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Die Baisse zu Beginn der 50. Legislatur (2015 bis 2019) bezüglich der Anzahl eingereichter Vorstösse schien in Anbetracht der Zahlen für das Jahr 2019 lediglich ein kurzes Intermezzo gewesen zu sein (vgl. Vorstösse und Arbeitsbelastung 2015). In der Tat entsprachen die total 2'527 von Parlamentsmitgliedern eingereichten Ideen und Anfragen einem neuen Rekord und übertrafen nicht nur die Zahl des Vorjahres (2'352), sondern auch den langjährigen Durchschnitt (1'820 von 2000 bis 2019) bei weitem. Ein erneut sehr starkes Wachstum verzeichnete dabei die Zahl der eingereichten Interpellationen (855), die sich innert 20 Jahren mehr als verdreifacht hatte (2000: 280). Aber auch die Zahl der Motionen (552; 2018: 463) und Postulate (235; 2018: 183) erreichte Spitzenwerte. Nur 2009 wurden mehr Motionen eingereicht (614) als 2019 und auch die Anzahl Postulate kam fast an den Spitzenwert von 2012 (250 Postulate) heran. Die 111 eingereichten parlamentarischen Initiativen lagen hingegen näher beim langjährigen Schnitt (98), wenn auch ihre Zahl im Vergleich zu 2018 (93) zugenommen hatte. Die neue Rekordzahl von 10.3 Vorstössen pro Parlamentsmitglied kam 2019 zustande, obwohl die Zahl der Anfragen (70; 2018: 99) und der Fragen für die Fragestunde (704; 2018: 750) abgenommen hatten.

«Der Vorstoss-Berg – ein Schreckhorn der Bürokratie», sei noch gewaltiger als die Alpenkette, die man vom Balkon des Bundeshauses aus bestaunen könne, urteilte die Basler Zeitung und machte die «parlamentarische Hyperaktivität» dafür verantwortlich. Die Möglichkeit, sich mit einer Anfrage oder Interpellation zu inszenieren, sei «allzu verlockend für die meisten Parlamentarier». Die Aargauer Zeitung erstellte aufgrund der während der gesamten Legislatur eingereichten Vorstösse eine Rangliste. Jean-Luc Addor (svp, VS) führte die Liste mit 169 Vorstössen an. Mit Carlo Sommaruga (sp, GE), Claude Béglé (cvp, VD), Mathias Reynard (sp, VS) und Lisa Mazzone (gp, GE), die von der Zeitung auf den Folgerängen platziert wurden (ohne freilich die Anzahl Vorstösse auszuweisen), seien es vor allem Parlamentsmitglieder aus der Romandie, die mit Aktivität glänzten. Es sei nicht verwunderlich, dass die fünf Spitzenplätze von der grossen Kammer – und hier insbesondere von Mitgliedern der Polparteien SP und SVP – besetzt seien, so die Zeitung gestützt auf eine Studie der Universität Bern. Die Ständeratsmitglieder zeigten sich hingegen wesentlich zurückhaltender: In der Tat liege der «vorstossfreudigste Kantonsvertreter» Beat Vonlanthen (cvp, FR) «mit 36 Interventionen erst auf Rang 79».
Neben den reinen parlamentarischen Vorstössen nahmen die 2019 ausserhalb des Parlaments lancierten Aufträge im Vergleich zum Vorjahr tendenziell ab. Dies galt sowohl für die Bundesratsgeschäfte (76; 2018: 87), die Standesinitiativen (22; 2018: 26) und die Wahlgeschäfte (30; 2018: 34), nicht aber für die Petitionen, deren Zahl leicht zugenommen hatte (35; 2018: 30).

Eine Folge der immer stärkeren Zunahme der Geschäftslast war die Zunahme der Betriebsamkeit gemessen an der Zahl erledigter Vorstösse und Geschäfte. Auch hier war das Jahr 2019 mit total 2'604 erledigten Vorstössen ein Rekordjahr. Die Arbeitslast lag dabei nicht nur wie im Vorjahr primär bei der Verwaltung. Diese musste zwar erneut eine Rekordzahl von 873 Interpellationen beantworten, dafür etwas weniger Anfragen (90; 2018: 92) und Fragen für die Fragestunde (703; 2018: 750) bearbeiten als im Vorjahr. Aber auch das Parlament erledigte 2019 mit 331 Postulaten (2018: 273), 483 Motionen (2018: 360) und 124 parlamentarischen Initiativen (2018: 101) mehr Vorstösse als in früheren Jahren. Hinzu kamen 2019 auch mehr erledigte Bundesratsgeschäfte (77; 2018: 62), Standesinitiativen (24; 2018: 17), Wahlgeschäfte (32; 2018: 28) und Petitionen (22; 2018: 20) als im Vorjahr.

Hinter der Kategorie «erledigt» versteckt sich freilich unterschiedlich viel Aufwand. So gelten etwa Motionen oder Postulate, die zurückgezogen oder aufgrund ihres Alters – wenn sie nicht innert zwei Jahren nach Einreichung behandelt werden, werden Vorstösse automatisch abgeschrieben – oder des Ausscheidens ihrer Urheberschaft aus dem Rat abgeschrieben werden, genauso als «erledigt» wie die tatsächlich in den Räten diskutierten Vorstösse, die für die Parlamentsmitglieder mehr Aufwand bedeuten. In der Tat lag der Anteil abgeschriebener Motionen im Jahr 2019 (30.4%) über dem langjährigen Schnitt (2000–2018: 29.1%) und auch die abgeschriebenen Postulate (20.5%) kamen nahe an diesen Mittelwert heran (21.6%). Von den 483 im Jahr 2019 erledigten Motionen wurden aber immerhin über 300 beraten. Von Letzteren wurden 145 von beiden Räten gutgeheissenen, was über alle erledigten Motionen betrachtet einer Erfolgsquote von 30 Prozent entspricht (Schnitt 2000–2018: 22.2%). Die 60.7 prozentige Erfolgsquote bei den Postulaten lag für 2019 ebenfalls höher als im langjährigen Mittel (50.4%): Von den 331 erledigten Postulaten – über 248 davon wurde in den Räten abgestimmt – wurden 201 angenommen.

In den Medien wurde die Frage aufgeworfen, wie ernst die Regierung die Aufträge des Parlaments überhaupt nehme, ob also angenommene Motionen und Postulate überhaupt erfüllt würden. Diese Frage stellte sich vor allem auch die GPK-SR und bestellte bei der PVK einen Bericht mit einer Analyse zur Erfüllung von angenommenen Motionen und Postulaten.

Arbeitsbelastung 2019
Dossier: Geschäftsstatistik der Bundesversammlung

Jahresrückblick 2019: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz war der Themenkomplex des Kapitels Rechtsordnung, der im Jahr 2019 – gemessen an der Anzahl Zeitungsartikel in den jeweiligen Bereichen – deutlich am meisten Medienaufmerksamkeit generierte. Es stand zum einen die Frage im Raum, wie die Schweiz mit Schweizer Dschihadistinnen und Dschihadisten – sowohl mit den in die Schweiz zurückgekehrten als auch mit den im Ausland verbliebenen – umgehen sollte. Während im Februar das erste Gerichtsurteil gegen Schweizer Dschihad-Rückkehrende, zwei minderjährige Geschwister aus Winterthur, ausgesprochen wurde, verkündete der Bundesrat im März, Schweizer IS-Kämpferinnen und -Kämpfer nicht aktiv in die Schweiz zurückholen zu wollen, sondern sie vor Ort der Strafverfolgung zu überlassen. Zum anderen erhitzte die Debatte darüber, ob die Schweiz ausländische Dschihadistinnen und Dschihadisten auch in Folterstaaten ausliefern sollte, die Gemüter. Hier trafen mit der öffentlichen Sicherheit in der Schweiz und der Wahrung der Grundrechte (insbesondere des aus dem zwingend-völkerrechtlichen Folterverbot abgeleiteten Non-Refoulement-Gebots) zwei gewichtige Rechtsgüter frontal aufeinander. Während das Parlament der öffentlichen Sicherheit mehr Gewicht beimass und die entsprechende Motion (Mo. 16.3982) an den Bundesrat überwies, bleibt abzuwarten, wie der Bundesrat dieser Forderung nachkommen wird, ohne das zwingende Völkerrecht zu verletzen.

Zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit widmete sich der Bundesrat im Jahr 2019 auch weiterhin der Terrorismusprävention im Inland. So unterbreitete er dem Parlament mit den Botschaften zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) sowie zum Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe zwei weitere grosse Projekte zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Mit dem Vorläuferstoffegesetz soll der Zugang zu bestimmten chemischen Substanzen erschwert werden, die durch Missbrauch gravierenden Schaden verursachen können. Damit soll verhindert werden, dass Terroristinnen und Terroristen diese Stoffe zur Herstellung von Sprengstoff einfach in der Schweiz beschaffen können, während ihr Handel in der EU strenger reglementiert ist. Das PMT soll derweil der Polizei neue Instrumente zum Umgang mit terroristischen Gefährderinnen und Gefährdern an die Hand geben, die vor, nach oder ergänzend zu einem Strafverfahren angewandt werden können. Um die Gefährdung durch radikalisierte Personen zu mindern, sollen diese vom terroristischen Umfeld ferngehalten, an der Ausreise in ein Konfliktgebiet gehindert sowie, wenn nötig, in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt werden.

Eine weitere wichtige Vorlage im Bereich der inneren Sicherheit war 2019 zweifellos die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie und die damit einhergehende Verschärfung des Schweizer Waffenrechts. Auf das im Januar zustande gekommene Referendum folgte ein mehrmonatiger, emotionaler Abstimmungskampf, der die Medienberichterstattung in den für das Kapitel Rechtsordnung relevanten Themen in der ersten Jahreshälfte dominierte. Während für die Befürworterseite klar war, dass die – bereits mit einer Ausnahmeregelung für die Schweiz versehene und daher insgesamt moderate – Richtlinie übernommen werden müsse, um die Schweizer Mitgliedschaft bei Schengen/Dublin nicht zu gefährden, sah die Gegnerschaft durch das «Entwaffnungsdiktat der EU» – so ihr Slogan – die Schweizer Freiheit und Identität substanziell bedroht. Am 19. Mai 2019 stimmte das Schweizer Stimmvolk der Übernahme der EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent (bei einer Stimmbeteiligung von 43.9%) schliesslich deutlich zu. Gemäss der nachfolgenden VOTO-Analyse fusste der Vorsprung des Befürworterlagers vor allem auf jenen Stimmberechtigten, die eine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts zwar nicht unbedingt für notwendig hielten, aber Schengen/Dublin nicht aufs Spiel setzen wollten.

Ein weiteres 2019 lanciertes Referendum richtete sich gegen das E-ID-Gesetz, das im September von den eidgenössischen Räten verabschiedet worden war. Hauptkritikpunkt am neuen Gesetz war, dass die E-ID von privaten Anbietern und nicht vom Staat herausgegeben werden soll. Das Referendumskomitee um die «Digitale Gesellschaft» und die Kampagnenplattformen «Wecollect» und «Campax», unterstützt von der SP und den Grünen, begann im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Weitere grosse Gesetzgebungsprojekte, die 2019 vorangetrieben wurden, sind die Totalrevision des Datenschutzgesetzes, die Revision des Erbrechts und die Anpassung der Strafprozessordnung.

Im Bereich Strafrecht erlangte überdies der Fall «Carlos», sechs Jahre nach seinem Bekanntwerden, wieder die volle Aufmerksamkeit der Medien. Im Herbst musste sich «der wohl bekannteste junge Straftäter der Schweiz», wie ihn die NZZ betitelte, vor dem Bezirksgericht Dielsdorf (ZH) für 29 im Justizvollzug begangene Straftaten verantworten. Damit wurde, so der Tenor in der Presse, der Öffentlichkeit einmal mehr vor Augen geführt, dass «Carlos» die Strafvollzugsbehörden überfordere. Das Urteil sah für «Carlos» eine mehrjährige Freiheitsstrafe vor, die jedoch zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben werden sollte (sog. «kleine Verwahrung»); alle fünf Jahre wird überprüft werden, ob die Therapie angeschlagen hat oder ob eine Verlängerung der Massnahme nötig ist. Im Vorfeld sowie im Nachgang des Verfahrens wurde der Skandal, den das Bekanntwerden von «Carlos» im Zürcher Justizvollzugswesen ausgelöst hatte, noch einmal aufgerollt und die Mitschuld der Medien an der nicht enden wollenden Misere diskutiert.

Das zentrale Thema im Bereich der Grundrechte war auch 2019 das Verhüllungsverbot. Mit der Botschaft zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im März seinen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». Die eidgenössischen Räte schlossen sich für die im kommenden Jahr anstehende Abstimmung den Empfehlungen des Bundesrates an und plädierten für die Ablehnung der Initiative und die Annahme des Gegenvorschlags.

Jahresrückblick 2019: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2019

Der auf eine parlamentarische Initiative Joder (svp, BE) zurückgehende Entwurf der GPK-NR, mit dem die Grundlagen für eine ausserordentliche Aufsichtsdelegation (AoDel) geschaffen werden sollen, kam in der Wintersession 2019 zur Beratung in den Nationalrat. Eine Minderheit Nantermod (fdp, VS) beantragte Nichteintreten. Der Walliser zitierte in seiner Begründung für seinen Antrag Montesquieu: «les lois inutiles affaiblissent les lois nécessaires». In der Tat sei der neue Entwurf nichts weiter als eine Verdoppelung eines Instruments, das kaum Anwendung finde und ausreichend sei – er spielte auf die PUK an, die weiterhin Bestand haben soll. Eine grosse Mehrheit der grossen Kammer von 170 zu 25 Stimmen (1 Enthaltung) war hingegen anderer Meinung. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher betonten, dass die geplante Aufsichtsdelegation rascher und effizienter handeln könne und so die Aufgabe der Oberaufsicht über die Geschäftsführung von Regierung und Verwaltung in der Tat wirkungsvoller werde.
In der Detailberatung scheiterte ein Minderheitsantrag Birrer-Heimo (sp, LU) klar, der verlangt hätte, dass die AoDel selber entscheiden könne, ob und wann sie einen von ihr verfassten Bericht veröffentlichen solle. Die Mehrheit (125 zu 71 Stimmen bei 1 Enthaltung) war der Meinung, dass die vier Kommissionen, welche die AoDel einsetzten (GPK-NR, GPK-SR, FK-NR und FK-SR), den Entscheid über eine Veröffentlichung fällen sollten. Der Bundesrat – vertreten durch Bundeskanzler Walter Thurnherr – beantragte, dass er bei der Untersuchung einer AoDel die gleichen Rechte erhalte wie bei einer PUK. Die Beiwohnung des Bundesrats bei Befragungen von Zeuginnen und Zeugen, die Möglichkeit, dabei Ergänzungsfragen zu stellen, sowie die Erlaubnis, Einsicht in Unterlagen, Gutachten und Einvernahmeprotokolle zu erhalten, wurde aber im Entwurf der GPK-NR explizit verweigert, mit der Begründung, dass die Regierung auch bei einer PUK nie von diesem Recht Gebrauch gemacht habe. Bundeskanzler Thurnherr, der betonte, dass der bisherige Verzicht kein Grund für die Verwehrung dieser Rechte sein könne, stand allerdings auf verlorenem Posten. Mit 196 zu 0 Stimmen (1 Enthaltung) folgte der Nationalrat in diesem Punkt mehr als deutlich seiner Kommission. In der Gesamtabstimmung wurde die unveränderte Kommissionsvorlage mit 172 zu 25 Stimmen an den Ständerat überwiesen – wie schon beim Eintretensentscheid opponierte die Mehrheit der FDP-Fraktion.

Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen (Pa.Iv. 15.451)

Die Beratung der Totalrevision des Datenschutzgesetzes, wofür sich die Staatspolitische Kommission des Nationalrates zwei Jahre Zeit gelassen hatte, schloss die SPK-SR nach nur zwei Monaten Ende November 2019 ab. Mit dem hohen Tempo wollte Kommissionspräsidentin Pascale Bruderer Wyss (sp, AG) es möglich machen, dass die Schlussabstimmungen zur Revision noch im Frühjahr 2020 – und damit noch bevor die EU Ende Mai über die Angemessenheit des schweizerischen Datenschutzes entscheiden wird – stattfinden können. Eine Analyse des Bundesamtes für Justiz zuhanden der Kommission hatte vier Punkte zutage gefördert, in denen das DSG nach den Beschlüssen des Erstrates noch nicht den europäischen Anforderungen entsprach und wo die SPK-SR ihrem Rat deshalb eine Abweichung vom Nationalrat beantragte. Erstens sei die Ausnahme der gewerkschaftlichen Ansichten von den besonders schützenswerten Personendaten gemäss den Kriterien für die Äquivalenzprüfung unzulässig. Ebenso problematisch sei zweitens der Verzicht auf eine ausdrückliche Einwilligung beim Profiling. Drittens dürfe nicht, wie vom Nationalrat vorgesehen, auf die Informationspflicht verzichtet werden, weil die Information einen unverhältnismässigen Aufwand erfordere, und viertens forderten die EU-Regeln wirksame und abschreckende Sanktionen für den Fall der Sorgfaltspflichtverletzung; der Beschluss des Nationalrates, solche Verstösse nicht zu ahnden, sei daher «mehr als nur problematisch», wie Kommissionssprecher Daniel Fässler (cvp, AI) in der Wintersession 2019 dem Ständeratsplenum erläuterte.
Im Gegensatz zum Nationalrat war Eintreten im Ständerat unbestritten und die Debatte wenig kontrovers – was wahrscheinlich nicht zuletzt dem Umstand geschuldet war, dass die Urheber der meisten Minderheitsanträge dem Rat mittlerweile nicht mehr angehörten. Insgesamt brachte die kleine Kammer die Vorlage wieder näher an den Entwurf des Bundesrats und damit zum von Berichterstatter Fässler genannten Ziel, die Vereinbarkeit des schweizerischen Datenschutzrechts mit der Datenschutzgesetzgebung der EU sowie mit der inzwischen vom Bundesrat unterzeichneten Europarats-Konvention SEV 108+ sicherzustellen. Bei drei der vier vom BJ als problematisch identifizierten Punkte schwenkte der Ständerat stillschweigend auf die Linie des Bundesrats zurück. So fügte er die gewerkschaftlichen Daten wieder in den Katalog der besonders schützenswerten Personendaten ein, strich die Ausnahme von der Informationspflicht bei unverhältnismässigem Aufwand wieder aus dem Gesetz und nahm die Strafandrohung von einer Busse bis zu CHF 250'000 bei vorsätzlicher Verletzung der Datensicherheit wieder auf. Ausführlicher debattierte die kleine Kammer die Frage, ob für das Profiling (d.h. die automatisierte Bearbeitung von Personendaten, um aufgrund bestimmter Merkmale einer Person deren Verhalten analysieren oder voraussagen zu können) in jedem Fall – wie es der Bundesrat vorgesehen hatte – oder nur bei Profiling mit hohem Risiko eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich sein soll. Dem Beschluss des Nationalrats zu folgen und gar keine ausdrückliche Einwilligung für Profiling zu verlangen, war für die Kantonskammer indes keine Option. Mit 19 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung hiess sie den risikobasierten Ansatz, den die Kommissionsmehrheit als Mittelweg zwischen Bundesrat und Nationalrat präsentiert hatte, gut. Damit soll Profiling mit hohem Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Person nur mit deren ausdrücklicher Einwilligung erlaubt sein, wobei sich das hohe Risiko beispielsweise an der Verknüpfung von Daten verschiedener Herkunft oder an der Möglichkeit, Rückschlüsse auf verschiedene Lebensbereiche der betroffenen Person zu ziehen, bemisst. Eine weitere, im Hinblick auf die Erfüllung der EU-Anforderungen wichtige Differenz schuf die Kantonskammer beim Auskunftsrecht, das sich nun nicht mehr wie vom Nationalrat beschlossen auf eine abschliessende Liste von Informationen beschränken soll. In der Gesamtabstimmung nahm die Ständekammer die Vorlage mit 29 zu 4 Stimmen an, wobei alle Gegenstimmen aus den Reihen der SVP-Fraktion stammten.

Revision des Datenschutzgesetzes (BRG 17.059)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Die Änderung des Nationalstrassenabgabegesetzes zwecks Einführung einer freiwilligen digitalen Vignette wurde in der Wintersession 2019 im Ständerat traktandiert. Der Erstrat folgte der Empfehlung seiner Kommission und nahm, nachdem sowohl Kommissionssprecher Stefan Engler (cvp, GR) wie auch Bundesrat Ueli Maurer dem Rat versichert hatten, es gebe keine Datenschutzproblematik in der vorliegenden Regelung, die Vorlage mit 39 gegen 2 Stimmen (ohne Enthaltungen) an.
Zudem schrieb der Ständerat die Motion KVF-SR für die Einführung einer elektronischen Vignette (Mo. 16.3009) ab, welche im Rahmen der Debatte zum Nationalstrassenfonds im März bzw. Juni 2016 angenommen worden war und welche gemäss Regierung mit der nun behandelten bundesrätlichen Vorlage erfüllt sei.

Freiwillige digitale Vignette
Dossier: Mobility-Pricing
Dossier: Elektronische Vignette (Nationalstrassenabgabe)

In der Wintersession 2019 behandelte der Nationalrat zwei Ordnungsanträge zu den Motionen 19.3960 bis 19.3964, mit denen die SPK-NR Datenschutzbestimmungen in verschiedenen Bundesgesetzen ergänzen wollte. So standen sich ein Ordnungsantrag Barrile (sp, ZH) und ein Ordnungsantrag Rutz (svp, ZH) gegenüber. Angelo Barrile verlangte, die Motionen von der Tagesordnung des Nationalrats vom 17. Dezember 2019 zu nehmen, da es sich dabei nicht um «rein datenschützerische Anliegen, sondern vielmehr um die Ausweitung der Kompetenzen verschiedener Versicherer» handle. Ihre Annahme hätte weitreichende Folgen im Bereich der Sozialversicherungen, weshalb die SGK-NR zuständig werden und sich damit befassen solle. Auch Gregor Rutz verlangte die Streichung der Geschäfte von der aktuellen Tagesordnung, wollte die Motionen aber nicht fix der SGK zuweisen, dieser – und anderen Kommissionen – aber die Möglichkeit zu einem Mitbericht geben und die Motionen entsprechend erst in der Frühjahrssession 2020 behandeln. Mit 104 zu 87 Stimmen folgte der Nationalrat dem Ordnungsantrag Rutz.

Motionen zur Vervollständigung der Datenschutzbestimmungen in anderen Bundesgesetzen

Bundeshausbesucherinnen und -besucher bräuchten in der Wintersession 2019 Geduld, berichtete der Tages-Anzeiger Mitte Dezember. Verschärfte Zutrittskontrollen würden dazu führen, dass vor allem Gruppen, die eine Führung durch das Bundeshaus gebucht hätten, «bis zu 90 Minuten in der Kälte anstehen» müssten. Die verschärfte Identitätskontrolle, die Begrenzung der Grösse der Gepäckstücke und das Verbot des Mitbringens von Flüssigkeiten seien aufgrund von Erfahrungen in der Herbstsession eingeführt worden, gaben die Parlamentsdienste bekannt, die sich mit einer Häufung von Reklamationen konfrontiert sahen.
In der Tat hatten zwei Vorfälle das zuvor revidierte Sicherheitsdispositiv im Bundeshaus in Frage gestellt. So hatten es Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten geschafft, während Beratungen im Nationalrat auf der Zuschauertribüne ein grosses Transparent zu enthüllen. Zudem war bekannt geworden, dass ein «wegen Terror-Propaganda verurteilter» Iraker (Aargauer-Zeitung) unter falschem Namen und als angeblicher Journalist an einer Konferenz der SP teilgenommen habe, die diese im September im Bundeshaus organisiert hatte. Die Lockerungen der Massnahmen, mit denen auf systematische Ausweiskontrollen und Gepäckdurchsuchungen verzichtet worden war, seien wohl ursächlich für die beiden Pannen, mutmasste die Sonntags-Zeitung. Eine Ausweiskontrolle hätte den falschen Journalisten wohl entlarvt und eine Gepäckkontrolle, nicht nur in Form eines Metalldetektors, wäre wohl auf die verschiedenen Teile aufmerksam geworden, in die das Transparent zerlegt worden war. Die Sicherheitsmassnahmen im Bundeshaus wurden in der Folge auch auf Anraten der Bundespolizei (Fedpol) wieder verstärkt.

Sicherheit im Bundeshaus

Le Réseau national de sécurité (RNS) a demandé une étude portant sur l’évolution récente des effectifs des forces de sécurité tant privées que publiques. D'après les conclusions, environ 70 % des actifs de la sécurité dépendent du secteur public et 30 % relèvent du secteur privé. Les forces de sécurité (sans l'armée) ont progressé, entre 2011 et 2016, de 11.5% alors que la population résidente a augmenté de moitié (5.8%). Les effectifs privés ont cru plus rapidement que ceux du secteur public. Entre 2011 et 2018, les forces de police cantonale, communale et fédérale augmentent de 14.7 %. Cette hausse s'explique par la croissance de la population, la nécessité d'une présence 24h/24h dans les espaces urbains et la multiplication de grands événements. Au niveau cantonale, la densité policière est plus importante dans les cantons frontières et les cantons villes.

Premier état des lieux des forces de sécurité en Suisse

Der Ständerat beriet in der Wintersession 2019 ein zweites Mal über den Rahmenkredit 2020-2023 für drei Genfer Zentren, um die Differenz zum Nationalrat zu bereinigen. Dieser hatte zusätzliche Auflagen für die Finanzierung des DCAF gefordert. Für den Nationalrat waren die Anforderungen des Subventionsgesetzes nicht erfüllt, obwohl sowohl das EDA als auch die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in der Vergangenheit nichts zu beanstanden gehabt hatten. Josef Dittli (fdp, UR) empfahl als Sprecher der SPK-SR, die Differenz zu bereinigen und dem Nationalrat zuzustimmen. Weil die EFK in der Zwischenzeit jedoch ein Kurzgutachten verfasst habe, welches sowohl den Jahresvertrag 2020 als auch den Rahmenvertrag mit der DCAF für gesetzeskonform befunden hätte, würde – laut Dittli – das Zentrum die geforderten Auflagen bereits erfüllen. Bundesrat Cassis wehrte sich nicht gegen die Ergänzung, die durch den Nationalrat vorgeschlagen wurde, insbesondere weil diese nun bereits erfüllt war. Er bat den Ständerat daher darum, dem Antrag zuzustimmen, was dieser auch einstimmig tat.

Crédit-cadre 2020-2023 pour trois Centres de Genève
Dossier: Internationales Genf

Die Terrorismusbekämpfung umfasse, führte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) als Berichterstatter der SiK-SR in der Wintersession 2019 vor dem Ratsplenum aus, die drei Elemente des Nachrichtendiensts, der strafrechtlichen Instrumente und der polizeilichen Instrumente. Da der Ständerat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus gerade eben an die Kommission zurückgewiesen habe, müsse man das mit jener über die polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) wohl auch tun, weil «die beiden Vorlagen eine Gesamtheit» bildeten, folgerte Jositsch. Der entsprechende Antrag auf Rückweisung mit dem Ziel, die beiden Vorlagen dann gemeinsam behandeln zu können, stammte von Ständerat Roberto Zanetti (sp, SO) und wurde von der Mehrheit der Kantonskammer mit 34 zu 10 Stimmen unterstützt.
Um überhaupt über die Rückweisung befinden zu können, hatte der Rat aber zuerst auf das Geschäft eintreten müssen. In der Eintretensdebatte hatte Ständerat Thomas Minder (parteilos, SH) deutliche Worte für das seiner Meinung nach zu lasche «Kuschelgesetz» gefunden. Obwohl er «von diesen präventiven Soft-Massnahmen nicht begeistert» sei, seien sie immerhin «besser als gar nichts», hatte er seine Absicht begründet, dennoch einzutreten. Sowohl Kommissionssprecher Jositsch als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatten der Kritik entgegengesetzt, man habe die innerhalb der Grenzen des Rechtsstaats gelegenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Die von Minder geforderte Präventivhaft für terroristische Gefährderinnen und Gefährder bedeute letztlich, Personen aufgrund ihrer Gesinnung zu inhaftieren. «Man muss sich immer überlegen, wie es wäre, wenn ein solches Instrument in den Händen des politischen Gegners wäre. Das möchte ich mir also nicht unbedingt vorstellen müssen», so die Justizministerin.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Der Ständerat befasste sich in der Wintersession 2019 als Erstrat mit dem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll sowie über die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Das Übereinkommen verbietet einerseits Dschihad-Reisen sowie die Rekrutierung und Ausbildung von Terroristinnen und Terroristen und strebt andererseits Verbesserungen in der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Rechtshilfe und Auslieferung an. Die Umsetzung dieser Bestimmungen macht eine Anpassung des schweizerischen Strafrechts und weiterer Gesetze notwendig. Die Kantonskammer trat oppositionslos auf das Geschäft ein, gab sodann aber mit 33 zu 12 Stimmen einem Einzelantrag Rieder (cvp, VS) auf Rückweisung des Geschäfts an die Kommission statt. Damit wurde die SiK-SR beauftragt, das Geschäft unter Einbezug eines Mitberichts der RK-SR erneut zu beraten. Da das Geschäft mit dem Ziel der Terrorismusbekämpfung zwar unbestritten die Sicherheitspolitik, mit der Umsetzung im Strafrecht aber auch die traditionelle Domäne der Rechtskommission betreffe, handle es sich um eine «Schnittstellenproblematik» zwischen den beiden Kommissionen, waren sich sowohl SiK-Berichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) als auch Antragssteller und RK-Mitglied Rieder einig. Die ständerätliche Rechtskommission solle die strafrechtlichen Massnahmen unter dem Aspekt des Rechtsschutzes, u.a. des Grundrechts- und des Menschenrechtsschutzes, der Bürgerinnen und Bürger beurteilen, und so das Gesamtbild der Vorlage ergänzen. Stein des Anstosses war die Kritik des Anwaltsverbands gewesen, dass mit der angedachten Dynamisierung der Rechtshilfe die Staatsanwältinnen und -anwälte künftig vorzeitig und ohne richterliche Überprüfung Informationen an ausländische Ermittlungsbehörden weitergeben dürften, und zwar nicht nur bei Terrorismus, sondern auch bei anderen Straftaten, die Rechtshilfe erlauben.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Im Rahmen der Revision des Datenschutzgesetzes entschied sich die SPK-NR im August 2019, den Bundesrat mit sechs Motionen (Mo. 19.3960, Mo. 19.3961, Mo. 19.3962, Mo. 19.3963, Mo. 19.3964, Mo. 19.3965) aufzufordern, die Datenschutzbestimmungen in anderen Bundesgesetzen zu vervollständigen.
Mit der Motion 19.3965 wollte die Kommission eine gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung von Personendaten – auch von besonders schützenswerten Daten – durch Flughafenhalter und deren Auftragsbearbeiter schaffen. Im Flugbereich müssten an verschiedenen Stellen Daten bearbeitet werden, etwa zur Flugsicherheit, zum Zutritt zu sicherheitskontrollierten Bereichen, zu Vorfällen und Unfällen oder für Passagierprozesse wie Check-ins. Personendaten müssten an Sicherheitsorgane des Bundes und der Kantone oder an Luftverkehrsunternehmen weitergegeben werden. Zudem seien im Rahmen des Nationalen Sicherheitsprogramms Luftfahrt (NASP) Möglichkeiten zur Videoüberwachung oder zur Bearbeitung von biometrischen Daten geschaffen worden – jedoch fehlten für diese Vorgänge die gesetzlichen Grundlagen. Zudem solle bei Verabschiedung der Revision des Datenschutzgesetzes eine gesetzliche Grundlage für Profiling erstellt werden.
Der Bundesrat erachtete die Erweiterung der Datenbearbeitungskompetenz als nicht notwendig. Die heutigen Vorschritften entsprächen den Vorgaben der internationalen Zivilluftfahrtbehörde und der EU und hätten sich bewährt. Die von der Kommission aufgelisteten Prozesse seien nicht Aufgabe der Flughafenhalter, somit benötigten diese auch keine Kompetenz zur entsprechenden Datenbearbeitung. Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) erhielten die Flughafenhalter zudem die für den Zugang zu geschützten Bereichen im Flughafen nötigen Informationen.
In der Wintersession 2019 behandelte der Nationalrat diese Motion, nicht aber die fünf verwandten Vorstösse. Man habe diese sechs Aspekte aus der Beratung des Datenschutzgesetzes ausgelagert, um weitere Verzögerungen bei Letzterem zu vermeiden, erklärte der Sprecher der SPK-NR Matthias Jauslin (fdp, AG). Er zeigte sich über die ablehnende Haltung des Bundesrates erstaunt, zumal die Kommission die Motion mit 20 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) verabschiedet habe und kein Minderheitsantrag vorliege. Verkehrsministerin Sommaruga versuchte, die Position des Bundesrates noch einmal zu verdeutlichen: In denjenigen Bereichen, in denen die Flughafenhalter für die Sicherheit zuständig sind, erhielten sie bereits heute die notwendigen Informationen; für alle anderen Bereiche, die nicht zu ihren Aufgaben zählten, benötigten sie auch keine entsprechenden Kompetenzen. Wie Simonetta Sommaruga in der Debatte vermutet hatte, nahm der Nationalrat die Motion mit 132 zu 50 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) deutlich an. Die SVP-Fraktion lehnte den Vorstoss einstimmig ab.

Gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung und Bekanntgabe von Personendaten durch die Flughafenhalter

Zusammen mit der Revision des Datenschutzgesetzes hatte der Bundesrat im Dezember 2016 auch einen Entwurf zur Genehmigung des Änderungsprotokolls zum Übereinkommen SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten in die Vernehmlassung gegeben. Gemäss der im Dezember 2019 verabschiedeten Botschaft stelle die Ratifizierung dieses Änderungsprotokolls durch die Schweiz «ein zentrales Kriterium» für den Angemessenheitsbeschluss der EU dar, weshalb der Bundesrat das Abkommen zeitnah ratifizieren möchte. Das revidierte Datenschutzgesetz wird voraussichtlich, so wie es vom Bundesrat vorgesehen wurde, den Anforderungen des Protokolls Rechnung tragen, womit zur Umsetzung des Abkommens keine weiteren Anpassungen des schweizerischen Rechts nötig sind. Der Bundesrat hatte das Protokoll des Europarates Ende Oktober 2019 unterzeichnet und unterbreitete dem Parlament nun die Botschaft zu dessen Genehmigung.

Änderung des Übereinkommens SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (BRG 19.068)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Entgegen dem Nationalrat lehnte der Ständerat in der Wintersession 2019 die Motion Graf-Litscher (sp, TG) für die Schaffung eines gesetzlich verpflichtenden Grundschutzes für kritische Strominfrastrukturen gegenüber Cyberangriffen und relevanten Naturgefahren stillschweigend ab. Zuvor hatte die einstimmige UREK-SR wie auch der Bundesrat dafür plädiert, die Motion abzulehnen. Kommissionssprecher Martin Schmid (fdp, GR) erklärte in der kleinen Kammer, weder der Bundesrat noch die ständerätliche Kommission stellten das Ziel der Motionärin infrage, sie sähen jedoch den gesetzgeberischen Handlungsbedarf nicht mehr gegeben. So seien beispielsweise mit der nationalen Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen 2018–2022 oder mit dem revidierten Energiegesetz, das erst nach Einreichen dieses Vorstosses in Kraft getreten sei und das einige Anpassungen in den Bereichen Datensicherheit erfahren habe, bereits ausreichende Massnahmen erarbeitet worden, um den Schutz dieser wichtigen Infrastrukturen vor Cyberangriffen zu verbessern, erklärte Schmid im Plenum.

Verpflichtender Grundschutz für kritische Strominfrastrukturen (Mo. 17.3496)
Dossier: Schutz kritischer Infrastrukturen

Im Rahmen der Debatte zum Voranschlag 2020 verabschiedete das Parlament auch die Nachträge II und IIa zum Voranschlag 2019. Ersteren hatte der Bundesrat im September 2019 vorgestellt: Der Nachtrag II umfasste 13 Kredite in der Höhe von CHF 93 Mio., was abzüglich interner Kompensationen (CHF 2.6 Mio.) und Wertberichtigungen (CHF 2 Mio.) effektive Mehrausgaben von CHF 88.4 Mio. mit sich brachte. Dies entsprach 0.12 Prozent der Ausgaben des Voranschlags 2019, was im langjährigen Durchschnitt lag (2012-2018: 0.15%). Der grösste Beitrag sei die Einlage für den Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF; CHF 57 Mio.), welche durch eine Änderung der Verbuchungsmethode begründet sei: Die Erträge der Bewirtschaftung der Nationalstrassen sowie Drittmittel von Kantonen und Gemeinden würden neu via ASTRA in den NAF eingelegt; diese Einlage müsse entsprechend erhöht werden. Um verzögerte Projekte fertigzustellen, sollte auch der Kredit für den Betrieb, Ausbau und Unterhalt der Nationalstrassen im Rahmen des NAF um CHF 15 Mio. erhöht werden. Auch in der Sonderrechnung für die Bahninfrastruktur (BIF) sollte der Kredit für den Substanzerhalt der Bahninfrastruktur für die aktualisierte Planung der Infrastrukturbetreiber und Seilbahnen um CHF 232 Mio. erhöht werden, wobei ein Teil dieser Kosten im Voranschlagskredit 2020 für den Betrieb kompensiert würde (-CHF 88 Mio.). Für die termingerechte Fertigstellung der Arbeiten am Ceneri-Basistunnel im Rahmen der NEAT forderte der Bundesrat einen zusätzlichen Kredit in der Höhe von CHF 39 Mio. Schliesslich musste der Bund CHF 25 Mio. zusätzlich an die EL zur IV bezahlen, deren Kosten im Jahr 2019 um denselben Betrag höher ausgefallen waren als im Voranschlag budgetiert.
Im Oktober 2019 legte der Bundesrat zudem den Nachtrag IIa vor, der zur «Honorierung der gezogenen Solidarbürgschaften für die schweizerische Hochseeschifffahrt» nötig geworden sei, wie die Regierung erklärte. Darin fasste sie das neuste Problem bezüglich der Hochseeschifffahrtsbürgschaften, die Einstellung des Schiffsbetriebs der acht Hochseeschiffe umfassenden Massmariner SA, zusammen. Der Bund verbürge Massmariner-Schiffe noch mit CHF 129 Mio., diese Bürgschaften seien nun nach dem Entscheid zum Verkauf dieser Schiffe gezogen worden. Der Bund sei nun gegenüber der betroffenen Bank zur Zahlung der ausstehenden verbürgten Darlehenssumme bis Februar 2020 verpflichtet.
Letzterer Nachtrag führte in der Nationalratsdebatte in der Wintersession 2020 zu einigen Diskussionen. Zuvor hatte der Ständerat alle Nachträge diskussionslos und stillschweigend angenommen. Bereits in der Kommission sei diese Frage intensiv diskutiert worden, erklärte Alois Gmür (cvp, SZ) im Nationalrat; die Mehrheit sei jedoch zum Schluss gekommen, «dass das Parlament wohl keine Alternative hat, als diesen Nachtragskredit zu bewilligen». Ähnlich formulierten es seine Ratskolleginnen und -kollegen, Ursula Schneider Schüttel (sp, FR) sprach beispielsweise von einer «zähneknirschenden» Zustimmung. Pirmin Schwander (svp, SZ) hingegen stellte den Antrag, im Nachtrag II zum Voranschlag 2019 auf die Genehmigung der Zahlung zu verzichten. Der Bund und die betroffene Bank hätten die Begleichung der ausstehenden Darlehenssummen auf Februar 2020 festgelegt, der Bundesrat solle diese Frist nun neu aushandeln und dadurch der Oberaufsicht und dem Parlament die Möglichkeit geben, die Einsetzung einer PUK zu prüfen. Auch der SVP-Fraktion sei klar, dass man zahlen müsse, erklärte Schwander, man müsse nun aber Halt sagen und der weltweiten Hochseeschifffahrtsbranche ein Zeichen schicken, dass diese künftig die Preise nicht mehr so stark drücken könne. Bundesrat Maurer goutierte dieses Vorgehen keineswegs: «Sie können hier schon die starke Person spielen und sagen: «Wir bezahlen noch nicht!» Aber wir bezahlen ohnehin», betonte er und bat den Nationalrat, den Nachtrag zu bewilligen. Mit 103 zu 52 Stimmen (bei 40 Enthaltungen) folgte die grosse Kammer dieser Bitte. Die SVP sprach sich geschlossen gegen den Nachtrag aus, die SP und vereinzelte Nationalrätinnen und Nationalräte anderer Fraktionen enthielten sich ihrer Stimme.
Genauso wie diesen Nachtrag genehmigte der Nationalrat auch die übrigen, kleineren Ausgaben: unter anderem CHF 3.4 Mio. aufgrund der Erhöhung des Beitragssatzes der Schweiz für das UNO-Budget; CHF 1.7 Mio. für die Arbeitslosenversicherung, da der Bund 2018 einen zu tiefen Beitrag geleistet hatte; CHF 1 Mio. für das IT-Programm Genova, die durch eine Verzögerung von sechs Monaten aufgrund von Stabilitätsmängeln der Software nötig geworden waren; CHF 430'000 aufgrund von Änderungen am Beitragsschlüssel der OECD; CHF 350'000 für die Bundesanwaltschaft, die durch die Untersuchungen im Disziplinarverfahren betreffend Bundesanwalt Michael Lauber nötig geworden waren; sowie CHF 300’000 für die Zollverwaltung aufgrund der Erhöhung des Frontex-Budgets.

Nachtrag II zum Voranschlag 2019
Dossier: Bundeshaushalt 2019: Voranschlag und Staatsrechnung

Nachdem die Behandlung der Motion Wobmann (svp, SO) auf Antrag des Ständerates für rund 1.5 Jahre ausgesetzt worden war, nahm sich der neu zusammengesetzte Ständerat in der Wintersession 2019 neuerlich dem Verbot der salafistischen Organisation «Lies!» an und machte damit kurzen Prozess, indem er stillschweigend seine Ablehnung kundtat. Die SiK-SR hatte sich bereits im November mit 6 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen für eine Ablehnung ausgesprochen, da zwischenzeitlich die abgewarteten Entwürfe zu den Bundesratsvorlagen 19.032 und 18.071 vorlagen, die eine in ihren Augen ausreichende Verstärkung der präventiven Polizeimassnahmen gegen Terrorismus und Verschärfung der strafrechtlichen Massnahmen zusicherten. Der Motionär gab dennoch zu bedenken, dass es sich bei der «Lies!»-Verteilaktion nicht etwa um unbedenkliche «Give-aways» handle, sondern um einen Ort der Radikalisierung. Den wahrgenommenen Rückgang der «Lies!»-Bücher auf den Strassen dürfe man nicht fälschlicherweise als ein Erlöschen der Promotionsaktivitäten verstehen – im Gegenteil: Die politische Bekämpfung der «Lies!»-Promotion habe bisweilen lediglich eine Namensänderung der Aktion in «Koran-Botschaften» bewirkt – was hinsichtlich des Vorstosses aber keinen Unterschied mache, da die vorliegende Motion auch solche Eventualitäten berücksichtigt habe. Zudem konnte Walter Wobmann nicht nachvollziehen, weshalb der Bundesrat hinsichtlich dieser Bücher zu einer anderen Einschätzung gelangt sei als die Nachbarländer der Schweiz, welche ein Verbot solcher Verteilaktionen ausgesprochen hätten. Die anwesende Bundesrätin Amherd beteuerte, der Bundesrat habe nie gesagt, dass es keinen Handlungsbedarf gebe, jedoch sei für ihn klar, dass man mit den neuen Bundesratsvorlagen genügend gesetzgeberische Instrumente zur Hand habe, um diesen Entwicklungen vorzubeugen.

Verbot der salafistischen Organisation "Lies!" und Unterbindung der Verbreitung von jihadistischem Gedankengut (Mo. 17.3583)
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Die verschiedenen Kommissionen im Parlament werden von Kommissionssekretariaten unterstützt, die administrativ den Parlamentsdiensten unterstellt sind. Damit sind diese sozusagen im Sandwich zwischen den politischen Kommissionen und der Verwaltung. Dieser Umstand warf bei der SPK-NR die Frage auf, wem die Sekretariate Folge leisten müssen, wenn sie von den Parlamentsdiensten und den Kommissionen jeweils unterschiedliche Weisungen erhalten. Die Antwort darauf soll nun mittels einer Kommissionsinitiative gegeben werden. Die Klärung der Kompetenzen der Parlamentsdienste soll laut der SPK-NR auch eine mögliche Neuregelung der Aufsicht über die Parlamentsdienste beinhalten. Die Aufsicht dürfe nicht mehr auf die Dienstleistungen der Beaufsichtigten angewiesen sein. Darüber hinaus soll das Parlament bzw. zumindest die Kommissionspräsidentinnen und -präsidenten bei der Anstellung von Kommissionssekretärinnen und -sekretären stärker einbezogen werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Kommissionen im Falle eines Expertenbeizugs über genügend finanzielle Mittel verfügen, die sie eigenständig verwalten können.
Die SPK-NR hatte Mitte April 2019 einstimmig beschlossen, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Allerdings hatte sich ihre Schwesterkommission (SPK-SR) im August gegen Folgegeben entschieden – sie sah keinen Handlungsbedarf. Weil die nationalrätliche Kommission aber einstimmig an ihrer Idee festhalten wollte, kam das Geschäft in der Wintersession 2019 in den Nationalrat. Dort gab man der parlamentarischen Initiative diskussionslos Folge.

Klärung der Kompetenzen der Parlamentsdienste (Pa. Iv. 19.432)

Erneut musste sich der Nationalrat mit der parlamentarischen Initiative Berberat (sp, NE) befassen, weil sich der Ständerat noch einmal für Folge geben entschieden hatte, obwohl die grosse Kammer in der Sommersession entschieden hatte, nicht auf die Vorlage einzutreten. In der Zwischenzeit hatte sich die SPK-NR mit 12 zu 11 Stimmen ein weiteres Mal gegen die Vorlage für ein transparentes Lobbying ausgesprochen.
Allerdings mochte der Nationalrat – nota bene nach den eidgenössischen Wahlen in neuer Besetzung – diese Empfehlung überraschend deutlich nicht befolgen. Mit 107 zu 66 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgte der geschlossene rot-grün-grünliberale Block, unterstützt von jeweils fast der Hälfte der FDP- und der Mitte-Fraktion sowie 8 Mitgliedern der SVP-Fraktion der Kommissionsminderheit. Nur ein halbes Jahr seit der ursprünglichen Ablehnung (damals mit 103 zu 72 Stimmen) hatte sich der Wind in der grossen Kammer also stark gedreht.
In der Debatte wurde betont, dass es sich beim vorliegenden Vorschlag um eine Minimallösung handle, es sei ein «kleiner Schritt in die richtige Richtung», wie sich Minderheitensprecher Matthias Jauslin (fdp, AG) ausdrückte. Es gehe jetzt und hier für das neue Parlament darum, zu zeigen, ob mehr Transparenz als Wahlversprechen ehrlich gemeint gewesen sei, so der Aargauer Freisinnige weiter. Für die SP bestehe Handlungsbedarf, fasste Nadine Masshardt (sp, BE) die Position ihrer Fraktion zusammen. Lobbying gehöre zum System, brauche aber Transparenz, klare Regeln und chancengleichen Zugang. Solche Regeln könnten aber nur geschaffen werden, wenn man mal wenigstens auf die Vorlage eintrete, um sie dann noch zu verbessern. Balthasar Glättli (gp, ZH) richtete sich an «jene, die zum ersten Mal in diesem Rund sitzen»: Wenn man nicht wolle, dass das Geschäft weg vom Tisch sei, müsse man für Eintreten votieren. Auf der Gegenseite argumentierte Ruth Humbel (cvp, AG) für die Mitte-Fraktion, dass die Vorlage keinen Mehrwert bringe, sondern nur mehr Bürokratie und «das beruhigende Gefühl, etwas getan zu haben». Lobbying werde zudem überbewertet und es sei staatspolitisch zweifelhaft, dass Lobbyistinnen und Lobbyisten per Parlamentsgesetz zum Teil des Parlamentsbetriebs gemacht würden. Tiana Angelina Moser (glp, ZH) entgegnete, dass man zuerst einmal eintreten müsse und dann debattieren könne, ob man hier ein Bürokratiemonster schaffe. Die GLP wolle einen Schritt weiterkommen und beantrage deshalb Eintreten. Für die SVP, die den Antrag der Mehrheit auf Nicht-Eintreten unterstützte, ergriff kein Mitglied das Wort.

Transparentes Lobbying (Pa. Iv. 15.438)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Nach der Konstituierung und Vereidigung des Nationalrats, schritt dieser – noch einmal geleitet von der Alterspräsidentin Maya Graf (gp, BL) – zur Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20. Die amtierende erste Vizepräsidentin, Isabelle Moret (fdp, VD), wurde erwartungsgemäss als Präsidentin bestimmt. Von den 200 ausgeteilten Wahlzetteln waren 2 ungültig und 5 entfielen auf Diverse. Mit 193 Stimmen gelang der 14. Frau im Präsidentenamt ein Rekordresultat. Damit wurde zum 19. Mal eine Volksvertretung aus dem Kanton Waadt ins oberste Schweizer Amt gewählt.
Moret dankte in ihrer Rede ihrer Vorgängerin Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), die die Repräsentation der Frauen in der Politik immer wieder thematisiert habe – mit Freude nehme sie auch die Zahl der Frauen im Saal zur Kenntnis. Es sei Moret auch hinsichtlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts ein Anliegen, die Bemühungen ihrer Ratskollegin weiterzuführen. Das neue Parlament habe die Chance, wichtige Themen anzupacken: So etwa die Familien- und Gleichstellungspolitik, die Reform der Sozialversicherungen, die Umweltpolitik, aber auch die Gesundheitspolitik, momentan eine der grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Mit ihrem Ausruf «Vive la Suisse! Es lebe die Schweiz! Viva la Svizzera! Viva la Svizra!» erntete die neue Präsidentin Applaus. Bevor sie zur Wahl des ersten Vizepräsidenten überleitete, verwies Moret auf den Umstand, dass das Parlament nicht nur noch nie so weiblich, sondern auch noch nie so jung gewesen sei. Als Zeichen, wie wichtig die Jugend sei, liess Moret die olympische Flamme der Jugend-Winterspiele, die im Januar 2020 im Kanton Waadt stattfinden werden, in den Saal tragen. Dies solle ein Ansporn für die Schweizer Jugend sein, über sich selbst hinauszuwachsen.
Zum ersten Vizepräsidenten wurde im Anschluss Andreas Aebi (svp, BE) gewählt. Für dieses Amt wäre eigentlich Heinz Brand (svp, GR) vorgesehen gewesen. Der Bündner, der im November 2018 zum ersten Vizepräsidenten gekürt worden war, war allerdings bei den eidgenössischen Wahlen nicht wiedergewählt worden. Aebi, der 2018 innerhalb der SVP neben Brand ebenfalls als Kandidat für das Amt gehandelt worden war und jetzt zum Handkuss kam, erhielt 178 Stimmen. Von den ausgeteilten Wahlzetteln blieben 9 leer und auf 13 standen andere Namen als jener des Berner SVP-Mitglieds.
In der Folge wurde Irène Kälin (gp, AG) zur zweiten Vizepräsidentin bestimmt. Die Aargauerin erhielt vergleichsweise wenige 112 Stimmen. Von den 195 eingelangten Wahlzetteln blieben 23 leer und 3 waren ungültig. Andere Personen erhielten 57 Stimmen, darunter Regula Rytz (gp, BE; 23 Stimmen) und Bastien Girod (gp, ZH; 11 Stimmen). Das magere Resultat dürfte – neben der Parteizugehörigkeit der neuen zweiten Vizepräsidentin – auch damit zusammenhängen, dass Kälin erst seit 2017 im Nationalrat sass. Kälin war von der Fraktion der grünen Partei Ende November 2019 nominiert worden.
Die vier Stimmenzählenden und die vier Ersatzstimmenzählenden wurden in globo gewählt. Auch hier zeigten sich aufgrund der Stimmenzahl einige ideologische Animositäten, alle acht wurden aber letztlich deutlich gewählt. Zu Stimmenzählerinnen und -zählern wurden Edith Graf-Litscher (sp, TG; 193 Stimmen), Roland Rino Büchel (svp, SG; 194 Stimmen), Daniel Brélaz (gp, VD; 179 Stimmen) und Benjamin Roduit (cvp, VS; 187 Stimmen) gewählt. Die vier sind damit Mitglieder des Büro-NR und sitzen dem Ratsplenum gegenüber, mit der Präsidentin im Rücken. Am gleichen Ort sitzen die Ersatzstimmenzählerinnen und -zähler, die aber nicht Mitglieder des Büros sind: Yvette Estermann (svp, LU; 191 Stimmen), Pierre-Alain Fridez (sp, JU; 193 Stimmen), Gerhard Andrey (gp, FR; 192 Stimmen) und Philipp Kutter (cvp, ZH; 190 Stimmen).

Wahl des Nationalratspräsidiums 2019/20
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Am ersten Tag der neuen Legislatur nahm Thomas Minder (parteilos, SH) neuerlich einen Anlauf für öffentliche Abstimmungen im Ständerat. Er reichte eine parlamentarische Initiative ein, mit der er auch die «grauen Ecken» ausleuchten wolle, die es im Ständerat immer noch gebe, obwohl dieser freilich keine Dunkelkammer mehr sei, wie der Schaffhauser in der Aargauer Zeitung betonte. Zwar war 2014 beschlossen worden, analog zum Nationalrat auch im Ständerat eine elektronische Abstimmungsanlage einzuführen, die Resultate der Abstimmungen werden aber lediglich bei Gesamt- und Schlussabstimmungen veröffentlicht. Das Abstimmungsverhalten von Ständerätinnen und Ständeräten bei Vorstössen oder einzelnen Gesetzesartikeln wird hingegen nicht ersichtlich gemacht.
Beim damaligen Entscheid sei argumentiert worden, dass man nicht scheibchenweise zu einem kleinen Nationalrat werden wolle. Die Forderungen nach mehr Transparenz kämen nicht von der Bevölkerung, sondern von Journalistinnen und Journalisten sowie Forschenden aus der Politikwissenschaft, die Rankings erstellen wollten, zitierte die Aargauer Zeitung ein Statement der damaligen Ständerätin Karin Keller-Sutter (fdp, SG). Minder konterte in der Begründung seiner Initiative, dass die «Vermessung» sowieso stattfinde und das Abstimmungsverhalten auch auf Basis der Videoaufnahmen eruiert werden könne. Er hoffte laut Medien, dass sein Vorstoss dank neuer Mitglieder in der kleinen Kammer eher eine Chance habe. Immerhin sei Abstimmungstransparenz für die elf vom Nationalrat in den Ständerat wechselnden neuen Mitglieder Usus.

Öffentliche Abstimmungen im Ständerat (Pa.Iv. 19.498)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

Es sei «fast so anspruchsvoll wie bei einer Hochzeit», die Sitzordnung im neuen Nationalrat zu finden, titelte die NZZ. In der Tat sorge die Frage: «Wer sitzt wo?» alle vier Jahre für «Gesprächsstoff» (Blick) und sei «ein Prozess mit Nebengeräuschen» (Aargauer Zeitung). «Ein falscher Sitznachbar ist die Hölle», befand gar der Tages-Anzeiger.
Bei der Sitzverteilung gehe es zuerst um die Anordnung der einzelnen Fraktionen im Nationalratssaal. Die hinteren Sitze seien begehrter, weshalb sie in der Regel nicht nur von den Fraktionsspitzen, sondern auch von den grösseren Parteien besetzt werden, während mit den kleineren Fraktionen gegen vorne aufgefüllt werde, so die Medien. Da die Grünen bei den Wahlen 2019 stark zugelegt hatten, hätten sie eigentlich – wie bisher die vier grossen Parteien, wobei die SVP die rechte Ratshälfte von hinten nach vorne aufgefüllt hatte – auch nach hinten zügeln können. Weil es allerdings nicht möglich war, die Fraktionen zusammenzuhalten, das Links-Rechts-Schema abzubilden und auf einzelne Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen – so sollte der auf den Rollstuhl angewiesene Christian Lohr (cvp, TG) einen Platz bei seiner Mitte-Fraktion und gleichzeitig nahe beim Eingang erhalten – verzichteten die Grünen auf dieses Privileg, nachdem elf von den Parlamentsdiensten unterbreitete Vorschläge für eine neue Zuordnung der Fraktionen in die einzelnen Sektoren jeweils abgelehnt worden waren. Als Gegengeschäft auf ihren Verzicht erhielten die Grünen ein Jahr früher als vorgesehen das Nationalratspräsidium, das voraussichtlich also 2022 von Irène Kälin (gp, AG) besetzt werden wird. Darüber hinaus erhielten die Grünen die beiden Präsidien der wichtigen Kommissionen UREK und KVF. Der Zuwachs der Grünen verdrängte die GLP-Fraktion allerdings in die rechte Hälfte des Ratssaales. Die GLP-Fraktion sitzt in der 51. Legislatur damit also neu vor der FDP und links der SVP.
Von den Medien kommentiert wurde zudem die Sitzverteilung innerhalb der Fraktionen, die von diesen innerhalb ihrer zugeteilten Sektoren selber vorgenommen wird und vom SP-Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) laut Aargauer Zeitung als Geschäft mit «viel Sprengstoff» bezeichnet wurde. Als beliebt gelten auch fraktionsintern die hinteren Plätze sowie jene am Rand der einzelnen Sektoren. Wer ganz hinten einen Platz erhalte, sei in der Hierarchie weit oben, so die NZZ. «Hinterbänkler», die in anderen Ländern unwichtige oder keine Funktionen in einem Parlament besetzen und deshalb die hinteren Sitze erhalten, seien also in der Schweiz besonders bedeutend – so die Neue Zürcher Zeitung. Die FDP platziere ihre neuen Gesichter bewusst alle in der vordersten Reihe, wusste der Blick zu berichten. Und auch die beiden CVP-Neulinge Simon Stadler (cvp, UR) und Priska Wismer-Felder (cvp, LU) sässen zwar in der drittletzten Sitzreihe im Saal, diese entspreche aber zugleich der vordersten CVP-Reihe. Ihre Sitze befänden sich zwischen den je drei BDP- und EVP-Vertreterinnen und -Vertretern, die ebenfalls der neuen Mitte-Fraktion angehören. Plätze am Rand seien praktisch, vor allem, wenn sie eine «Spurtdistanz» von der Cafeteria zu den Abstimmungen zuliessen, zitierte die NZZ den ehemaligen Nationalrat Mario Fehr (sp, ZH). Es gebe aber auch sehr unbeliebte Sitze, so der Tages-Anzeiger. Auf der Plenums-Seite des Ratssaales hat es total 188 Nationalratssitze (und die 46 für die Ständerätinnen und -räte reservierten Sitze an der Rückwand) und vis-à-vis vom Plenum sitzt das 11-köpfige Präsidium (Präsident, 1. und 2. Vizepräsident, je vier Stimmenzählende und Ersatzstimmenzählende). Rechts neben den drei Präsidialsitzen bleibt also ein Platz, der vom Tages-Anzeiger als «Strafbank» bezeichnet wurde. Auf diesen setzte die SVP-Fraktion Lorenzo Quadri (lega, TI). Auch die Fraktion der Grünen setzte die beiden parteifremden Mitglieder Denis de la Reussille (pda, NE) und Stéfanie Prezioso Batou (eag, GE) auf eher unbeliebte Plätze in der ersten Reihe. Dass Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) neu auf dem gleichen hinteren Platz sitze, wie einst ihr Vater, war dem Tages-Anzeiger genauso einen Vermerk wert wie die Beobachtung, dass die «Querdenker» Lukas Reimann (svp, SG) und David Zuberbühler (svp, AR) von der SVP-Fraktion in die erste Reihe platziert wurden. Dies sei der elektronischen Anzeigetafel geschuldet. Es sehe geschlossener aus, wenn die Abweichler am Rand sässen, mutmasste die Zeitung. Wer diesmal mit dem Sitznachbarn oder der Sitznachbarin Glück oder Pech habe, lasse sich aber wohl erst mit der Zeit sagen, schloss der Tages-Anzeiger.

Sitzordnung im neuen Nationalrat

Le Conseil fédéral a présenté son concept global de protection et de défense du cyberespace civil et militaire, dans son rapport sur l’organisation de la Confédération pour la mise en œuvre de la stratégie nationale de protection de la Suisse contre les cyberrisques. Une organisation supradépartementale a été privilégiée pour assumer les tâches de cybersécurité, de cyberdéfense et pour la poursuite pénale de la cybercriminalité. Le soutien de l'armée lors de cyberincidents et le déroulement de ses interventions doit encore être défini avec les autorités civiles. Pour assurer la mise en œuvre de la Stratégie nationale de protection de la Suisse contre les cyberrisques (SNPC) 2018-2022, les ressources financières ont été augmentées et une soixantaine de postes de travail supplémentaires ont été créés. Enfin, en comparaison internationale, la Suisse possède des structures dans le domaine de la cybersécurité similaires à celles de plusieurs autres pays. Aucun des pays étudiés, à savoir l'Allemagne, la Finlande, la France, Israël, l’Italie et les Pays-Bas, ne possède une organisation unique pour la réalisation des travaux liés aux cyberrisques et n'a confié à son armée la responsabilité d'assurer la protection contre ce type de danger.

Eine klare Cyber-Gesamtstrategie für den Bund (Po. 18.3003)
Dossier: Cyber Defence

Le Conseil fédéral présente une ébauche de la structure et des tâches du centre de compétences pour la cybersécurité dans son rapport sur l’organisation de la Confédération pour la mise en œuvre de la stratégie nationale de protection de la Suisse contre les cyberrisques. Trois mesures y sont décrites, afin que l'organisation du centre de compétences réponde aux exigences de centralisation formulées par le Parlement, tout en s'appuyant sur les capacités existantes. Le guichet national devra se créer une aura externe afin d'être perçu comme le guichet unique. Il faudra disposer d'un pool d'experts pour appuyer les offices dans la mise en œuvre des mesures dans le domaine de la cybersécurité. Enfin, pour la réalisation de certaines tâches, le centre de compétences devra collaborer avec les services munis de l'expertise et des capacités nécessaires.

Schaffung eines Cybersecurity-Kompetenzzentrums auf Stufe Bund (Mo. 17.3508)
Dossier: Cyber Defence

Gut ein Jahr nach der Veröffentlichung des Vernehmlassungsberichts verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Vorläuferstoffgesetz. Kernelement des neuen Gesetzes ist die Regulierung des Zugangs von Privatpersonen zu Vorläuferstoffen für explosionsfähige Stoffe. Darunter fallen Chemikalien wie Wasserstoffperoxid, Aceton und Nitrate, die in Produkten des täglichen Gebrauchs enthalten sind und zur Herstellung von sogenannten Home-Made Explosives (HME) missbraucht werden können. Produkte, die erhöhte Konzentrationen dieser Stoffe enthalten, sollen von Privatpersonen künftig nur noch mit einer Bewilligung des Fedpol erworben werden können, zu deren Erlangung der Verwendungszweck des Produkts angegeben werden muss. Die Liste der betroffenen Substanzen sowie die Konzentrationsgrenzwerte will der Bundesrat von der EU übernehmen, um keine neuen technischen Handelshemmnisse zu schaffen. Zudem sollen die Herstellung und der Besitz von HME ausdrücklich verboten werden. Darüber hinaus will der Bundesrat die betroffenen Wirtschaftssektoren für das Missbrauchsrisiko sensibilisieren und sie ermutigen, Verdachtsfälle dem Fedpol zu melden. Das neu geschaffene Meldesystem soll den Polizeibehörden bei der Verhinderung von einschlägigen Straftaten einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Der Bundesrat betonte in der Botschaft aber gleichermassen, dass das neue Gesetz für die Endverbraucherinnen und -verbraucher, die Wirtschaftsakteure und die Kantone nur geringfügige Auswirkungen habe, insbesondere was die Kosten und die Personalschulung betreffe.

Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung

Um im Nationalrat eine Fraktion bilden zu können, braucht eine Partei mindestens fünf Mandate. Hat sie weniger Sitze, bleiben ihre Mitglieder entweder fraktionslos oder aber müssen sich mit anderen Parteien zu einer Fraktion zusammenschliessen. Fraktionslosigkeit hat in den letzten Jahren stark abgenommen, wie eine Studie der Universität Bern zeigte. Dies hat auch damit zu tun, dass Fraktionszugehörigkeit eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt. So erhalten Fraktionen nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch der Zugang zu Kommissionen, und die Vertretung im Ratsbüro, das unter anderem zuständig ist für die Sessionsprogramme, sind Fraktionsmitgliedern vorbehalten. Darüber hinaus haben Fraktionslose beschränkte Redezeiten und ihre mangelnde Verknüpfung schränkt ihren politischen Einfluss weiter ein. Der Anreiz, einer Fraktion anzugehören, ist also auch für eine kleine Partei gross.

Fraktionslosigkeit drohte nach den eidgenössischen Wahlen 2019 der BDP, die von ihren sieben Sitze vier abgeben musste und deshalb keine eigene Fraktion mehr bilden konnte. Unterschlupf fanden die drei verbliebenen BDP-Mitglieder bei der CVP. Zusammen mit der EVP bildeten sie die neue «Mitte-Fraktion». Politisch passe die BDP gut zur CVP, urteilte die NZZ basierend auf dem Parlamentarier-Rating 2019, bei dem sich die beiden Parteien auf einer Links-Rechts-Skala überlappten. Die EVP, die ebenfalls drei Sitze beisteuerte, sei wesentlich weiter links angesiedelt. Die Schweiz brauche eine starke politische Mitte, gaben die Verantwortlichen bekannt.
Nun werde Gerhard Pfister (cvp, ZG) noch mächtiger, titelte der «Blick». In der Tat überholte die Mitte-Fraktion hinsichtlich der Anzahl Mitglieder die FDP-Liberale Fraktion. Mit 44 Mitgliedern (31 im National- und 13 im Ständerat) hatte sie drei Mitglieder mehr als die FDP (29 und 12) und war damit hinter der SVP- (55 und 7) und der SP-Fraktion (39 und 9) drittstärkste Kraft im Parlament. In der Aargauer Zeitung wurde auf die vor Jahren diskutierte Fusion zwischen BDP und CVP angespielt. Das sei aber kein Thema, gaben die CVP-Spitzen bekannt; die Fraktion sei nur ein wichtiges Arbeitsinstrument. Die Mitte-Fraktion werde wohl häufig die Rolle der Schiedsrichterin spielen, vermutete die Zeitung Le Temps.

Nicht nur die Mitte-Fraktion bestand aus mehreren Parteien, sondern auch die SVP-Fraktion nahm Parteifremde in ihrem Schoss auf: Thomas Minder (parteilos, SH) und Lorenzo Quadri (lega, TI) hatten schon in den vorhergehenden Legislaturen in der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei Unterschlupf gefunden. Neu hinzu stiess Andreas Gafner (edu, BE), der für die EDU im Kanton Bern einen Sitz erobert hatte. Auch die Grüne Fraktion, die 35 Mitglieder (30 und 5) aufwies, umfasste zwei weitere Parteien, nämlich die PdA – auch hier hatte Denis de la Reussille (pda, NE) schon in der 50. Legislatur bei den Grünen gesessen – und Ensemble à Gauche, für die Stéfanie Prezioso Batou (egsols, GE) einen Sitz gewonnen hatte. Die kleinste Fraktion der 51. Legislaturperiode war damit die Grünliberale Fraktion, die aus 16 Nationalratsmitgliedern bestand.

Mitte-Fraktion