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Mitte Mai 2022 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung in der Volksabstimmung zum Frontex-Referendum die Beteiligung der Schweiz am Ausbau der EU-Agentur an. Mit einem Ja-Anteil von 71.5 Prozent und Ja-Mehrheiten in allen 26 Kantonen fiel das Resultat – bei einer tiefen Stimmbeteiligung von knapp 40 Prozent – sehr deutlich aus. Das klare Ergebnis hatte sich – wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit – schon im Vorfeld des Abstimmungssonntags abgezeichnet. Meinungsumfragen von Tamedia und der SRG ergaben Anfang Mai einen Zustimmungswert von 64 Prozent (Tamedia) beziehungsweise 69 Prozent (SRG) für die Frontex-Vorlage, die laut Umfrageinstituten thematisch wenig persönliche Betroffenheit bei den Stimmenden auslöste. Selbst unter Sympathisantinnen und Sympathisanten der SP fand sich – trotz der Nein-Parole der Partei – eine Mehrheit für Annahme der Vorlage und auch bei Personen, die mit den Grünen sympathisierten, wollte eine Mehrheit mit Ja abstimmen. Der Tages-Anzeiger kritisierte nach der Abstimmung die Parteileitungen der SP und der Grünen für ihre unklare Kommunikation. Denn eigentlich seien sie ja nicht gegen die Kooperation mit der EU an und für sich gewesen. Statt mit einer Nein-Parole zu versuchen, die parteiinternen Flügel zu befrieden, hätten sich die beiden Parteien für ein differenziertes Ja mit Kompensationsmassnahmen bei der Flüchtlingsaufnahme einsetzen sollen, so die Empfehlung der Zeitung.
Trotz der hohen Zustimmungsrate wurde das Resultat in den Medien vielfach mit einem kritischen Unterton versehen. So meinte Marie Juillard im Namen der siegreichen Operation Libero gegenüber Le Temps, dass es nach dem Ja nichts zu feiern gebe, denn schliesslich würden Menschen an den Schengengrenzen umkommen. Trotzdem zeigte man sich bei der Operation Libero mit dem Resultat zufrieden, welches die Unterstützung der Schweiz für die Kooperation mit Europa zeige. FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) freute sich derweil über ein klares Ja zur Sicherheit der Schweiz in Zeiten des Ukraine-Kriegs. Ein Nein hätte der Europapolitik der Schweiz geschadet, resümierte Burkart. Sein Parteikollege Damien Cottier (fdp, NE) räumte hingegen ein, dass die Abwägung zwischen Sicherheit und Menschenrechten schwierig gewesen sei. Er drückte jedoch seine Hoffnung aus, dass die Schweiz ihre humanitären Werte den anderen europäischen Staaten vermitteln könne. François Pointet (glp, VD), Mitglied des Vorstands der Grünliberalen Schweiz, verstand das Abstimmungsresultat eher als Zeichen für den Bundesrat, die Blockade in den Beziehungen mit der EU aufzuheben und diese zu intensivieren. Ins gleiche Horn bliesen EU-Botschafter Petros Mavromichalis und der Europaabgeordnete Andreas Schwab, die das Ja als Vertrauensvotum für den Schengenraum und für den Mehrwert der Kooperation mit der EU auffassten. Für Bundesrat Maurer war indes klar, dass das Ja der Stimmbevölkerung ein Ja zur Sicherheit gewesen sei. Das Land werde Frontex stärker unterstützen und sich für die Grundrechte einsetzen, zitierte ihn La Liberté.
Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage, darunter die Schweizer Flüchtlingshilfe, die Grünen und die SP, forderten im Nachgang der Abstimmung, dass sich die Schweiz für mehr Transparenz und demokratische Kontrolle einsetzen müsse. Sibel Arslan (basta, BS) bemängelte, dass die Schweiz seit zehn Jahren im Frontex-Verwaltungsrat sitze, ohne sich für diese Anliegen einzusetzen. Ada Marra (sp, VD) kündigte an, dass auch die SP mehr Transparenz vom Bundesrat in Sachen Frontex verlangen werde. Die grüne Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) störte sich gegenüber 24heures hingegen daran, dass der Bundesrat die Abstimmung auf die Schengen-Frage reduziert habe, obwohl die Gegnerschaft der Vorlage nie aus dem Schengen-Abkommen habe aussteigen wollen. Sie monierte, dass die Auswirkungen eines Neins von den Befürwortenden der Vorlage übertrieben dargestellt worden seien. Auch La Liberté kritisierte den Bundesrat für dessen Rolle im Abstimmungskampf: Medienanfragen seien oft negativ beantwortet worden und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit habe sogar einen bereits genehmigten Artikel von Le Temps zensieren lassen.
Amnesty International verlangte vom Bundesrat, sich gegenüber Frontex für die Sicherheit von Geflüchteten einzusetzen, illegale Abschiebungen zu verurteilen und Mechanismen einzuführen, um Frontex zur Rechenschaft ziehen zu können, berichtete Le Temps. Daniel Graf, der das Referendum durch seine Stiftung für direkte Demokratie unterstützt und bei der Unterschriftensammlung mit seinem Netzwerk «wecollect» mitgewirkt hatte, sprach gegenüber dem Blick trotz der Niederlage von einem Erfolg. Die Schweizerinnen und Schweizer hätten als einzige Bevölkerung Europas zum Ausbau der Frontex-Agentur Stellung nehmen können.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Beteiligung: 39.98%
Ja: 1'523'005 (71.5%), (Stände 23)
Nein: 607'673 (28.5%), (Stände 0)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, Lega, Mitte, SVP (1*), Economiesuisse, Konferenz der Kantonsregierungen, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Schweizerischer Gewerbeverband, TravailSuisse, Operation Libero, Europäische Bewegung Schweiz, IG Agrarstandort Schweiz, Interpharma, Swissmem, Gastrosuisse, Schweizer Tourismus-Verband, Allianz Sicherheit Schweiz
- Nein: SP (4*), GPS, EDU (2*), GPS, PdA, SD, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, VPOD, Migrant Solidarity Network, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, Flüchtlingsparlament Schweiz, Caritas, SolidaritéS, BastA!, Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz, Klimastreik Schweiz, Piratenpartei Ensemble à Gauche
- Stimmfreigabe: Schweizerische Flüchtlingshilfe, verschiedene SP-Kantonalparteien (AI, AR, GL, JU, SZ)
* Anzahl abweichende Kantonalsektionen in Klammern

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen den Ausbau des Schweizer Beitrags an die EU-Grenzschutzagentur Frontex wurde in der Westschweizer Öffentlichkeit schon im Januar 2022 lanciert, noch bevor das Referendum zustande gekommen war. In einem Meinungsbeitrag in Le Temps beschrieben Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) und eine Flüchtlingshelferin die Zustände auf dem Mittelmeer und in Libyen und wiesen vor allem auf die Menschenrechtsverletzungen durch Frontex hin. Wenige Tage darauf meldete sich FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) im gleichen Medium zu Wort und kritisierte seine Ratskollegin dafür, in ihrem Beitrag keine Alternativen anzubieten und stattdessen Frontex kategorisch abzulehnen. Er argumentierte überdies, dass fehlende Mittel für Frontex dazu führen könnten, dass es in Europa und der Schweiz zu einer Explosion «irregulärer Überfahrten» von Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten kommen würde. Der Frontex-Beitrag sei essentiell, um ein Mindestmass an Kontrolle der Migrationsströme sicherzustellen. Zudem brauche man darüber hinaus eine verstärkte Entwicklungshilfe in den Ursprungsländern der Flüchtenden in Kombination mit besseren Grenzkontrollen durch die Nachbarländer Libyens.

Die deutschsprachigen Medien griffen das Thema erst im Februar grossflächig auf, nachdem das Referendumskomitee am 20. Januar knapp 58'360 Unterschriften – davon 54'377 gültige – eingereicht hatte. Diskutiert wurde in den Medien insbesondere über mögliche interne Konflikte innerhalb der SP und der SVP. Bei der SP orteten die Medien einen Widerspruch zwischen der Ablehnung von Frontex und dem Wunsch nach Beibehaltung des Schengen-Abkommens, bei der SVP hingegen zwischen dem parteilichen Ziel einer restriktiven Migrationspolitik, und somit der Unterstützung von Frontex, bei gleichzeitiger Ablehnung aller Arten von EU-Verträgen. Der Blick sah die «Linke» gar in der «EU-Falle» sitzen, da die Schweiz bei einem Nein nicht nur aus dem Schengen-Dublin-System ausgeschlossen würde, sondern sich in diesem Fall auch die bilateralen Beziehungen mit der EU dramatisch verschlechtern würden. Dabei waren die Auswirkungen einer Ablehnung auf den Verbleib im Schengen-Raum jedoch umstritten. Gemäss EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter würde durch ein Nein zum Frontex-Ausbau ein Beendigungsverfahren für das Schengen-Abkommen ausgelöst, welches bei einer fehlenden Einigung nach sechs Monaten den Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin zur Folge hätte. Dieser Einschätzung widersprach jedoch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer in der NZZ. Demnach könne der Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin nicht gemäss der Guillotineklausel von 2004 vonstatten gehen, da die Schweiz seither rund 370 Rechtsakte der EU übernommen habe. Dies würde folglich einen umfassenden Austrittsvertrag nach dem Vorbild des Brexit-Vertrags vonnöten machen. Dieser Meinung schloss sich die SP (sowie auch die Grünen) an. Ergänzend präsentierte etwa SP-Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) einen Plan B in Form einer parlamentarischen Initiative, falls die Schweizer Stimmbevölkerung den Frontex-Ausbau tatsächlich ablehnen sollte. Darin schlug er vor, das Schweizer Kontingent der von der UNO anerkannten Flüchtlinge innerhalb der 90 Tage bis zum Schengen-Ausschluss auf 4'000 zu erhöhen, sozusagen als humanitäre flankierende Massnahme zum Frontex-Ausbau. Da die SP die Unterstützung an den Frontex-Ausbau an diese Bedingung gekoppelt hatte, könnte die Schweiz nach der Aushandlung dieser Erhöhung den Frontex-Beitrag dann trotzdem freigeben.
Die Nein-Parole beschloss die SP an ihrem Parteitag mit grosser Mehrheit, wenngleich einzelne Parteiexponentinnen und -exponenten wie Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) sich nur halbherzig anschliessen mochten. In den Befragungen im Vorfeld der Abstimmung zeichnete sich jedoch eine SP-interne Spaltung ab: Die Sympathisierenden der SP wollten der Vorlage gemäss einer Ende April durchgeführten Tamedia-Vorumfrage entgegen dem Kurs des Parteipräsidiums und des Parteitags mit fast 53 Prozent zustimmen. Ähnliches spielte sich bei den Grünen ab, bei denen 48 Prozent der Sympathisierenden trotz Nein-Parole der Partei eine Ja-Stimme in Aussicht stellten, wogegen 44 Prozent der Parteileitung zu folgen gedachten. Auch bei den traditionell SP-nahen Organisationen zeigten sich die Auswirkungen dieses inhaltlichen Dilemmas, wie CH Media berichtete. Obwohl das Sekretariat des Gewerkschaftsbundes seinem Vorstand und den Mitgliedern in einem internen Papier Stimmfreigabe vorgeschlagen hatte, da «ein Interessenkonflikt zwischen einer menschenwürdigen europäischen Flüchtlingspolitik und der Personenfreizügigkeit im Rahmen von Schengen» vorliege, beschloss der SGB-Vorstand die Nein-Parole. Hingegen entschied sich der Gewerkschaftsbund gemäss Mediensprecher Gaillard jedoch dagegen, den Abstimmungskampf des Referendumskomitees mitzufinanzieren. Auch andere NGOs wie die SFH, die traditionell die Anliegen der SP unterstützten, taten sich mit der Parolenfassung schwer. SFH-Direktorin Miriam Behrens befürchtete, dass die Schweiz bei einem Nein nicht mehr an der Verbesserung der europäischen Migrationspolitik mitwirken könnte. Andererseits könnte der Ausbau der EU-Agentur die Kontrolle der Mitgliedstaaten erschweren, in deren Kompetenzbereich die meisten Verstösse fielen. Amnesty International verzichtete darauf, sich am Abstimmungskampf zu beteiligen, da die im Referendum betroffenen Bestimmungen nicht die konkreten Bedingungen von Schutzsuchenden oder die Verteidigung der Menschenrechte beträfen.

Am anderen Ende des politischen Spektrums hatte die SVP ebenfalls mit der Beschlussfassung zu kämpfen. Obwohl die Vorlage zum Ausbau des Schweizer Beitrags an Frontex aus dem Departement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer stammte, lehnten sie mehrere einflussreiche SVP-Mitglieder von Anfang an ab, darunter Esther Friedli (svp, SG), Lukas Reimann (svp, SG), Marcel Dettling (svp, SZ)) und Marco Chiesa (svp, TI), oder wechselten nach der parlamentarischen Phase aus dem Ja- ins Nein-Lager (Céline Amaudruz (svp, GE) und Roger Köppel (svp, ZH)). Die Südostschweiz berichtete, dass sich die Parteibasis eine Nein-Parole wünsche, was eine unheilige Allianz mit der SP und den Grünen bedeuten würde. Die Vertreterinnen und Vertreter des Nein-Lagers innerhalb der SVP wollten die Gelder lieber an der eigenen Grenze investieren, als diese der Frontex, deren Nutzlosigkeit sich gezeigt habe, zur Verfügung zu stellen. Die Befürworterinnen und Befürworter setzten sich hingegen für mehr Grenzschutz an den EU-Aussengrenzen und weniger «illegale Migration» ein. Es lag daher an der neunköpfigen Parteileitung, eine Empfehlung auszuarbeiten, deren Mitglieder hatten in der Schlussabstimmung im Parlament aber unterschiedliche Positionen vertreten. Die Partei beschloss schliesslich Anfang April 2022 die Ja-Parole und folgte damit nicht zuletzt der Empfehlung ihres verantwortlichen Bundesrats Ueli Maurer.
Bei der Parolenfassung weniger schwer taten sich die Mitte und die FDP, deren Delegiertenversammlungen im Januar (Mitte) und Februar (FDP) klare Ja-Parolen ausgaben.

Mitte März trat erstmals das Referendumskomitee «No Frontex» an die Öffentlichkeit. Das Komitee lehnte nicht nur die Erhöhung des Beitrags, sondern die Grenzschutzagentur als Ganzes ab, weil diese «ohne jegliche demokratische Kontrolle der Mitgliedstaaten» agiere, berichtete die Tribune de Genève. Mitte April versuchten die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner mit Demonstrationen und anderen öffentlichen Anlässen, die Stimmbevölkerung für die Thematik zu sensibilisieren.

In der Folge äusserten sich aber auch zahlreiche Befürworterinnen und Befürworter öffentlich zu Wort. Während sich die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner auf humanitäre Argumente stützten, wandten sich Wirtschaftsorganisationen mit ökonomischen Bedenken an die Öffentlichkeit. So gründete der Tourismussektor im April ein Ja-Komitee, da dieser bei einer Ablehnung der Vorlage den Ausschluss aus dem Schengen-Visa-Raum befürchtete. Dadurch bräuchten Touristen aus Fernmärkten ein separates Visum für einen Aufenthalt in der Schweiz, was die Attraktivität einer Schweiz-Reise drastisch senken würde, begründete STV-Direktor Philipp Niederberger die Ängste der Branche. Hotelleriesuisse rechnete mit Einbussen von bis zu CHF 188 Mio. pro Jahr und der Bundesrat erwartete jährliche Ausfälle von jährlich maximal CHF 500 Mio. Franken für den Schweizer Tourismus. Doch nicht nur wirtschaftliche Bedenken wurden vorgebracht, KKJPD-Präsident Fredy Fässler (sp, SG) warnte davor, bei einem Nein zum Frontex-Beitrag vom Sicherheitssystem der EU abgehängt zu werden, was für die Polizeiarbeit hochproblematisch wäre.

Ebenfalls im April, also knapp einen Monat vor der Abstimmung, wurde bekannt, dass OLAF – die Antibetrugsbehörde der EU – in einem geheimen Bericht mehrfache Verfehlungen durch Frontex-Verwaltungsräte festgestellt hatte. Die Frontex-Spitze um Direktor Fabrice Leggeri sei demnach in Mobbing und illegale Pushbacks – also in illegale Ausweisungen oder Rückschiebungen von Migrantinnen und Migranten unmittelbar vor oder nach dem Grenzübertritt, ohne dass diese die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen – verwickelt gewesen. Nach Veröffentlichung dieser Vorwürfe verweigerte der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments Frontex die Décharge. Auch der Vorsitzende des Frontex-Verwaltungsrats, Marko Gasperlin, gab in einem Blick-Interview zu Protokoll, dass in bestimmten Fällen «absolut falsch gehandelt» worden sei, auch wenn das Frontex-System im Grossen und Ganzen funktioniere. Zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin bat der umstrittene Frontex-Chef Fabrice Leggeri seinen Rücktritt an, der vom Verwaltungsrat gleichentags akzeptiert wurde. Leggeri wurde nicht nur für die zahlreichen nachgewiesenen Pushbacks verantwortlich gemacht, er wurde auch des Missmanagements und des Mobbings bezichtigt. Unklar war, wie sich diese Nachricht auf die Volksabstimmung auswirken würde. Einerseits bestätige der Rücktritt die Kritik an der Grenzagentur, andererseits sei er Zeugnis einer gewissen Reformbereitschaft, argumentierte der Tages-Anzeiger. Letzterer Interpretation schloss sich das EFD an. Eine Sprecherin erklärte, dass Frontex nun das angeschlagene Vertrauen zurückgewinnen könne und dass sich gezeigt habe, dass die Aufsichtsmechanismen funktionierten.

Eine Tamedia-Meinungsumfrage vom 4. Mai machte jeglichen Anflug von Spannung hinsichtlich des Ausgangs der Abstimmung zunichte, denn eine grosse Mehrheit der Befragten (64%) wollte ein Ja an der Urne einlegen. Auf eine deutliche Annahme der Vorlage am 15. Mai deuteten nicht nur die Meinungsumfragen, sondern auch die Auswertung der Zeitungs- und Inserateanalyse von Année Politique Suisse hin. Während das Ja-Lager in den untersuchten Printmedien rund 120 Inserate publizieren liess, fand quasi keine Gegenkampagne statt (ein einzelnes Kontra-Inserat während der ganzen Untersuchungsperiode). Die Pro-Inserate warnten vor allem davor, dass ein Nein die Sicherheit der Schweiz, die Reisefreiheit und die Schweizer Wirtschaft bedrohen würde. Einen direkten Zusammenhang zum oftmals genannten Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin machten nur 35 Prozent der Inserate, also deutlich weniger als drei Jahre zuvor beim Referendum zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Denis De La Reussille (pda, NE) reichte im Mai 2020 eine Motion ein, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, das ILO-Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz zu ratifizieren. Das Übereinkommen schaffe Pflichten zur «Förderung eines sicheren und gesunden Arbeitsplatzes» sowie für ein nationales Programm zur Beseitigung oder Verringerung von Gefahren am Arbeitsplatz. Gerade die Covid-19-Pandemie habe die Wichtigkeit des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz gezeigt, vor allem für diejenigen Tätigkeiten, die nicht in Heimarbeit erledigt werden können, argumentierte der Motionär. Um diesen zu verbessern, sei eine Ratifizierung des Übereinkommens notwendig.
In seiner Stellungnahme vom August 2020 beantragte der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Eine Ratifizierung dieses Übereinkommens würde eine umfassende Reform des schweizerischen Systems zum Schutz der Arbeitnehmende und gleichzeitig auch eine Ratifizierung von 13 anderen ILO-Übereinkommen erfordern. Eine so grosse Reform des bestehenden Systems wolle die Regierung vermeiden.
In der Sondersession im Mai 2022 lehnte die grosse Kammer die Motion mit 110 zu 66 Stimmen ab. Einzig die Grünen und die sozialdemokratische Fraktion unterstützten die Motion, während die Fraktionen der GLP, der SVP, der FDP und der Mitte gegen das Geschäft stimmten.

Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (Mo. 20.3173)

In der Sondersession vom Mai 2022 nahm der Nationalrat als Erstrat eine Motion seiner WBK-NR an, die mittels Anpassung der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen sicherstellen will, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Angestellten wirksam vor Mobbing und sexueller Belästigung schützen. Dabei berief sich die Mehrheit der Kommission – eine aus bürgerlichen Kommissionsmitgliedern bestehende Minderheit beantragte die Ablehnung der Motion – auf die nationale Studie zu sexueller Belästigung aus dem Jahr 2008, gemäss welcher zwei Drittel der befragten Personen angaben, dass ihr Arbeitgeber trotz gesetzlicher Pflicht keine Massnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung getroffen habe. Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, wobei er die Ansicht vertreten hatte, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen im Arbeits- und Gleichstellungsgesetz sowie im Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ausreichten, um bei der Vergabe von Aufträgen auch den Arbeitsschutz im Bereich Mobbing und sexuelle Belästigung zu beurteilen. Der Nationalrat befürwortete die Motion mit 93 zu 86 Stimmen (3 Enthaltungen). Neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, Grünen und der GLP stimmte auch eine Mehrheit der Mitte-Fraktion für die Annahme des Vorstosses. Direkt im Anschluss an die nationalrätliche Behandlung zog Léonore Porchet (gp, VD) ihre parlamentarische Initiative mit demselben Anliegen zurück (Pa.Iv. 20.486). Gleichzeitig beriet der Nationalrat eine andere Motion der WAK-NR mit ähnlichem Anliegen, die er ebenfalls an den Zweitrat überwies (Mo. 22.3019).

Schutz vor sexueller Belästigung bei öffentlichen Aufträgen (Mo. 22.3020)

Bruno Storni (sp, TI) reichte im Dezember 2021 eine Motion ein, mit welcher er den Bundesrat beauftragen wollte, die Teilnahme der Schweiz am ERRU umzusetzen. Gemäss dem Motionär sei der Bundesrat durch das SVG ohnehin dazu angehalten, ein Informationssystem zu Strassenverkehrskontrollen zu führen und dieses mit anderen Informationssystemen zu verlinken. Durch diesen Anschluss könne der gesetzliche Auftrag umgesetzt werden und die Schweiz würde damit an Informationen über ausländische Verkehrsteilnehmende gelangen, wodurch die Verkehrssicherheit erhöht würde.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Er beabsichtige das STUG anzupassen und damit die notwendige Rechtsgrundlage für den Anschluss an das ERRU zu schaffen.
Der Nationalrat befasste sich in der Sondersession im Mai 2022 mit dem Vorstoss. Bruno Storni betonte dabei insbesondere, dass das ERRU es ermögliche, nicht nur Informationen über einzelne Chauffeure einzuholen, sondern auch über fehlbare Transportunternehmen. Benjamin Giezendanner (svp, AG), der den Vorstoss bekämpft hatte, argumentierte, dass die Schweiz primär die Schwerverkehrskontrollen stärken müsse, um mehr Sicherheit beim Transportgewerbe zu erhalten. Beim Anschluss an das ERRU hingegen stehe nicht der Sicherheitsaspekt, sondern die europäische Integration im Vordergrund; das ERRU sei nämlich «ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von EU-Recht». Dieses Argument von Giezendanner vermochte die Mehrheit des Rates jedoch nicht zu überzeugen; mit 135 zu 49 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) nahm die grosse Kammer die Motion an. Die ablehnenden Stimmen und die beiden Enthaltungen stammten von den Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Informationsaustausch. Der Schweizer Polizei Zugriff auf das europäische Strassentransportregister ermöglichen (Mo. 21.4580)

Da sich Schweizer Akteurinnen und Akteure aus Forschung und Innovation aufgrund der Nicht-Assoziierung an Horizon Europe zwar an rund zwei Dritteln der Ausschreibungen dieses Rahmenprogramms beteiligen können, in der Regel aber keine Finanzierung seitens EU dafür erhalten, verabschiedete der Bundesrat im Mai 2022 weitere Übergangsmassnahmen für das Jahr 2022. Im Rahmen dieser Massnahmen fliessen finanzielle Mittel, die als Pflichtbeitrag an die EU für die Teilnahme an Horizon Europe eingeplant waren, direkt an Schweizer Projektbeteiligte. Bezüglich der Einzelstipendien, für die sich Forscherinnen und Forscher von Schweizer Institutionen derzeit aus demselben Grund nicht bewerben können, beschloss der Bundesrat Förderangebote beim SNF und bei Innosuisse einzurichten. Übergangsmassnahmen wurden auch für die Bereiche Hochleistungsrechnen, Quantenforschung und Raumfahrt beschlossen. Diese Massnahmen werden über das SBFI und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) abgewickelt. Ferner beabsichtigte der Bundesrat die internationale Ausrichtung des Schweizer Forschungs- und Innovationsbereichs mittels der Lancierung von bi- und multilateralen Kooperationen auszuweiten; so werde demnächst eine nationale Quanteninitiative lanciert und im Bereich der Raumfahrt strebte die Schweiz eine Kooperationsvereinbarung zur Gründung eines gemeinsamen Kompetenzzentrums mit der ESA an. Diese wurde im Mai 2022 abgeschlossen.
Insgesamt werden sich die Kosten für diese Massnahmen für die Jahre 2021 und 2022 auf über CHF 1.2 Mrd. belaufen.
Wie die Medien berichteten, werde der Bundesrat im Jahr 2023 darüber entscheiden, ob eine Assoziierung an die Programmperiode 2021-27 von Horizon Europe überhaupt noch Sinn mache. Wie Staatssekretärin Martina Hirayama anlässlich eines Mediengesprächs im Mai 2022 betonte, sei eine Assoziierung logischerweise mit der Zeit immer weniger angezeigt, da die grossen Ausschreibungen bereits vergeben und die entscheidenden Projekte lanciert seien.

Übergangsmassnahmen für «Horizon Europe»
Dossier: Erasmus und Horizon

Im Mai 2022 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Tonnagesteuer auf Seeschiffen. Bei der Methode der sogenannten Tonnagesteuer wird die Gewinnsteuer eines Schifffahrtsunternehmens nicht wie üblich anhand der tatsächlich erwirtschafteten Gewinne oder Verluste berechnet; es wird vielmehr die Ladekapazität der Seeschiffe pauschal mit einem gestaffelten Tarif multipliziert. Dieser Betrag wird wiederum mit der Anzahl Betriebstage multipliziert und zum ordentlichen Gewinnsteuersatz besteuert.
Der Gesetzesentwurf des Bundesrats ging auf das Anliegen der beiden Räte zurück, die Tonnagesteuer nicht im Rahmen der USR III, sondern in einer separaten Vorlage zu regeln. Wie der Bundesrat ausführte, sei die Tonnagesteuer international und insbesondere im EU-Raum weit verbreitet; die Vorlage lehne sich denn auch weitgehend an die Tonnagesteuerregelungen in der EU an. Die Anwendung der Tonnagesteuer führe zu einer relativ tiefen Steuerbelastung, jedenfalls für profitable Unternehmen. Mit der freiwilligen Einführung dieser Berechnungsmethode solle der Standort Schweiz für Seeschifffahrtsunternehmen attraktiver werden. Dabei könnte es in geringem Masse zu Steuermindereinahmen kommen. Der Bundesrat führte weiter aus, die Vorlage sei in der Vernehmlassung «bis auf wenige Ausnahmen» positiv aufgenommen worden. Gefordert worden sei hingegen eine noch stärkere Anlehnung an die EU-Regelungen.

Bundesgesetz über die Tonnagesteuer auf Seeschiffen (BRG 22.035)

Wie jedes Jahr fanden am 1. Mai 2022 in der ganzen Schweiz 1.-Mai-Kundgebungen statt. In Bern, Zürich, Aarau, St. Gallen, Bellinzona und weiteren Städten versammelten sich tausende von Menschen, wobei die Kundgebung in St.Gallen auf den 30. April vorverschoben wurde, weil der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, wie die Medien berichteten.
Vorneweg marschierten jeweils nationale Politikerinnen. In Bern etwa führte die Berner Nationalrätin Tamara Funiciello (sp, BE) die offizielle Demonstration an, die sich später mit der von Personen aus dem linksautonomen Lager organisierten Demonstration zusammenschloss. In St. Gallen hielten Nationalrätin Claudia Friedl (sp, SG) sowie erneut Tamara Funiciello eine Rede, während sich in Aarau Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) auf der Bühne äusserte. Bei allen Demonstrationen wurde Solidarität mit der Ukraine aufgrund des Angriffs durch Russland bezeugt. Weiter wurde die AHV-Reform in den Kundgebungen und vor allem in den verschiedenen Reden thematisiert. So nannte etwa Funiciello die AHV-Reform, die unter anderem die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre vorsah, in St. Gallen eine «politische Frechheit». Stattdessen verlangte man neben den klassischen Forderungen der Arbeiterschaft, wie guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen, eine Förderung der Frauenrechte und Parität der Geschlechter.
Just am Vortag der Demonstrationen schlug der Think Tank Avenir Suisse gemäss einem Artikel in der NZZ eine Reform zum Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Unternehmen und Staat vor. So würden die Gewerkschaften «nur eine Minderheit der Arbeitnehmenden» repräsentieren, zumal ihre Mitgliederzahl abnehme, wie Peter Grünenfelder, Direktor des Think Tanks, betonte. Entsprechend sei es wichtig, sich zu fragen, wie viel Einfluss den Gewerkschaften zugestanden werden solle. Angefragt von der NZZ verwiesen hingegen VPOD-Sekräter Duri Beer und Sprecherin der Unia Zürich-Schaffhausen Nicole Niedermüller auf die Relevanz ihrer Arbeit für den Arbeitnehmerschutz.

1.-Mai-Kundgebungen 2022

Ende April 2022 eröffnete Bundespräsident Cassis den erstmals durchgeführten Innovationstag, der die Vernetzung zwischen den Regionen und die grenzübergreifende Kooperation von Innovationszentren beleuchten soll. Der Erstanlass führte auf einer Zugfahrt von Zürich nach Mailand und gipfelte in bilateralen Gesprächen mit den italienischen Behörden. Nach einem Besuch des Innovationsparks in Dübendorf und des Technoparks Tessin in Manno reiste Cassis zur Eröffnung des «House of Switzerland Milano» nach Mailand. Dort traf sich der Aussenminister bei einer Paneldiskussion über die Zukunft der Innovation mit seinem italienischen Pendant Luigi di Maio und dem Minister für technologische Innovation, Vittorio Colao. Das House of Switzerland diente als temporäre länderübergreifende Netzwerk- und Kommunikationsplattform, in der Wirtschaftsvertretende beider Ländern Kontakte knüpfen können, unter anderem um die Innovationsräume «Greater Zurich Area», das Tessin und die Lombardei miteinander zu verbinden.
Im Zentrum der Gespräche mit di Maio stand der Krieg in der Ukraine, wobei Cassis das humanitäre Engagement der Schweiz, die Aufnahme von Schutzsuchenden und die Sanktionen gegen Russland und Belarus hervorhob. Er betonte auch die gemeinsamen Werte, welche die Schweiz mit der EU verbänden, und bekräftigte, dass die Schweiz an der Fortführung des bilateralen Wegs interessiert sei. In diesem Kontext stellte er auch das neue Verhandlungspaket des Bundesrats vor. Mit dem italienischen Innovationsminister sprach Cassis über die jeweiligen Länderstrategien zur digitalen Transformation und deren Auswirkungen auf die globale Governance. Auch die Stärkung der UNO, die Bedeutung der Wissenschaftsdiplomatie und die Rolle der GESDA-Stiftung wurden thematisiert.

Bundespräsident Cassis trifft Aussenminister di Maio in Mailand

Der Bundesrat präsentierte Mitte April 2022 die Botschaft über den Beitritt zu sechs ERIC-Forschungsinfrastrukturnetzwerken und die damit einhergehende Änderung des FIFG. Diese Beitritte sollen es den Forschenden von Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitutionen ermöglichen, gleichberechtigt an den Arbeiten dieser EU-Netzwerke teilzunehmen. Bislang habe die Schweiz in acht von insgesamt 22 ERIC-Netzwerken und -Forschungsinfrastrukturen lediglich einen Beobachterstatus inne. Zu folgenden sechs internationalen Gremien soll die Schweiz nun beitreten: Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure; Consortium of European Social Science Data Archives; Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities; European Clinical Research Infrastructure Network; European Plate Observing System; Integrated Carbon Observation System.
Der Bundesrat wies darauf hin, dass das Parlament mit dem Gutheissen der BFI-Botschaft 2021-2024 bereits die notwendigen Mittel für den Beitritt zu diesen Gremien gesprochen habe.
Um zukünftige weitere Beitritte zu den ERIC-Forschungsinfrastrukturnetzwerken einfacher zu gestalten, legte der Bundesrat im Übrigen einen Revisionsvorschlag für das FIFG vor. Mit dieser Änderung soll der Entscheid über solche Beitritte an die Regierung abgetreten werden.

Beitritt der Schweiz zu sechs internationalen ERIC-Forschungsinfrastrukturnetzwerken und Änderung des FIFG
Dossier: Erasmus und Horizon

Anfang April 2022 nahm Bundespräsident Cassis am jährlichen Fünfertreffen der deutschsprachigen Aussenministerinnen und Aussenminister im Fürstentum Liechtenstein teil. Gemeinsam mit Annalena Baerbock, Alexander Schallenberg, Dominique Hasler und Jean Asselborn besprach Aussenminister Cassis die Lage in der Ukraine, die geopolitischen Auswirkungen und die durch die russischen Angriffshandlungen ausgelöste humanitäre Krise. Im Anschluss nutzten die fünf Aussenminister und Aussenministerinnen den Anlass, um einen gemeinsamen Appell an Russland zu richten. Sie forderten Russland dazu auf, alle Kampfhandlungen in der Ukraine sofort zu beenden und die Truppen vom ukrainischen Hoheitsgebiet abzuziehen. Darüber hinaus verurteilten sie die massiven und systematischen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, insbesondere die Angriffe auf Zivilpersonen. Laut dem Schweizer Bundespräsidenten setzen sich alle fünf Länder als Teil einer gemeinsamen europäischen Wertegemeinschaft für Frieden, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand ein. Cassis nutzte die Gelegenheit zudem, um seinen Amtskolleginnen und -kollegen die Schweizerische Neutralitätspolitik zu erläutern und diese über den Stand des Europadossiers zu informieren. Er strich hierbei vor allem die kürzlich veröffentlichte Stossrichtung für ein Verhandlungspaket mit der EU heraus.

Deutschsprachige Aussenminister richten gemeinsamen Appell an Russland
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Im Frühling 2022 beschlossen die Mitgliederversammlungen der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), des «Komitees Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» je separat, sich als eigenständige Organisationen aufzulösen und zu fusionieren. Die fusionierte Organisation sollte voraussichtlich den Namen «PSS – Pro Souveräne Schweiz» erhalten, darüber sollte aber erst an der Gründungsversammlung der neuen Organisation im Oktober 2022 definitiv entschieden werden. Eine Arbeitsgruppe unter Christoph Blocher (svp, ZH) sollte bis dahin auch die Statuten des neuen Vereins vorbereiten.
Die Mitglieder der drei Organisationen folgten mit den Fusionsbeschlüssen ihren jeweiligen Vorständen, die sich im März 2022 in einer gemeinsamen Medienmitteilung zu einem Zusammenschluss bekannt hatten. Mit der Bündelung der Ressourcen könne man «die Schlagkraft der Verteidiger einer unabhängigen und neutralen Schweiz erhöhen». Erklärtes Ziel sei es, eine referendumsfähige Organisation zu erhalten und die nötigen finanziellen Mittel für Abstimmungskämpfe bereitzustellen. Genau diese Fähigkeit, erfolgreich ein Referendum zu ergreifen und einen Abstimmungssieg zu erzielen, sprach Christoph Blocher der heutigen Auns ab. Überhaupt war Christoph Blocher – Gründungspräsident der Auns und Ex-Präsident des Komitees EU-No – gemäss Medienberichten die treibende Kraft hinter dem Zusammenschluss.
Dabei ging der Schritt zumindest beim grössten Fusionspartner, der Auns, nicht ganz ohne Misstöne über die Bühne: Das Vorstandsmitglied Luzi Stamm (svp, AG) wollte an der Versammlung offenbar Kritik an der geplanten Fusion äussern, doch seine «nicht enden wollende Zwischenrede» wurde per Versammlungsbeschluss unterbrochen, wie dem Versammlungsbericht der Auns zu entnehmen war. Selbst der seit 2014 amtierende Präsident der Auns, Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG), zeigte sich in seiner Rede an der Versammlung «unsicher» bezüglich der Fusion – sicher sei er aber, «dass Christoph Blocher das Richtige tut». Im Sonntagsblick zog Reimann freilich Blochers Analyse in Zweifel, dass die Auns nicht mehr referendumsfähig gewesen sei: Man habe über mehr als 20'000 zahlende, wenn auch «etwas ältere» Mitglieder sowie über eine Adressdatenbank mit 90'000 Personen verfügt und in den letzten Jahren viermal die Lancierung einer Volksinitiative beschlossen. Dass man schliesslich auf alle vier Initiativen verzichtet habe, habe auch daran gelegen, dass Christoph Blocher jeweils gefunden habe, man müsse sich auf den Kampf gegen das Rahmenabkommen konzentrieren. Mit bloss vier Gegenstimmen entschieden sich letztlich aber auch die Auns-Mitglieder klar für die Fusion. Gegenüber dem Sonntagsblick befand Reimann anschliessend, die Fusion «müsse kein Flop werden, [...] aber jetzt kaufen wir halt schon die Katze im Sack, wenn man nicht recht weiss, was da kommt».

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Anders als die SPK-SR wollte die SPK-NR einer Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt, die verlangte, dass die Schweiz zusätzliche, in Griechenland gestrandete, besonders schutzbedürftige Personen aufnehme, mit 14 zu 8 Stimmen keine Folge geben. Sie argumentierte dabei gleich wie bei der zeitgleich gefassten ablehnenden Entscheidung zu einer parlamentarischen Initiative der Grünen Fraktion (Pa.Iv. 21.519): Für eine solche Lösung müssten Kantone und Gemeinden einbezogen werden, was «äusserst komplex wäre und im Widerspruch zum aktuellen System stünde».

Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren (Kt.Iv. 21.310)
Dossier: Dublin-Verordnung

Die WBK-NR folgte im April 2022 ihrer Schwesterkommission und gab zwei Standesinitiativen aus Basel-Landschaft und Basel-Stadt betreffend die rasche Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe Folge.

Drei Standesinitiativen zum Forschungsprogramm Horizon Europe (Kt. Iv. GE 21.320; Kt. Iv. BL 21.327; Kt. Iv. BS 21.328) & Horizon-Fonds-Gesetz
Dossier: Erasmus und Horizon

Le conflit en Ukraine, et les sanctions occidentales envers la Russie, a mis sous le feu des projecteurs le rôle du gaz dans le mix énergétique helvétique. Dans un premier temps, certains acteurs, avec par exemple la ville de Zurich, ont annoncé vouloir boycotter le gaz russe, immédiatement et jusqu'à la fin du conflit. Néanmoins, plusieurs experts en énergie ont rapidement indiqué l'impossibilité pratique d'une telle mesure. En effet, la traçabilité sur le marché gazier n'est pas encore effective. Il est donc possible de connaître la quantité de gaz russe qui entre en Europe, mais pas celle qui est ensuite orientée vers la Suisse.
Ces discussions de boycott ont également mis en exergue la différence de dépendance envers le gaz russe entre la Suisse alémanique et la Suisse romande. Dans les faits, la Suisse alémanique s'approvisionne majoritairement auprès du fournisseur allemand Uniper qui est fortement dépendant du pipeline Nord Stream 1, qui est lui-même fortement alimenté par le gaz russe. A l'opposé, la Suisse romande s'approvisionne essentiellement chez le fournisseur français Engie qui possède un portefeuille de gaz plus diversifié. En Suisse romande, seulement 25 pour cent du gaz proviendrait de la Russie, alors que pour la Suisse allemande ce total dépasserait les 50 pour cent d'après des estimations.
Si le risque de pénurie de gaz à court-terme a été écarté par les experts en énergie ainsi que par le Conseil fédéral, le gouvernement a rapidement enclenché ses relais diplomatiques pour renforcer sa sécurité d'approvisionnement en gaz. D'un côté, le conseiller fédéral Ueli Maurer a profité de sa visite à Doha pour discuter de la livraison de gaz naturel liquéfié à la Suisse. La concrétisation de ces négociations sera menée par la société Gaznat. D'un autre côté, la conseillère fédérale Simonetta Sommaruga a saisi l'opportunité de son voyage diplomatique aux Pays-Bas pour renforcer la collaboration dans le domaine des énergies renouvelables. Ainsi, la Suisse a conclu avec six autres pays européens (Allemagne, Autriche, Belgique, Luxembourg et Pays-Bas) un accord sur l'approvisionnement en gaz pour l'hiver 2022/2023. La Suisse pourra bénéficier des installations de stockage en gaz de ces pays. Cette décision était cruciale pour la Suisse car le pays ne possède pas d'installations de stockage de grande ampleur pour le gaz. Finalement, le Conseil fédéral a levé les interdictions découlant du droit des cartels afin de permettre aux acteurs de la branche d'effectuer des achats groupés pour renforcer l'approvisionnement en gaz.

Guerre en Ukraine et approvisionnement en gaz
Dossier: Krieg in der Ukraine - Folgen für die Energiepolitik

In der Frühjahrssession 2022 gelangte das Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft über Zollerleichterungen und Zollsicherheit (ZESA) in den Ständerat, nachdem die WAK-SR im Vorfeld einstimmig dessen Annahme beantragt hatte. Bundesrat Maurer verwies auf den grossen administrativen Aufwand, den sich die Schweiz durch das Abkommen erspare. Mit dieser Anpassung werde das Abkommen zudem in den Ausbau des digitalen Transformationsprogramms DaziT integriert. Maurer freute sich offen darüber, dass die Lösungsfindung mit der EU sehr zügig vorangehen könne, wenn beide Seiten die gleichen Interessen verträten. Das Geschäft war unumstritten und wurde von der kleinen Kammer wie schon vom Nationalrat einstimmig angenommen.
Auch die Schlussabstimmungen einige Tage danach waren eine klare Angelegenheit. Beide Räte nahmen die Änderung des Abkommens einstimmig an.

Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft über Zollerleichterungen und Zollsicherheit

Im Ständerat, der sich in der Frühjahrssession 2022 als Zweitrat mit der Übernahme der EU-Verordnung 2020/493 über das System FADO (False and Authentic Documents Online) auseinandersetzte, war Eintreten unbestritten. Wie der Nationalrat war auch die ständerätliche Rechtskommission der Ansicht, dass der Bundesrat nicht selbstständig neue Staatsverträge mit Änderungen der Zugriffsrechte auf FADO abschliessen können soll. Der vollständige Kompetenzentzug, den der Nationalrat vorgenommen hatte, ging der RK-SR allerdings zu weit. Sie beantragte ihrem Rat eine Kompromisslösung, wonach der Bundesrat geringfügige Änderungen der Zugangsrechte auf dem Verordnungsweg umsetzen kann, dem Parlament aber gleichzeitig eine Botschaft zur Gesetzesänderung vorlegen muss. Bundesrätin Karin Keller-Sutter begrüsste diesen Vorschlag und erklärte, der Bundesrat halte nicht an seiner Version fest. Der Ständerat stimmte dieser Änderung stillschweigend zu und nahm den Entwurf einstimmig an.
Die Mehrheit der RK-NR präzisierte daraufhin, dass der Bundesrat auf dem beschriebenen Weg nicht nur geringfügige Änderungen der Zugriffsrechte vornehmen, sondern auch ein begrenztes Zugriffsrecht für Unternehmen, die in der Luftfahrt tätig sind, festlegen können soll. Eine SVP-Minderheit war jedoch der Ansicht, dass letzteres eine substanzielle Änderung sei, die nicht über den Verordnungsweg vorgenommen werden dürfe, und beantragte Zustimmung zur ständerätlichen Fassung. Der Nationalrat stimmte mit 112 zu 37 Stimmen für den Mehrheitsvorschlag, der auch im Sinne des Bundesrates sei, wie die Justizministerin versicherte. Nachdem auch der Ständerat diesem Vorschlag stillschweigend zugestimmt hatte, kam der Entwurf noch in der Frühjahrssession 2022 in die Schlussabstimmungen. Während ihn die kleine Kammer einstimmig (bei einer Enthaltung) verabschiedete, hiess ihn der Nationalrat mit 147 zu 12 Stimmen bei 32 Enthaltungen gut. Die ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion, die in der Differenzbereinigung mit ihrer Position zu den bundesrätlichen Kompetenzen unterlegen war. Demgegenüber war es die Grüne Fraktion, die sich geschlossen der Stimme enthielt, ebenso wie drei Mitglieder der SP-Fraktion. Das links-grüne Lager hatte in der Eintretensdebatte harsche Kritik daran geäussert, dass die EU-Verordnung das System FADO in die Verantwortlichkeit der umstrittenen Grenzschutz-Agentur Frontex überträgt.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung über das System FADO (BRG 21.036)

Im Rahmen der Frühjahrssession 2022 entschied der Ständerat mit 23 zu 12 Stimmen, der Standesinitiative des Kantons Tessin zur Bekämpfung des Lohndumpings keine Folge zu geben. Diese forderte die Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung im OR so anzupassen, dass die Kündigung durch Arbeitgebende einen Missbrauch darstellt, wenn sie entweder ausgesprochen wurde, um den gekündigten Arbeitnehmenden durch eine gleich qualifizierte Arbeitskraft zu tieferem Lohn zu ersetzen oder weil sich der oder die Arbeitnehmende geweigert hatte, Lohneinbussen zu akzeptieren.
Kommissionssprecher Philippe Bauer (fdp, NE) erachtete es im Namen der Mehrheit der RK-SR als Aufgabe der Tessiner Regierung, die kantonale Verfassung so anzupassen, dass die Tessiner Arbeitnehmenden vor Lohndumping geschützt werden – wie die kantonale Initiative «Prima i nostri» verlangt hatte. Eine Anpassung des OR sei dafür nicht nötig. Zudem zeige ein Bericht des SECO, dass sich die wirtschaftliche Lage im Tessin seit der Annahme der kantonalen Initiative bis heute verbessert habe. Seither sei unter anderem das Angebot an Arbeitsplätzen angestiegen, aktuell entspreche die Tessiner Arbeitslosenquote dem nationalen Durchschnitt. Hingegen führte Daniel Jositsch (sp, ZH) für die Minderheit aus, dass die Löhne im Kanton Tessin noch immer tiefer lägen als in der Deutschschweiz und der Südkanton noch immer zahlreiche Grenzgängerinnen und Grenzgänger zähle, die sehr oft zu schlechteren Bedingungen arbeiteten. Zudem sei die ganze Schweiz von der Problematik des Lohndumpings betroffen – einige Kantone mehr, andere weniger –, weshalb eine Lösung auf Bundesebene wünschenswert wäre. Mit der folgenden Ablehnung der Standesinitiative durch den Ständerat war das Geschäft erledigt, da sich der Nationalrat bereits im Juni 2021 gegen Folgegeben ausgesprochen hatte.

Empêcher les licenciements de substitution (Iv.ct. 18.306)

Lors de la session d'automne 2020, une motion de la sénatrice verte Maya Graf (BL) demandant une adaptation des droits de propriété intellectuelle pour la sélection végétale avait été renvoyée en commission pour discussions. A l'issue de celles-ci, une majorité de la CSEC-CE a décidé de déposer une motion alternative pour renforcer la transparence dans le domaine des brevets sur les plantes. La solution proposée par la commission est un compromis qui récolte le soutien tant du Conseil fédéral que de différentes organisations agricoles et de consommateurs. Pour le développement de nouvelles variétés végétales, les obtenteurs doivent pouvoir facilement savoir si les variétés qu'ils utiliseront pour débuter leurs recherches sont protégées par un brevet ou par une protection des obtentions végétales. Au nom de la commission, Benedikt Würth (centre, SG) a longuement expliqué la distinction entre les deux et les conséquences en cas d'utilisation par un tiers d'une variété protégée soit par l'un soit par l'autre. En effet, le droit fédéral distingue entre variétés obtenues grâce à des solutions technologiques, par modification du génome par exemple, (protégées par les brevets) et variétés obtenues par le biais de procédés classiques (variétés qui tombent sous la protection des obtentions végétales). Les registres manquent aujourd'hui de clarté à cet égard, ce qui complique le travail des entreprises développant de nouvelles variétés. La majorité de la commission estime donc qu'offrir de meilleures conditions-cadres permettra de renforcer l'innovation dans ce domaine. Pour la minorité, représentée par Matthias Michel (plr, ZG) et Andrea Gmür-Schönenberger (centre, LU), cette modification n'est pas nécessaire car la plupart des variétés proviennent du marché européen, dans le cadre duquel il existe des plateformes qui font la transparence sur le droit appliqué sur les différentes variétés vendues. La minorité redoute également que la Suisse soit un îlot en la matière au milieu de l'Europe si elle adapte sans concertation sa législation. Cela n'aura pas suffi à convaincre la chambre haute, qui a accepté, par 28 voix contre 10, la motion de la commission.

Davantage de transparence dans le domaine des brevets sur les plantes (Mo. 22.3014)

Im Juni 2021 forderte die APK-NR mittels einer parlamentarischen Initiative die Schaffung eines Bundesgesetzes für die Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union. Der Vorstoss wurde in Reaktion auf den einseitigen Abbruch der Verhandlungen über ein Institutionelles Rahmenabkommen mit der EU formuliert. Der Bundesrat solle die Eckwerte für den strukturierten politischen Dialog mit der EU zur Klärung der institutionellen Regeln in diesem Gesetz festhalten. Die Kommission argumentierte, dass eine Klärung der institutionellen Regeln für die bestehenden und zukünftigen bilateralen Abkommen grundlegend für den kontinuierlichen und ausgewogenen Ausbau der Wirtschafts- und Kooperationsbeziehungen mit der EU und ihren Mitgliedstaaten sei. Vier Forderungen sollten im Bundesgesetz berücksichtigt werden: die Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens zur Klärung der institutionellen Fragen oder einer anderen zukunftsfähigen institutionellen Lösung müssen zum nächstmöglichen Termin aufgenommen werden; der Bundesrat muss die Grundlage für den Verhandlungsbeginn mit einem regelmässigen strukturierten politischen Dialog auf ministerieller Ebene schaffen; die Aussenpolitischen Kommissionen sowie die Kantone müssen zeitnah über den politischen Dialog informiert werden und sollen Leitlinien zur Stärkung von Demokratie und Souveränität empfehlen können; der Bundesrat muss die Rechtsharmonisierung rasch und umfassend vornehmen und legt dabei auch die Prioritäten für künftige Marktzugangsabkommen und den Abschluss anderer Kooperationsabkommen fest.
Da die APK-SR der parlamentarischen Initiative im Oktober 2021 knapp keine Folge gab, musste die APK-NR darüber entscheiden, ob an der Initiative festgehalten werden soll. In ihrem Kommissionsbericht Ende November 2021 gab sie dieser mit 17 zu 8 Stimmen Folge, da eine Mehrheit der Meinung war, dass mithilfe der bewusst «nicht ausformulierten Initiative» eine europapolitische Leitlinie zur Weiterführung der bilateralen Beziehungen mit der EU geschaffen werden müsse. Eine Kommissionsminderheit Nidegger (svp, GE) sorgte sich hingegen, dass dadurch die Handlungsfähigkeit des Bundesrats eingeschränkt werden könnte.
In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat die Initiative seiner Aussenpolitischen Kommission. Kommissionssprecher Eric Nussbaumer (sp, BL) räumte zwar ein, dass die auswärtigen Angelegenheiten Sache des «Bundes» seien, dieser Begriff umfasse jedoch nicht nur die Exekutive sondern auch die Legislative. Es sei demnach die Aufgabe der Legislative, die «Leitlinien eines aussenpolitischen Handlungsfeldes in einem Gesetz als Handlungsanweisung für die Exekutive zu verankern». Nussbaumer versicherte, dass das Gesetz keinen umfassenden Integrationsschritt, wie zum Beispiel einen EWR-Assoziierungsvertrag, vorschreiben würde, sondern nur dafür sorgen solle, den bisherigen Weg zukunftsfähig weiterzuführen. Da aus Basis der parlamentarischen Initiative zudem ein Gesetz ausgearbeitet würde, das dem fakultativen Referendum unterstehe, sei eine direkt-demokratische Auseinandersetzung möglich, ohne dass der bilaterale Weg dadurch bedroht werde. Minderheitssprecher Nidegger, der beantragte, der parlamentarischen Initiative nicht Folge zu geben, störte sich daran, dass diese zwingend eine Klärung der institutionellen Regeln vorsehe, wo doch derzeit unüberbrückbare Differenzen zur EU bestünden, namentlich beim Lohnschutz, der Unionsbürgerschaft und dem Verbot der staatlichen Beihilfen. Er bezeichnete den Vorstoss als «Putsch» gegen das Vorrecht des Bundesrats, die Schweizer Aussenpolitik gestalten zu können. Die grosse Kammer gab der Initiative ihrer Kommission trotz dieser Einwände mit 127 zu 58 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) Folge. Die SVP-Fraktion, sowie vereinzelte Mitglieder der FDP.Liberale- und der Mitte-Fraktion stimmten dagegen.

Bundesgesetz über die Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union (Pa.Iv. 21.480)
Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Der Ständerat befasste sich in der Frühjahrssession 2022 mit der Teilnahme der Schweiz am Copernicus-Programm, die von Marco Romano (mitte, TI) in einer Motion gefordert worden war. Zwischen der Behandlung durch den Nationalrat im Winter 2020 und der Behandlung im Ständerat hatte der Bundesrat eine Kehrtwende vollzogen: Wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter ausführte, hatte sich die Regierung in der Zwischenzeit dafür ausgesprochen, die Aufnahme von Gesprächen betreffend die Mitgliedschaft im EU-Programm zur satellitengestützten Erdbeobachtung in die Wege zu leiten. Folglich spreche aus Sicht des Bundesrates nichts mehr gegen eine Annahme der Motion, erläuterte Keller-Sutter. Sie schloss ihre Ausführungen mit dem Hinweis, dass die Teilnahme an Copernicus auch etwas kosten werde: Das Parlament werde bald Gelegenheit erhalten, sein Engagement in dieser Sache unter Beweis zu stellen, wenn es darum gehe, die entsprechenden finanziellen Mittel zu sprechen. Anschliessend wurde die Motion stillschweigend angenommen.

Schweizer Teilnahme am Copernicus-Programm (Mo. 18.4131)

Nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine aktivierte die Schweiz auf den 12. März 2022 erstmals in ihrer Geschichte den seit der Totalrevision des Asylgesetzes 1998 gesetzlich geregelten Schutzstatus S. Dieser ermöglicht es, schutzsuchenden Personen – im gegebenen Fall aus der Ukraine – ohne ordentliches Asylverfahren rasch und unbürokratisch ein einjähriges Aufenthaltsrecht zu erteilen, das bei Bedarf verlängert werden kann. Der Schutzstatus S bietet somit einer Gruppe kollektiven Schutz für die Dauer der in ihrem Ursprungsland bestehenden schweren Gefährdung. Ferner schliesst er – auch im Unterschied zum Status der vorläufigen Aufnahme – den unmittelbaren und bedingungslosen Familiennachzug mit ein und mündet, nach fünfjährigem Bestehen, in die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsbewilligung B. Der Bundesrat schlug die erstmalige Aktivierung des Schutzstatus S nach Absprache mit der EU vor, um europaweit möglichst einheitliche Regeln zu schaffen. Die EU-Mitgliedstaaten aktivierten ihrerseits mit der «Temporary Protection Directive» erstmals eine seit 2001 bestehende entsprechende Notfallregelung. Bei den konsultierten Akteuren, namentlich den Kantonen, Gemeinden, Städten, Hilfswerken und dem UNHCR, stiess der Vorschlag der Aktivierung des Schutzstatus S auf breite Unterstützung.

Als «Européens qui connaissent notre mentalité et la vie que nous menons ici» beschrieb EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter gemäss «La Liberté» die Ukrainerinnen und Ukrainer, als sie die bundesrätliche Solidaritätsbekundung in die Aktivierung des Schutzstatus S sowie in Verordnungsanpassungen zur Lockerung der Bestimmungen des Status übersetzte. So entfällt für Ukrainerinnen und Ukrainer die Wartefrist von drei Monaten, bis sie in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen, und ebenso ist es ihnen erlaubt, unmittelbar nach ihrer Einreise in die Schweiz eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben. Auch dürfen Personen mit Schutzstatus S innerhalb des Schengen-Raums frei reisen – dies ebenfalls im Unterschied zu in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Personen, für die seit einem Parlamentsbeschluss in der Wintersession 2021 starke Einschränkungen bei der Reisefreiheit gelten. Ebenso beschloss der Bundesrat, den Schutzstatus S in gewissen Fällen auch an Personen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft zu erteilen, und zwar an solche, die in der Ukraine über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, sofern für sie eine Rückreise in ihr Heimatland aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist. Mit diesen Anpassungen am Schutzstatus S bezweckte die Schweiz nicht zuletzt eine stärkere Harmonisierung mit der EU. Mitte April beschloss der Bundesrat ferner, den Kantonen pro Person mit Schutzstatus S zusätzlich zur jährlichen Globalpauschale von ungefähr CHF 18'000 eine Integrationspauschale von CHF 3'000 zu entrichten. Diese soll primär zum Spracherwerb eingesetzt werden und somit die Beteiligung am Sozial- und Arbeitsleben in der Schweiz erleichtern. Ende August 2022 zog das EJPD bezüglich der Arbeitsmarktintegration denn auch eine erste, positive Bilanz: Von den ca. 34'000 bis zu diesem Zeitpunkt in die Schweiz geflüchteten Personen im erwerbsfähigen Alter mit Schutzstatus S hatten 11 Prozent eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können; ein Anteil, der beinahe doppelt so hoch ausfiel wie derjenige bei anerkannten Flüchtlingen oder vorläufig aufgenommenen Personen.

Seinen erstmaligen Einsatz erlebte auch der Sonderstab Asyl (SONAS), den die zuständige Bundesrätin nach Absprache mit der VBS-Vorsteherin Viola Amherd sowie dem Präsidenten der KKJPD, Fredy Fässler (SG, sp), und der Präsidentin der SODK, Nathalie Barthoulot (JU, sp), bereits im März 2022 einberief. Ziel dieses im Jahr 2011 geschaffenen «politisch-strategischen Führungsorgan[s]» ist die Unterstützung des Bundes bei der Bewältigung besonderer und ausserordentlicher Lagen im Asylbereich, namentlich durch die Koordination unterschiedlicher Aktivitäten und die Verkürzung von Entscheidungswegen. Dieser Sonderstab war es denn auch, der Anfang Juni auf Vorschlag des SEM und nach durchgeführter Konsultation beschloss, dass der Schutzstatus S bei ausgedehnten Heimatreisen oder bei längerem Aufenthalt in einem Drittstaat widerrufen werden kann.

Im Frühling schuf Karin Keller Sutter zudem eine Evaluationsgruppe zum Schutzstatus S, die sich Anfang Juli 2022 erstmals traf. Diese hat zum Ziel, die ersten Erfahrungen mit dem Schutzstatus S, etwa in Bezug auf dessen Schutzfunktion, die Auswirkungen auf das Asylsystem sowie auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, zu untersuchen und daraus Handlungsmöglichkeiten und -bedarf für die Zukunft abzuleiten. Bereits Ende 2022 soll hierzu ein Zwischenbericht vorgelegt werden.

Trotz der generellen und breiten politischen Unterstützung zur Aktivierung des Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine war diese vor Kritik aus verschiedenen Lagern nicht gefeit. So erachtete etwa die Schweizerische Flüchtlingshilfe die durch den Schutzstatus S geschaffene Ungleichbehandlung gegenüber vorläufig aufgenommenen Personen als «stossend», obgleich sie relativierte, dass die Ausgangslage in der Ukraine eine andere sei als diejenige von Flüchtenden aus vielen anderen Ländern: Ukrainerinnen und Ukrainer flüchteten alle aus demselben unmittelbaren Grund – dem Krieg. Auch im Rahmen der zweiten Flüchtlingssession im Mai 2022 wurden die Gleichbehandlung aller geflüchteten Personen sowie die Ausdehnung des Schutzstatus auf andere Flüchtlingsgruppen gefordert. Ferner erachteten etwa die Kantone die zugesprochene Integrationspauschale von CHF 3'000 mehrheitlich als zu tief.
Auf der anderen Seite verlangten Vertreterinnen und Vertreter der SVP bereits im Mai in Form von politischen Vorstössen eine regelmässige Überprüfung des Schutzstatus S und stellten in Frage, ob dieser an alle geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer – das heisst unabhängig von deren geografischer Distanz zu Gebieten mit aktiven Kriegshandlungen – vergeben werden soll. Ebenso postulierten Mitglieder der SVP, Personen aus Drittstaaten mit rechtmässiger Aufenthaltsbewilligung in der Ukraine sei kein Schutzstatus S zu gewähren. Nicht zuletzt wurde eine gewisse Kritik laut, da bei Personen mit Schutzstatus S im Gegenzug zu vorläufig Aufgenommenen für die Frage des Sozialhilfeanspruchs lediglich das Einkommen und nicht ebenfalls die Vermögenswerte berücksichtigt wurden. Diesen Umstand änderte die SODK Mitte August 2022 durch die Publikation neuer Empfehlungen.

Ukraine-Konflikt: Erstmals Schutzstatus S aktiviert
Dossier: Schutzstatus S für Personen aus der Ukraine
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

Nachdem das Parlament in der Sondersession im Mai 2020 Corona-bedingte Kredite über CHF 16 Mrd. und Verpflichtungskredite über CHF 40 Mrd. gutgeheissen hatte, machten sich verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gedanken darüber, wie diese und die noch erwarteten Covid-19-Ausgaben finanziert werden könnten. Lorenzo Quadri (lega, TI) betonte in einer Motion, dass «das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Pandemie mehr denn je den Bedürfnissen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger dienen» solle und man deshalb die zweite Kohäsionsmilliarde an die EU streichen sowie für das Ausland bestimmte Beiträge, Ausgaben im Asylbereich und die auf ausländische Personen zurückzuführenden Sozialausgaben deutlich reduzieren solle. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung, zumal eine nachhaltige Eindämmung der Pandemie sowie ein handlungsfähiges multilaterales System für die exportorientierte Schweiz wichtig seien. Die Kohäsionsmilliarde sei im Moment gesperrt, Massnahmen im Ausland seien wichtig, da ansonsten unter anderem das Fluchtrisiko steige. Im Asylbereich finanziere der Bund hauptsächlich die Massnahmen der Kantone, weshalb eine Streichung hier nur zu einer Mehrbelastung der Kantone führen würde, und die Ansprüche ausländischer Staatsangehöriger auf Sozialversicherungsleistungen seien in Abkommen und Gesetzen geregelt, wodurch die entsprechenden Ausgaben nicht einfach reduziert werden könnten. In der Frühjahrssession 2022 behandelte der Nationalrat die Motion zusammen mit anderen Vorstössen zu demselben Thema und lehnte sie mit 137 zu 51 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab. Die befürwortenden Stimmen und Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler muss mehr denn je den Bedürfnissen der Schweizer Bürgerinnen und Bürger dienen (Mo. 20.3272)
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

In der Frühjahrssession 2022 kam es zur Ablehnung der Motion Molina (sp, ZH; Mo. 21.3811) über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Motionär Molina verwies angesichts des Kriegs in der Ukraine auf die Tatsache, dass die Schweiz seit jeher von der europäischen Einigung profitiert habe, nicht nur durch den Zugang zum Binnenmarkt, sondern auch aufgrund der gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU. Trotz der engen Verbindungen und der gemeinsamen Lebens-, Wirtschafts- und Bildungsräume bestünde in der Schweiz seit dem EWR-Nein von 1992 ein «irrationales Europatrauma ohne reale Grundlage». Dieses gelte es zu überwinden und sich mit dem Beitritt zur EU langfristig an deren Weiterentwicklung zu beteiligen. Der im Rat anwesende Aussenminister Cassis beantragte im Namen des Bundesrats die Ablehnung der Motion. Der bilaterale Weg sei nach wie vor die idealste Möglichkeit, um die europapolitischen Ziele der Schweiz – eine weitgehende Beteiligung am Binnenmarkt in Verbindung mit Kooperationen in ausgewählten Interessenbereichen und unter Aufrechterhaltung eines grösstmöglichen Handlungsspielraums – zu erreichen. Man wolle nun zunächst die neue Schweizer Agenda gemeinsam mit der EU sondieren und auf Basis dieser Aussprache neue Verhandlungen aufnehmen. Cassis kündigte auch die bevorstehende Publikation eines umfassenden Europaberichts an, in dem die verschiedenen Integrationsmodelle, darunter auch der EU-Beitritt, auf ihren Nutzen und ihre Zweckmässigkeit überprüft würden. Schliesslich erinnerte er die grosse Kammer daran, dass sich bei einem EU-Beitritt jene Fragen, die die Verhandlungen über das InstA hatten scheitern lassen, erneut stellen würden. Der Nationalrat lehnte die Motion in der Folge mit 117 zu 40 Stimmen (bei 30 Enthaltungen) ab. Die Ja-Stimmen stammten von der SP- und der Grünen-Fraktion. Zahlreiche Mitglieder der Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen sowie je ein Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion enthielten sich jedoch ihrer Stimme.

Parlamentarische Vorstösse in Reaktion auf den Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen (Po. 13.3151, Po. 14.4080, Po. 17.4147, Po. 21.3618, Po. 21.3654, Po. 21.3667, Po. 21.3678, Mo. 21.4184, Po. 21.4450, Po. 22.3172, BRG. 23.052)
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen
Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Im September 2020 wollte Roland Fischer (glp, LU) den Bundesrat mittels einer Motion dazu bringen, die Botschaft zum Rahmenabkommen bis Ende 2020 zuhanden des Parlaments zu verabschieden. Der Bundesrat habe im Dezember 2018 Kenntnis vom Verhandlungsergebnis genommen und danach eine Konsultation durchgeführt, jedoch nur Klarstellungen und keine Nachverhandlungen beschlossen. Das Parlament habe sich in den vergangenen zwei Jahren nicht ordentlich mit dem Rahmenabkommen befassen können, was demokratiepolitisch problematisch sei, begründete der Motionär sein Anliegen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion und argumentierte in seiner Stellungnahme, dass er nach der Konsultation der Sozialpartner und Kantone im November 2020 seine Positionen festgelegt und die Wiederaufnahme der Gespräche angekündigt habe. Er werde das InstA nur dann unterzeichnen, wenn für die offenen Punkte zufriedenstellende Lösungen gefunden würden. Erst danach würde er die geforderte Botschaft verabschieden und sie dem Parlament unterbreiten.
In der Frühjahrssession 2022 und damit knapp eineinhalb Jahre später gelangte der Vorstoss in den Nationalrat. Motionär Fischer räumte ein, dass die Frist der Motion aufgrund der unterdessen abgebrochenen Verhandlungen über das Rahmenabkommen «etwas entrückt» sei. Trotzdem seien die institutionellen Fragen, die das Rahmenabkommen hätte klären sollen, weiterhin aktuell. Fischer kritisierte den Bundesrat dafür, eine horizontale Lösung der institutionellen Fragen (also ein Rahmenabkommen 2.0) «vorschnell» ausgeschlossen zu haben. Er bezweifelte, dass die EU den vertikalen Ansatz des Bundesrats – die Lösung der institutionellen Fragen separat in den einzelnen Abkommen statt allgemeingültig wie im Rahmenabkommen – goutieren würde. Daher schlug er vor, seine Motion so zu interpretieren, dass sie vom Bundesrat auch die Erarbeitung einer horizontalen Lösung für die anstehenden Verhandlungen verlange. Er forderte den Bundesrat ausserdem dazu auf, das Verhandlungsergebnis anschliessend dem Parlament vorzulegen und «es nicht wieder eigenmächtig zu versenken». Bundesrat Cassis erachtete die Motion nach dem Ende der Verhandlungen über das Rahmenabkommen für gegenstandslos, weshalb er Ablehnung des Vorstosses beantragte. Diesem Vorschlag folgte der Nationalrat mit 104 zu 49 Stimmen (bei 34 Enthaltungen). Die Fraktionen der SVP, der FDP.Liberalen und der Mitte stimmten beinahe geschlossen dagegen, die Grünliberalen und die Grünen dafür, während sich eine Mehrheit der SP-Fraktionsmitglieder der Stimme enthielt.

Rahmenabkommen bis Ende 2020 dem Parlament übergeben