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Wie von der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission empfohlen, liess der Bundesrat die AHV- und IV-Renten per 1. Januar 2018 unverändert. Die schwache Erhöhung der Preis- und Lohnindizes würden keine Veränderung der Renten rechtfertigen, erklärte er. Die AHV/IV-Minimalrente blieb somit bei CHF 1175, die Maximalrente bei CHF 2350 und auch verschiedene andere Leistungen und Beträge, die mithilfe der AHV-Mindestrente berechnet werden, blieben auf dem Niveau von 2017.

AHV/IV-Renten 2018 bleiben unverändert
Dossier: Anpassung der AHV- und IV-Renten

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Zusammenfassung
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Stabilisierung der AHV – AHV 21

Im Dezember 2021 verabschiedete das Parlament die AHV-21-Reform. Bereits früh in der Ratsdebatte hatten sich die Räte entschieden, das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre zu erhöhen und damit demjenigen der Männer anzugleichen. Nach zahlreichen verschiedenen Modellen und Vorschlägen einigten sich die Räte zudem auf Ausgleichsmassnahmen für die direkt von der Rentenaltererhöhung betroffenen Frauen: Die ersten neun Jahrgänge, die von der Reform betroffen sind, sollten entweder einen nach Jahrgang und bisherigem Einkommen abgestuften Rentenzuschlag erhalten oder geringere Renteneinbussen bei einem frühzeitigen Rentenbezug hinnehmen müssen, wobei auch diese Konditionen von der Höhe des bisherigen Einkommens der Betroffenen abhängig sind. Der Start des Rentenbezugs soll für alle Neu-Rentnerinnen und -Rentner flexibilisiert werden. Zusätzliche Einnahmen sollten für die AHV auch durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte generiert werden. Die Erschliessung einer zusätzlichen Finanzierungsquelle für die AHV durch eine Zuweisung sämtlicher zukünftiger Bruttoerträge der SNB respektive der Bruttoerträge aus den Negativzinsen seit 2015 fand im Ständerat keine Mehrheit. Mit den beschlossenen Massnahmen wird der AHV-Fonds im Jahr 2030 voraussichtlich ein Umlageergebnis von CHF -2.4 Mrd. und einen Fondsbestand von 89 Prozent aufweisen – die nächste Reform wurde folglich bereits angedacht. Im September 2022 sprachen sich die Stimmberechtigten mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 50.6 Prozent knapp für die Änderung des AHV-Gesetzes und mit 55.1 Prozent etwas deutlicher für die Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV aus. Wie die Nachbefragung zeigte, hatten sich die Frauen mehrheitlich gegen ihre Rentenaltererhöhung ausgesprochen, waren aber von den Männern überstimmt worden.

Chronologie
Vorentwurf des Bundesrates
Vernehmlassung
Botschaft des Bundesrates
Medienreaktionen und Vorberatung der Kommission
Erste Behandlung Ständerat
Erste Behandlung Nationalrat
Differenzbereinigung Ständerat
BSV präsentiert Finanzperspektiven der AHV bis 2032
Weitere Differenzbereinigung, Einigungskonferenz und Schlussabstimmung
Das Referendum wird ergriffen
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Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Im Februar 2018 verkündete die compenswiss, dass die Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO 2017 die guten Ergebnisse des Vorjahrs bestätigen konnten. Die erreichte Nettorendite von 7.11 Prozent stelle gar einen der höchsten Werte seit 2010 dar; der AHV-Fonds erzielte eine Nettorendite von 6.82 Prozent. Durch eine aktive Verwaltung der liquiden Mittel habe man deren Nettorendite steigern und dadurch die negativen Auswirkungen der Negativzinsen minimieren können. Das Vermögen des Ausgleichsfonds stieg von CHF 34.8 Mrd. im Jahr 2016 auf CHF 36.8 Mrd. 2017. Trotz dieser positiven Ergebnisse verwies die compenswiss auf die schwierige Lage des AHV-Fonds nach der Ablehnung der Altersvorsorge 2020. Diese Problematik offenbarte sich einmal mehr im März 2018, als die compenswiss das Jahresergebnis 2017 der AHV verkündete: 2017 erzielte der AHV-Ausgleichsfonds ein negatives Umlageergebnis von CHF 1.039 Mrd. (2016: CHF 766 Mio.). Die Ausgaben der AHV waren somit auch 2017 – wie es seit 2014 laufend der Fall war – höher als ihre Einnahmen. Dank dem positiven Anlageergebnis und den Zinsen für die IV-Schulden (CHF 114 Mio.) erreichte die AHV dennoch ein positives Betriebsergebnis von CHF 1.087 Mrd. (2016: CHF 439 Mio.).

Jahresergebnis 2017 der AHV
Dossier: Jahresergebnisse der AHV

2017 betrugen die Einnahmen aller Sozialversicherungen in der Gesamtrechnung der Sozialversicherungen (GRSV) CHF 182 Mrd. (2016: 177 Mrd.) und übertrafen damit ihre Ausgaben in der Höhe von CHF 162 Mrd. (2016: 159 Mrd.) um CHF 20 Mrd. Wie im Vorjahr waren zudem die Einnahmen (2017: 3.2%, 2016: 1.3%) stärker angestiegen als die Ausgaben (2017: 1.7%, 2016: 1.1%). Das Gesamtkapital der Sozialversicherungen betrug damit Ende 2017 CHF 998 Mrd. und war somit verglichen mit dem Vorjahr deutlich angewachsen (2016: CHF 922 Mrd.). Die Sozialleistungsquote, die den Anteil aller Sozialversicherungsausgaben am BIP widerspiegelt, kam bei 21.2 Prozent zu liegen.
Detailliertere Berichte zu den Jahresergebnissen der verschiedenen Sozialversicherungszweige finden sich in den Artikeln zur AHV, IV, EO, EL, ALV sowie zur beruflichen Vorsorge.

Gesamtrechnung der Sozialversicherungen (GRSV) 2017

Mit acht Differenzen kam der Voranschlag 2018 schliesslich in die Einigungskonferenz. Hier setzte sich die Version des Nationalrats beim umstrittensten Punkt knapp mit 14 zu 12 Stimmen durch: Die durch die Ablehnung der Altersreform 2020 frei gewordenen CHF 442 Mio. sollen der AHV zugute kommen, allerdings muss der Betrag auf CHF 370 Mio. reduziert werden, damit die Schuldenbremse eingehalten werden kann. In den übrigen, finanziell weniger gewichtigen Punkten folgte die Einigungskonferenz dem Ständerat.
In der Ständeratsdebatte betonte die Präsidentin der FK-SR, Anita Fetz (sp, BS), dass sich der Ständerat über die gesamte Budgetdebatte mehrheitlich durchgesetzt habe – ausser bei den AHV-Millionen. Da sie in der Debatte für alle drei diskutierten Varianten – Einzahlung in die AHV, in den BIF und Verwendung zum Schuldenabbau – Vor- und Nachteile gehört habe, bat sie die Ständekammer, „auf der institutionellen Ebene nicht die gleichen Machtspiele [zu] machen [...] wie unser Schwesterrat“ und entsprechend den Entscheid der Einigungskonferenz anzunehmen. Dagegen sprach sich eine Minderheit Müller (fdp, AG) aus. Die CHF 370 Mio. seien „angesichts des effektiven Finanzbedarfs der AHV [...] eine Placebomassnahme“, und da die gesetzliche Grundlage dazu innert kürzester Zeit und ohne Vernehmlassung geschaffen werden müsste, stünde der Voranschlag auf unsicherem Boden. Dieser Minderheit folgte der Ständerat mit 25 zu 16 Stimmen bei 2 Enthaltungen und lehnte damit den Vorschlag der Einigungskonferenz ab.
„Der Ständerat hat das gemacht, was wir letztes Jahr mit dem Voranschlag gemacht haben. Die Welt dreht sich weiter“, kommentierte Thomas Müller (svp, SG) die ständerätliche Entscheidung in der abschliessenden Nationalratsdebatte.
Somit wurde für die noch offenen Positionen der jeweils tiefere Betrag der beiden Räte aus der dritten Beratungsrunde für den definitiven Voranschlag übernommen. Folglich flossen die CHF 442 Mio. in den Schuldenabbau, AHV und BIF erhielten keine zusätzlichen Gelder. Die Sozialhilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge wurde um CHF 41 Mio. reduziert und folgte somit bereits nicht mehr der 2016 neu geschaffenen Schätzmethode des SEM. Bei der Zollverwaltung wurden keine 30 neuen Stellen für das Grenzwachtkorps geschaffen, die aufgrund des Stellenplafonds andernorts hätten kompensiert werden müssen. Der Betrag für die höhere Schulbildung wurde auf dem bundesrätlichen Vorschlag, der Sollwert bei der Bedarfsplanung auf 2 Prozent belassen und die Gelder der Stiftung Schweizerische Theatersammlung sowie die Entschädigungen an 17 Einsatzbetriebe des Zivildienstes wurden nicht gestrichen. Insgesamt änderte das Parlament damit den bundesrätlichen Vorschlag auf 15 Positionen. Dadurch umfasste der Voranschlag 2018 budgetierte Ausgaben von CHF 71.027 Mrd. und budgetierte Einnahmen von CHF 71.322 Mrd., was einem Überschuss von CHF 295 Mio. und einem strukturellen Überschuss von CHF 437 Mio. entspricht.

Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019-2021 (BRG 17.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2018: Voranschlag und Staatsrechnung

Eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters nach unten und oben ohne negative Auswirkungen auf das finanzielle Gesamtgleichgewicht zwischen AHV, Pensionskasse und Gesundheitskosten sowie auf die Leistungen an die Versicherten hatte das Postulat Béglé (cvp, VD) zum Ziel. Ab dem 58. Altersjahr soll eine 80-prozentige Anstellung zu 80 Prozent des Lohnes mit 100-prozentiger Rentenleistung ermöglicht werden. Zudem sollen die Arbeitnehmenden bis zu ihrem 70. Altersjahr ihren Arbeitsrhythmus selbst wählen und dadurch ihre Altersrente aufbessern können. Ein solches System würde es Seniorinnen und Senioren erlauben, „ihr berufliches Engagement am Ende ihrer Karriere” selbst festzulegen, was ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit verbessern und allgemein die Krankheitskosten senken würde. Die Wirtschaft könnte durch einen flüssigeren Wissenstransfer zusätzlich von der Erfahrung der älteren Mitarbeitenden profitieren, während das finanzielle Gleichgewicht der Altersvorsorge dank der verlängerten Beitragszeit stabil bliebe.
Der Bundesrat teilte die Meinung des Postulanten, wonach sowohl die Arbeitnehmenden als auch die Unternehmen von einer freiwillig möglichen Verlängerung der Arbeitszeit älterer Personen profitieren würden. Da jedoch das tatsächliche Rücktrittsalter gemäss wissenschaftlicher Studien deutlich unter dem Rentenalter liegt, möchte der Bundesrat vor allem Anreize zur Weiterführung der Erwerbstätigkeit schaffen. Eine weitere Senkung des Mindestalters für den Rentenvorbezug auf 58 Jahre – der Bundesrat hatte im Rahmen der Altersvorsorge 2020 ein Mindestalter von 62 Jahren vorgeschlagen – würde diesem Anliegen zuwiderlaufen. Insgesamt erfülle das vom Bundesrat vorgeschlagene Flexibilisierungsmodell die Forderungen des Postulats jedoch mehrheitlich, zudem würde ein neuer Bericht kaum zu neuen Erkenntnissen führen. Folglich empfahl der Bundesrat das Anliegen zur Ablehnung. Der Nationalrat folgte dem Antrag und lehnte das Postulat mit 59 zu 120 Stimmen (1 Enthaltung) ab.

Für ein flexibles Rentenalter ab dem 58. und über das 70. Altersjahr hinaus ohne negative Auswirkungen (Po. 16.3065)
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der ersten Sitzung des Differenzbereinigungsverfahrens zum Voranschlag 2018 erledigte der Ständerat kaum Differenzen. Einzig bei der Einlage in die Publica respektive den Lohnmassnahmen für das Bundespersonal und teilweise bei der Landwirtschaft schwenkte er auf die Linie des Nationalrates um. Somit verzichtete der Bund auf die einmalige Einlage in die Publica und erhöhte stattdessen die Löhne des Bundespersonals um 0.6 Prozent. Im Bereich der Landwirtschaft wurden mehrere Stimmen aus den SVP-, CVP- und FDP-Fraktionen laut, welche das bisherige Vorgehen der kleinen Kammer kritisierten. So sei es nicht in Ordnung, dass man mit der Landwirtschaft – und damit mit den Bauernfamilien – taktische Spiele spiele und sie „quasi immer so in Geiselhaft“ nehme, betonte zum Beispiel Peter Hegglin (cvp, ZG). Dem entgegneten Christian Levrat (sp, FR) und Anita Fetz (sp, BS), dass es sich keinesfalls um Spielchen handle, sondern um eine Gleichbehandlung der zwei Räte. Man brauche für die nächste Runde des Differenzbereinigungsverfahrens und für die Einigungskonferenz noch Verhandlungsspielraum, sonst bräuchte der Ständerat diesbezüglich nicht mehr zu tagen. Dennoch entschied sich die kleine Kammer, dem Nationalrat bei den landwirtschaftlichen Strukturverbesserungen entgegenzukommen, und folgte dem bundesrätlichen Vorschlag, der einen Mittelweg zwischen der Position des Nationalrats und jener des Ständerats in der ersten Runde darstellte. Bei den Direktzahlungen folgte der Ständerat der Minderheit seiner FK-SR mit 25 zu 17 Stimmen (0 Enthaltungen) und damit dem Beschluss des Nationalrats. Ansonsten hielt der Ständerat an seinen Beschlüssen fest. Bei den freigewordenen Geldern der Altersvorsorge 2020 lehnte er einen Minderheitsantrag Müller Philipp (fdp, AG) ab, der alles Geld für den Schuldenabbau verwenden wollte. Der nationalrätliche Vorschlag wurde nicht eingebracht.

Für die erste Sitzung des Differenzbereinigungsverfahrens im Nationalrat beabsichtigte die FK-NR, zahlreiche Differenzen zu bereinigen, wogegen jedoch wie bereits in der ersten nationalrätlichen Behandlung des Voranschlags erneut zahlreiche Minderheitsanträge gestellt wurden. Dennoch pflichtete die grosse Kammer dem Erstrat in zahlreichen Punkten bei: Der höhere Betrag des Ständerats obsiegte somit bei den Familienorganisationen und der ausserschulischen Kinder- und Jugendförderung, bei Swisstopo, den Globalbudgets der Spielbankenkommission, der Steuerverwaltung und der Finanzkontrolle sowie beim Finanzierungsbeitrag an den ETH-Bereich. Bei der Unterstützung kultureller Organisationen und beim Globalbudget des SEM setzte sich der tiefere Betrag des Ständerats durch. Auch bei den vier verbliebenen Differenzen bezüglich der Landwirtschaft stimmte der Nationalrat der kleinen Kammer zu, wodurch Letztere, wie Christian Levrat und Anita Fetz befürchtet hatten, ihre Trümpfe für die übrigen Verhandlungsrunden verlor. Nachdem eingangs dieser Runde im Nationalrat vor allem darüber diskutiert worden war, ob durch die Verwendung der CHF 442 Mio. für die AHV der in der Abstimmung vom 24. September 2017 ausgedrückte Volkswille verletzt würde oder nicht, hielt die grosse Kammer an ihrem Beschluss fest. Damit schloss der Voranschlag des Nationalrates jedoch mit einem strukturellen Defizit von 31 Millionen Franken, wodurch die Schuldenbremse nicht eingehalten werden könnte.

Nachdem der Ständerat in seiner nächsten Sitzung des Differenzbereinigungsverfahrens lediglich bei der Qualitätssicherung Milch, wo er ursprünglich dafür sorgen wollte, dass die Branche wie alle anderen auch ihre Qualitätssicherung selber bezahlt, äusserst knapp eingelenkt hatte, lagen dem Nationalrat in der letzten Sitzung noch zwölf Differenzen vor. Bei der Kulturabgeltung an die Stadt Bern, dem Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) sowie der Finanzierung des Schweizerischen Sozialarchivs und der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace lenkte der Nationalrat ein. Somit verblieben für die Einigungskonferenz noch acht Differenzen, wovon vor allem die Frage, was mit den CHF 442 Mio. geschehen solle, finanziell ins Gewicht fiel.

Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019-2021 (BRG 17.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2018: Voranschlag und Staatsrechnung

Nachdem der Ständerat seine Debatte des Voranschlags 2018 nach vier Stunden beendet hatte, machte sich tags darauf der Nationalrat zu einer schliesslich fast zwölfstündigen Debatte inklusive Nachtsitzung auf, in deren Rahmen er über 80 Minderheitsanträge behandelte. Dies hatte bereits im Vorfeld zu Kommentaren geführt. Finanzminister Maurer hatte den Parlamentarierinnen und Parlamentariern in Bezug auf die Budgetdebatte geraten, ihren Schlafsack einzupacken, Ständerat Comte (fdp, NE) verstand den „Basar“ und die „Quasi-Hysterie“ im Nationalrat als Anzeichen für dessen fehlenden Willen zur Kompromisssuche.
Die grosse Kammer hatte zuerst einen Rückweisungsantrag Meyer (sp, ZH) zu behandeln, gemäss dem der Bundesrat beauftragt werden sollte, den K-Faktor, den Konjunkturfaktor, den wirtschaftlichen Prognosen anzupassen und nach oben zu korrigieren, bei den Teuerungskürzungen die bereits im Rahmen des Stabilisierungsprogramms erfolgte Teuerungskorrektur von 0.7 Prozent in Betracht zu ziehen sowie auf die Kürzungen im Eigenbereich und bei den gezielten Massnahmen zu verzichten. Der K-Faktor erlaube es dem Bund, antizyklisch zu handeln, somit sollen in konjunkturell schlechteren Situationen die Einnahmen auch einmal die Ausgaben übersteigen dürfen. Unter Berücksichtigung des höheren K-Faktors für das Jahr 2018 sei es somit möglich, auf Kürzungen zu verzichten. Mit 134 zu 52 Stimmen (bei einer Enthaltung) sprach sich der Nationalrat jedoch gegen den Widerstand der SP- und der Grünen-Fraktion deutlich gegen eine Rückweisung des Budgets aus.
Die Detailberatung war anschliessend aufgrund der zahlreichen Minderheitsanträge in sechs thematische Blöcke gegliedert. Im Allgemeinen lehnte der Nationalrat die Minderheitsanträge auf (zusätzliche) Kürzungen von der rechten sowie auf eine Reduktion der beantragten Kürzungen von der linken Ratsseite beinahe durchgehend ab und folgte mehrheitlich dem Ständerat. Im ersten Block zu den Querschnittsmassnahmen wurden nur wenige Differenzen zum Ständerat geschaffen. Eine davon betraf die Einlage in die Publica respektive die Lohnmassnahmen beim Bundespersonal, wie sie auch für den Nachtrag II zum Voranschlag 2017 relevant sind. Diesbezüglich wollte Alois Gmür (cvp, SZ) mittels eines Ordnungsantrags, gemäss dem zuerst über die Einlage in die Publica und anschliessend über die Lohnmassnahmen abgestimmt werden sollte, sicherstellen, dass nur einer der beiden Vorschläge angenommen würde, aber nicht beide. Das Bundespersonal solle entsprechend nicht leer ausgehen, jedoch auch nicht übervorteilt werden. Nach Annahme des Ordnungsantrags entschied sich eine aus Mitgliedern der SVP-, FDP- und GLP-Fraktionen bestehende Mehrheit für den anfänglichen Vorschlag des Bundesrates, der Lohnmassnahmen in der Höhe von knapp CHF 33 Mio., dafür keine zusätzliche Einlage in die Publica vorsah, und schuf damit eine gewichtige Differenz zum Ständerat. Eine weitere Differenz kam durch die Zustimmung einer nationalrätlichen Mehrheit aus Mitgliedern der SVP-, FDP- und BDP-Fraktionen zur Änderung des Sollwerts bei der Personalbedarfsplanung zustande: Neu darf diese nicht mehr um maximal 2 Prozent, sondern nur noch um 1 Prozent von den budgetierten Beträgen abweichen.
Im zweiten Block wurden die Ausgaben im Rahmen von Beziehungen zum Ausland behandelt, wo vor allem die Umwandlung der Darlehen an die Sifem, wie sie bereits im Rahmen des Stabilisierungsprogramms angedacht worden war, sowie die Kürzungsanträge beim Seco und der Entwicklungshilfe für Gesprächsstoff sorgten. Differenzen zum Ständerat wurden allerdings keine geschaffen, unter anderem lehnte der Nationalrat einen Vorschlag seiner FK-NR zur Reduktion des Transferaufwands des EDA um CHF 100 Mio. ab. Auch bezüglich der Umwandlung des Darlehens der Sifem in Aktienkapital stimmte der Nationalrat nicht der knappen Mehrheit der FK-NR zu, welche die Ablehnung der Umwandlung beantragt hatte, sondern einem Minderheitsantrag Vitali (fdp, LU), der dem Ständerat folgen und das Aktienkapital der Sifem zusätzlich um CHF 150 Mio. erhöhen wollte. Zuvor waren jedoch erneut Stimmen laut geworden, welche die Umwandlung der Sifem kritisierten – von linker Seite aufgrund der Angst, dass dadurch weniger Geld für die klassische Entwicklungshilfe vorhanden sein könnte, und von rechter Seite, weil der Bund durch eine Umwandlung in Aktienkapital die Hauptlast des Risikos trage.
Der dritte Block beinhaltete die soziale Wohlfahrt und damit die im Vorfeld am stärksten diskutierte Frage, was mit den durch die Ablehnung der Altersvorsorge 2020 freigewordenen CHF 442 Mio. geschehen soll. Eine so genannte unheilige Allianz zwischen der SVP- und der SP-Fraktion, unterstützt von der Grünen-, der GLP- sowie von Teilen der CVP-Fraktion, entschied sich dafür, den zwei Minderheitsanträgen Nordmann (sp, VD) und Aeschi (svp, ZG) zu folgen (130 zu 63 Stimmen, 1 Enthaltung) und diese Gelder der AHV zukommen zu lassen. Dies würde jedoch eine gesetzliche Grundlage erfordern, die im Laufe des Jahres 2018 mittels einer parlamentarischen Initiative geschaffen werden sollte.
Deutlich mehr – wenn auch finanziell weniger gewichtige – Differenzen zum Erstrat wurden im vierten, fünften und sechsten Block geschaffen. Bezüglich der Landwirtschaft stellte sich der Nationalrat wenig überraschend gegen die Kürzungen des Ständerats bei den Direktzahlungen, bei den landwirtschaftlichen Strukturverbesserungen sowie bei weiteren kleineren Beträgen in der Landwirtschaft. Im Bereich Bildung und Forschung folgte die grosse Kammer nicht allen Korrekturen des Ständerats, der die Sparanstrengungen des Bundesrates vielerorts reduziert hatte, zeigte sich aber in diesem Bereich mehrheitlich doch grosszügiger als der Bundesrat. Dafür beschloss er, verschiedene Einrichtungen (Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Schweizerisches Sozialarchiv, Stiftung schweizerischer Theatersammlung, Vitrocentre de Romont und Swisspeace) von der Liste der Forschungseinrichtungen mit nationaler Bedeutung zu streichen, ihre Finanzierung in den Finanzplanjahren laufend zu reduzieren und schliesslich auslaufen zu lassen. Zudem entschied sich der Nationalrat, entgegen den Beschlüssen des Ständerats, bei den Globalbudgets der Steuerverwaltung und der Finanzkontrolle mehr und stattdessen bei der Zollverwaltung weniger zu sparen. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag der Mehrheit der FK-NR zur Aufhebung des Büros für Konsumentenfragen.
Insgesamt schuf der Nationalrat somit 30 Differenzen zum Ständerat und entschied sich, CHF 225 Mio. mehr auszugeben als der Bundesrat und CHF 585 Mio. mehr als die FK-NR vorgeschlagen hatte. Mit 124 zu 66 Stimmen aus der SVP-Fraktion (bei drei Enthaltungen) verabschiedete er seinen Voranschlag, der ein Defizit von CHF 122 Mio., aber einen strukturellen Überschuss von CHF 21 Mio. beinhaltete.

Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019-2021 (BRG 17.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2018: Voranschlag und Staatsrechnung

Der Bericht des Bundesrates zum Voranschlag 2018 stellte Einnahmen von CHF 71.3 Mia. Ausgaben von 71.2 Mia. gegenüber und erfüllte somit durch ein positives Finanzsaldo von CHF 103 Mio. die Vorgaben der Schuldenbremse. Die im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich höheren Einnahmen und Ausgaben sind auf zwei haushaltsneutrale Sonderfaktoren zurückzuführen: die Integration des Netzzuschlagsfonds von CHF 1.1 Mia. in den Bundeshaushalt sowie die Umwandlung des Darlehens der Sifem AG über CHF 374 Mio. in Aktienkapital. Im Gegenzug sind auch die im letztjährigen Stabilisierungsprogramm beschlossenen Sparmassnahmen von rund einer Milliarde Franken enthalten. Zudem hatte der Bundesrat verglichen mit dem Voranschlag 2017 Kürzungen bei den ungebundenen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit, der Landwirtschaft und der Bildung vorgenommen.
Unklar war, wie die durch die Ablehnung der Reform der Altersvorsorge 2020 frei gewordenen Mittel von CHF 442 Mio. verwendet werden sollen. Der Bundesrat schlug in einer Nachmeldung vor, den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag von CHF 295 Mio. in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) einzubezahlen und den Rest für den Schuldenabbau zu verwenden. Dadurch gewänne man gemäss Finanzminister Maurer mehr Flexibilität für die Zukunft, ohne dass man jetzt aufgrund der Schuldenbremse andernorts stärker sparen müsse. Die FK-NR beantragte hingegen in einer Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 17.496), diese Mittel 2018 einmalig dem AHV-Fonds zukommen zu lassen. Da dies zwingend einer Gesetzesänderung bedürfte, die Summe mit lediglich einem Prozent der Jahresausgabe der AHV deren Probleme nicht lösen könne und sich das Parlament erst kürzlich mit der Problematik von gebundenen Ausgaben beschäftigt hatte, lehnte die FK-SR diesen Vorschlag jedoch ab.

In der Ständeratsdebatte erklärte Kommissionspräsidentin Anita Fetz (sp, BS), dass sich die FK-SR bei ihren Änderungsanträgen gegenüber dem Bundesratsvorschlag auf einige Schwerpunkte beschränkt habe. Vor allem im Bereich Bildung, Forschung und Innovation wolle sie weniger sparen als der Bundesrat, wodurch der Aufwand insgesamt um CHF 70 Mio. und die Einnahmen um CHF 150'000 steigen würden. In der Folge meldeten sich verschiedene Redner zu Wort, um auf in ihren Augen in der Budgetdebatte benachteiligte respektive übervorteilte Bereiche – allen voran die Landwirtschaft und die Armee respektive die Bildung und die Beziehungen zur EU – hinzuweisen. Finanzminister Maurer verdeutlichte, dass der Voranschlag 2018 kein neues Sparprogramm sei. Vielmehr habe der Bundesrat Umschichtungen vorgenommen, die durch Ausgaben in anderen Bereichen (CHF 0.8 Mia. für den NAF, CHF 0.2 Mia. mehr für Asylausgaben, CHF 0.5 Mia. für die AHV) in Kombination mit der Schuldenbremse nötig geworden seien. In den übrigen Bereichen habe man lediglich den vom Parlament durch Annahme der Motion Dittli erteilten Auftrag erfüllt und den Teuerungsausgleich der erwarteten geringeren Teuerung angepasst. In der Folge unterstützte der Ständerat den Bundesrat in den meisten Punkten. Er stimmte der Einlage von zwei Dritteln der durch die Ablehnung der Altersvorsorge 2020 freigewordenen 442 Mio. in den BIF zu und akzeptierte auch den bundesrätlichen Vorschlag, die Senkung des technischen Zinssatzes bei der Publica, der Pensionskasse des Bundes, abzufedern. So soll eine einmalige Einlage von CHF 160 Mio. gewährt werden, wovon CHF 60 Mio. im Voranschlag 2018 integriert sind, dafür erhalten die Mitarbeitenden keinen Teuerungsausgleich auf ihre Löhne. Diese Budgetposition hatte auch bezüglich des gleichzeitig beratenen Nachtrags II zum Voranschlag 2017 zu grossen Diskussionen zwischen der rechten und linken Ratshälfte geführt.

Abweichungen vom bundesrätlichen Vorschlag schuf der Ständerat vor allem im Bereich Bildung und Forschung, wo er die Sparanstrengungen des Bundesrates reduzierte. Teilweise gegen seine ideologischen Präferenzen stimmte der Ständerat der vom Bundesrat vorgeschlagenen Reduktion der Direktzahlungen in der Landwirtschaft zu und reduzierte zusätzlich den Betrag für landwirtschaftliche Strukturverbesserungen. Zu diesen zwei Massnahmen hatte Anita Fetz als Präsidentin der FK-SR aufgerufen, nachdem der Nationalrat in der Einigungskonferenz 2017 dem Ständerat in keinem Punkt entgegengekommen war: Da bei einer Ablehnung des Vorschlags der Einigungskonferenz zum Budget jeweils der tiefere der von National- und Ständerat verabschiedeten Beträge übernommen wird, hatte sich der Nationalrat 2017 in allen umstrittenen Punkten durchgesetzt. Hatte der Ständerat vor einem Jahr noch auf solche „Spielereien“ verzichtet, habe er jetzt gemäss Fetz „aus den letztjährigen Fehlern“ gelernt und sich diese Verhandlungsmasse gegenüber dem Nationalrat bewahrt.

Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019-2021 (BRG 17.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2018: Voranschlag und Staatsrechnung

Im Dezember 2017 publizierte das Meinungsforschungsinstitut gfs.bern das jährlich von der Crédit Suisse in Auftrag gegebene Sorgenbarometer. Seit 2003 hatte stets die Arbeitslosigkeit als grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizern fungiert. Im Jahr 2017 löste das Thema AHV/Altersvorsorge die Arbeitslosigkeit ab, wenn auch mit weniger als einem Prozentpunkt Differenz. 44 Prozent der Befragten sahen im Berichtsjahr ihre Rente in Gefahr. Damit verstärkte sich das Problembewusstsein für die AHV und die Altersvorsorge im Allgemeinen innerhalb eines Jahres erheblich: 2016 waren es lediglich 28 Prozent der Befragten gewesen, denen die Altersvorsorge Kummer bereitet hatte. Die Bedenken der Bevölkerung gegenüber der Altersvorsorge zeigten sich auch bei der Frage, welchem politischen Ziel die Befragten derzeit die höchste Priorität einräumen würden. 24 Prozent gaben AHV/IV an, deutlich vor Familie-Beruf (14%) und wirtschaftliches Wachstum (14%). Auch dürfte sich die Sorge um die Altersvorsorge mittelfristig auf dem erhöhten Niveau halten, denn gemäss Aussage von Lukas Golder, Co-Leiter von gfs.bern, habe das Nein des Stimmvolks zur AHV-Reform 2020 im September 2017 kaum zu einer Beruhigung beigetragen und diese Abstimmung sei erst nach der Erhebung für das Sorgenbarometer erfolgt, wie er dem Tages-Anzeiger sagte. Auch die Sorgen um die Gesundheit/Krankenkassen und um die soziale Sicherheit nahmen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu. Während im Vorjahr 21 Prozent das Thema Gesundheit/Krankenkassen zu den fünf grössten Sorgen gezählt hatten, waren es 2017 26 Prozent; bei der sozialen Sicherheit sprang der Wert innerhalb eines Jahres von 11 Prozent auf 18 Prozent. Deutlich weniger Sorgen als noch im Vorjahr bereitete das Thema Flüchtlinge und Asyl: 19 Prozent (2016: 26%) sahen das Thema als eines der fünf grössten politischen Probleme an. Die Studienleiter führten dies auf den deutlichen Rückgang der Anzahl Asylgesuche von 2015 (39'523) auf 2016 (27'207) zurück.

Sorgenbarometer

Im Oktober 2017, also noch vor der Debatte des Voranschlags 2018 im Parlament, entschied die FK-NR, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Durch eine Änderung des AHVG hätte der Bundesbeitrag für die AHV im Jahr 2018 um CHF 441.8 Mio., also um denselben Betrag, welcher der Bund 2018 im Falle einer Annahme der Altersvorsorge 2020 mehr an die AHV hätte zahlen müssen und der entsprechend im Budget bereits so vorgesehen war, erhöht werden sollen. Im November 2017 verweigerte die FK-SR diesem Ansinnen jedoch die Zustimmung.

Verwendung der aufgrund der Ablehnung der Altersreform 2020 freiwerdenden Mittel im Voranschlag 2018 zugunsten der AHV

Neben dem obligatorischen Referendum zur Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, kündigten verschiedene Gruppierungen, allen voran die Westschweizer Gewerkschaften, ihr Interesse an der Ergreifung eines fakultativen Referendums zur Reform der Altersvorsorge 2020 an. So seien mit der Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes zwei Änderungen enthalten, die man nicht akzeptieren könne. Nach kurzer Zeit wurde jedoch deutlich, dass die Westschweizer Gewerkschaften nicht auf eine breite Unterstützung hoffen konnten und das Referendum mehrheitlich alleine würden stemmen müssen. Unterstützt wurden sie lediglich von vereinzelten linken Organisationen, zum Beispiel von der Genfer SP-Kantonalsektion. Gegen Ende der Unterschriftensammlung engagierten sich auch die Zeitschriften K-Tipp und Saldo. Als Grund dafür gaben sie an, dass sie verhindern wollten, dass auf dem Stimmzettel ausschliesslich von der AHV die Rede sei und dadurch das vollständige Ausmass der Revision unterschätzt würde. Zwar kritisierten auch weitere linke Kreise die Vorlage, allen voran die Gewerkschaften, dennoch sprachen sich die Delegierten der Unia, von VPOD, des SGB sowie von Travai.Suisse knapp für die Reform aus. Dabei wurden die unterschiedlichen Positionen der Linken in der Deutsch- und Westschweiz deutlich. Um diese verschiedenen Positionen zu vereinen, beschloss die SP eine Urabstimmung durchzuführen, bei der sich 90 Prozent der teilnehmenden SP-Mitglieder für die Reform aussprachen. Ungeachtet dieser Urabstimmung beschlossen die Juso kurze Zeit später die Nein-Parole und unterstützten das linke Referendumskomitee.

Gespalten zeigten sich wie bereits im Parlament auch die Bürgerlichen. FDP und SVP sowie breite Wirtschaftskreise inklusive Economiesuisse, dem Gewerbeverband und dem Arbeitgeberverband sprachen sich gegen die Reform aus, setzten dem linken Referendumskomitee jedoch kein bürgerliches Pendant entgegen. Unter dem Namen „Generationenallianz” bewarben sie aber gemeinsam die Ablehnung der Reform. Die anderen bürgerlichen Parteien, allen voran die CVP und BDP, warben für die Annahme der Vorlage. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Westschweizer Verbänden, unter anderem vom Westschweizer Wirtschaftsverband Centre Patronal. Im Laufe der Kampagne sprachen sich unter anderem auch der Bauernverband, Eveline Widmer-Schlumpf als neue Präsidentin der Pro Senectute, Pro Senectute selbst sowie weitere Seniorenverbände für die Reform aus. Gespalten zeigten sich die Versicherungen: Während Helvetia und Axa Winterthur, der Pensionskassenverband Asip sowie der Verwaltungsratspräsident des AHV-Fonds die Reform befürworteten, hielten sich die anderen Versicherer bedeckt.

Da die Berichterstattung zur Vorlage nach dem Showdown im Parlament im März 2017 bis zum Abstimmungstermin im September 2017 nie wirklich abriss, beleuchteten die Medien jedes Detail der Vorlage und insbesondere des Abstimmungskampfes. So wurde ausführlich über die Positionen der verschiedenen Parteien, Verbände, Vereine und Interessengruppen, aber auch über einzelne Abweichler innerhalb der verschiedenen Akteursgruppen berichtet. Diskutiert wurden die Gefahr für die Reform durch das erforderliche Ständemehr sowie die Konsequenzen für die Reform, falls nur eine der beiden Vorlagen angenommen würde. Ausführlich beschrieben wurden die Aktivitäten der Jungparteien, die trotz geringem Budget mit viel Engagement versuchten, die jüngeren Stimmbürger zu mobilisieren und zu überzeugen. So engagierte sich zum Beispiel die Junge CVP mit einer eigenen Pro-Kampagne im Internet und mit Standaktionen, während die Jungfreisinnigen mit Aktionstagen, Plakaten und Videos für ein Nein warben. Zudem erhielten die Befürworter mit Ruth Dreifuss, Walter Andreas Müller und Beni Thurnheer prominente Unterstützung. Dieses Engagement ausserhalb des bezahlten Raums wurde auch durch eine Auswertung der Inseratekampagne durch Année Politique Suisse verdeutlicht. Diese ergab, dass Anzahl und Reichweite der Inserate zur Altersvorsorge entgegen der betont grossen Relevanz der Vorlage nur durchschnittlich gross waren, was die Komitees mit ihren knappen Budgets erklärten.

Ebenfalls sehr engagiert zeigte sich Bundesrat Berset, der nicht müde wurde, die Wichtigkeit der Reform zu betonen. Dieses starke Engagement vor allem auch in Zusammenhang mit seinen Warnungen vor den drastischen Folgen eines Neins brachten ihm jedoch viel Kritik ein. Hinzu kam eine breite Kritik am Abstimmungsbüchlein, das ausschliesslich die Referendumsführer, also die Westschweizer Gewerkschaften, zu Wort kommen liess, nicht aber die bürgerlichen Gegner der Vorlage. Grund dafür war, dass bei obligatorischen Referenden Minderheitenpositionen keine eigenen Seiten erhalten und bei fakultativen Referenden nur die Referendumskomitees. Darüber hinaus war vor allem inhaltliche Kritik am Abstimmungsbüchlein zu vernehmen, so seien die Darstellungen des Bundesrates fehlerhaft und unvollständig. Doch nicht nur zur Informationspolitik des Bundesrates, auch bezüglich der Argumentationen beider Lager wurden im Laufe der Kampagne vermehrt kritische Stimmen laut. Kritisiert wurde, dass beide Seiten nicht mit offenen Karten spielten und wichtige Argumente gezielt verschwiegen.

Inhaltlich drehte sich die Berichterstattung vor allem um die Frage, ob die AHV schneller in ernsthafte finanzielle Probleme gerate, wenn man die Reform annehme oder wenn man sie ablehne. Beide Seiten gaben zu, dass in Zukunft weitere Reformen nötig sein werden, uneinig war man sich jedoch darüber, bei welchem Abstimmungsergebnis dies dringender der Fall sei. Auch bezüglich den Gewinnern und Verlierern der Reform war man sich uneins. Sowohl Befürworter als auch Gegner betonten, dass alleine ihre Position die Situation der Jungen und der Frauen verbessern würde.

Aufgrund der knappen, ungewöhnlichen Ausgangslage mit Spaltungen innerhalb der linken und bürgerlichen Parteien war schliesslich unklar, welches Lager tendenziell in Führung lag. Wirklich Licht ins Dunkel konnten auch die Vorumfragen nicht bringen. Manchmal ergaben sie einen Vorsprung der Befürworter, manchmal der Gegner, aber grösstenteils machten sie relativ knappe Zwischenresultate zwischen den beiden Lagern aus. Entsprechend knapp gingen die Abstimmungen schliesslich auch aus. Mit 2357 Stimmen mehr bei 50.0 Prozent und 11 5/2 Standesstimmen lehnte das Stimmvolk die Mehrwertsteuererhöhung ab. Leicht deutlicher fiel die Entscheidung zur Reform der Altersvorsorge 2020 aus, die mit 52.7 Prozent abgelehnt wurde. Nach über zweijähriger Ausarbeitung der Reform wird das Parlament somit bei der Revision der Altersvorsorge von vorne beginnen müssen.


Abstimmung vom 24. September 2017

Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer:
Beteiligung: 46.8%
Ja: 1`254`675 (50,0%) / Stände: 9 1/2
Nein: 1`257`032 (50,0%) / Stände: 11 5/2

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP, EDU
-Nein: SVP, FDP


Reform der Altersvorsorge 2020:
Beteiligung: 46,7%
Ja: 1`186`079 (47,3%)
Nein: 1`320`830 (52,7%)

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP
-Nein: SVP, FDP, EDU, PdA

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Geschäftsbericht des Bundesrates gibt die Regierung seit 1996 jährlich Auskunft über ihre Geschäftsführung, die zudem mit den Jahres- und Legislaturzielen abgeglichen wird, um einen Soll-Ist-Vergleich und ein Controlling der Exekutive und der Verwaltung zu ermöglichen. Der Bericht 2016 beschrieb das erste Jahr der 50. Legislatur (2015-2019), die entlang von drei Leitlinien geplant worden war: Die nachhaltige Sicherung des Wohlstandes in der Schweiz, die Förderung des nationalen Zusammenhaltes und die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit sowie die Sorge um Sicherheit und das Handeln als verlässliche Partnerin in der Welt. Diese Leitlinien sollen mit unterschiedlichen Jahreszielen erreicht werden. Von den 16 für das Jahr 2016 geplanten Zielen waren lauf Bericht drei vollständig, vier überwiegend und neun teilweise erreicht worden. Zu den lediglich teilweise realisierten Zielen gehörten etwa die Erneuerung und Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur EU, die nachhaltige Energieversorgung oder die Reformen und nachhaltige Finanzierung der Sozialwerke.
In den Räten berichteten die verschiedenen Sprecher der Aufsichtskommissionen über ihre Eindrücke, die mehrheitlich positiv waren. Im Ständerat gab allerdings das Verhältnis zwischen der Verwaltung und der Finanzkommission zu reden. Ein Anlass für das laut Joachim Eder (fdp, ZG) „etwas gereizte" Verhältnis war wohl der Bericht der EFK kurz vor der Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III, der gerügt hatte, dass die Folgen von Finanzerlassen nicht immer genügend abgeschätzt würden. Eder zitierte auch aus einer Rede von Bundeskanzler Thurnherr, die dieser unter dem Titel „Die Aufsicht aus der Sicht eines Beaufsichtigten, am Beispiel der Bundesverwaltung" vor der Schweizerischen Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften gehalten und darin vor zu viel Aufsicht gewarnte hatte. Eder wies darauf hin, dass nach Nachfrage beim Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, Michel Huissoud, die Kommunikation gut sei und man eine Empfehlung der EFK nicht als Befehl auffassen solle. Auch Bundesrätin Doris Leuthard kritisierte die „intensive Kommunikationstätigkeit, welche die Eidgenössische Finanzkontrolle ab und zu entfaltet, [als] nicht hilfreich", hob aber auch die gute Zusammenarbeit zwischen allen Amtsstellen hervor. Sie dankte für die positiven Berichte und zeigte sich insbesondere auch mit Blick auf andere Länder erfreut darüber, dass die Schweiz auf einem soliden, stabilen und sicheren Niveau funktioniere und sich stetig optimiere. Im Nationalrat lobte Leuthard die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative als gangbaren Weg, der die Beziehungen zur EU wieder etwas einfacher machen werde. Zudem wünscht sie sich, dass grundlegende Reformen im Gesundheitswesen angegangen werden. Die grosse Kammer nahm den Bericht stillschweigend zur Kenntnis und beide Räte gaben in der Sommersession Zustimmung zum Bundesbeschluss über die Geschäftsführung.

Geschäftsbericht des Bundesrates 2016
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesrats

Im April 2017 beschloss die SGK-NR, den Text der Motion Dittli (fdp, UR) „Anhebung der AHV-Leistungen für Hörversorgungen auf das Niveau der IV-Vergütungen“ abzuändern. Sie beschränkte den Motionstext auf die Forderung nach einer binauralen Versorgung – also die Hörversorgung beider Ohren –, wobei der Betrag, den die AHV ausbezahlen soll, wie üblich nur bei 75 Prozent des Betrages liegt, den Personen von der IV erhalten. Durch die Streichung der übrigen Forderungen sollen „die Grenzen zwischen der AHV als Rentenversicherung und der IV als Eingliederungsversicherung“ erhalten bleiben. Dies stiess in der Herbstsession im Nationalrat nicht nur auf Zustimmung. Toni Brunner (svp, SG) zum Beispiel erörterte, dass es seiner Minderheit ums Prinzip gehe: Man müsse einen weiteren Leistungsausbau, der voraussichtlich jährlich rund CHF 14 Mio. kosten würde, bekämpfen. Mit 118 zu 52 Stimmen (bei 14 Enthaltungen) nahm die grosse Kammer jedoch den auch vom Bundesrat unterstützten, abgeänderten Motionstext gegen den Widerstand des Grossteils der SVP-Fraktion und einzelner Mitglieder der FDP-Fraktion an. In der Herbstsession 2017 folgte der Ständerat auf Antrag der SGK-SR stillschweigend dem Beispiel seines Schwesterrats.

Anhebung der AHV-Leistungen für Hörversorgungen auf das Niveau der IV-Vergütungen. Gleichstellung Erwachsener mit Hörminderungen

In der Sommersession 2017 schrieben National- und Ständerat die Motion Niederberger (cvp, NW) für eine Abschaffung unnötiger Administrativarbeiten für die AHV ab, wie es der Bundesrat zuvor in seinem Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2016 empfohlen hatte.

Motion zur Minderung des Administrativaufwands für die AHV (14.3728)

Ohne grosse Debatte – einzig Motionär Müller (cvp, LU) und Bundesrat Maurer äusserten sich zur Motion "Neuer Spielraum für die Verwendung von Überschüssen" – lehnte der Nationalrat in der Sommersession 2017 den Vorschlag ab, dass der Bundesrat Regeln ausarbeiten solle, wie in Zukunft nicht der gesamte Überschuss für den Schuldenabbau verwendet werden müsse. Für die Motion sprachen sich 81 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der SP-, Grünen- sowie CVP/EVP-Fraktion aus, dagegen stimmten geschlossen alle anderen Fraktionen (109 Gegenstimmen, 2 Enthaltungen).

Neuer Spielraum für die Verwendung von Überschüssen (Mo. 16.3172)
Dossier: Schuldenbremse

Die meisten Differenzen im Ausgleichsfondsgesetz bereinigte der Ständerat bereits in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. So pflichtete er dem Nationalrat bei, dass es aus Sicht der Corporate Governance richtig sei, dass der Bundesrat und nicht der Verwaltungsrat die Wahl der Revisionsstelle vornehme. Auch bezüglich zweier falscher, respektive unnötiger Formulierungen stimmte er dem Nationalrat zu. Einzig bei der Frage, ob der Bundesrat das Organisationsreglement der Anstalt genehmigen müsse oder nicht, entschied sich die kleine Kammer für Festhalten. Als Kommissionssprecher wies Pirmin Bischof (cvp, SO) darauf hin, dass der Bund mehr als 10 Milliarden Franken pro Jahr zum AHV-Fonds beitrage und es sich bei den Fonds um eine ausgegliederte öffentlich-rechtliche Aufgabe handle. Entsprechend sei es angebracht, dass der Bundesrat die Genehmigung vornehme.
In diesem letzten Punkt lenkte der Nationalrat gegen eine starke Minderheit aus SVP und teilweise FDP.Die Liberalen mit 118 zu 70 Stimmen (0 Enthaltungen) ein. In den Schlussabstimmungen hiess der Ständerat das Ausgleichsfondsgesetz einstimmig gut, während sich die Fronten im Nationalrat kaum verändert hatten (129 zu 67 Stimmen, 0 Enthaltungen).

Ausgleichsfondsgesetz

Gemäss aktueller Gesetzgebung haben Personen, die pflegebedürftige Verwandte betreuen, welche eine Hilflosenentschädigung mittleren oder schweren Grades beziehen, nicht mehr als 30 Kilometer entfernt wohnen und in weniger als einer Stunde erreicht werden können, Anspruch auf Betreuungsgutschriften. Ihnen wird für die Zeit der Betreuung pro Jahr der Betrag der dreifachen minimalen jährlichen Altersrente auf dem Individuellen Konto (IK) der Altersvorsorge gutgeschrieben. Im März 2015 reichte Christine Bulliard-Marbach (cvp, FR) eine parlamentarische Initiative ein, mit der zukünftig auch die Betreuenden von Personen mit leichter Hilflosigkeit Betreuungsgutschriften erhalten sollten. Zudem sollten die Gutschriften auch rückwirkend für die einjährige Wartefrist gewährt werden. Die Aufnahme der leichten Hilflosigkeit bei den Betreuungsgutschriften sei gemäss Initiantin wichtig, weil bereits zum Zeitpunkt einer leichten Hilflosigkeit der Entscheid gefällt werde, ob jemand zuhause verbleiben könne oder nicht. Die Anreize zur Betreuung müssten also bereits zu diesem Zeitpunkt vorhanden sein.
Im Mai 2016 gab die SGK-NR der parlamentarischen Initiative mit 15 zu 9 Stimmen Folge. Diese gezielte Schliessung der Lücke für pflegende Angehörige würde etwa CHF 1 Mio. pro Jahr kosten, erklärte die Kommission. Im März 2017 stimmte die SGK-SR diesem Entscheid mit 10 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung zu. Da der Bundesrat aber in der Zwischenzeit eine entsprechende Vorlage zur Entlastung von pflegenden Angehörigen, die unter anderem auch Betreuungsgutschriften bei leichter Hilflosigkeit gewähren will, angekündigt hatte, empfahl die SGK-SR ihrer Schwesterkommission die Initiative zugunsten der bundesrätlichen Vorlage zu sistieren. Im April 2019 beantragte die SGK-NR gar die Abschreibung der parlamentarischen Initiative, da der Bundesrat seine Vorlage bereits in die Vernehmlassung geschickt hatte. Eine Minderheit bestand jedoch auf einer Fristverlängerung für die Initiative, da das Anliegen unabhängig von der bundesrätlichen Botschaft weiterverfolgt werden solle.

Pflegende Angehörige sollen in jedem Fall von anerkannter Hilflosigkeit ein Anrecht auf Betreuungsgutschriften haben

Die parlamentarische Initiative des Kantons St. Gallen zur Abschaffung der Ehestrafe bei den AHV-Renten, die zuvor bereits vom Ständerat abgelehnt worden war, fand auch im Nationalrat kein Gehör. In der Frühlingssession 2017 gab die grosse Kammer dem Vorstoss diskussionslos keine Folge.

Abschaffung der Ehestrafe bei den AHV-Renten

Im November 2016 reichte die SGK-SR ein Postulat ein, mit dem die Kinderrenten der ersten Säule – konkret der Export von Kinder- und Waisenrenten an Pflegekinder ins Ausland – vertieft analysiert werden sollen. Insbesondere die Praxis der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, die Zielländer dieser Leistungen, die Lebenshaltungskosten und Kaufkraft in diesen Ländern sowie die Familien- und Wirtschaftssituation der Betroffenen sollen untersucht werden. Grund dafür sei, so erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO) in der Ständeratsdebatte während der Frühjahrssession 2017, dass verschiedenen Berichten zufolge vor allem ältere Männer mit hohen Einkommen und Kindern aus einer zweiten Ehe von Kinderrenten profitieren würden. Zudem hätten auch Kinder von Schweizerinnen und Schweizern, die nach einer Heirat im Ausland geboren werden, die mit einer ausländischen Partnerin oder einem ausländischen Partner gezeugt werden oder die aus der ersten Ehe der Partnerin oder des Partners stammen, Anspruch auf eine Rente. Wie häufig dies in den verschiedenen Regionen der Welt vorkomme, solle daher in einem Bericht erfasst werden. Der Bundesrat empfahl das Postulat zur Annahme und der Ständerat, der es gleich im Anschluss an den Entwurf zu den parlamentarischen Initiativen Humbel (10.407) und Rossini (13.477) und an seine Entscheidung, dass auch in Zukunft Kinderrenten ausbezahlt werden sollen, behandelte, nahm das Postulat stillschweigend an.

Kinderrenten der ersten Säule vertieft analysieren

Als Zweitrat beschäftigte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2017 mit dem Ausgleichsfondsgesetz. Dabei wurde die Frage gestellt, ob die Schaffung eines neuen Gesetzes wirklich nötig sei oder ob man auf ein Eintreten verzichten solle. Im Namen der SVP-Fraktion erklärte Thomas de Courten (svp, BL), dass die erforderlichen Ergänzungen auch innerhalb des bestehenden Gesetzes möglich seien. Durch das neue Gesetz könne aber mittelfristig die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der drei Fonds auf dem Spiel stehen. Des Weiteren seien entsprechende Forderungen internationaler Geschäftsbanken alleine kein Grund, ein neues Gesetz zu erlassen. Das Gesetz erhöhe die Regulierungsdichte und erweitere die Kompetenzen der Bundesverwaltung. Vergleichsweise knapp sprach sich die grosse Kammer mit 99 zu 83 Stimmen für ein Eintreten aus, wobei die SVP-Fraktion dieses geschlossen, die FDP-Fraktion teilweise ablehnte.

In der Detailberatung standen ähnliche Punkte im Zentrum wie bereits im Ständerat: Beraten wurden insbesondere die Ernennung der Revisionsstelle sowie die Tilgung der Schulden der IV beim AHV-Fonds. Zur Frage der Revisionsstelle pflichtete die SGK-NR dem Ständerat bei, dass nicht mehr die EFK diese Aufgabe übernehmen solle, sondern ein externer, privater Anbieter. Dabei verstosse es aber gegen allgemeine Corporate-Governance-Grundsätze, wenn der Verwaltungsrat die Vergabe dieses Auftrags übernehme. Entsprechend solle mangels Alternativen der Bundesrat als entsprechendes Wahlorgan walten. Diesen Vorschlag hiessen 114 Nationalrätinnen und Nationalräte gut, 68 Parlamentarierinnen und Parlamentarier vor allem aus der SP-, Grünen- und SVP-Fraktion lehnten ihn ab (0 Enthaltungen). Auch im Nationalrat brachte eine Minderheit Gysi (sp, SG) den Antrag ein, die Übernahme der Zinsen der IV gegenüber dem AHV-Fonds durch den Bund fortzusetzen und so die IV nicht stärker zu belasten. Wie bereits im Erstrat fand dieser Vorschlag jedoch auch im Nationalrat keinen Anklang und wurde mit 136 zu 47 Stimmen abgelehnt, wobei der Vorschlag ausschliesslich bei Personen des linken Lagers Unterstützung fand.

Überdies beantragte Thomas de Courten, dass zur Verstärkung der Sicherheit der Fonds Anlagen in Fremdwährungen nicht mehr als 30 Prozent des Fondsvermögens betragen dürfen. Zwar sei Diversifizierung sinnvoll, jedoch sei das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz hoch und zudem habe man die Möglichkeit, hier von politischer Seite selbst für Stabilität zu sorgen. Schliesslich soll das Schweizer Volksvermögen auch mehrheitlich in der Schweiz investiert werden. Mehrere anschliessende Wortmeldungen wiesen auf den Widerspruch hin, wenn diejenige Partei, die aufgrund der Überregulierung gar kein Gesetz wollte, dieses jetzt noch weiter aufblähe. Zudem könne eine solche Regelung kontraproduktiv sein und die Sicherheit der Fonds sogar verringern. Der Antrag fand entsprechend ausserhalb der SVP-Fraktion kaum Anklang und wurde mit 120 zu 65 Stimmen (1 Enthaltung) abgelehnt. Von weiteren Minderheitsanträgen de Courtens wurde lediglich die Forderung, dass das Organisationsreglement als Aufgabe des Verwaltungsrates dem Bundesrat nicht zur Genehmigung vorgelegt werden müsse, vom Nationalrat äusserst knapp mit 95 zu 95 Stimmen und positivem Stichentscheid von Nationalratspräsident Jürg Stahl (svp, ZH) angenommen. Bei der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 121 zu 68 Stimmen für das neue Ausgleichsfondsgesetz aus, ablehnend zeigte sich die SVP-Fraktion sowie vereinzelte Mitglieder der FDP-Fraktion.

Ausgleichsfondsgesetz

In Erfüllung der Motion Feller (fdp, VD) unterstellte der Bundesrat den Ausgleichsfonds AHV/IV/EO im Rahmen der Schaffung des Bundesgesetzes über die Anstalt zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO unter das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und beantragte die Motion zur Abschreibung. Ständerat und Nationalrat nahmen sowohl die entsprechende Regelung als auch die Abschreibung in der Wintersession 2016 respektive der Frühjahrssession 2017 stillschweigend an.

Unterstellung des Ausgleichsfonds AHV/IV/EO unter das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen

Ein Postulat Schwaab (sp, VD) beschäftigte sich mit der Frage nach den "Auswirkungen der Robotisierung in der Wirtschaft auf das Steuerwesen und auf die Finanzierung der Sozialversicherungen" und möchte den Bundesrat mit einer entsprechenden Prospektivstudie beauftragen. Zentral geht es um die Änderungen im Steuerwesen und bei den Sozialversicherungen, die nötig würden, falls die Robotisierung und Digitalisierung zu einem starkem Anstieg der Kapitalerträge im Vergleich zum Arbeitseinkommen führen. Da sich das Steuerwesen und die Sozialversicherungen auf die Arbeitseinkommen stützen, hätte eine solche Entwicklung weitreichende Folgen. Ziel der Studie soll es sein, verschiedene bekannte Möglichkeiten zur Veränderung des Steuerwesens im Hinblick auf solche Veränderungen und ihre Kosten zusammenzutragen. Der Nationalrat nahm das Postulat ohne Debatte an.

Die grosse Aktualität des Themas „Roboter" zeigt sich an der relativ grossen Anzahl Vorlagen zu diesem Thema. Nur schon zu den Folgen der Robotisierung für die Steuern und Sozialversicherungen wurden im Jahr 2017 weitere drei Postulate eingereicht, die bis zur Sommersession 2017 noch nicht behandelt wurden (Po. 17.3151, Po. 17.3036 sowie Po. 17.3037). Dies ist jedoch nicht das erste Mal, dass sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Sorgen bezüglich der Automation in Produktionsprozessen machen. Bereits in den Jahren 1983 respektive 1985 argumentierten Ständerat Carl Miville (sp, BS) und Nationalrat Werner Carobbio (sp, TI), dass personalsparende Geräte – unter anderem Roboter – zu Problemen für die Sozialversicherungen, insbesondere für die AHV, führen könnten und entsprechend die Finanzierungsgrundsätze der AHV überprüft werden müssen.

Roboterisierung in der Wirtschaft (Po. 17.3045)

Auch wenn die Schlussabstimmung betreffend die Parole des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) zur Reform der Altersvorsorge 2020 letztendlich mit 98 zu 21 Stimmen deutlich zugunsten der AHV-Reform ausfiel, zeigte die Delegiertenversammlung am 24. März 2017 eine Spaltung zwischen Deutschschweizer und Westschweizer Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Über 30 SGB-Delegierte äusserten sich vor der Parolenfassung; Hauptstreitpunkt war, ob die Erhöhung der AHV um monatlich CHF 70 eine Erhöhung des Frauenrentenalters rechtfertige. Solange die Frauen bei den Löhnen diskriminiert würden, dürfe das Rentenalter nicht erhöht werden, lautete der Tenor bei vielen Delegierten aus der Westschweiz. Ein Waadtländer Delegierter etwa warf SGB-Präsident Paul Rechsteiner Verrat vor, weil sich der Gewerkschaftskongress 2014 in einer Resolution klar gegen eine Erhöhung des Frauenrentenalters ausgesprochen habe. Unia-Präsidentin Vania Alleva entgegnete, dass in der gleichen Resolution die Erhöhung der AHV-Renten gefordert werde. Paul Rechsteiner strich die historische Dimension der Vorlage hervor: «Zum ersten Mal seit 42 Jahren könnte eine Erhöhung der AHV-Rente Realität werden», zitierte ihn die Luzerner Zeitung. Die grosse Mehrheit der Delegierten war sich einig: Würde die Vorlage abgelehnt, würde dies dem Arbeitgeberverband und den rechts-bürgerlichen Parteien nützen, womit deren Forderungen wie Rentenalter 67 und Rentenkürzungen Auftrieb erhielten, schrieb der SGB in einer Medienmitteilung. Dies gelte es zu verhindern, weshalb diese «Kröte», wie der SGB die Erhöhung des Frauenrentenalters bezeichnete, geschluckt werden müsse. Zusätzlich einigten sich die Delegierten darauf, dass die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau «endlich stärker bekämpft werden muss». Sie beauftragten den SGB, die Lancierung einer Volksinitiative mit dem Namen «Schluss mit dem Lohnklau – Lohngleichheit durchsetzen, aber subito!» zu prüfen.

SGB für höheres Frauenrentenalter

Im Februar 2017 schickte der Bundesrat die Revision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in die Vernehmlassung. Das ATSG enthält diejenigen Regelungen, die ausser der beruflichen Vorsorge für alle Sozialversicherungszweige gelten. Die Revision des seit 2000 geltenden Gesetzes war durch die Motionen Lustenberger (cvp, LU; Mo. 12.3753), Schwaller (cvp, FR; Mo. 13.3990) und der SVP-Fraktion ausgelöst und aufgrund von «optimierten Prozessen, aktueller Rechtsprechung und internationalen Verträgen» nötig geworden.
Insbesondere sollen in der Revision die Grundlagen für Observationen bei Verdacht auf Versicherungsmissbrauch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) 2016 ergänzt und die bestehenden Bestimmungen sowie die Abläufe zur Missbrauchsbekämpfung verbessert werden. Geplant sind zudem neue Regelungen bezüglich der Kostenpflicht der kantonalen sozialversicherungsrechtlichen Gerichtsverfahren, eine bessere Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit zwischen der Schweiz und der EU wie auch eine rechtliche Verankerung der bisherigen Praxis, Sozialversicherungsabkommen nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen.
Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, insbesondere die Kantone und die Durchführungsstellen, bewertete die Revision positiv und kritisierte nur vereinzelte Punkte. Auf Widerstand stiessen insbesondere die Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung sowie die Einführung einer Kostenpflicht bei Sozialversicherungsverfahren.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)