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  • Juillard, Charles (cvp/pdc, JU) SR/CE

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Nachdem beide Räte den Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Europarats-Übereinkommens zur Terrorismusverhütung und des dazugehörigen Zusatzprotokolls sowie über die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität einmal beraten hatten, wies die Vorlage noch zwei inhaltliche Differenzen auf. Die erste betraf die explizite Ausnahme der Tätigkeit humanitärer Organisationen aus dem Straftatbestand der organisierten Kriminalität, die zweite die Voraussetzungen für die dynamische Rechtshilfe.
Der Ständerat behielt in der Herbstsession 2020 zunächst beide Differenzen bei, wobei er dem Nationalrat in der Frage der Ausnahme für humanitäre Organisationen ein Stück weit entgegenkam. Die Ratsmehrheit gewichtete die Gefahr der Kriminalisierung von humanitären Aktionen höher als jene, dass die Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Organisation als humanitäre Hilfe getarnt werden könnte und folgte mit 23 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung einer Minderheit Juillard (cvp, JU), die das Anliegen des Nationalrats aufnahm, aber neu formulierte und das IKRK nicht mehr explizit nannte. Die vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Ermittlungsbehörden (sogenannte dynamische Rechtshilfe) wollte die Ständekammer im Gegensatz zum Nationalrat aber nicht generell, wenn die ausländischen Ermittlungen sonst unverhältnismässig erschwert würden, sondern nur zur Abwendung schwerer und unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben sowie nur nach schriftlicher Verpflichtung der ausländischen Behörden, sich an die Einschränkungen zur Verwendung der übermittelten Informationen zu halten, erlauben. Damit liess der Ständerat seine Kommissionsmehrheit mit 23 zu 19 Stimmen und einer Enthaltung auch hier im Regen stehen und hielt an seinem letzten Beschluss fest, wie es eine Minderheit Zopfi (gp, GL) beantragt hatte.
Der Nationalrat konnte mit der Version des Ständerates indes wenig anfangen und entschied mit 111 zu 75 Stimmen bei 9 Enthaltungen, an seiner Ausnahmenorm für humanitäre Organisationen, die das IKRK beispielhaft erwähnt, festzuhalten. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte sich abermals für die gänzliche Streichung der Bestimmung ausgesprochen und gewarnt, die explizite Ausnahme humanitärer Organisationen könnte ungewollt zur Straflosigkeit führen – etwa wenn ein Fahrer einer humanitären Organisation nicht nur Personen transportiere, sondern auch Waffen für eine Konfliktpartei schmuggle –, blieb damit jedoch Ruferin in der Wüste. Allerdings bewegte sich die grosse Kammer bei der zweiten Differenz etwas auf ihre Schwesterkammer zu, indem sie die dynamische Rechtshilfe auf Fälle von organisierter Kriminalität oder Terrorismus beschränkte. Die darüber hinausgehenden Einschränkungen des Ständerates waren indes gar nicht zur Diskussion gestanden; der Kompromissvorschlag der Kommissionsmehrheit setzte sich mit 140 zu 55 Stimmen gegen eine Minderheit Addor (svp, VS) durch, die beim Entwurf des Bundesrats bleiben wollte. Justizministerin Keller-Sutter erklärte ihre Unterstützung für die Mehrheit «im Sinne der Differenzbereinigung», bedauerte aber, dass die dynamische Rechtshilfe damit in wichtigen Kriminalitätsfeldern wie Drogenhandel, Geldwäscherei und bei Sexualdelikten ausgeschlossen sei.
Da sich die beiden Räte nun in beiden Streitpunkten einen Schritt näher gekommen waren, unterstützte die SiK-SR die vorliegende «Einigungsversion», wie Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) erklärte. Sie beantragte ihrem Rat, beide Differenzen auszuräumen, was dieser dann auch stillschweigend tat. In den Schlussabstimmungen wurde der Bundesbeschluss vom Nationalrat mit 128 zu 34 Stimmen bei 34 Enthaltungen und vom Ständerat mit 37 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Die Fraktionen der SP und der Grünen vertraten damit auch hier konsequent ihren bereits in der Eintretensdebatte geäusserten Standpunkt, für die Einführung des Gesinnungsstrafrechts, die ihrer Ansicht nach mit dem Verbot des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf eine terroristische Straftat erfolge, nicht Hand zu bieten.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Nachdem die SiK-SR das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) unter Berücksichtigung eines Mitberichts der RK-SR erneut beraten, ihren Standpunkt aber nur minimal angepasst hatte, widmete sich in der Frühjahrssession 2020 der Ständerat als Erstrat dem Geschäft. Wie Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) einleitend anmerkte, habe die sicherheitspolitische Kommission weitgehend das Konzept des Bundesrates übernommen. Die beiden Streitpunkte der Vorlage waren der Hausarrest und die Altersgrenze für die Massnahmen.
Beim Hausarrest, der als ultima ratio dienen soll, wenn andere, mildere präventiv-polizeiliche Massnahmen wie ein Kontakt- oder Rayonverbot nicht gewirkt haben, sah der Entwurf des Bundesrates die Möglichkeit zur Gewährung von Ausnahmen aus medizinischen Gründen, zu Erwerbs- und Bildungszwecken, zur Ausübung der Glaubensfreiheit und zur Wahrnehmung von familiären Verpflichtungen vor. Während die grosse Mehrheit der konsultierten RK-SR dieses Konzept unterstützt hatte, beantragte die Mehrheit der vorberatenden SiK-SR die Streichung aller Ausnahmegründe bis auf die medizinischen Gründe. Sie wollte der Öffentlichkeit den bestmöglichen Schutz vor gefährlichen Personen bieten, denn Hausarrest komme überhaupt erst in Frage, wenn von einer Person eine konkrete Gefahr ausgehe und diese gegen mildere Massnahmen bereits verstossen habe. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) beantragte hingegen, bei der bundesrätlichen Version zu bleiben, da Ausnahmen einerseits nur aus wichtigen Gründen gewährt werden könnten und somit kein genereller Anspruch darauf bestehe und da andererseits der Verzicht auf diese Möglichkeiten den Hausarrest einer Präventivhaft sehr nahe kommen lasse, was im Hinblick auf die EMRK problematisch wäre. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte, dass der Hausarrest, um die Verhältnismässigkeit zu wahren, die Kontakte zur Aussenwelt und das soziale Leben nicht unnötig einschränken dürfe und dass sie überdies durch die Ausnahmen keine Sicherheitslücken befürchte. Weiter sah der Entwurf des Bundesrates vor, den Hausarrest auf maximal neun Monate zu begrenzen, was auch eine Minderheit Juillard (cvp, JU) so handhaben wollte. Die Kommissionsmehrheit schlug ihrem Rat stattdessen eine unbegrenzte Verlängerungsmöglichkeit vor, mit dem Argument, die Massnahme müsse so lange aufrechterhalten werden können, bis die betroffene Person nicht mehr gefährlich sei. Justizministerin Keller-Sutter erachtete die unbefristete Dauer jedoch als nicht verhältnismässig und wahrscheinlich auch nicht EMRK-konform. In beiden Fragen folgte die Ratsmehrheit schliesslich den Minderheitsanträgen und liess es beim bundesrätlichen Entwurf bewenden.
Diskussionsbedarf bestand zum Zweiten noch bei der Frage, auf Personen welchen Alters die präventiv-polizeilichen Massnahmen angewendet werden können. Während der Bundesrat eine Altersgrenze von 15 Jahren für den Hausarrest und von 12 Jahren für die übrigen Massnahmen vorgesehen hatte, beantragte eine Minderheit Zopfi (gp, GL), die Grenze für alle PMT-Massnahmen bei 18 Jahren festzulegen, blieb damit jedoch chancenlos. Die Ratsmehrheit blieb auch hier bei der bundesrätlichen Version, weil durchaus auch Minderjährige radikalisiert sein und terroristische Aktivitäten planen oder ausführen könnten, so die Argumentation der Justizministerin. Sie versicherte gleichzeitig, dass bei Minderjährigen in der Interessenabwägung erzieherischen und Kindesschutzmassnahmen grundsätzlich Vorrang vor präventiv-polizeilichen Massnahmen beigemessen werde.
In den grossen Streitpunkten auf der Linie des Bundesrates verbleibend hiess der Ständerat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 35 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut und stimmte der Abschreibung diverser Vorstösse stillschweigend zu.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen