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  • Häberli-Koller, Brigitte (mitte/centre, TG) SR/CE

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Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine kam es zu Schwierigkeiten in internationalen Lieferketten und in der Verfügbarkeit gewisser Güter und Energieträger. Im Jahr 2022 standen deshalb die wirtschaftliche Versorgungssicherheit sowie die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vermehrt im Interesse der medialen Berichterstattung sowie im Fokus einiger parlamentarischer Vorstösse.
Zentral waren dabei die Pflichtlager, wie beispielsweise jenes für Treibstoffe: Während dieses über Jahrzehnte nie angezapft worden war, musste der Bundesrat im vergangenen Jahrzehnt mehrfach Reserven für den Markt freigeben (2010, 2015, 2018 und 2019). Zu den Hauptursachen für die Versorgungsengpässe auf dem freien Markt zählten vor allem der tiefe Rheinpegel in trockenen Sommern – welcher den Import über die Rheinschifffahrt erschwerte –, Streiks im Ausland und Probleme in Raffinerien. Auch im Sommer 2022 musste der Bundesrat das Pflichtlager teilweise freigeben – dazu beigetragen hat auch der Krieg in der Ukraine. Im März 2022 öffnete der Bundesrat zudem das Pflichtlager für Opioide. Dieser Schritt sei aufgrund einer «schweren Mangellage» an Schmerzmitteln auf dem Schweizer Markt notwendig geworden, die durch Kapazitätsprobleme in der Herstellung solcher Medikamente verursacht worden sei, erklärte der Bundesrat dazu. Neben der Freigabe von bestehenden Pflichtlagern wurden auch neue eingeführt: So kam 2022 ein Pflichtlager für Rapssaatgut neu dazu. Bereits 2020 führte der Bundesrat das Pflichtlager für Ethanol – das 2018 aufgelöst worden war – wieder ein (vgl. Mo. 20.3448), da es zu Beginn der Covid-19-Pandemie zu Versorgungsschwierigkeiten mit Ethanol für die Produktion von Desinfektionsmitteln gekommen war. Die Pflichtlager erstreckten sich im Jahr 2022 deshalb über Zucker, Reis, Speiseöle und -fette, Getreide, Kaffee, Futtermittel, Stickstoff-Dünger, Benzin, Dieselöl, Flugpetrol, Heizöl sowie Heizöl extra leicht (für Zweistoffanlagen), Uran-Brennelemente, Rapssaatgut, diverse Arzneimittel und Impfstoffe, Kunststoffe (Polyethylen-Granulate zur Herstellung von Desinfektionsmittelflaschen sowie Zusatzstoffe) und Ethanol. Wie die Aargauer Zeitung im Juni 2022 schrieb, erwiesen sich diese «Überbleibsel aus dem Kalten Krieg» plötzlich wieder als sinnvolle Massnahmen, um aktuellen Herausforderungen zu begegnen.
Auch organisatorisch erkannte der Bundesrat beim Thema der wirtschaftlichen Landesversorgung Handlungsbedarf: Im März 2022 kündigte er an, das dafür zuständige BWL personell aufstocken zu wollen. Insbesondere der Chefposten im Bundesamt soll dabei zu einer Vollzeitstelle ausgebaut werden – bisher war dieser Milizposten mit einem Pensum von 40 Prozent verbunden.
Die Frage der wirtschaftlichen Versorgungssicherheit beschäftigte auch die Mitte-Fraktion, welche bei essenziellen Gütern eine Reduktion der Abhängigkeit vom Ausland verlangte – eine Motion, die der Ständerat im Herbst 2022 als Zweitrat jedoch fallen liess. Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat zudem einen Bericht zu einer angenommen Motion Häberli-Koller (mitte, TG; Mo. 20.3268), welche ebendiese wirtschaftlichen Abhängigkeiten bei essenziellen Gütern aufzeigte. Weiter wollte der Nationalrat auch die Situation der Versorgungssicherheit mit Metallen und seltenen Erden geklärt haben und überwies im Herbst 2022 ein entsprechendes Postulat Schneider-Schneiter (mitte, BL; Po. 20.3950) an den Bundesrat.
Des Weiteren trat das Thema der wirtschaftlichen Landesversorgung im Zusammenhang mit der drohenden Energieknappheit im Winter 2022/2023 in den Fokus der öffentlichen Debatte. Nebst den durch den Bund in Auftrag gegebenen Pflichtlagern standen auch die privaten Notvorräte im Fokus. So rief beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Zürich im September 2022 die Bevölkerung dazu auf, einen Notvorrat anzulegen, um gegen die Energieknappheit gewappnet zu sein. Der Notvorrat solle dabei aus Wasser und Getränken, Lebensmitteln, Gebrauchsgütern, Hygieneartikeln sowie einer Hausapotheke bestehen. Auch das BLV habe in diesem Zusammenhang seine Informationstätigkeit verstärkt, berichtete die NZZ.
Die Diskussion weitete sich zuletzt auch auf den militärischen Bereich aus: Die vielen Bunkeranlagen in privaten sowie öffentlichen Gebäuden in der Schweiz gewannen im Jahr 2022 aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der atomaren Drohungen seitens Russlands plötzlich wieder an medialem Interesse. Als einziger Kanton hat dabei Luzern die Zuteilung der Bevölkerung auf die Bunkeranlagen online veröffentlicht. Die Aargauer Zeitung berichtete zudem darüber, in welchen Kantonen genügend Schutzplätze und in welchen gemessen an der wohnhaften Bevölkerung zu wenig Schutzplätze vorhanden sind. Während etwa der Kanton Graubünden eine Abdeckung von 146 Prozent aufweise, könne der Kanton Genf nur 72 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohnern im Ernstfall einen Schutzplatz anbieten. Gesamtschweizerisch betrachtet bestehe allerdings eine Abdeckung von über 100 Prozent.

Gesellschaftliche Debatte um die wirtschaftliche Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und Covid-19
Dossier: Wirtschaftliche Abhängigkeit verringern
Dossier: Covid-19-Krise und Ukrainekrieg: Anpassung der wirtschaftlichen Landesversorgung

Im August 2021 gründeten bürgerliche Exponentinnen und Exponenten unter der Bezeichnung «Allianz Sicherheit Schweiz» eine neue sicherheitspolitische Organisation. Die Allianz erhielt professionelle Strukturen und eine permanente Geschäftsstelle, was sie von ihrer Vorgänger-Organisation, dem «Verein für eine sichere Schweiz», unterscheidet. Die Gründerinnen und Gründer wollten die Allianz damit ausdrücklich auch als Gegengewicht zur GSoA positionieren. Der Bedarf nach einer solchen Organisation auf bürgerlicher Seite sei unter anderem dadurch deutlich geworden, dass in der Volksabstimmung vom September 2020 die vor allem von armeekritischer Seite bekämpfte Beschaffung neuer Kampfjets um ein Haar gescheitert wäre. Als eines ihrer Ziele formulierte die Allianz Sicherheit Schweiz denn auch, «eine jederzeit einsatzbereite und schlagkräftige Fach- und Kampagnenorganisation [bereitzustellen], die permanent und proaktiv die sicherheitspolitische Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess und in der Öffentlichkeit prägt sowie Abstimmungskampagnen führt». Die Allianz wollte sich dabei nicht bloss auf Armeefragen beschränken, sondern die Verbindung von innerer und äusserer Sicherheit gesamtheitlich bearbeiten – also etwa auch Felder wie Wirtschaftsspionage, Cybersicherheit oder Versorgungssicherheit abdecken.
Gründungspräsident der Allianz wurde der Ständerat und designierte FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG), der bereits dem Vorgängerverein «für eine sichere Schweiz» vorgestanden hatte. Auch die Liste der weiteren Vorstandsmitglieder liest sich wie ein Who is Who aus bürgerlichen Parteien und wirtschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Interessenvereinigungen. So gehören dem Vorstand aus der Politik auch die Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli (mitte, TG), der Tessiner Lega-Staatsrat Norman Gobbi (TI, lega), die FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) sowie der SVP-Nationalrat Franz Grüter svp, LU) an. Aus der Wirtschaft und armeenahen Verbänden sassen im Gründungsvorstand der Arbeitgeberverbands-Präsident Valentin Vogt, Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, der Swissmem-Ressortleiter der Rüstungssparten Matthias Zoller, Markus Niederhauser vom Westschweizer Rüstungsindustrie-Verband Groupe romand pour le matériel de Défense et de Sécurité (GRPM), die Präsidentin der Waadtländer Industrie- und Handelskammer (CVCI) Aude Pugin, der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Stefan Holenstein, Paul Röthlisberger vom Schweizer Schiesssportverband und Max Rechsteiner von der Landeskonferenz der militärischen Dachverbände (LKMD). Offen war zunächst, inwieweit sich auch der Schweizerische Gewerbeverband beteiligen würde. Geschäftsführer wurde Marcel Schuler, der vorher als Kampagnenleiter für die FDP Schweiz gearbeitet hatte.

Allianz Sicherheit Schweiz gegründet