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  • Regazzi, Fabio (cvp/pdc, TI) NR/CN

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Jahresrückblick 2020: Verbände

Verschiedene Branchenverbände befürchteten aufgrund der zur Eindämmung des Coronavirus verhängten Massnahmen drastische Folgen für die durch sie vertretenen Wirtschaftssektoren. Entsprechend forderten sie während des Lockdowns und danach bessere Kreditbedingungen oder Ausnahmeregelungen für ihre Branchen: Beispielsweise forderten die Verbände Hotelleriesuisse und Gastrosuisse vom Bundesrat einen Erlass der Covid-19-Kredite und eine rasche Wiedereröffnung der Restaurants und Bars; der Industrieverband Swissmem wollte, dass dringend benötigte Spezialistinnen und Spezialisten die verhängten Einreisesperren umgehen können. Unterstützt wurde die Forderung durch Economiesuisse. Beide Verbände erhofften sich zudem eine Abschaffung der Industriezölle, um Unternehmen finanziell zu entlasten.
Auch eine Forderung der Unia bezüglich des Lockdowns sorgte für Aufsehen. Weil gemäss der Gewerkschaft Arbeitnehmende in Industrie und Gewerbe während des Lockdowns nicht ausreichend geschützt waren – ein Banker könne etwa im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel, im Gewerbe oder auf dem Bau müssten weiterhin ungeschützt ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen –, forderte Unia-Chefin Vania Alleva landesweit eine Schliessung von Baustellen und Betrieben, bis auch dort umsetzbare und greifende Schutzmassnahmen und -konzepte erarbeitet worden seien. Seitens der Tagespresse musste sich Alleva aufgrund der hohen Kosten, welche diese Massnahme für Industrie und Gewerbe mit sich gebracht hätte, teils scharfen Vorwürfen stellen.

Abseits von Corona ging das Verbandswesen seinen gewohnten Gang. So kam es beispielsweise zu Personalmutationen (nicht abschliessende Auflistung): Jacques Bourgeois trat Ende März nach fast zwei Jahrzehnten von seinem Amt als Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zurück und wurde von Martin Rufer abgelöst. Flavia Kleiner gab ihr Amt als Co-Präsidentin bei Operation Libero per 20. Juni ab, nachdem sie dieses seit der Gründung der Bewegung 2014 innegehabt hatte, zuletzt zusammen mit Laura Zimmermann. Ihre Nachfolge trat Stefan Manser-Egli an. Einen Wechsel gab es auch bei Economiesuisse, hier trat Christoph Mäder per 1. Oktober die Nachfolge des bis dahin amtierenden Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer an. Karrer hatte zuvor zwölf Jahre im Vorstand des Wirtschaftsverbands geamtet, sieben davon als Präsident. Ebenfalls im Oktober wurde am Gewerbekongress in Freiburg der Tessiner Fabio Regazzi (cvp) als neuer Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) bestätigt, Diana Gutjahr (svp, TG) wurde in den Vorstand gewählt. Gemäss NZZ wäre die Wahl Gutjahrs anstelle Regazzis wünschenswert gewesen, denn sie, so analysierte die Zeitung, hätte unter anderem in Anbetracht der tiefen Frauenquote beim SGV frischen Wind in den Verband gebracht.

Ferner fanden 2020 mehrere Volksabstimmungen statt. Auch die Verbände nahmen zu den Anliegen Stellung und fassten Parolen.
Medienwirksam diskutiert wurde die von der AUNS zusammen mit der SVP lancierte Begrenzungsinitiative. Sowohl die grossen Wirtschaftsverbände – vertreten durch den SGV und Economiesuisse – als auch die Arbeitnehmerverbände – vertreten durch den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse sowie die Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD – lehnten die Initiative ab. Ein besonders wichtiges Gegenargument war die Befürchtung einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, die eine Annahme der Initiative womöglich zur Folge gehabt hätte.
Die grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der SGV sowie der SBV fassten ferner gemeinsam die Nein-Parole zur ebenfalls viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten diese oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen. Die Wirtschaft, so hiess es seitens der Verbände, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, doch, so die Argumentation, würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung. Eine noch grössere Anzahl an Verbänden und insbesondere NGOs stand hingegen für die Initiative ein: Amnesty International, Greenpeace, Swissaid oder die Gesellschaft für bedrohte Völker gehörten zu den Trägerorganisationen der Konzernverantwortungsinitiative. Die Operation Libero, die Unia, der WWF, Terre des Femmes, der SGB und zahlreiche weitere Umweltschutz-, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsorganisationen sicherten dem Anliegen ihre Unterstützung zu.

Auch historische Jubiläen konnten im Coronajahr begangen werden: Die Dachorganisation für lokale und regionale Behindertenorganisationen Pro Infirmis feierte ihr 100-jähriges Bestehen; Economiesuisse konnte diese Zahl gar noch überbieten: Seit 150 Jahren gibt es den Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wenngleich nicht immer in gleicher Form wie heute.

Zu Jahresbeginn erreichte der Anteil der Zeitungsberichte zum Thema «Verbände» gemessen an allen anderen 2020 durch Année Politique Suisse erfassten Berichte seinen höchsten Wert und sank dann, mit einem erneuten leichten Anstieg im Sommer, bis Ende Jahr deutlich ab. Am stärksten in den Medienberichterstattungen vertreten waren die Industrieverbände sowie die Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände. Ebenfalls öfters Thema der medialen Berichterstattung waren die Gewerbeverbände, wenig vertreten waren hingegen die Landwirtschaft und die übrigen Arbeitgeberverbände.

Jahresrückblick 2020: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2020

Im Dezember 2015 veröffentlichte das Seco den Bericht zu den Gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines Wegfalls der Bilateralen I in Erfüllung des Postulats Regazzi (cvp, TI). Dieser aggregierte die Ergebnisse zweier unabhängiger Studien der beiden Forschungsinstitute BAKBASEL und Ecoplan und gelangte zum Schluss, dass der Wegfall der Bilateralen I das Wirtschaftswachstum der Schweiz deutlich reduzieren würde. Das kumulierte BIP würde demnach bis 2035 um CHF 460 bis CHF 630 Mrd. tiefer ausfallen als mit den Bilateralen I. Durch die Kontingentierung der Zuwanderung würden sich das Arbeitsangebot verringern und die Kosten für die Arbeitskräfterekrutierung erhöhen. In Kombination mit neuen Handelsbarrieren könne man eine drastische Verschlechterung der Schweizer Wettbewerbsfähigkeit erwarten. Es sei zudem mit einer verringerten Forschungseffizienz zu rechnen, da die Schweiz voraussichtlich nicht mehr an den Forschungsabkommen mit der EU beteiligt wäre. Da die Effekte der veränderten Rahmenbedingungen und der Standortattraktivität nur partiell vorhergesagt werden konnten, warnten die Studienautoren, dass die effektiven Auswirkungen die Schätzresultate gar übersteigen dürften. Der Bundesrat erachtete das Anliegen des Postulats somit als erfüllt und beantragte dessen Abschreibung, welche in der Sommersession 2018 durch den Nationalrat erfolgte.

Kosten für die Schweizer Wirtschaft bei Kündigung des Freizügigkeitsabkommens (Po. 15.4009)

Mittels Postulat forderte Fabio Regazzi (cvp, TI) den Bundesrat dazu auf, die Kosten für die Schweizer Wirtschaft bei einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zu berechnen. Seit der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative versuche der Bundesrat eine Neuverhandlung des FZA zu initiieren. Da sich die EU bis anhin jedoch nicht offen für Verhandlungen zeige, riskiere die Schweiz eine dauerhafte rechtliche Unvereinbarkeit zwischen Verfassung und FZA, begründete der Postulant seinen Vorstoss. Aufgrund der Guillotineklausel würden bei einer Aufkündigung des FZA auch die anderen sechs Abkommen der Bilateralen I ihre Gültigkeit verlieren und möglicherweise auch die Schengen-/Dublin-Abkommen sowie die Bildungsabkommen gekündigt werden. Ausserdem berge auch die RASA-Initiative Kündigungsrisiken, wodurch die Bezifferung der ökonomischen Konsequenzen erforderlich werde. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates.
Im Nationalrat wurde das Postulat in der Wintersession 2015 von Luzi Stamm (svp, AG) bekämpft und daher in der Frühlingssession 2016 diskutiert. Nationalrat Stamm kritisierte einerseits, dass das Postulat zu eng gefasst sei, weil die volkswirtschaftlichen Kosten berechnet werden müssten, nicht nur die Kosten für die Wirtschaft. Andererseits gehe es zu weit, denn es sei zu komplex, sämtliche potenziellen Folgen einer Kündigung der Abkommen zu berechnen. Wirtschaftsminister Schneider-Ammann empfahl hingegen die Annahme des Postulats, denn dem Bundesrat lagen zu dem Zeitpunkt bereits zwei Studien vor, welche die «beträchtlichen Kosten» belegten. Das laut Schneider-Ammann deshalb bereits erfüllte Postulat wurde daher mit 125 zu 66 Stimmen deutlich angenommen.

Kosten für die Schweizer Wirtschaft bei Kündigung des Freizügigkeitsabkommens (Po. 15.4009)