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Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete die Schweizer AIDS-Prävention als sehr erfolgreich. Dank intensivierter Aufklärung habe sich der Gebrauch von Kondomen stark erhöht, bei den Jugendlichen beispielsweise von 17 auf 73 Prozent. Zudem sei es gelungen, nicht nur die Risikogruppen, sondern auch die breite Bevölkerung anzusprechen. Besonderes Lob erhielt dabei die Stop-Aids-Informationskampagne des BAG und der «Aids Hilfe Schweiz» (AHS). Als weltweit einmalig bezeichneten die Fachleute die fortgesetzte Evaluation aller präventiven Massnahmen, deren Auswertung und Einbezug in neue Kampagnen. Anlass zur Kritik gaben hingegen die föderalistischen Strukturen, welche die Umsetzung der Prävention insbesondere im Bereich der Drogenpolitik teilweise behinderten.

Stop-AIDS-Kampagnen des BAG

Bei der Beratung der Legislaturplanung 1991-1995 überwies der Nationalrat eine Kommissionsmotion, welche den Bundesrat beauftragen wollte, einen umfassenden Bericht zur Sicherung des finanziellen Existenzminimums zu erstellen und allenfalls Massnahmen vorzuschlagen, auf Antrag des Bundesrates lediglich als Postulat.

Bericht zur Sicherung des finanziellen Existenzminimums (1992)
Dossier: Legislaturplanung 1991–1995 (BRG 92.037)

In Basel gründete die Caritas den ersten «Carisatt-Laden», in welchem Bedürftige verbilligte oder gratis abgegebene Waren beziehen können. Bewährt sich das Pilotprojekt, so soll eine Ladenkette in der ganzen Schweiz aufgezogen werden.

Caritas gründet ersten "Carisatt-Laden"

Der Nationalrat überwies diskussionslos ein Postulat Comby (fdp, VS), welches den Bundesrat ersucht, zwei konkrete Massnahmen im Kampf gegen die neue Armut zu prüfen. Einerseits sollen die Bundesbeiträge zur Finanzierung und Verbilligung der Krankenkassenprämien für Menschen, die in Armut leben, substantiell erhöht werden, anderseits sollen den Kantonen, die zugunsten von Personen und Familien in äusserst schwierigen Verhältnissen Zuschüsse zu den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV gewähren, Subventionen ausgerichtet werden.

Postulat für zwei konkrete Massnahmen gegen die neue Armut (Po. 92.3148)

Die Drogenfachleute reagierten erleichtert, bedauerten aber die geringe Teilnehmerzahl, da damit kaum schlüssige Resultate erreicht werden könnten. Die Städte Basel, Bern, Freiburg, St. Gallen, Solothurn, Zug und Zürich meldeten umgehend ihr Interesse an, mindestens einen Versuch mit harten Drogen durchzuführen. Der Beginn der Versuche wurde auf Herbst 1992 in Aussicht gestellt. Der Erlass der entsprechenden Verordnung verzögerte sich jedoch bis Ende Oktober, so dass frühestens 1993 damit gestartet werden kann. Die vom Bundesrat gesetzten Rahmenbedingungen lassen 13 Versuche zu, fünf davon mit Heroin. In die Heroinversuche können nur schwerstabhängige, verelendete oder sich prostituierende Drogensüchtige einbezogen werden, welche volljährig und seit mindestens zwei Jahren nachweisbar drogenabhängig sind sowie mindestens zwei gescheiterte Entzüge hinter sich haben und für andere Therapieprogramme nicht in Frage kommen.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Kontroverse um HIV-verseuchte Blutpräparate flackerte 1992 erneut auf. Ein AIDS-infizierter Hämophiler reichte Strafklage gegen Unbekannt ein – wobei aber klar war, dass er das BAG, die IKS und den Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) meinte –, da er durch eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus kontaminiert worden war. Er erhielt indirekte Unterstützung vom ehemaligen Leiter des Zentrallaboratoriums des SRK, der öffentlich erklärte, Opfer wären zu vermeiden gewesen, wenn die verantwortlichen Behörden rechtzeitig gehandelt hätten. Diese Anschuldigungen führten Ende 1992 zu einer konkreten Reaktion des SRK: Es entschloss sich, unter Mithilfe des BAG, welches dies schon mehrfach angeregt hatte, ein «Look back» durchzuführen, d.h. die Blutspendenempfänger, welche zwischen 1982 und 1985 womöglich ohne ihr Wissen mit kontaminiertem Blut angesteckt wurden, durch Zurückverfolgung der kritischen Blutkonserven ausfindig zu machen. Bisher hatte das SRK dies stets mit dem Hinweis auf die grosse psychische Belastung abgelehnt, welcher nicht infizierte Blutempfänger während des Abklärungsverfahrens ausgesetzt wären, sowie mit dem Fehlen wirksamer Medikamente gegen die Infektion.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Als die Vernehmlassung klar zeigte, dass mit Ausnahme der SVP alle Bundesratsparteien und eine Mehrheit der Kantone sowie der Städteverband Versuche mit der medizinisch indizierten Abgabe von Heroin befürworten, begann sich ein Sinneswandel Cottis abzuzeichnen. Nun war es aber der Gesamtbundesrat, der sich mit einem Entscheid schwer tat und diesen deshalb wiederholt vertagte. Mitte Mai 1992 gab der Bundesrat dann doch noch grünes Licht für die Heroinversuche, wenn auch unter sehr strengen Rahmenbedingungen: Die bis Ende 1996 befristeten wissenschaftlichen Versuche brauchen eine Bewilligung des Bundes sowie des jeweiligen Kantons und sind auf 50 Personen zu beschränken. Das BAG rechnete damit, dass ungefähr zehn Projekte durchgeführt werden, davon maximal fünf mit Heroin, die restlichen mit Morphin oder injiziertem Methadon.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

In seinem Bericht über die Richtlinien der Regierungspolitik versprach der Bundesrat, dem Parlament in der laufenden Legislatur einen Bericht zur neuen Armut zu unterbreiten und darin darzulegen, welche praktischen und dringenden Massnahmen seitens des Bundes in Ergänzung der kantonalen und kommunalen Anstrengungen bei der Bekämpfung der Armut zu unternehmen sind. Als ersten konkreten Schritt regte Bundesrat Cotti an der Jahreskonferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren die Schaffung einer Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der neuen Armut in der Schweiz an. Die Arbeitsgruppe soll sich aus Vertretern der Kantone und des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) zusammensetzen.

Bericht zur neuen Armut und Schaffung einer Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der neuen Armut in der Schweiz (1992–1995)

Die beiden Volksinitiativen «Frauen und Männer» für eine Quotenregelung für alle politischen Behörden bzw. «Gleiche Rechte in der Sozialversicherung», welche von der PdA 1990 lanciert worden waren, kamen nicht zustande.

Volksinitiativen «Frauen und Männer» und «Gleiche Rechte in der Sozialversicherung»

Eine gesamtschweizerische Untersuchung der Armutsproblematik (NFP 29) lässt weiterhin auf sich warten, weshalb den kantonalen Studien besondere Bedeutung zukommt. Neu erschienen Untersuchungen für die Kantone Bern, Jura, St.Gallen und Zürich. Je nach Berechnungsart wiesen die Untersuchungen einen Armutsanteil von 3 bis 5 Prozent (St. Gallen), knapp 10 Prozent (Zürich) oder 15 bis 17 Prozent (Bern und Jura) aus. Einig waren sich aber alle Autoren, dass bestehende oder drohende Armut in einzelnen Bevölkerungsteilen besonders stark vertreten ist, nämlich bei den Alleinstehenden, den Alleinerziehenden, den Familien und den Rentnern. Zudem wiesen alle darauf hin, dass ihre Studien – basierend auf Zahlen der späteren 1980er Jahre – notwendigerweise zu niedrig greifen, da sie der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit noch nicht Rechnung tragen konnten.

Zahlen zum Anteil Personen unter der Armutsschwelle (1990–1992)

Im Vorjahr hatte sich das BSV geweigert, den privaten Institutionen, welche zur Beherbergung AIDS-Kranker geschaffen worden waren, Beiträge aus der Invalidenversicherung auszurichten, da es sich hier um eigentliche Sterbe-Heime handle, eine soziale und berufliche Eingliederung, wie sie die IV anstrebt, also nicht mehr gegeben sei. Das Basler «Light-House», die erste Einrichtung dieser Art in der Schweiz, reichte umgehend Beschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht ein. Dieses gab ihm Recht und befand, der Invaliditätsbegriff, wie ihn das Gesetz umschreibt (gesundheitlich bedingte bleibende oder länger dauernde Erwerbsunfähigkeit), sei durchaus auf AIDS-Kranke anzuwenden, weshalb AIDS-Wohnheime weiterhin Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV hätten. Zudem handle es sich bei den AIDS-Sterbeheimen um Stätten der sozialen Integration, da ohne Institutionen wie das «Lighthouse» AIDS-Kranke im Endstadium in Spitäler eingeliefert werden müssten, wo sie – abgesehen von Phasen stationärer Behandlung – nicht angemessen untergebracht wären.

AIDS-Wohnheime haben Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV (1992)

1991 sind in der Schweiz 615 neue Fälle von AIDS-Erkrankungen registriert worden, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Immer häufiger sind auch Heterosexuelle von der Immunschwächekrankheit betroffen. Seit 1983, dem Beginn der Erfassung von AIDS-Erkrankungen, starben 1378 Menschen an den Folgen der HIV-Infektion, davon allein 429 im Berichtsjahr. Aufgrund der gemeldeten positiven Bluttests und der angenommenen Dunkelziffer schätzte das BAG den Anteil der HIV-Positiven an der Gesamtbevölkerung auf zwei bis vier Promille, womit die Schweiz nach wie vor Spitzenreiter in Europa ist.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Zur Diskussion steht auch immer wieder die Stellung der HIV-Positiven und AIDS-Kranken in den Sozialversicherungen. In seiner Stellungnahme zu einer Motion von Felten (sp, BS) verwies der Bundesrat auf das im Vorjahr vom Eidgenössischen Versicherungsgericht gefällte Urteil, wonach eine HIV-Infektion als Krankheit im Rechtssinne zu bezeichnen sei. HIV-Positive würden demzufolge bei Vorbehalten oder der Verweigerung von Zusatzversicherungen nicht speziell diskriminiert, sondern lediglich wie andere Kranke behandelt. Er bekräftigte erneut seinen Wunsch nach einem Obligatorium in der Krankenversicherung, womit die Vorbehalte bei der Grundversicherung dahinfallen würden, und erinnerte daran, dass im BVG Mindestleistungen ohne Vorbehalt garantiert sind. Im überobligatorischen Bereich und bei den Zusatzversicherungen lehnte er spezifische Ausnahmen für HIV-Positive und AIDS-Kranke hingegen ab, da dies nach seiner Auffassung eher noch zu einer weiteren Ausgrenzung der von AIDS Betroffenen führen könnte. Auf seinen Antrag hin wurde die Motion nur als Postulat angenommen.

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und sein Blutspendedienst übernahmen die Mitverantwortung für die rund 200 bis 300 Bluter und Transfusionsempfänger, die durch HIV-verseuchte Blutkonserven mit dem Virus angesteckt worden sind. Zusätzlich zum bestehenden Notfall-Fonds wurden Rückstellungen von CHF 1 Mio. für AIDS-Betroffene getätigt. Das SRK betonte, dass sich in der Schweiz im Vergleich zum Ausland bedeutend weniger HIV-Infektionen auf diesem Weg ereignet hätten. Ein Grossteil der Infizierungen sei vor Mitte 1985 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, da noch keine Möglichkeit bestand, sämtliche Blutspenden auf eine eventuelle HIV-Positivität hin zu kontrollieren.

Entschädigung für durch verseuchte Blutkonserven mit HIV angesteckte Personen (1990–1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

In der Stadt Zürich erhalten Opfer von Sexualdelikten bereits vor Inkrafttreten des OHG juristische, medizinische und psychotherapeutische Hilfe. Für das in der Schweiz einzigartige, vorläufig auf zwei Jahre befristete Pilotprojekt mit Kosten von CHF 4 Mio. wurde Mitte Oktober 1991 beim Zürcher Sozialamt eine «Kontaktstelle Opferhilfe» in Betrieb genommen. Die Hilfeleistungen, die ohne grosse Bürokratie angeboten werden, sollen ausdrücklich auch bei Vergewaltigung in der Ehe gewährt werden.

Opferhilfe-Pilotprojekt in der Stadt Zürich (1991)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Die Gesundheit des Menschen in seiner heutigen Umwelt» (NFP 26) widmeten sich verschiedene interdisziplinäre Untersuchungen dem Ausmass, den Mechanismen und den Auswirkungen der gesellschaftlichen Ausgrenzung von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken. Fazit der Studien war, dass dieses Thema nur zusammen mit der wachsenden Intoleranz gegenüber den Randgruppen ganz allgemein angegangen werden kann. Im November 1991 lief eine vom BAG und der Stiftung zur Förderung der Aidsforschung unterstützte Studie zur Frage an, ob bei HIV-Positiven Ausbruch und Verlauf der Krankheit von virusunabhängigen Faktoren beeinflusst werden. Im Zentrum des Interesses stehen zusätzliche Faktoren, welche die Funktionsweise des Immunsystems beeinträchtigen können, wie etwa Stress, Konsum von Drogen oder Alkohol, mangelhafte Ernährung und Rauchen.

Die Gesundheit des Menschen in seiner heutigen Umwelt (NFP 26)

Bei der Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms der CVP, das den Titel «Zukunft für alle» trägt, versuchte die Programmkommission unter der Leitung von Ständerat Cottier (FR) einerseits, die Positionen der verschiedenen Flügel innerhalb der Partei auf einen Nenner zu bringen, andererseits aber auch die Attraktivität der schon seit Jahren an einer starken Erosion leidenden Partei durch eine Anpassung an neue soziale Gegebenheiten zu erhöhen. So wurde die Umschreibung der Familie als ein tragendes Fundament unserer Gesellschaft, welche noch im Programm von 1987 eine zentrale Stellung innehatte, durch eine Formulierung, die auch andere Gemeinschaftsformen als diejenige der traditionellen Familie befürwortet, ersetzt. Während das «Solothurner Programm» von 1987 als Schwerpunkt die drohende Umweltzerstörung thematisiert hatte, ist das neue Programm weitgehend durch bestimmte Bereiche der internationalen Politik geprägt: Einerseits forderte die CVP im Rahmen der europäischen Integrationspolitik den Bundesrat auf, nach dem Abschluss der EWR-Verhandlungen ein EG-Beitrittsgesuch zu stellen. Andererseits soll die Sicherheits- und Neutralitätspolitik im veränderten europäischen Umfeld neu definiert werden; ebenso sollen Lösungsansätze in der Migrations- und Asylproblematik durch ein striktes Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial gesucht werden. Die innenpolitischen Schwerpunkte im Programm betrafen die Landwirtschafts- und Umweltpolitik, die Gentechnologie, die Gleichstellung von Mann und Frau sowie einzelne Problembereiche aus der Sozialpolitik. Die Delegiertenversammlung vom 4. Mai in Weinfelden (TG) verabschiedete das Programm; in der Asylpolitik verlangten die Delegierten zudem eine Straffung des Verfahrens, lehnten jedoch einen Vorstoss der zürcherischen CVP für eine Beschränkung der Asylbewerberzahl auf 25'000 deutlich ab. Die Forderung nach einem Europa der Regionen bildete den Schwerpunkt am Parteitag in Basel.

Ausrichtung und Position der CVP 1991

Keine zehn Tage nach der Drogenkonferenz zeigte sich ziemlich überraschend, dass zumindest in der Einschätzung der offenen Szenen bereits ein gewisser gesamtschweizerischer Konsens eingetreten war: Die im Städteverband zusammengeschlossenen Städte kündigten an, in den kommenden Monaten in einer koordinierten Aktion die offenen Drogenszenen zum Verschwinden bringen und die auswärtigen Fixer und Fixerinnen von der Polizei zwangsweise in ihre Wohn- oder Heimatgemeinden zurückschaffen zu wollen,, um diese vermehrt in die Verantwortung für die Drogenkranken miteinzubeziehen. Obgleich namhafte Strafrechtler bezweifelten, dass diese Abschiebungen rechtlich überhaupt zulässig seien, und Drogenfachleute warnten, ohne Schaffung der entsprechenden Infrastrukturen (Unterkünfte, Sicherstellung der AIDS-Prävention) sei bei einer Auflösung der offenen Szenen mit vermehrten Drogentoten zu rechnen, liessen sich die Stadtbehörden von Bern und Zürich, die wegen der repressiven Haltung des Kantons Aargau und der Romandie besonders vom Drogentourismus betroffen sind, nicht von ihrem Vorhaben abhalten: Anfangs Dezember 1991 wurde der Berner Kocherpark, wo die Fixer nach mehrfacher Vertreibung aus politisch nicht genehmen Standorten – unter anderem die Bundeshausterrasse – eine gewisse Betreuung und Geborgenheit erfahren hatten, nachts geschlossen; kurz nach Jahresende erfolgte auch die nächtliche Räumung der Zürcher Szene beim Platzspitz.

Koordinierte Aktion der Städte gegen die offene Drogenszene (1991–1995)

Zusammen mit Nationalrat Bonny (fdp, BE) reichte Ständerat Jelmini (cvp, TI) eine Motion ein, welche den Bundesrat beauftragt, die Leistungen des Schweizerischen Samariterbundes zugunsten des koordinierten Sanitätswesens, des Zivilschutzes und anderer Bereiche des Gesundheits- und Sozialwesens durch den Bund finanziell abzugelten. Der Nationalrat überwies die Motion in Form eines Postulates.

Leistungen des Schweizer Samriterbundes (Mo. 91.3209)

Zum Abschluss der Jubiläumssitzung im Januar 1991 behandelte die grosse Kammer als Erstrat das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG). Bei dessen Präsentation sprach die Präsidentin der vorberatenden Kommission, die Luzerner CVP-Abgeordnete Stamm, von einem «historischen Moment für das schweizerische Strafrecht». Erstmals werde bei einer Strafverfahrensordnung nicht nur dem Täter, sondern auch dem Opfer Beachtung geschenkt. Sie erinnerte daran, dass das nun vorliegende Gesetz auf einen Volksauftrag aus dem Jahre 1984 zurückgeht. Damals unterstützten alle Stände und eine überwältigende Mehrheit von 84 Prozent der Stimmenden die Schaffung eines neuen Artikels 64ter der Bundesverfassung, welcher den Bund und die Kantone beauftragt, dafür zu sorgen, dass Opfer von Straftaten gegen Leib und Leben Hilfe erhalten.

Entgegen dem Antrag einer bürgerlichen Kommissionsminderheit hielt der Rat daran fest, die Rechte des Opfers im Strafverfahren gesamtschweizerisch zu regeln, in diesem speziellen Fall also vom Grundsatz der strafprozessrechtlichen Kompetenzen der Kantone abzuweichen. Der Anspruch des Opfers auf Begleitung durch eine Vertrauensperson sowie die Möglichkeit, die Aussagen über Fragen der Intimsphäre zu verweigern, blieben ebenfalls im Gesetz. Opfer von sexuellen Straftaten sollen zudem das Recht haben zu verlangen, dass wenigstens eine Person ihres Geschlechts dem urteilenden Gericht angehört. Der entsprechende Artikel fand mit 71:70 Stimmen allerdings nur ganz knapp Zustimmung.

Die kleine Kammer folgte dem Nationalrat in den wesentlichen Punkten. Im Sinn von mehr Kantonshoheit beschloss sie aber, statt einer eidgenössischen Rekurskommission kantonale Beschwerdeinstanzen einzusetzen und den Kantonen die ganzen Betriebskosten für die Beratungsstellen zu überbürden. Der Nationalrat bereinigte die Differenzen im Sinn des Ständerates, so dass das Gesetz in der Herbstsession 1991 definitiv verabschiedet werden konnte.

Loi fédérale sur l'aide aux victimes d'actes de violence (MCF 90.030)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen

Angesichts dieser Zahlen ertönt immer lauter der Ruf nach einem staatlich garantierten Mindesteinkommen. Linke, Grüne, Hilfswerke und allgemein sozial Engagierte drängen aber auch darauf, dass endlich Massnahmen ergriffen werden, damit diese gesellschaftlich benachteiligten Gruppen auch ohne Sozialhilfe finanziell bessergestellt werden; im Vordergrund stehen hier die Durchsetzung des Grundsatzes vom gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten und materielle Anerkennung von Erziehungs- und Pflegeaufgaben.

Forderung nach einem staatlich garantierten Mindesteinkommen (1991)

Zu eher noch krasseren Ergebnissen kam eine Studie im Kanton Baselstadt. Gemäss den Autoren ist dort jede vierte Person mehr oder weniger stark von Armut betroffen: 15 Prozent der Bevölkerung leben bereits unterhalb der Armutsschwelle, 10 Prozent sind Grenzfälle. Die meisten der befragten sozialen Institutionen gingen zudem davon aus, dass sich das Phänomen in den nächsten zehn Jahren noch verschärfen wird. Der Basler Regierungsrat beauftragte das Wirtschafts- und Sozialdepartement, Vorschläge zur Schliessung der Lücken im Sozialnetz auszuarbeiten.

Zahlen zum Anteil Personen unter der Armutsschwelle (1990–1992)

Durchschnittlich leben in der Schweiz rund 15 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Eine neue kantonale Studie aus dem Wallis bestätigte die bereits aus anderen Untersuchungen bekannten Zahlen. Auffallend war dabei, dass besonders junge Erwachsene unter 30 Jahren vom Problem der Armut betroffen sind: Unter Ausschluss der Minderjährigen und der Studenten machten sie 28 Prozent jener aus, die aufgrund der angewendeten Kriterien als arm zu gelten haben. Armutsgefährdet sind aber auch Rentner (16.4%) und insbesondere die Frauen, die zweieinhalbmal zahlreicher in Armut leben als die Männer. Zwei Drittel der Armen sind ledig, geschieden oder verwitwet.

Zahlen zum Anteil Personen unter der Armutsschwelle (1990–1992)

In Beantwortung einer Einfachen Anfrage Steffen (sd, ZH) bekräftigte der Bundesrat seine Auffassung, wonach restriktive Massnahmen gegen bestimmte Kategorien von einreisenden Ausländern (HIV-Screening, Einreisesperren) als ineffizient und diskriminierend einzustufen wären und deshalb für die Schweiz nicht in Frage kommen.

Bundesrat will keine restriktiven (gesundheitspolitischen) Massnahmen gegen einreisende Ausländer (1991)

Diskussionslos stimmten beide Räte dem Europäischen Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten zu, welches eine Harmonisierung der diesbezüglichen Rechtsgrundlagen in ganz Europa zum Ziel hat.

Europäisches Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (1991–1992)
Dossier: Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten und seine Auswirkungen