervorrang light“ ausgesprochen hatte, der mit den Bilateralen Verträgen kompatibel war. Man sei „erfreut“ über den Entscheid des Nationalrats, hiess es in einer Medienmitteilung des Verbands. Der Arbeitgeberverband hingegen pochte weiterhin darauf, dass die Schweiz auch ohne Zustimmung der EU Abhilfemassnahmen einführen können solle – jedoch erfolglos, wie die endgültige Ausarbeitung des Gesetzes im Dezember zeigte.
Kritik musste in der Folge vor allem Economiesuisse einstecken, deren Verbandsspitze um Präsident Heinz Karrer und Direktorin Monika Rühl Führungsschwäche vorgeworfen wurde. Anstatt bei einem Europa-Geschäft – einem Kerndossier von Economiesuisse – eine Führungsrolle einzunehmen, habe man sich hinter dem Arbeitgeberverband versteckt, resümierte etwa die NZZ.

Umsetzungsvorschläge der Wirtschaftsverbände zur Masseneinwanderungsinitiative (2016)
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) führte zum Streit zwischen den beiden grössten Wirtschaftsverbänden Economiesuisse und dem Gewerbeverband (SGV). Gleich zu Beginn des Jahres knallte es zwischen den beiden, nachdem sich der Arbeitgeberverband und die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Swissmem und Scienceindustries in einem „Vorschlag der Wirtschaft“ zur Umsetzung der MEI anstatt für Kontingente für eine Schutzklausel stark machten. In ihren Augen soll die Zuwanderung grundsätzlich offengelassen und erst nach dem Erreichen einer gewissen Schwelle, die vom Bundesrat definiert werden soll, beschränkt werden. Noch gleichentags verschickte der SGV eine Medienmitteilung mit dem Titel „Keine Wirtschaft ohne Schweizer KMU und Gewerbe“. Der SGV zeigte sich darin verärgert, dass die vier Verbände ihren Vorschlag als generelle Position der Wirtschaft bezeichneten und deutete dies als eine „Irreführung der öffentlichen Meinung“. Denn der SGV, dessen KMU zwei Drittel aller Arbeitsplätze stellten und der damit die „Nummer 1“ unter den Wirtschaftsverbänden sei, unterstütze die Schutzklausel nicht, hiess es im Communiqué. Obwohl der SGV mit Economiesuisse einigging, dass die Kündigung der Bilateralen „schwerwiegende negative Folgen“ für die KMU hätte, glaubte der Verband nicht daran, dass die vier Verbände die Wirtschaft freiwillig beschränken würden. Der SGV befürchtete, dass mit einer Schutzklausel die Einwanderungsschwelle zu hoch angesetzt würde, was dem Volkswillen nicht gerecht werde und auch nicht im Interesse der KMU sei. Man wolle deshalb die Botschaft des Bundesrats abwarten und bis dahin dessen Verhandlungsposition nicht durch eine „wenig durchdachte Serie theoretischer Vorschläge“ unnötig schwächen. An einem Treffen der Wirtschaftsdachverbände Mitte Februar in Lausanne – die Stimmung wurde von einem Teilnehmer als unheimlich bezeichnet – konnten sich die beiden Verbände neben der Migrationsthematik auch bei der Rentenreform und beim neuen RTVG, gegen das der SGV das Referendum ergriffen hatte, nicht einigen. Obwohl die Medien den Schlagabtausch dankbar annahmen, wurde auch etwas wehmütig den Zeiten gedacht, als die vormaligen FDP-Nationalräte Gerold Bührer (Economiesuisse) und Edi Engelberger (SGV) die beiden Wirtschaftsverbände führten und ihre Differenzen jeweils beim Jassen klärten.

Ebenfalls zu Beginn des Jahres veröffentlichte der SGV im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Herbst ein Rating, das die derzeitigen National- und Ständeräte betreffend ihrer KMU-Freundlichkeit bewertete. Zum Ärger der Mitte-Rechts-Parteien trat die SVP dabei mit Abstand als KMU-freundlichste Partei hervor: Gemäss dem Rating gehören 40 der 50 KMU-freundlichsten Nationalräte der SVP an; im Ständerat belegen vier der fünf SVP-Ständeräte die ersten vier Plätze. Weil bekannte KMU-nahe Politiker aus CVP und FDP zum Teil weit abgeschlagen waren, kritisierten CVP-Präsident Christophe Darbellay und FDP-Präsident Philipp Müller das Rating heftig. Es würden zu viele Geschäfte bewertet und deren Gewichtung sei unverhältnismässig, so ihr Fazit. So würde die Haltung eines Parlamentariers zur MEI als ebenso wichtig beurteilt wie die Haltung zur Einheitskrankenkasse oder zur Autobahnvignette, obwohl die MEI für die Wirtschaft „hundertmal wichtiger“ sei, sagte etwa Darbellay. Für Müller und Darbellay fiel im Rating, das 169 KMU-relevante Parlamentsgeschäfte bewertete, die unterstützende Haltung der SVP-Politiker zur MEI und damit die potenzielle Gefährdung der Bilateralen Verträge mit der EU zu wenig ins Gewicht.

In den Medien wurde daraufhin einerseits die Emanzipation des SGV von der Economiesuisse in den Fokus genommen, andererseits die Nähe des SGV zur SVP untersucht. Die Emanzipation des SGV setzte 2013 ein, als Economiesuisse als Kampagnenführerin gegen die Abzocker-Initiative an der Urne eine herbe Niederlage einstecken musste. Aufgrund der dadurch verursachten Krise bei Economiesuisse, übernahm in der Folge der SGV die Kampagnenführung gegen die 1:12- und gegen die Mindestlohn-Initiative – beides Male erfolgreich. Dadurch gewann der SGV an Selbstbewusstsein, was auch SGV-Präsident Jean-François Rime gegenüber der Zeitung Le Temps bezeugte: Die Zeiten, als der SGV als Kofferträger der Economiesuisse fungierte, seien vorbei. Der Machtkampf wurde von den Medien allerdings relativiert, weil die gegenseitige Abhängigkeit der Verbände offensichtlich war. Denn obwohl Economiesuisse die Kampagnenführung bei den jüngsten Abstimmungen dem SGV überliess, finanzierte sie zu grossen Teilen die Kampagnen und trug dadurch wesentlich zu deren Erfolgen bei. Das mediale Fazit lautete: Für den SGV sind die Giftpfeile gegen Economiesuisse identitätsstiftend, im Grunde wissen aber beide, dass es ohne den Anderen nicht geht.

Die SVP-Nähe des Gewerbeverbands fand nicht erst mit dem umstrittenen KMU-Rating im Januar den Weg in die öffentliche Debatte: Mitte-rechts-Parteien monierten schon länger, der SGV stehe unter zunehmendem Einfluss der SVP. Erste Hinweise gab es 2010: Jahrelang war der SGV von einem FDP-Vertreter präsidiert worden, bis 2010 mit Bruno Zuppiger ein SVP-Nationalrat das Präsidium übernahm. Nach der politischen Affäre Zuppiger und dessen Rücktritt sowohl als Nationalrat als auch als SGV-Präsident konnte mit Jean-François Rime das Spitzenamt in SVP-Hand behalten werden. Es war aber insbesondere die MEI, die Nährboden für Zweifel an der Unabhängigkeit des SGV von der SVP bot. Zwar sprach sich der SGV an der Seite der restlichen Wirtschaftsverbände im Vorfeld der Abstimmung klar gegen die Initiative aus, allerdings büsste der Verband an Glaubwürdigkeit ein, weil Rime Mitglied des Initiativkomitees der MEI war. Auch dass der SGV bei der Umsetzung der MEI den Alleingang antrat und nicht eine gemeinsame Position mit den anderen Wirtschaftsverbänden vertrat, wurde auf die SVP-Nähe des Verbands zurückgeführt. Direktor Hans-Ulrich Bigler, der selber im Herbst des gleichen Jahres für die FDP in den Nationalrat gewählt wurde, widersprach dieser Auslegung. Der Vorstand und die Gewerbekammer – das Parlament des SGV – seien beide parteipolitisch breit abgestützt und ausgewogen mit Vertretern aller wichtigen bürgerlichen Parteien besetzt, sagte er gegenüber der Sonntagszeitung.

Streit zwischen Economiesuisse und dem Gewerbeverband über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Im Herbst präsentierte die Regierungskonferenz der Gebirgskantone ihre räumliche Strategie der alpin geprägten Räume in der Schweiz. Darin brachten die sieben Kantone Glarus, Graubünden, Nidwalden, Obwalden, Tessin, Uri und Wallis Vorschläge zur Konkretisierung des Raumkonzepts Schweiz ein, dessen Strategie für den Alpinraum ihrer Ansicht nach zu wenig differenziert ausgefallen war. In Erhalt und Nutzung natürlicher Ressourcen, der Stärkung der alpinen Zentren, der verbesserten Erschliessung mit Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur sowie im Ausbau und der optimierten Nutzung der Wasserkraft sehen die Gebirgskantone die vier vordringlichsten Handlungsfelder zur erfolgreichen Entwicklung des Alpenraums.

räumliche Strategie der alpin geprägten Räume in der Schweiz

Im September 2014 lancierte der Wirtschaftsverband Economiesuisse die Plattform Nextsuisse, mit der er die Schweizer Bevölkerung aufforderte, bis im März 2015 ihre Visionen für die zukünftige Raumentwicklung einzubringen. In einem Zukunftsatlas will der Wirtschaftsverband in der Folge aufzeigen, wie sich Herr und Frau Schweizer den idealen Wohnort der Zukunft vorstellen.

Plattform Nextsuisse

Als Reaktion auf das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative forderte Parteipräsident Christian Levrat in einem ganzseitigen offenen Brief im "Blick" eine Umsetzung des Begehrens, die möglichst nahe am Volkswillen sei. Die Initiative sei auf dem Land angenommen, in der Stadt aber verworfen worden. Deshalb seien die Massnahmen für die Umsetzung vor allem auf die ländlichen Regionen zu konzentrieren. Levrat forderte neben einer Verschärfung des Raumplanungsgesetzes und der wortgetreuen Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative auch eine Beschränkung der Zahl ausländischer Arbeitskräfte für die Landwirtschaft, mehr Kontrollen gegen Schwarzarbeit in ländlichen Gebieten oder die Erhöhung von Hypozinsen in peripheren Regionen. Wenn Kontingentsysteme eingeführt würden, so müssten diese nach Branchen und Kantonen festgelegt werden, wobei die Städte die grössten Kontingente an ausländischen Facharbeitern erhalten müssten. Mit diesen Forderungen wollte Levrat provozieren und die SVP-Versprechungen "entlarven". Er weckte dabei zahlreiche empörte Gegenreaktionen der Initianten. Ende Juni veröffentlichten die Sozialdemokraten dann ihre ernster gemeinten Vorschläge für eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Sie wandten sich gegen die Idee von Kontingenten und wollten der Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften durch innenpolitische Reformen Herr werden. Frauen und ältere Arbeitnehmende müssten im Markt behalten werden. Zudem soll ein von Arbeitgebern gespeister Fonds geschaffen werden, mit dem die Kosten für die Integration gedeckt werden sollen. Firmen, die ausländische Fachkräfte engagieren, müssten in diesen Fonds einzahlen. Zudem sollen Steuerprivilegien für Ausländer – etwa die Pauschalbesteuerung – abgeschafft werden. Parteiintern stiessen die Forderungen allerdings auch auf Skepsis. Es sei nicht an der SP, für eine fremdenfeindliche SVP-Initiative völkerrechtlich verträgliche Umsetzungskonzepte zu finden – gab etwa Cedric Wermuth (sp, AG) zu Protokoll. Das Papier wurde an der Delegiertenversammlung Ende Oktober in Liestal ausführlich und emotional diskutiert. Letztlich wurde es gutgeheissen, aber auf Antrag der St. Galler und der Waadtländer Kantonalsektion wurde die Idee des Integrationsfonds gestrichen.

Umsetzungsvorschlag der SP zur Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Unzufrieden mit dem Gang der Bürgerrechtsrevision diskutierte die SP über die Möglichkeit, eine Volksinitiative für die erleichterte Einbürgerung zu lancieren. Ein Begehren unter dem Titel „Für ein zeitgemässes Bürgerrecht“ würde die automatische Einbürgerung von Kindern, die bis zum 18. Lebensjahr mindestens fünf Jahre in der Schweiz gelebt haben, staatenlos sind oder aus einer dritten Generation stammen, vorsehen. Zudem sollten künftig nicht mehr die Gemeinden und Kantone, sondern der Bund für die Einbürgerung zuständig sein.

Volksinitiative für die erleichterte Einbürgerung

An der Delegiertenversammlung am 19. Januar in Grenchen diskutierten die Grünen die Raumplanung. In einer Resolution forderten die Abgeordneten zusätzliche Anstrengungen über das revidierte Raumplanungsgesetz hinaus, zu dem die GP bereits im November die Ja-Parole gefasst hatte. Es brauche insbesondere mehr Mut für eine Entwicklung der Zentren und mehr Bereitschaft, der Natur Raum zu überlassen. Die Abstimmung zum revidierten Raumplanungsgesetz müsse mit einer breiten Koalition aus Landwirten, Architekten, der Tourismusbranche, Mietern und Stadtbewohnern gewonnen werden, forderte Co-Präsidentin Adèle Thorens in Grenchen.

Raumplanung

Die Grünen feierten 2013 ihr 30-jähriges Bestehen. Die verschiedenen in den 1970er Jahren entstandenen kantonalen und kommunalen Ökologiebewegungen hatten sich 1983 zur Föderation der grünen Parteien zusammengeschlossen. In Biel wurde Ende April auf dieses Ereignis angestossen. Seit den eidgenössischen Wahlen 2011 standen die Grünen allerdings unter keinem guten Stern. Bereits damals mussten sie eine herbe Niederlage einstecken, 2012 und auch im Berichtjahr setzte sich dieser negative Trend auch bei den kantonalen Parlamentswahlen fort. Als ein Grund für die Formschwäche der GP wurde in der Presse der Verlust der Führerschaft in Umweltthemen diskutiert. Der Atomausstieg ist beschlossen, Raumplanung, Nachhaltigkeit oder Mobilität sind Themen, die auch von bürgerlichen Parteien bearbeitet werden. Regula Rytz (BE), Co-Präsidentin der Grünen Partei Schweiz begrüsste freilich in einem Interview am Anfang des Berichtjahrs diesen Trend: Themen, die früher belächelt worden seien, würden jetzt ernst genommen. Auf diesem Erfolg dürfe sich die GP aber nicht ausruhen, weil es zum Beispiel in der Atompolitik – die GP hatte eine Ausstiegsinitiative lanciert – noch viel zu tun gebe und noch immer Überzeugungsarbeit geleistet werden müsse. Der Partei wurde auch vorgeworfen, zu wenig pragmatisch und häufig zu ideologisch zu agieren. Eine ernsthafte Oppositionspolitik könne sie zudem erst betreiben, wenn sie sich von der SP emanzipiere, mit der sie zu häufig paktiere. Ein weiterer Grund für die Verluste der Grünen wurde zudem in der GLP ausgemacht, die als liberale Version der Grünen in der Mitte die Wählerschaft abgrabe. Trotz dieser Konkurrenz setzte sich Rytz für die Wahlen 2015 10% Wähleranteil zum Ziel.

30-jähriges Bestehen

In der Umweltpolitik waren die Grünen lange Zeit Themenführer und die zunehmende Konkurrenz aller etablierten Parteien in diesem Bereich könnte eigentlich als Erfolg der GP gewertet werden. Allerdings müsse man darauf achten, dass die GP in ihren Kernthemen weiterhin als relevant und glaubwürdig wahrgenommen werde. Man wolle in Policies wie grüne Wirtschaft, Atomausstieg, Raumplanung und Verkehr die führende Partei bleiben, gaben die neuen Parteipräsidentinnen an der Delegiertenversammlung Anfang November in Bümpliz zu Protokoll.

Umweltpolitik

En août, l’annonce par l’OFS du passage de la barre des huit millions d’habitants en Suisse a remis au centre du débat la politique envers les étrangers. Les médias ont rappelé les solutions proposées par les partis politiques pour limiter la croissance. Parmi les solutions discutées, on retrouve l’initiative contre l’immigration de masse de l’UDC, les tours de vis dans le domaine des naturalisations pour le PDC, les restrictions du droit au regroupement familial pour le PLR ou encore la limitation de l’immigration pour les initiants d’Ecopop.

limiter la croissance

Der Verlust ihres Freiburger Sitzes bei den Nationalratswahlen 2011 war für die CSP Anlass, ihren Namen zu überdenken. Auf nationaler Ebene als auch in den Kantonen – die CSP hat Sektionen in den Kantonen Jura, Freiburg, Wallis und Zürich – sollte bis im Sommer 2013 vor allem über das C reflektiert werden. Darüber hinaus sollten auch thematische Perspektiven entwickelt werden. Favorisierte Themen waren die Generationenpolitik, die Umwelt- und Energiepolitik sowie die Raumplanung. An ihrer Delegiertenversammlung Mitte Mai beschloss die Partei, mit einer Bündelung der Kräfte und einem besseren Profil „zurück ins Bundeshaus“ zu wollen.

thematische Perspektiven

Einen ungewollt heftigen Disput über die Schweizer Fahne löste Nationalratskandidat und Secondas Plus-Mitglied Ivica Petrusic (sp, AG) aus. An einer Medienkonferenz stellte Petrusic die Frage, ob die christliche Symbolik der Schweizerfahne noch zeitgemäss sei. Symbole unterstünden einem Wandel und unterlägen auch einem Anpassungsdruck. Diese Frage weckte harsche Kritik seitens der SVP, welche die Äusserung sogleich in ihre Wahlpropaganda und die Werbung für ihre Initiative zur Begrenzung der Zuwanderung einbaute.

Schweizer Fahne

Der SBV beschloss im Weiteren, sich an der von den Umweltschutzverbänden lancierten Landschaftsinitiative nicht zu beteiligen. Das Anliegen dieser Volksinitiative, die Schweiz vor einer weiteren Zersiedelung zu schützen, sei zwar sympathisch, könnte sich für die Bauern aber auch nachteilig auswirken.

Der SBV beschloss im Weiteren, sich an der von den Umweltschutzverbänden lancierten Landschaftsinitiative (siehe dazu unten) nicht zu beteiligen

2005 war es zu Protesten gegen eine umstrittene Umzonung in Galmiz (FR) im Zusammenhang mit der möglichen Ansiedelung einer Produktionsstätte des Biotechnologiekonzerns Amgen gekommen. Im Januar gab das Unternehmen bekannt, es habe sich für einen Standort in Irland entschieden. Wirtschaftsminister Deiss wertete dies als einen bedauerlichen Misserfolg für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Die Landschaftsschützer zeigten sich hingegen überzeugt, dass sich ihre Opposition positiv auf die Raumplanung und die Standortförderung auswirken würde. Das „Aktionskomitee Galmiz – Ja zur Raumplanung Schweiz“ verlangte in einem neuen Raumplanungsgesetz eine schärfere Trennung von Bau- und Nichtbauland und eine Verbesserung der Kompetenzordnung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Forster (fdp, SG) zog ihre Motion (Mo.04.3723) zurück, welche verlangt hatte, dass der Bund bei der Planung und Projektierung von Grossvorhaben frühzeitig anzuhören sei. Der Bundesrat hatte auf die geplante Totalrevision des Raumplanungsgesetzes hingewiesen.

Pharmafabrik in Galmiz?

Nachdem sich Anfang Jahr die Proteste gegen die umstrittene Umzonung in Galmiz (FR) und die Ansiedelung einer grossen Produktionsstätte eines Biotechnologiekonzerns gemehrt hatten und sich auch ein „Komitee pro Galmiz“ gebildet hatte, kam Bundesrat Deiss mit dem Freiburger Volkswirtschaftsdirektor Pittet und dessen Waadtländer Kollegin Maurer zu einem Informationsaustausch zusammen. Am Gespräch nahmen auch zwei Vertreter des interessierten Konzerns teil.
Siehe auch die Antworten des Bundesrats auf die Fragen Teuscher (gp, BE) (Fragestunde 05.5021), Bühlmann (gp, LU) (05.5026), Leuenberger (gp, GE) (05.5028), Cuche (gp, NE) (05.5029) und Recordon (gp, GE) (05.5030) sowie auf eine Interpellation der grünen Fraktion (Ip. 04.3729).

Pharmafabrik in Galmiz?

Im Zusammenhang mit einem Bundesgerichtsurteil, das Urnenentscheide über Einbürgerungen als verfassungswidrig bewertet, forderten die Grünen eine Migrationspolitik, welche auf der Anerkennung der Menschenrechte gründet und konsequent die Integration fördert; obligatorische Deutschkurse lehnten sie jedoch ab. Die Einbürgerungsfrist solle auf acht Jahre gesenkt, die zweite und die dritte Ausländergeneration automatisch eingebürgert werden.

Grüne fordern Änderungen in der Migrationspolitik

Die Unterstützungskomitees für die auf 70 000 bis 300 000 geschätzten Sans-Papiers (Personen, die oft schon seit Jahren ohne gültige Aufenthaltspapiere in der Schweiz leben und arbeiten) hielten an ihrer Forderung nach einer kollektiven Aufenthaltsregelung fest, signalisierten aber Bereitschaft, diese nicht allen Betroffenen automatisch zu gewähren, sondern an bestimmte Kriterien zu knüpfen. Da die individuelle Härtefallprüfung keine echte Perspektive sei und weder von den Papierlosen noch von den Kantonen wirklich genutzt werde, sollte der Aufenthalt all jener Personen kollektiv regularisiert werden, die seit längerer Zeit in der Schweiz leben, in einem sozialen Netz integriert sind und sich keiner schwer wiegenden Straftat schuldig gemacht haben. Für eine schnelle und möglichst unbürokratische Legalisierung sprach sich auch die Gewerkschaft GBI aus. Nach ihren Vorstellungen sollten alle Sans-Papiers, die seit mindestens einem Jahr in der Schweiz leben und einen Arbeitsnachweis sowie eine Wohnadresse vorweisen können, vorerst einmal eine Jahresbewilligung erhalten. Bis Ende Oktober wurden den Bundesbehörden von den Kantonen 212 Dossiers, 590 Personen betreffend, eingereicht; 346 Personen erhielten eine provisorische Aufenthaltsbewilligung. Mitte Dezember trafen sich in Bern Vertreter von Kantons- und Bundesbehörden mit den Unterstützungskomitees der Papierlosen und den Gewerkschaften zu einem runden Tisch, an dem keine Lösung des Problems gefunden werden konnte, wo aber zumindest Einverständnis herrschte, den Dialog weiter zu führen.

Sans-Papiers 346 Personen provisorische Aufenthaltsbewilligung

Politbeobachter waren sich einig, dass die Asyl- und Ausländerpolitik ein Hauptthema im Wahlkampf 2003 sein wird. Das (und die gleichzeitig anstehende Revision von Ausländer- und Asylrecht) veranlasste alle Bundesratsparteien, sich mit Positionspapieren zu Wort zu melden, wobei zum Teil vom bisherigen ideellen Gedankengut der Partei abgewichen wurde, um Forderungen nach einer restriktiveren Ausländer- und Asylpolitik nicht kampflos der SVP zu überlassen. Als erste der Bundesratsparteien legte die Geschäftsleitung der SP ihr neues Konzept für die künftige Migrationspolitik der Schweiz vor. Das unter der Federführung von Nationalrätin Aeppli (ZH) entstandene Papier sorgte in der Partei zum Teil für hitzige Diskussionen, wurde darin doch eine Abkehr von der bisherigen SP-Haltung postuliert, wonach alle Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz zugelassen werden sollen, die hier Arbeit finden. Aeppli begründete die Neuausrichtung mit der Angst vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor ausländischer Konkurrenz. Jenen Parteimitgliedern, die Zulassungsbegrenzungen als Tabubruch empfinden, entgegnete sie, wichtiger als neue Arbeitskräfte ins Land zu holen, sei es, die Chancen der hier lebenden zu verbessern. Eine Diskriminierung bei der Zulassung müsse mittelfristig in Kauf genommen werden, dafür sei aber die Gleichbehandlung aller Zugelassenen zu garantieren, etwa was den Familiennachzug betrifft, die Berufsbildung oder die Arbeitsbedingungen. Das Papier wurde von der Delegiertenversammlung gegen die Opposition der beiden Nationalrätinnen Vermot (BE) und Garbani (NE) angenommen.

ein Hauptthema im Wahlkampf 2003 SP

Wie bereits im Vorjahr angekündigt, gründeten Vertreter der wichtigsten Ausländerkolonien im März ein Forum für die Integration von Migranten und Migrantinnen. Es will einerseits Diskussionsplattform sein, andererseits zu einem gewichtigen Gesprächspartner der Bundesbehörden und anderer Institutionen werden. Die EKA übernahm den Betriebskredit des Forums für die ersten sechs Monate (rund 300 000 Fr.), will später aber höchstens einen Drittel beisteuern.

Forum für die Integration von Migranten und Migrantinnen

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) sprach sich ebenfalls ganz vehement gegen eine längerdauernde schulische Trennung von einheimischen und ausländischen Kindern aus, da diese diskriminierend sei, die Ghettobildung fördere und zu einer Apartheid-Gesellschaft führe. Getrennter Schulunterricht würde die Integration der ausländischen Kinder erschweren und damit längerfristig auch das friedliche Zusammenleben von Schweizern und Ausländern gefährden. Die EKR betonte, sie nehme die Besorgnis vieler Eltern ernst, die Bildungschancen ihrer Kinder würden in Schulklassen mit hohem Ausländeranteil beeinträchtigt. Doch gehe es nicht an, deswegen eine willkürlich definierte Gruppe von Schulkindern zu benachteiligen; anzustreben seien vielmehr Verbesserungen
für alle. Dazu kann nach EKR auch ein pädagogisch begründeter und befristet getrennter Unterricht gehören, so etwa die Integrationsklassen, in denen ausländische Kinder intensiven Unterricht in der Landessprache erhalten, um dann nach spätestens einem Jahr in die Regelklasse zu wechseln.

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus Apartheid-Gesellschaft Verbesserungen für alle

Die Erziehungsdirektorenkonferenz der Ostschweizer Kantone, auf deren Gebiet die Forderung nach getrennten Klassen besonders häufig gestellt wird, will ebenfalls keine Separierung von deutsch- und fremdsprachigen Schulkindern. Durch eine dauerhafte Trennung würden die Integrationsprobleme auf die Zeit nach der Volksschule verschoben. Hingegen sei die vorübergehende Differenzierung im Deutschunterricht ein effektiv gangbarer Weg zur Vorbereitung der schulischen Integration. Sie hielt sich dabei an die bereits mehrfach von der gesamtschweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) vorgebrachte Empfehlung, wonach alle in der Schweiz lebenden fremdsprachigen Kinder in die Regelschule einzugliedern und jegliche Diskriminierungen zu vermeiden seien. Die Integration müsse aber immer auch das Recht des Kindes respektieren, gleichzeitig die Sprache und Kultur des Heimatlandes zu pflegen. Aus diesem Grund gibt es seit mehreren Jahren in verschiedenen Kantonen Lehrkräfte für heimatliche Sprache und Kultur (sogenannte „HSK-Lehrer“). Dahinter steht der Gedanke, dass durch das Bewusstwerden der eigenen Wurzeln die Identitätsfindung unterstützt und damit die Integration erst möglich wird. Diese Schulung versteht sich je nachdem auch als Beitrag zur Rückkehrhilfe. So wurden in mehreren Kantonen und Gemeinden der Schweiz vorläufig aufgenommene kosovarische Kinder in separaten Schulklassen auf Albanisch unterrichtet, gleichzeitig aber auch mit den Grundzügen der im Umfeld gesprochenen Landesprache vertraut gemacht. Damit soll vermieden werden, dass sie bei ihrer Rückkehr in die Heimat noch durch zusätzliche schulische Defizite belastet werden; bei einem dauerndem Aufenthalt in der Schweiz würde diese differenzierte Schulung den Übergang in eine Regelklasse erleichtern.

Erziehungsdirektorenkonferenz Integrationsprobleme auf die Zeit nach der Volksschule verschoben die Sprache und Kultur des Heimatlandes Beitrag zur Rückkehrhilfe