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Erste Resultate der Ende des Vorjahres vom SRK angekündigten «Look-back»-Studie zur Ermittlung jener Personen, die vor 1985 durch eine verseuchte Blutkonserve mit dem HI-Virus kontaminiert wurden, zeigten, dass von den zwei Millionen Bluttransfusionseinheiten, die den Schweizer Spitälern zwischen 1982 und 1985 ausgeliefert wurden, 303 eventuell HIV-verseucht waren, wobei vorerst unklar blieb, wie viele von ihnen an Patienten abgegeben wurden. Zudem hatte das SRK im gleichen Zeitraum über 80 möglicherweise HIV-infizierte Blutkonserven nach New York, Griechenland und Saudiarabien exportiert. Im Spätsommer 1993 gestand das SRK erstmals ein, noch während zehn Monaten nach der Einführung eines zuverlässigen AIDS-Tests unkontrollierte Blutpräparate abgegeben zu haben. Das SRK schloss nicht aus, dass von den zwischen Juli 1985 und April 1986 ausgelieferten 5800 Fläschchen mit Gerinnungspräparaten unter Umständen rund tausend mit dem HI-Virus kontaminiert gewesen seien. Es begründete sein damaliges Vorgehen mit einem drohenden Versorgungsengpass bei den für Hämophile lebenswichtigen Produkten.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Laut einer Umfrage des BAG haben sich bis Herbst 1992 in der Schweiz fast die Hälfte aller Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von 17 bis 45 Jahren einem oder mehreren AIDS-Tests unterzogen. Damit liegt der Anteil der getesteten Personen (47%) erheblich höher als in anderen Ländern (Frankreich 22.2%, Grossbritannien 15.3%). Mit 55 Prozent liessen sich die Männer deutlich mehr testen als die Frauen (39%), was unter anderem auf die Tests bei der Blutspende im Militärdienst zurückgeführt wurde.

Umfrage zur Häufigkeit von AIDS-Tests (1993)

Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) bestätigte seine bereits früher geäusserte Auffassung, wonach künstliche Befruchtung mit IvF und Embryotransfer nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen gehören. Begründet wurde der neue Entscheid damit, dass trotz inzwischen offensichtlich gestiegenen Erfolgsquoten immer noch keine genügenden Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Methode vorliegen. Das EVG verwies auch auf den neuen Verfassungsartikel, welcher der Eidgenossenschaft die Kompetenz verleiht, die Fortpflanzungs- und Gentechnologie zu regeln. Damit liege es nun am Parlament, ein Bundesgesetz zu erlassen und darin die Leitplanken für die künstliche Befruchtung zu setzen. Dabei werde möglicherweise auch die Frage entschieden, ob die Kosten für IvF und Embryotransfer von den Krankenkassen zu übernehmen sind oder nicht.

Künstliche Befruchtung mit IvF und Embryotransfer gehören nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen (1993)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Noch bevor konkrete Zahlen aus dem «Look-back» vorlagen, stellte das SRK den neu gegründeten AIDS-Solidaritätsfonds vor, der mit einem Aufpreis von knapp 5 Prozent auf Blutkonserven finanziert wird. Laut dem Fonds-Reglement erhält Beiträge, wer erwiesenermassen mit dem AIDS-Virus infizierte Blut- oder Plasmapräparate des SRK-Blutspendedienstes erhalten hat, indirekt durch einen Empfänger eines infizierten Präparates angesteckt wurde oder gegenüber einer direkt oder indirekt angesteckten Person unterhaltspflichtig ist. Die SRK-Beiträge sollen den Betroffenen in Ergänzung zu Versicherungs- und Fürsorgeleistungen die Weiterführung eines menschenwürdigen Lebens ermöglichen. Die SRK-Entschädigungen werden ohne Rechtspflicht im Sinne einer sozialen Massnahme erbracht.

Entschädigung für durch verseuchte Blutkonserven mit HIV angesteckte Personen (1990–1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Frühjahr 1993 setzte Bundesrat Cotti eine dreiköpfige Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, abzuklären, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Patienten durch Transfusionen von Blutpräparaten möglicherweise mit dem HI-Virus infiziert wurden. Nach Angaben des Departements des Innern (EDI) sollen die Experten feststellen, ob bei den meist vor dem Jahr 1985 erfolgten Infektionen die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden bzw. der ärztlichen Pflicht nachgelebt wurde. Überprüft werden soll namentlich die Arbeitsteilung zwischen den Bundesämtern für Gesundheitswesen (BAG) und Sozialversicherungen (BSV), der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und dem Roten Kreuz (SRK). Ziel ist laut EDI, für die Zukunft Verantwortlichkeit und Strukturen festzulegen, die eine rasche Reaktion der Behörden im Bereich der Blutprodukte sicherstellen.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz kam zum Schluss, dass die Abgabe steriler Spritzen im Strafvollzug rechtlich zulässig und als präventive Massnahme gegen AIDS sogar geradezu geboten sei. Das Gutachten war im Auftrag des BAG erstellt worden, welches bereits zwei Jahre zuvor die mangelnde AIDS-Prophylaxe in den Strafanstalten kritisiert hatte.

HIV in Strafanstalten (1991–1995)

Im Berichtsjahr wurden 651 AIDS-Neuerkrankungen registriert, 46 mehr als im Jahr zuvor. Zunehmend ist die Zahl der durch heterosexuelle Kontakte infizierten Personen, wobei der Anstieg bei den Frauen besonders markant ist. Nach wie vor bilden Drogensüchtige die am meisten betroffene Gruppe (39.5% aller Erkrankungen), gefolgt von jener der homo- und bisexuellen Männer (38.6%). Gesamthaft gesehen flachte die Zunahme der Fälle 1992 jedoch leicht ab. Der Grund für diese Entwicklung lässt sich gemäss BAG nicht eindeutig feststellen. Sowohl von HIV-Positiven benutzte Medikamente als auch die Informationskampagnen des Bundes könnten eine Rolle gespielt haben. Von 1983 bis zum Ende des Berichtsjahrs erkrankten insgesamt 2'879 Menschen an AIDS; 1'916 sind bereits an der Immunschwächekrankheit verstorben. Seit 1985 meldeten die Laboratorien 17'112 HIV-positive Testergebnisse.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Der Thurgauer Kantonsrat nahm ebenfalls ein einschränkendes Gesetz zum Schutz vor bleibenden Veränderungen im menschlichen Erbgut an. Unter strafrechtlichen Androhungen sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn und an Embryonen verboten. Auch dieses Gesetz versteht sich nur als Übergangslösung, bis das Bundesrecht den gesamten Problembereich regelt.

Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie: Entwicklung in einzelnen Kantonen (1988–1993)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Ebenfalls eine einschränkende Präzisierung des Verfassungsartikels strebt eine Volksinitiative gegen Retortenzeugung und Samenspende an. Dieses Volksbegehren «zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie» («Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung») wird von einem überparteilichen Komitee getragen, das vom Basler CVP-Politiker Guido Appius präsidiert wird, und welchem neben Ständerat Plattner (sp, BS) und den Nationalräten Weder (Idu, BS) und Zwygart (evp, BE) eine Reihe von Medizinern und Juristen angehört. Ermutigt wurde das Komitee durch Volksentscheide gegen lvF und Samenspende Dritter in den Kantonen Basel-Stadt und Glarus.

Volksinitiative «zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie» («Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung») und indirekter Gegenvorschlag (BRG 96.058)
Dossier: Eizellenspende
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Nach einem dreimonatigen Pilotprojekt im Vorjahr lancierte die AIDS-Hilfe Schweiz mit Unterstützung des BAG im Oktober 1992 neben anderen Präventionsprojekten das flächendeckend in Apotheken und Drogerien abgegebene Präventionsset «Flash», welches neben sauberem Spritzenmaterial und einem Kondom Informationsmaterial mit einer Liste der Beratungsstellen enthält. Bis Ende Jahr wurden 75'000 Sets ausgeliefert. Hingegen wurde im gleichen Zeitpunkt eine weitere Stop-Aids-Kampagne, welche den Gebrauch sauberer Spritzen propagieren wollte, vom BAG auf unbestimmte Zeit verschoben, da – vor allem auch an der Spitze des EDI – befürchtet wurde, dies könnte in der Öffentlichkeit als Drogenpromotionskampagne missverstanden werden.

Stop-AIDS-Kampagnen des BAG

Im Zusammenhang mit diesen Eurolex-Beschlüssen behandelten beide Kammern mehrere Motionen, welche aus den Beratungen der zuständigen Kommissionen hervorgegangen waren. Der Nationalrat lehnte dabei sowohl ein eigenständiges Gentechnologiegesetz für den ausserhumanen Bereich als auch eine hinreichende Bundeskontrolle für gentechnisch hergestellte Medikamente ab (Mo. Ad 92.057-1). Ebenso sprach er sich dagegen aus, vom Bundesrat eine weitere gesetzliche Konkretisierung des Begriffs der umweltgefährdenden Organismen zu verlangen. Einzig eine Motion der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats für den unverzüglichen Erlass von Bestimmungen, die den Umgang mit gentechnisch veränderten und pathogenen Organismen umfassend und unter Einbezug des Transports regeln soll, wurde von beiden Kammern angenommen.

Eurolex: Motionen zum Umgang mit gentechnisch veränderten und pathogenen Organismen
Dossier: Eurolex (BRG 92.057)

Anonyme AIDS-Tests ohne ausdrückliches Einverständnis der Probanden sollen über die tatsächliche Ausbreitung des HI-Virus in der Schweiz Aufschluss geben und noch effektivere Präventionsmassnahmen ermöglichen. Der entsprechende Verordnungsentwurf stiess in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung. Das sogenannte «Unlinked Anonymous Screening» verwendet Blutproben, die Patienten in Spitälern, Arztpraxen oder Laboratorien zu anderen medizinischen Zwecken ohnehin entnommen werden. Die Blutproben werden vollständig anonymisiert und von den vorgegebenen Teststellen auf HIV untersucht. Die Teststellen dürfen dabei nicht mit den Entnahmestellen identisch sein. Erhoben werden für das Screening lediglich Angaben über Alter, Geschlecht und Wohnregion der Testperson. Die Teilnahme am Screening kann vom Patienten verweigert werden.

Anonymes Aids-Screening (1993)

Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete die Schweizer AIDS-Prävention als sehr erfolgreich. Dank intensivierter Aufklärung habe sich der Gebrauch von Kondomen stark erhöht, bei den Jugendlichen beispielsweise von 17 auf 73 Prozent. Zudem sei es gelungen, nicht nur die Risikogruppen, sondern auch die breite Bevölkerung anzusprechen. Besonderes Lob erhielt dabei die Stop-Aids-Informationskampagne des BAG und der «Aids Hilfe Schweiz» (AHS). Als weltweit einmalig bezeichneten die Fachleute die fortgesetzte Evaluation aller präventiven Massnahmen, deren Auswertung und Einbezug in neue Kampagnen. Anlass zur Kritik gaben hingegen die föderalistischen Strukturen, welche die Umsetzung der Prävention insbesondere im Bereich der Drogenpolitik teilweise behinderten.

Stop-AIDS-Kampagnen des BAG

In seinem Bericht über die Legislaturplanung 1991–1995 stellte der Bundesrat seine Sichtweise der Ausführungsgesetzgebung zum neuen Verfassungsartikel vor. Für den Teil Fortpflanzungsmedizin/Genomanalyse soll ein eigenständiges Gesetz ausgearbeitet werden, welches die Rahmenbedingungen festlegt sowie den Zugang zu den Daten über die Abstammung regelt. Im ausserhumanen Bereich soll der Verfassungsartikel hingegen nicht zu einem eigentlich Gen-Tech-Gesetz führen, sondern nur zur Revision bestehender Gesetze z.B. aus dem Bereich des Umweltschutzes, der Epidemien und der Lebensmittel.

Ausführungsgesetzgebung zum neuen Verfassungsartikel zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie (92.037)
Dossier: Legislaturplanung 1991–1995 (BRG 92.037)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

In einer Eingabe an den Bundesrat forderte der Schweizerische Gewerkschaftsbund eine generelle gesetzliche Regelung der Bio- und Gentechnologien. Gemäss SGB müssten die gesundheitlichen und ökologischen Risiken der neuen Verfahren, insbesondere die Folgen arbeitsplatzbedingter Expositionen möglichst rasch in einem staatlichen Forschungsprogramm untersucht werden. Der SGB forderte zudem rechtsverbindliche Richtlinien für die Arbeit mit und an bio- und gentechnologisch veränderten Produkten.

SGB fordert generelle gesetzliche Regelung der Bio- und Gentechnologien (1992)

Wie die Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, wurde die Vorlage in erster Linie in grossstädtischen Agglomerationen sowie von den, jüngeren Stimmberechtigten und Personen mit höherer Schulbildung angenommen. Das liberale Gegenargument einer zu restriktiven Regelung scheint kaum eine Rolle gespielt zu haben, ganz im Gegensatz zur christlich-ethischen Opposition, welche sich bei der Ablehnung recht deutlich auswirkte. Ausgesprochen hoch war die Zustimmung im linken Spektrum. Die Gegnerschaft aus diesen Kreisen (Frauen, Behinderte, Grüne und Alternative) fand demnach keine breite Abstützung.

Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» und Gegenvorschlag (BRG 89.067)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Dafür ausgesprochen hatten sich mit Ausnahme von AP, EDU, LP und SD alle im Parlament vertretenen Parteien, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, der Bauernverband und die Kleinbauernvereinigung, der Evangelische Kirchenbund, der Katholische Frauenbund, die Standesorganisationen von Chemischer Industrie und Medizin, die Kommission für biologische Sicherheit, der Bund für Naturschutz sowie das ehemalige Initiativkomitee, welches 1987 mit der Einreichung seines Volksbegehrens «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» die Diskussion überhaupt erst lanciert hatte.

Bekämpft wurde der Verfassungsartikel von der Liberalen Partei, welcher die neuen Regelungen bereits zu restriktiv waren. Als zu permissiv wurde er hingegen von AP, EDU, der SD und der Jungen SVP abgelehnt, ebenso von der Vereinigung «Ja zum Leben» unter der Führung des Berner EVP-Nationalrats Zwygart, von zahlreichen Frauenorganisationen wie der Ofra, der FraP und – abweichend von der Gesamtpartei – vom Vorstand der CVP-Frauen, von Behindertenvereinigungen sowie vom Basler Appell gegen Gentechnologie und der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG).

Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» und Gegenvorschlag (BRG 89.067)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

In der Abstimmung vom 17. Mai 1992 nahmen Volk und Stände den von Bundesrat und Parlament als direkten Gegenvorschlag zur inzwischen zurückgezogenen «Beobachter-Initiative» ausgearbeiteten neuen Artikel 24 der Bundesverfassung deutlich an. Fast zwei Drittel der Urnengängerinnen und Urnengänger und alle Kantone mit Ausnahme des Wallis stimmten damit der Einführung von verbindlichen Leitplanken im Bereich der Gentechnologie zu. Bisher hatte es auf Bundesebene nur Richtlinien und einige Bundesgerichtsurteile gegeben. Der neue Verfassungsartikel sieht im einzelnen vor, dass die In-vitro-Fertilisation (IvF) nur erlaubt sein soll, wenn alle anderen Methoden zur Behebung ungewollter Kinderlosigkeit versagt haben. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind verboten, ebenso die Forschung an und der Handel mit Embryonen. Das Erbgut einer Person darf nur mit deren Zustimmung oder aufgrund gesetzlicher Anordnung untersucht oder registriert werden. Eine mit Spendersamen gezeugte Person soll Zugang zu den Daten ihrer Abstammung erhalten. Bei Tieren und Pflanzen schliesslich ist die Würde der Kreatur sowie die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt zu wahren.

Verfassungsartikel zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie (Art. 24 BV)
Abstimmung vom 17. Mai 1992


Beteiligung: 39.2%
Ja: 1'271'052 (73.8%) / 19 6/2 Stände
Nein: 450'635 (26.2%) / 1 Stand

Parolen:
— Ja: FDP, SP (2*), CVP (3*), SVP (1*), GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV, VKMB, SBN, SGCI, FMH, Kath. Frauenbund
— Nein: LP (4*), AP, SD, EDU; SAG, Basler Appell gegen Gentechnologie, Behindertenorganisationen, diverse feministische Gruppen
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» und Gegenvorschlag (BRG 89.067)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Die Kontroverse um HIV-verseuchte Blutpräparate flackerte 1992 erneut auf. Ein AIDS-infizierter Hämophiler reichte Strafklage gegen Unbekannt ein – wobei aber klar war, dass er das BAG, die IKS und den Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) meinte –, da er durch eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus kontaminiert worden war. Er erhielt indirekte Unterstützung vom ehemaligen Leiter des Zentrallaboratoriums des SRK, der öffentlich erklärte, Opfer wären zu vermeiden gewesen, wenn die verantwortlichen Behörden rechtzeitig gehandelt hätten. Diese Anschuldigungen führten Ende 1992 zu einer konkreten Reaktion des SRK: Es entschloss sich, unter Mithilfe des BAG, welches dies schon mehrfach angeregt hatte, ein «Look back» durchzuführen, d.h. die Blutspendenempfänger, welche zwischen 1982 und 1985 womöglich ohne ihr Wissen mit kontaminiertem Blut angesteckt wurden, durch Zurückverfolgung der kritischen Blutkonserven ausfindig zu machen. Bisher hatte das SRK dies stets mit dem Hinweis auf die grosse psychische Belastung abgelehnt, welcher nicht infizierte Blutempfänger während des Abklärungsverfahrens ausgesetzt wären, sowie mit dem Fehlen wirksamer Medikamente gegen die Infektion.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Bereits während der Abstimmungskampagne zeichnete sich die Lancierung weiterer Volksinitiativen ab, die eine schärfere Begrenzung der Gentechnologie anstreben. Als erste wurde die Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG) aktiv. Ihre Initiative versteht sich als Ergänzung zum Verfassungsartikel, welcher den ausserhumanen Bereich nur sehr generell regelt. Für die SAG sollen dagegen Tiere, Pflanzen und die Umwelt umfassend geschützt werden. Kernpunkte der Initiative sind die Verbote von gentechnisch manipulierten Tieren, von Patenten auf Lebewesen und von Freisetzungsversuchen sowie die Forderung nach gesetzlichen Regeln namentlich für die risikoreiche Forschung und die industrielle Anwendung. Diese von 23 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Natur- und Tierschutz, Landwirtschaft und Entwicklungspolitik unterstützte Volksinitiative «zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation» («Gen-Schutz-Initiative») wurde Ende April 1992 lanciert.

Volksinitiative «zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation» («Gen-Schutz-Initiative»)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Nachdem seine restriktive Regelung der Fortpflanzungsmedizin 1989 vom Bundesgericht abgelehnt worden war, stimmte das St. Galler Kantonsparlament – wenn auch widerwillig – einer liberaleren Lösung zu. Die In-vitro-Fertilisation sowie die Befruchtung mit dem Samen Dritter sollen erlaubt sein, allerdings nur bei Ehepaaren. Gegen die heterologe Insemination wurde noch eine zusätzliche Barriere eingebaut: Über den Samenspender soll eine Akte angelegt werden, in welche die Eltern und das künstlich gezeugte Kind Einblick nehmen können. Weiterhin verboten bleiben im Kanton St. Gallen die künstliche Befruchtung von Eizellen zu anderen Zwecken als zur Fortpflanzung, Massnahmen zur Beeinflussung des Geschlechts oder anderer Eigenschaften des Kindes, die Leihmutterschaft und die Aufzucht befruchteter Eizellen ausserhalb des Mutterleibes. Die St. Galler Regelung wird nur solange in Kraft bleiben, bis der Bund ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat.

Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie: Entwicklung in einzelnen Kantonen (1988–1993)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Im Vorjahr hatte sich das BSV geweigert, den privaten Institutionen, welche zur Beherbergung AIDS-Kranker geschaffen worden waren, Beiträge aus der Invalidenversicherung auszurichten, da es sich hier um eigentliche Sterbe-Heime handle, eine soziale und berufliche Eingliederung, wie sie die IV anstrebt, also nicht mehr gegeben sei. Das Basler «Light-House», die erste Einrichtung dieser Art in der Schweiz, reichte umgehend Beschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht ein. Dieses gab ihm Recht und befand, der Invaliditätsbegriff, wie ihn das Gesetz umschreibt (gesundheitlich bedingte bleibende oder länger dauernde Erwerbsunfähigkeit), sei durchaus auf AIDS-Kranke anzuwenden, weshalb AIDS-Wohnheime weiterhin Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV hätten. Zudem handle es sich bei den AIDS-Sterbeheimen um Stätten der sozialen Integration, da ohne Institutionen wie das «Lighthouse» AIDS-Kranke im Endstadium in Spitäler eingeliefert werden müssten, wo sie – abgesehen von Phasen stationärer Behandlung – nicht angemessen untergebracht wären.

AIDS-Wohnheime haben Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV (1992)

Im Auftrag des Bundesrates schrieb der Schweizerische Nationalfonds ein neues Nationales Forschungsprogramm (NFP 34) aus, welches in den nächsten fünf Jahren mit einem Kreditrahmen von CHF 6 Mio. die Kenntnisse über diagnostische und therapeutische Verfahren, die nicht zur Schulmedizin gehören, vertiefen soll. Im ersten Forschungsschwerpunkt werden die Gründe für die zunehmende Verbreitung der Komplementärmedizin analysiert. Der zweite Teilbereich umfasst die Abklärung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung. Im dritten Teil sollen Methoden entwickelt und angewendet werden, welche es erlauben, die Wirksamkeit von komplementärmedizinischen Verfahren zu überprüfen.

Nationales Forschungsprogramm (NFP 34) zur Wirkung von alternativen Behandlungsmethoden (1990–1992)

1991 sind in der Schweiz 615 neue Fälle von AIDS-Erkrankungen registriert worden, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Immer häufiger sind auch Heterosexuelle von der Immunschwächekrankheit betroffen. Seit 1983, dem Beginn der Erfassung von AIDS-Erkrankungen, starben 1378 Menschen an den Folgen der HIV-Infektion, davon allein 429 im Berichtsjahr. Aufgrund der gemeldeten positiven Bluttests und der angenommenen Dunkelziffer schätzte das BAG den Anteil der HIV-Positiven an der Gesamtbevölkerung auf zwei bis vier Promille, womit die Schweiz nach wie vor Spitzenreiter in Europa ist.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Zur Diskussion steht auch immer wieder die Stellung der HIV-Positiven und AIDS-Kranken in den Sozialversicherungen. In seiner Stellungnahme zu einer Motion von Felten (sp, BS) verwies der Bundesrat auf das im Vorjahr vom Eidgenössischen Versicherungsgericht gefällte Urteil, wonach eine HIV-Infektion als Krankheit im Rechtssinne zu bezeichnen sei. HIV-Positive würden demzufolge bei Vorbehalten oder der Verweigerung von Zusatzversicherungen nicht speziell diskriminiert, sondern lediglich wie andere Kranke behandelt. Er bekräftigte erneut seinen Wunsch nach einem Obligatorium in der Krankenversicherung, womit die Vorbehalte bei der Grundversicherung dahinfallen würden, und erinnerte daran, dass im BVG Mindestleistungen ohne Vorbehalt garantiert sind. Im überobligatorischen Bereich und bei den Zusatzversicherungen lehnte er spezifische Ausnahmen für HIV-Positive und AIDS-Kranke hingegen ab, da dies nach seiner Auffassung eher noch zu einer weiteren Ausgrenzung der von AIDS Betroffenen führen könnte. Auf seinen Antrag hin wurde die Motion nur als Postulat angenommen.

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen