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Trotz der deutlichen Annahme des neuen Verfassungsartikels über die Landwirtschaft wuchs die Unzufriedenheit unter den Mitgliedern des Schweizerischen Bauernverbandes. Anfangs Jahr sprach sich die Verbandsleitung gegen die von den französischsprachigen Kantonalsektionen (vor allem Jura und Genf) verlangte Durchführung einer Manifestation auf dem Bundesplatz in Bern aus. Angesichts der Auseinandersetzungen mit der Polizei vor vier Jahren, als Demonstranten versuchten, die Absperrungen vor dem Bundeshaus zu durchbrechen, erachtete die Verbandsleitung eine neue Kundgebung am selben Ort für potentiell kontraproduktiv.

Im Herbst kam der SBV dann auf seinen Entscheid zurück und rief für den 23. Oktober zu einer Demonstration auf dem Bundesplatz auf. Dabei bestätigten sich die ursprünglichen Bedenken der Verbandsführung. Wie 1992 nahmen wieder etwa 15'000 Bauern an der Versammlung teil, und wieder kam es zu heftigen Kämpfen mit der Polizei, als einige Hundert Manifestanten (vor allem aus dem Jura) versuchten, die Absperrungen vor dem Parlamentsgebäude niederzureissen. Noch bevor die SBV-Vertreter ihre Ansprachen beenden konnten, musste die Kundgebung abgebrochen werden.

Unzufriedenheiten gegenüber dem SBV

Nach dem Abbau der Defizite soll gemäss den Vorschlägen des Bundesrates eine verfassungsmässige Schuldenbremse sicherstellen, dass der Bundeshaushalt im Gleichgewicht bleibt. Eine solche hatte im letzten Jahr auch der damalige Bundesrat Otto Stich vorgeschlagen, wobei er zwei Varianten - die Ausgabenregel, die das zulässige Ausgabenwachstum an der mittelfristigen Wachstumsrate der Wirtschaft ausrichtet und die Saldoregel, bei der das Ergebnis der Finanzrechnung mit dem Wirtschaftswachstum gekoppelt wird - zur Diskussion gestellt hatte.

Die Vernehmlassung zeigte, dass eine Mehrheit der Parteien, Kantone und Verbände die Ausgabenregelung und damit die «weichere» Variante mit eher indikativem Charakter bevorzugt. Der Bundesrat könnte somit erst gegen Ausgabenbeschlüsse des Parlaments einschreiten, wenn dieses ein Budget mit einem Ausgabenwachstum von mehr als 10% gegenüber der zuletzt angenommenen Finanzrechnung verabschiedet. Stark umstritten war auch die Behandlung der Investitionsausgaben. Beide Varianten verzichten auf eine Sonderbehandlung dieser Ausgabenkategorie, eine starke Minderheit der Vernehmlasser sprach sich aber vehement dafür aus, Investitionen von der Schuldenbremse auszunehmen. SP und LdU möchten die Sozialversicherungen ausklammern. Die detaillierte Botschaft zur Schuldenbremse soll dem Parlament erst nach Inkrafttreten des Sanierungsartikels unterbreitet werden.

Schuldenbremse (BRG 00.060)
Dossier: Schuldenbremse

Anfangs Herbst diskutierte der Bundesrat, gestützt auf den IDA-FiSo-Bericht, die Weiterentwicklung der Sozialversicherungswerke. Dabei vertrat er die Überzeugung, dass sich das schweizerische Sozialversicherungssystem bewährt hat und kein radikaler Systemwechsel erforderlich ist. Dennoch nahm er die finanziellen Entwicklungsperspektiven mit Sorge zur Kenntnis. Zur Ergänzung der von der Arbeitsgruppe vorgenommenen Analyse beschloss er deshalb, eine Folgearbeitsgruppe IDA FiSo 2 einzusetzen. Sie soll die sozialen und finanziellen Auswirkungen beleuchten, die sich aus einem Aus- oder Abbau bestimmter Sozialversicherungsleistungen ergeben würden. Um den Prüfungsrahmen abzustecken, definierte der Bundesrat einen Katalog von Leistungen im Rahmen von AHV, IV, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, bei denen Ausbau- oder Abbauelemente zu prüfen sind. Diese Elemente sind unter Annahme dreier finanzieller Szenarien (beschränkter Ausbau, Weiterführung des heutigen Leistungssystems, gezielter Leistungsabbau) zu beziffern. Im Rahmen seiner Grundsatzdiskussion beschäftigte sich der Bundesrat auch mit der Frage, welche Sozialversicherungsreformen bereits vor Abschluss der Arbeiten der IDA FiSo 2 an die Hand genommen werden sollten. Er kam dabei zum Schluss, dass die IV-Revision dringlich ist, und dass die EO-Revision sowie die Errichtung einer Mutterschaftsversicherung nicht weiter aufgeschoben werden sollten. Die Vorarbeiten zur 1. BVG-Revision seien weiterzuführen, um diese Reform gleichzeitig mit der 11. AHV-Revision vorlegen zu können.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Im Hinblick auf die anstehende Revision des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) forderte die GPS einen Umbau der zweiten Säule. Sie will den Koordinationsabzug abschaffen, der die Einkommenslimite festlegt, ab der die zweite Säule obligatorisch ist, und der Personen mit kleinem Einkommen benachteiligt. Gleichzeitig soll das Steuerprivileg für die überobligatorische Altersvorsorge begrenzt werden. Die Partei schlug weiter vor, ein Prozent der Pensionsgelder künftig in einen Fonds einzuzahlen, aus dem Risikokapital für kleinere und mittlere Unternehmen bereitgestellt wird. Die Pensionskasse soll zudem neu frei wählbar sein, um es den Versicherten zu erlauben, jene Kasse zu wählen, welche die Gelder nach sozialen und ökologischen Kriterien investiert.

Forderung der GP zum Umbau der zweiten Säule
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

1995 richtete der Bund Subventionen von knapp CHF 23 Mrd. aus, das sind CHF 780 Mio. oder 3,5% mehr als im Vorjahr. Die Bundesbeiträge machten 1995 57% (1994: 52%) der gesamten Bundesausgaben aus. Die Reihenfolge blieb unverändert: Mit 42% flossen die meisten Beiträge in den Bereich der Sozialen Wohlfahrt, wo vor allem die Mehrausgaben für die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung (+400 Mio.) sowie die Leistungen des Bundes an die AHV (+188 Mio.) und IV (108 Mio.) ins Gewicht fielen. Bei den zweit- und drittgrössten Subventionsposten, dem Verkehr (25%) und der Landwirtschaft (14%), blieb die Summe praktisch konstant. Bei den Bundesbeiträgen 1995 handelte es sich wertmässig zu 64% um Finanzhilfen (Förderungs- und Erhaltungssubventionen) und zu 36% um Abgeltungen (Entgelte für im Bundesinteresse erbrachte Leistungen). Gute 36% flossen an Sozialversicherungen, 33% an Kantone und Gemeinden, 9% an private Haushalte und Institutionen, 10% kamen bundeseigenen Unternehmungen zugute und 7% gingen ans Ausland und an internationale Organisationen.

Bundessubventionen 1995

Die Behandlung zweier Motionen führte in der Sommersession des Nationalrates zu einer ausgiebigen Diskussion über die Dringlichkeit der zu ergreifenden Massnahmen zur langfristigen Finanzierung der AHV. Die vom Ständerat bereits angenommene Motion Schiesser (fdp, GL) forderte die Bereitstellung der Botschaft zur 11. AHV-Revision bis zum Sommer 1998. Eine Motion der FDP-Fraktion verlangte, dass diese Revision noch vor Ende der Legislaturperiode (1999) zu verabschieden sei. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission wollte den Bundesrat nicht unter zeitlichen Druck setzen, da zwar das Ziel klar sei, nicht aber der Weg. Um Vermittlung bemühte Stimmen forderten daher die vorgängige Bildung eines breiten Konsenses. Mehrere Redner und Rednerinnen hielten demgegenüber dafür, es sei nun Zeit, rasch zu zeigen, wohin der Weg führen soll. Dafür müssten zwei Jahre ausreichen. Berichte und Grundlagen seien zur Genüge vorhanden. Diese Meinung obsiegte in der Abstimmung, bei welcher die beiden Motionen mit 94 zu 83 bezw. 103 zu 71 Stimmen gutgeheissen wurden. Die Motion der FDP-Fraktion (Mo. 95.3048) wurde vom Ständerat ebenfalls angenommen.

Motion für eine langfristige Finanzierung der AHV (Mo. 95.3534)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)

Bei der Beratung der Legislaturplanung 1995-1999 verlangte eine vom Nationalrat überwiesene Kommissionsmotion, dass der Bundesrat beauftragt wird, noch vor Mitte der Legislatur einen Gesetzesentwurf zur Einführung des in der Verfassungsabstimmung bereits grundsätzlich bewilligten zusätzlichen Mehrwertsteuerprozentes vorzulegen, um die Finanzierung der demographiebedingten Mehrkosten der AHV rechtzeitig sicherzustellen. Nach längerer Diskussion beschloss der Ständerat, die Motion nur als Postulat beider Räte zu verabschieden. Er folgte damit den Ausführungen von Bundesrat Villiger, der zusagte, die Vorlage noch in der laufenden Legislatur den Räten zuzuleiten, sich aber nicht auf einen genauen Zeitpunkt verpflichten lassen wollte.

Kommissionsmotion zusätzlichen Mehrwertsteuerprozentes Finanzierung der demographiebedingten Mehrkosten der AHV

Im Rahmen der Legislaturplanung 1995-1999 hielt der Bundesrat fest, dass seit mehreren Jahren die sozialen Unterschiede in der Schweiz wieder zunehmen. Daraus zog er den Schluss, dass zu den wesentlichen Aufgaben der laufenden Legislatur zwei Prioritäten im Bereich der Sozialpolitik gehören, nämlich die Bewahrung der bereits bestehenden Sozialversicherungen durch die Sicherstellung ihrer finanziellen Grundlagen und die Schliessung von Lücken, wo solche offensichtlich sind. Als wichtige subsidiäre Ziele nannte er die Beseitigung von kostentreibenden Strukturen im Gesundheitswesen, die Existenzsicherung aller Einwohner durch eine bessere Koordination bestehender Instrumente (AHV/IV/EL/BVG) sowie einen besseren Schutz der Mutterschaft.

Bewahrung der bereits bestehenden Sozialversicherungen (96.016)

Die Sozialwerke AHV/IV und EO rutschten erstmals seit 16 Jahren in die roten Zahlen. Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf rund 31'855 Mio. Fr. (+2,9% gegenüber dem Vorjahr), die Ausgaben auf ca. 31'950 Mio. Fr. (+4,5%), was zu einem Defizit von 95 Mio. Fr. führte. Der Ausgleichsfonds der AHV nannte als Grund für das Ungleichgewicht, das allein von der IV verursacht wurde, vorab die schwache Wirtschaftslage.

Die Erträge der AHV nahmen um 2,4% auf 24,5 Mia. Fr. zu, wobei sich die Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern um 1,8% bzw. 340 Mio. Fr. erhöhten. In der IV stiegen die Einnahmen wegen höherer Beitragssätze um 12,3% auf 6,4 Mia. Fr. Da im Gegenzug der Beitragssatz für die EO gesenkt wurde, führte dies dort zu Mindereinnahmen um 32% auf 860 Mio. Fr. Die Bundesbeiträge an die AHV und IV sanken auch 1995 linear um fünf Prozent. Laut Ausgleichsfonds hatte dies bei der AHV 215 Mio. Fr. und bei der IV 130 Mio. Fr. Mindereinnahmen zur Folge. Die Zinseinnahmen stiegen auf 1,2 Mia. Fr. Die Ausgaben der AHV nahmen wegen des höheren Rentnerbestandes und der Rentenanpassung um 4,9% auf 24,5 Mia. Fr. zu. In der IV erhöhten sich die Ausgaben aus den gleichen Gründen um 6,7% auf 6,8 Mia. Fr. Die EO-Ausgaben konnten dank den reduzierten Diensttagen auf 621 Mio. Fr. gesenkt werden. Ende Jahr betrug das Vermögen der drei Sozialwerke rund 27 Mia. Fr. Das Kapitalkonto der AHV wuchs lediglich noch um 9 Mio. Fr. auf 23'836 Mio. Fr. Dies entspricht 97,3% der laufenden Jahresausgabe. Laut AHV-Gesetz darf das AHV-Vermögen in der Regel nicht unter 100% einer Jahresausgabe sinken.

Jahresergebnis 1995 der AHV, IV und EO
Dossier: Jahresergebnisse der IV
Dossier: Jahresergebnisse der EO
Dossier: Jahresergebnisse der AHV

Die im Vorjahr eingeleiteten organisatorischen Reformen beim SBV wurden in kleinen Schritten vorangetrieben. Die Delegiertenversammlung vom November beschloss eine Reduktion der Mitgliederzahlen der Leitungsgremien. Der in Landwirtschaftskammer umbenannte Grosse Vorstand zählt statt 170 noch 100 Personen, und der an die Stelle des Leitenden Ausschusses tretende Vorstand noch maximal 20 Personen. Die finanziellen Mittel der landwirtschaftlichen Organisationen könnten in Zukunft eingeschränkt werden.

Im Anschluss an die negativ verlaufene Volksabstimmung über die Solidaritätsabgaben reichte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats eine Motion ein. Darin verlangte sie die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmungen, welche die Erhebung von Solidaritätsbeiträgen für die Vermarktung von Produkten in den Bereichen Käse und Früchte erlauben. Nur mit knapper Mehrheit lehnte das Plenum diesen Vorstoss ab.

Strukturänderungen innerhalb des SBV und Einreichung der Motion 95.3554

Ende Jahr publizierten 19 hochkarätige Wirtschaftsfachleute um den ehemaligen Diplomaten und ABB-Kopräsidenten David de Pury ein "Weissbuch", in welchem sie nicht nur eine weitestgehende Deregulierung im Wirtschaftsgeschehen, sondern auch eine völlige Neukonzeption der sozialen Sicherheit postulierten. Deren Leistungen sollten nur noch nach streng gehandhabten Bedürfnisklauseln ausgerichtet werden. Insbesondere plädierten sie für eine Aufhebung der beruflichen Vorsorge und für eine AHV, die lediglich das Existenzminimum sichern würde. Die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards im Alter - nach heutiger Auffassung in erster Linie Aufgabe der 2. Säule - sollte hingegen rein der privaten Vorsorge, d.h. allein den Arbeitnehmern überlassen bleiben. Privatisieren wollten die Unternehmer auch die Arbeitslosenversicherung, obgleich die Privatversicherer angesichts der nicht kalkulierbaren Risiken bereits vor Jahren diese Idee abgelehnt hatten.

Publikation "Weissbuch"

Diese Zahlen, die sich bereits in der zweiten Hälfte des Berichtsjahres abzeichneten, gaben jenen Stimmen vor allem aus Arbeitgeberkreisen Auftrieb, die schon seit einiger Zeit Bundesrätin Dreifuss angriffen und ihr unterstellten, sie beschönige die finanziellen Perspektiven der Sozialwerke. Vorab ihre bei der Präsentation des Drei-Säulen-Berichts gemachte und später in einer Fernsehsendung wiederholte Äusserung, für die Sicherung der AHV brauche es ab dem Jahr 2005 neben dem bereits vorgesehenen Mehrwertsteuerprozent noch einmal Mehreinnahmen im Umfang von einem bis zwei Mehrwertsteuerprozenten bzw. von 1,3 Lohnprozenten, warf im bürgerlichen Lager hohe Wellen, da die Sozialministerin noch 1994 in ihrem "offenen Brief" erklärt hatte, bis mindestens ins Jahr 2000 würde der AHV-Fonds weiter geäufnet, weshalb mittelfristig kein Anlass zur Sorge bestehe. Bei den Erneuerungswahlen in den Bundesrat erzielte Dreifuss das schlechteste Ergebnis des Siebnerkollegiums, was sowohl Beobachter wie sie selber als Ausdruck einer wachsenden Polarisierung in der Sozialpolitik werteten.

AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps offenen Brief an die Bevölkerung

Im Spätsommer leitete der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf für einen allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss zu, welcher ihm die Kompetenz geben soll, mit internationalen Organisationen Abkommen über den Status der internationalen Beamten schweizerischer Nationalität hinsichtlich der schweizerischen Sozialversicherungen (AHV/IV/EO und ALV) abzuschliessen. Die Bestimmung der Schweiz, wonach diese Funktionäre obligatorisch den schweizerischen Sozialversicherungen angeschlossen bleiben (es sei denn, sie würden ein entsprechendes Gesuch stellen), hatte in vielen Fällen - da sie automatisch auch der Pensionskasse der jeweiligen Organisation unterstellt wurden - zu einer unzumutbaren Doppelbelastung geführt. Durch eine Ergänzung der Sitzabkommen, welche durch einen Briefwechsel zwischen dem Bundesrat und den in der Schweiz niedergelassenen internationalen Organisationen vorgenommen wurde, einigte man sich nun darauf, dass diese Beamten nur noch auf freiwilliger Basis den schweizerischen Sozialversicherungen angegliedert werden, wobei sie wählen können, ob sie allen Zweigen oder nur der ALV beitreten wollen. Dieser Bundesbeschluss wurde vom Ständerat diskussionslos und einstimmig angenommen.

Status der internationalen Beamten schweizerischer Nationalität Sozialversicherungen

Der Ständerat doppelte hier noch einmal nach und überwies in der Wintersession praktisch diskussionslos und mit grossem Mehr eine Motion Schiesser (fdp, GL), welche verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament seine Vorlage zur 11. AHV-Revision spätestens auf die Sommersession 1998 vorlegt. Diese Revision soll ganz im Zeichen der Finanzierungsfrage stehen und sicherstellen, dass die mittel- und langfristig sich abzeichnenden hohen Ausgabenüberschüsse der AHV möglichst früh aufgefangen werden können und der Ausgleichsfonds der AHV auch in Zukunft den gesetzlich vorgeschriebenen Betrag von einer Jahresausgabe erreicht. Bundesrätin Dreifuss machte vergebens geltend, dass sie die Besorgnis des Parlaments zwar teile, dass der vorgegebene Zeitplan aber unrealistisch sei für seriöse Vorarbeiten. Das Dossier sei derart komplex, dass der Bundesrat mindestens ein halbes oder ganzes Jahr mehr für einen konkreten Vorschlag brauche. Die dafür eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe (IDA FiSo) wolle ihren Bericht zur Finanzierung der gesamten Sozialversicherung im Frühjahr 1996 vorlegen, weshalb eine Beratung der 11. AHV-Revision erst in der neuen Legislatur (1999-2003) sinnvoll sei. Dreifuss versprach aber, die Mobilisierung des für die AHV-Finanzierung vorgesehenen Mehrwertsteuer-Prozents noch in der laufenden Legislatur vorzulegen. Mit ihrer Argumentation drang die Bundesrätin nicht durch. Unter dem Hinweis, dass auch das Parlament Zeit für eine vertiefte Behandlung brauche, weshalb von der Botschaft bis zur Verabschiedung und dem Inkrafttreten der Vorlage ohnehin noch mehrere Jahre verstreichen werden, hielt Schiesser an der Form der Motion fest, worauf diese mit 28 zu 7 Stimmen angenommen wurde.

Motion für eine langfristige Finanzierung der AHV (Mo. 95.3534)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)

Nach einem Treffen von Frauen der vier Bundesratsparteien mit Bundesrätin Ruth Dreifuss schloss sich namentlich die neue Genfer SP-Ständerätin und Gewerkschaftsvertreterin Christiane Brunner ihren bürgerlichen Kolleginnen an. Gemeinsam konzipierten sie ein weiteres, ihrer Meinung nach noch konsensfähigeres Modell für eine Mutterschaftsversicherung für alle Frauen. Um den Widerstand der Arbeitgeber zu überwinden, schlugen sie vor, von der Finanzierung über Lohnprozente abzusehen und stattdessen die Mehrwertsteuer um geschätzte 0,4% zu erhöhen. Mit diesem Vorgehen würde die Wirtschaft, welche jährlich rund 330 Mio. Fr. für den freiwillig gewährten oder gesamtarbeitsvertraglich geregelten Mutterschaftsurlaub ausgibt, gewaltig entlastet. Das neue Modell sieht eine Erwerbsausfallentschädigung von 100% während 16 Wochen für alle Frauen vor, die neun Monate vor der Geburt erwerbstätig waren, auch wenn das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft von der Arbeitnehmerin gekündigt wurde. Ebenfalls anspruchsberechtigt sollten Frauen sein, die gegen Lohn im Betrieb des Mannes mitarbeiten, beispielsweise die Bäuerinnen und die Frauen von Gewerbetreibenden. Nichterwerbstätigen Frauen möchten die Parteienvertreterinnen während vier Monaten die Minimalrente der AHV ausrichten. Um sich nicht dem Vorwurf des Gieskannenprinzips auszusetzen, regten sie an, den Plafond beim maximalen rentenbildenden AHV-Einkommen (gegenwärtig knapp 70'000 Fr.) anzusetzen und nicht, wie dies der Vorschlag des EDI vorsah, beim dem für die obligatorische Unfallversicherung massgebenden Höchstbetrag von 97'200 Fr.

Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung (MSVG; BRG 97.055)
Dossier: Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (1989-2004)

SGB und SP beschlossen, die Volksinitiative "für eine Flexibilisierung der AHV - Gegen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen" des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins zu unterstützen, da diese Initiative ihrer Ansicht nach die Weichen für die 11. AHV-Revision in die richtige Richtung stellt. Weil sie andere Vorstellungen von Umwelt- und Energieabgaben haben, verzichteten sie hingegen auf eine Unterstützung der Doppelinitiative der Grünen ("für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann" und "für eine gesicherte AHV - Energie statt Arbeit besteuern").

Eidgenössische Volksinitiativen "für eine Flexibilisierung der AHV - gegen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen" und "für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann" (BRG 97.088)
Dossier: Doppelinitiative der Grünen über die AHV und das Rentenalter (1994-2001)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Der Bundesrat nahm im Oktober den Drei-Säulen-Bericht des EDI zur Kenntnis. Der Bericht zeigt die Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung im Bereich der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (AHI) auf. Angesichts der bereits eingetroffenen und noch zu erwartenden sozio-ökonomischen Veränderungen kommt er zum Schluss, dass an der bestehenden Drei-Säulen-Konzeption grundsätzlich festzuhalten sei und keine grösseren Gewichtsverschiebungen zwischen den einzelnen Säulen vorgenommen werden sollten. Gleichzeitig wurden jedoch einzelne Anpassungen zur Optimierung des AHI-Systems vorgeschlagen. Der Bericht behandelte die finanziellen Auswirkungen der skizzierten Lösungen nicht im Detail. Dies soll die vom Bundesrat im Vorjahr eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe (IDA FiSo) tun, welche im Mai ihre Arbeit aufnahm. Politisch brisantester Punkt des Berichts war die Feststellung, dass die erste Säule (AHV/IV) nach wie vor nicht existenzsichernd ist, wie es die Verfassung verlangt, weshalb eine Neufassung des Verfassungsziels im Sinn einer "Zielhierarchie" vorgeschlagen wurde, bei der die Existenzsicherung zur Aufgabe aller drei Säulen sowie nötigenfalls der Ergänzungsleistungen wird. Diese sollen definitiv in der Verfassung verankert werden.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Wenig erfolgreich war der Schweizerische Bauernverband (SBV) bei den eidgenössischen Volksabstimmungen. Am 12. März wurden alle drei von ihm unterstützten Agrarvorlagen (Landwirtschaftsartikel, Solidaritätsbeiträge und Milchwirtschaftsbeschluss) abgelehnt. Federführend bei den Gegnern waren neben der Vereinigung kleiner und mittlerer Bauern (VKMB) die Umweltschutzverbände, die Parteien der Linken und der Grünen sowie die Biobauern. Damit war der Weg für einen neuen, ökologischer ausgerichteten Agrarartikel vorgezeichnet. Die Bauernvertreter lieferten anlässlich der Beratung dieses neuen Artikels im Parlament zwar noch einige Rückzugsgefechte, namentlich gegen eine zwingende Verknüpfung der Direktzahlungen mit ökologischen Auflagen. Angesichts der Abstimmungsniederlage vom März und den zwei hängigen Volksinitiativen für eine noch marktorientiertere und ökologischere Landwirtschaftspolitik musste sich der SBV aber mit dem vom Parlament verabschiedeten neuen Agrarartikel abfinden.

SBV bei den eidgenössischen Volksabstimmungen 1995

Erfolgreicher fielen für den SBV die eidgenössischen Wahlen vom Oktober aus, obwohl im Vorfeld angesichts des Rücktritts von rund einem Drittel der Landwirtschaftsvertreter eher mit Einbussen gerechnet worden war. Verbandsdirektor Melchior Ehrler schaffte – im zweiten Anlauf – den Einzug in den Nationalrat auf der Liste der aargauischen CVP; Verbandspräsident Marcel Sandoz gelang dasselbe auf der waadtländischen FDP-Liste. Neu zogen – neben vielen anderen Landwirten – auch der Präsident des Bernischen Bauernverbandes Fritz Oehrli (svp) sowie der St. Galler Landwirt Toni Brunner (svp) – mit 21 Jahren jüngster je gewählter Nationalrat – in das Parlament ein.

Der SBV bei den eidgenössischen Wahlen 1995

In der Januarsession bemängelte Ständerat Frick (cvp, SZ) mit einer Motion, dass die 1990 getroffene Regelung, wonach die AHV die von Belgien verweigerten Rentenansprüche von Auslandschweizern aus den ehemaligen belgischen Kolonien Kongo und Ruanda-Urundi übernimmt (Mo. 94.3445), in rund 30 Härtefällen an der zu starr festgesetzten Altersgrenze gescheitert sei, weshalb er vom Bundesrat die Vorlage eines abgeänderten Bundesbeschlusses verlangte. Da dieser zusagte, die Angelegenheit noch einmal eingehend prüfen zu wollen, erklärte sich der Motionär mit der Umwandlung in ein Postulat einverstanden. Die Landesregierung hielt Wort und leitete dem Parlament bereits im Mai die entsprechenden Bundesbeschlüsse zu, welche von beiden Kammern praktisch einstimmig angenommen wurden.

Bundesbeschluss Sozialversicherungsansprüche der Schweizer der ehemaligen belgischen Kolonien Kongo und Ruanda-Urundi (90.097)

Nach dem Nationalrat nahm auch der Ständerat mit Zustimmung des Bundesrates diskussionslos eine Motion Tschopp (fdp, GE) zur Erstellung von statistischen Indikatoren für künftige AHV-Revisionen an, auf deren Grundlage die Entwicklung der wichtigsten demographischen und wirtschaftlichen Parameter verfolgt werden kann.

Motion Entwicklung der wichtigsten demographischen und wirtschaftlichen Parameter AHV

In der 11. AHV-Revision soll das Rentenalter der Frauen und der Männer gleich hoch angesetzt werden. Der Nationalrat überwies ebenfalls eine entsprechende, im Vorjahr verabschiedete Motion der zuständigen Ständeratskommission. Bundesrätin Dreifuss erklärte sich im Namen des Bundesrates bereit, den Vorstoss in der verbindlichen Form entgegenzunehmen, da die finanziellen Aussichten dieses Sozialwerks tatsächlich nicht rosig seien und voraussichtlich bereits im Jahr 2000 das dafür vorgesehene zusätzliche Mehrwertsteuerprozent beansprucht werden müsse. Die grosse Kammer betonte, dass es nicht nur darum gehe, die Vorarbeiten für die 11. Revision ohne Verzug in Angriff zu nehmen, sondern dass der Bundesrat eigentlich verpflichtet werden müsste, die Vorlage in der neuen Legislatur parlamentsreif vorzulegen.

Aufnahme des gleichen Rentenalters in die 11. AHV-Revision (Mo. 94.3175)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Die Zustimmung fiel einem Teil der Stimmberechtigten auch deshalb relativ leicht, weil sie sich erhoffen konnten, dass - unter Beibehaltung der Vorteile für die Frauen - die Frage des Rentenalters durch die von der SP und den Gewerkschaften lancierte Volksinitiative "für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters", welche kurz vor der Volksabstimmung mit 105'947 gültigen Unterschriften zustande kam, noch einmal beurteilt werden kann.

Eidgenössische Volksinitiative "für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters" (BRG 97.008)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Nach einer relativ spannenden Abstimmungskampagne, in welcher sich sowohl Bundesrätin Dreifuss als auch die Basis der SP, die dazu erstmals seit 74 Jahren wieder in einer Urabstimmung befragt wurde, von den Gewerkschaften absetzten, wurde die 10. AHV-Revision in der Volksabstimmung mit rund 60% der Stimmen deutlicher angenommen als erwartet. Allerdings lehnten vier Kantone der Romandie sowie das Tessin die Vorlage ab, am deutlichsten die Kantone Tessin und Jura mit über 60% Neinstimmen. Die stärkste Annahme wurde in den beiden Appenzell und im Kanton Zürich erreicht. Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass die Heraufsetzung des Rentenalters die Frauen nicht stärker gegen die Vorlage zu mobilisieren vermochte als die Männer. Offenbar wurden das neue Splitting-System und die zusätzlich eingeführten Leistungen für Frauen mit Erziehungs- und Betreuungspflichten höher gewertet als der für die Frauen anfallende Nachteil durch die Erhöhung des Pensionierungsalters.

Abstimmung vom 25. Juni 1995 über die 10. AHV-Revision

Beteiligung: 40,4%
Ja: 1'110'053 (60,7%)
Nein: 718'349 (39,3%)

Parolen:
- Ja: FDP, CVP, SVP, SP (3*), GP (2*), LP, LdU, EVP, FP, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, Pensionskassenverbände, Bund Schweiz. Frauenorganisationen, Schweiz. Gemeinnütziger Frauenverein, Schweiz. Landfrauenbund, Caritas Schweiz
- Nein: Lega, PdA; SGB, CNG

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Die 1990 von SP und SGB eingereichte Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV", welche eine Verlagerung von der 2. Säule (Pensionskasse) auf die 1. Säule (AHV) und die Einführung einer Vorruhestandsregelung ab 62 Jahren verlangte, wurde von Volk und Ständen klar abgelehnt. Die stärkste Zustimmung fand die Vorlage im den Kanton Tessin mit über 43% der Stimmen, gefolgt von den Kantonen der Romandie, die - mit Ausnahme des Wallis - einen Ja-Anteil von über 30% aufwiesen. Die geringste Unterstützung - mit deutlich weniger als 20% der Stimmen - wurde in den beiden Appenzell und in Unterwalden registriert. Das gesamthaft negative Ergebnis war im Vorfeld der Abstimmung allgemein erwartet worden. Auch wenn, wie die Vox-Analyse zu diesem Urnengang zeigte, eine Mehrheit der Stimmenden der Meinung war, dass mit 62 eine Pensionierung ohne materielle Einbusse möglich sein sollte, überwogen doch die finanzpolitischen Bedenken gegenüber dieser Lösung.

Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV"
Abstimmung vom 25. Juni 1995
Beteiligung: 40,3%
Nein: 1'307'302 (73,4%) / 20 6/2 Stände
Ja: 499'266 (27,6%) / 0 Stände

Parolen:
- Nein: FDP, CVP, SVP, LP, LdU, EVP, FP, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, Pensionskassenverbände
- Ja: SP, GP (1*), PdA; SGB
Stimmfreigabe: Lega; CNG

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «zum Ausbau von AHV und IV»
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)