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Die FMH, welche die Aufhebung des Kontrahierungszwangs bisher aufs schärfste bekämpft hatte, signalisierte im Lauf des Sommers ein gewisses Entgegenkommen, in erster Linie, um den Zulassungsstopp nicht zu einer dauerhaften Einrichtung werden zu lassen, die den Jungärzten auf Jahre hinaus die berufliche Zukunft verbauen würde. Der Präsident der FMH regte eine Art „Drei-Kreise-Modell“ für die Zulassung zur Grundversicherung an: Mit einem ersten Kreis von Ärzten müssten die Kassen zwingend zusammenarbeiten; aus einem zweiten Kreis könnten sie wählen, und der dritte Kreis, jene „rücksichtslosen Gestalten, die nichts taugen und betrügerische Rechnungen stellen“ würde ganz ausgeschlossen. Dass überhöhte Abrechnungen nicht nur die Tat einzelner schwarzer Schafe sind, zeigte sich an einer von der Sendung „Kassensturz“ des Schweizer Fernsehens aufgedeckten virtuellen Laborgemeinschaft in St. Gallen. Rund 550 Ärzte und Ärztinnen hatten sich in dieser Laborgemeinschaft zusammengeschlossen, um eine eigene Labortätigkeit vorzutäuschen, für welche höhere Tarife gelten. In Wirklichkeit wurden die Analysen aber in bis zu dreimal billigeren Grosslabors durchgeführt. Die Differenz blieb in der Tasche der betrügerischen Ärzte. Das BSV, welches in früheren Jahren Kenntnis von ähnlichen Praktiken in der Romandie erhalten hatte, prüft nun, ob Betrug mit Laborrechnungen nicht zum Offizialdelikt erklärt werden könnte, analog zu den Betrügereien mit Medikamenten, bei denen gewisse Ärzte die Rabatte der Pharmafirmen nicht weitergeben.

FMH schlägt „Drei-Kreise-Modell“ vor

2000 hatte das Parlament dem Bundesrat den Auftrag erteilt, einen auf drei Jahre befristeten Zulassungsstopp für Leistungserbringer im ambulanten Bereich vorzubereiten. Mitte Mai gab das EDI einen entsprechenden Verordnungsentwurf in die Vernehmlassung. Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt. Neben einer zur allgemeinen Kosteneindämmung vorgenommenen Einschränkung des Binnenangebots an Arztpraxen soll verhindert werden, dass die rund 3000 Ärzte aus dem EU- resp. EFTA-Raum, die bisher in der Schweiz lediglich in einem Spital arbeiten durften, aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, welches von schweizerischer Seite auf die Staaten der EFTA ausgedehnt worden war und am 1. Juni in Kraft trat, sofort eine private Arztpraxis eröffnen können. In den folgenden Wochen signalisierten die kantonalen Sanitätsdirektoren, Santésuisse sowie die FMH ihre (allerdings eher zurückhaltende) Zustimmung.

1.Teilrevision des KVG (BRG 98.058)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)
Dossier: 1. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1998-2002)
Dossier: Prämienverbilligung

In der Frage der Offenlegung der Zahnarzttarife bahnte sich eine Kontroverse zwischen dem Preisüberwacher, Nationalrat Marti (sp, GL), und dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten an. Im Vorjahr hatte Marti diese Offenlegung verlangt, bei der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft (SSO) aber auf Granit gebissen. Auf seinen Hinweis führten die Sendung „Kassensturz“ des Schweizer Fernsehens sowie zwei Konsumentinnenorganisationen in der Romandie und im Tessin entsprechende Umfrage in den Praxen durch. Da diesen nicht angegeben wurde, zu welchem Zweck die Erhebung erfolgte, widersetzte sich der Datenschutzbeauftragte deren Publikation solange die entsprechende Preisbekanntgabeverordnung des EVD nicht geändert ist. Bundespräsident Couchepin als Vorsteher des EVD beauftragte das Seco mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Vorschlags.

Zahnarzttarife sollen offen gegelegt werden müssen
Dossier: Zahnarzttarife

Mit deutlichem Mehr nahm der Ständerat eine parlamentarische Initiative Suter aus dem Nationalrat an und unterstellte die Assistenz- resp. Oberärztinnen und -ärzte dem Arbeitsgesetz. Innerhalb von vier Jahren müssen die Kantone deren wöchentliche Arbeitszeit auf maximal 50 Stunden reduzieren. Wie bereits im Nationalrat erfolgte die Zustimmung in erster Linie im Namen der Patientensicherheit. Ein Nichteintretensantrag Berger (fdp, NE), die ihren Widerstand mit der finanziellen Mehrbelastung der Kantone begründete, wurde zwar von der SVP und einem Teil der FDP unterstützt, scheiterte aber mit 20 zu 12 Stimmen klar.

Assistenzärzte Arbeitsgesetz

Nach den Medikamenten nahm der Preisüberwacher die Tarife der rund 3500 Zahnärzte unter die Lupe. Er verlangte eine Offenlegung, wogegen sich die Schweizerische Zahnärztegesellschaft (SSO) vehement wehrte. Die Preisüberwachung war durch eine internationale Studie hellhörig geworden, die aufzeigte, dass in der Schweiz Zahnbehandlungen bis zu viermal teurer sind als in Deutschland. Stossend sei auch der Umstand, dass die SUVA von den Privatpatienten quersubventioniert wird, da der Sozialversicherungstarif lediglich 60% des durchschnittlichen Normaltarifs beträgt.

Preisüberwacher untersucht Zahnarzttarife
Dossier: Zahnarzttarife

Mit einer Motion forderte der Berner SVP-Nationalrat Joder, durch eine Teilrevision des KVG die Krankenpflege als eigenständige Leistung zu definieren und die Spitäler und Heime zu verpflichten, den Nachweis einer quantitativ und qualitativ genügenden Pflege zu erbringen. Joder reagierte so auf das in den letzten Jahren immer offensichtlicher gewordene Malaise im Pflegebereich und auf den Umstand, dass schweizweit 1300 bis 2000 qualifizierte Pflegestellen unbesetzt sind. Mit dieser Anerkennung soll der Berufsstand wieder attraktiver gemacht werden. Gegen den Willen des Bundesrates, der auf die kantonalen Prärogativen im Bereich der Pflege verwies, wurde der Vorstoss mit 91 zu 59 Stimmen in der verbindlichen Form angenommen.

Der Schweizerische Spitalverband H+ stelle sich als Arbeitgeber hinter die Forderungen des Spitalpersonals und verlangte mehr Mittel und mehr qualifizierte Mitarbeitende. Mitte November fanden in der ganzen Schweiz Kundgebungen des Pflegepersonals statt, an denen insgesamt rund 15'000 Personen teilnahmen

Aufwertung der Krankenpflege (Mo. 00.3521)

Was die beiden Parlamentskammern im Vorjahr vorgespurt hatten, setzte der Ständerat bei der Beratung der 2. Teilrevision des KVG um, indem er beschloss, den Vertragszwang zwischen den Kassen und den Leistungserbringern im ambulanten Bereich grundsätzlich aufzuheben, sofern die medizinische Versorgung sichergestellt ist; der Bundesrat hatte dies lediglich für die über 65-jährigen Ärzte vorgeschlagen. Bundesrätin Dreifuss zeigte sich nicht überzeugt von der positiven Wirkung der Massnahme, die sie als Gefährdung der Solidarität in der Grundversicherung erachtet, da der Verlust der freien Arztwahl zu mehr Zusatzversicherungen und somit zu einer Zweiklassenmedizin führen könne; sie vermochte sich mit ihren Argumenten aber nicht durchzusetzen. Am meisten zu Diskussionen Anlass gaben die Kriterien, nach denen die Auswahl jener Ärzte vorgenommen werden soll, die nach wie vor zu Lasten der Grundversicherung praktizieren dürfen. Man einigte sich schliesslich auf die Formulierung, diese müssten ihre Leistungen wirtschaftlich effizient und wissenschaftlich begründet anbieten. Da Konflikte zwischen den Kassen und der Ärzteschaft vorprogrammiert sind, will der Ständerat in diesen Fällen tripartite Kommissionen (Kassen, Ärzte und Kantonsvertreter) zur Schlichtung einsetzen; er vehehlte aber nicht, dass ihm sein Modell noch nicht in allen Punkten ausgegoren scheint, weshalb er auf die Beratung durch den Nationalrat setzt, um die Kriterien stringenter zu formulieren.

2. KVG-Teilrevision (BRG 00.079)
Dossier: Prämienverbilligung

Einstimmig verabschiedete der Ständerat eine Motion Wicki (cvp, LU), welche verlangt, dass der Bundesrat die qualifizierten psychologischen Berufe auf eidgenössischer Ebene adäquat und transparent regelt. Wicki machte geltend, die psychische Gesundheit sei ein zu schützendes Gut, weshalb es anerkannte Qualitätsnormen brauche, um Missbräuchen und Schädigungen entgegenzuwirken. Bundesrätin Dreifuss verwies auf bereits laufende gesetzgeberische Arbeiten und war bereit, die Motion entgegen zu nehmen. Der Nationalrat überwies sowohl diese wie auch eine analoge Motion Triponez (fdp, BE) (Mo. 00.3615).

psychologischen Berufe

Gegen den Willen des Bundesrates, der vor den unabsehbaren Folgen eines derartigen Systemwechsels warnte, nahm der Nationalrat knapp eine Motion Sommaruga (sp, BE) an, die den Bundesrat verpflichten wollte, im KVG die obligatorische und flächendeckende Einführung des Hausarztmodells (oder ähnlicher Strukturen wie HMO bzw. Ärztenetze) vorzusehen. Von der „Gatekeeper“-Funktion dieser ersten medizinischen Anlaufstelle versprach sich die Motionärin Einsparungen von 10-15% der Kosten in der Grundversicherung. Die Zustimmung zur Motion kam vor allem dank der Unterstützung durch die FDP zustande. Der Ständerat nahm den Vorstoss hingegen nur als Postulat an.

Hausarztmodells

Mit dem komfortablen Mehr von 109 zu 62 Stimmen – und im Einverständnis mit dem Bundesrat – gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Suter (fdp, BE) auch in der zweiten Phase Folge und unterstellte die Assistenzärzte dem Arbeitsgesetz, von dem sie bisher ausgenommen waren, da davon ausgegangen worden war, die Assistenzzeit in den Spitälern sei Teil der Ausbildung. Innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten soll die wöchentliche Arbeitsbelastung auf maximal 50 Stunden gesenkt werden. Für diese Ausdehnung der Arbeitsgesetzgebung, die primär im Namen der Patientensicherheit erfolgte, stimmten geschlossen SP und Grüne, dagegen (aus finanziellen Gründen) eine Mehrheit von SVP und FDP sowie eine CVP-Minderheit.

Assistenzärzte Arbeitsgesetz

Nach langen Vorarbeiten schienen sich die Tarifpartner (Konkordat der Krankenversicherer, FMH, Spitäler und Sozialversicherungen) auf ein einheitliches Tarifssystem (TarMed 01) zur Abgeltung der ärztlichen Leistungen einigen zu können, obgleich innerhalb der FMH nach wie vor starke Querelen in Gang waren. Insbesondere die Untervereinigung der invasis und operativ tätigen Ärzteschaft (FMS) befürchtete massive Einkommenseinbussen, da die Tarifrevision einerseits die diagnostische und beratende Funktion der Ärzte aufwerten, andererseits kostenneutral ausgestaltet sein soll. Die FMH zögerte deshalb ihre definitive Zustimmung zu den Detailbestimmungen immer wieder hinaus. Im Mai stimmte sie dem TarMed für den Bereich der obligatorischen Unfall-, Militär- und Invalidenversicherung zwar zu, verlangte aber für den Krankheitsbereich, der rund 95% aller Ausgaben betrifft, Zusatzverhandlungen. Am 30. August, dem allerletzten vom EDI fixierten Termin, unterschrieb die FMH das Vertragswerk. Das EDI bekundete wenig Begeisterung, da seiner Meinung nach die Frage der Kostenneutralität nur ungenügend transparent gemacht worden sei. Im Dezember stimmte auch die Ärztekammer grundsätzlich zu, beschloss aber, in den ersten Monaten von 2002 eine Urabstimmung unter den knapp 30'000 FMH-Mitgliedern durchzuführen. Die FMS drohte mit Austritt aus der Verbindung.

In Beantwortung einer Einfachen Anfrage Berberat (sp, NE) (01.1035) bekräftigte der Bundesrat erneut seine Entschlossenheit, im Fall eines Scheiterns von TarMed von Amtes wegen eine Tarifstruktur zu verordnen.

Schaffung des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Nach dem Nationalrat lehnte auch die kleine Kammer die 1997 eingereichte Volksinitiative „Für eine freie Arzt- und Spitalwahl“, die eine uneingeschränkte Wahl des Leistungserbringers für die Kranken- und Unfallversicherten in der ganzen Schweiz verlangte, mit 28 zu 0 Stimmen klar ab. Da mit der 2. Teilrevision des KVG im Bereich der Spitalfinanzierung ein Hauptanliegen der Initianten (gleich lange Spiesse für öffentliche Spitäler und private Kliniken) weitgehend Berücksichtigung fand, wurde das Begehren im Sommer zurückgezogen.

Volksinitiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» (BRG 99.059)

Eine Expertenkommission des Bundes schlug vor, die Sicherheit der Patienten mit einem nationalen Programm zu verbessern. Aus Rücksicht auf den Föderalismus im Gesundheitswesen soll aber nicht eine zentrale Sicherheitsbehörde eingesetzt werden, sondern analog zum Büro für Flugunfälle ein nationales Zentrum für Patientensicherheit, das Meldungen über medizinische Zwischenfälle registriert und analysiert. Die FMH beschloss ihrerseits, für ihre Mitglieder eine Datenbank einzurichten, in welche Ärzte und Ärztinnen (auf Wunsch auch anonym) Fehlermeldungen eingeben können; die gesammelten Daten sollen in einem späteren Zeitpunkt auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Im gleichen Bestreben gründete die Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation eine Stiftung für Patientensicherheit

Nationales Zentrum für Patientensicherheit
Dossier: Patientensicherheit

Luzern führte als erster Kanton die Kategorie des „Spitalarztes“ ein. Die fest angestellten Fachärzte mit FMH-Titel sollen einen Teil der noch in der Ausbildung befindlichen Assistenzärzte ersetzen. Durch die Verringerung der Ausbildungsplätze für angehende Spezialärzte und die Schaffung einer Alternative zur Praxistätigkeit will das neue Modell die Eröffnung neuer Praxen eindämmen und gleichzeitig das Problem der notorisch überlasteten Assistenzärzte entschärfen. Die Luzerner Gesundheitsdirektion geht davon aus, dass mit der festen Anstellung von fertig ausgebildeten Fachärzten die medizinische Qualität an den Spitälern gesteigert und die Kontinuität sichergestellt werden kann. (Zur Situation der Assistenzärzte siehe hier)

Luzern Kategorie des „Spitalarztes“

Unter Federführung des EDI diskutierten im April rund 60 Experten über die Mängel und dringend notwendigen Reformen des schweizerischen Gesundheitswesens. Im Vordergrund des Gedankenaustauschs stand die Spitalplanung, bei welcher die überregionale Zusammenarbeit stärkeres Gewicht erhalten soll. Einen grossen Handlungsbedarf sahen die Fachleute auch bei den Leistungserbringern. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Kriterien für deren Zulassung strenger als bisher reguliert werden sollten. Neu thematisiert wurde die Qualitätssicherung, von der sich alle eine kostendämpfende Wirkung erhoffen, bei der die Schweiz aber im internationalen Vergleich noch weit hinten nach hinkt. Ein zweiter runder Tisch befasste sich im November mit der immer wieder festgestellten Mengenausweitung, welche die meisten Sparanstrengungen (beispielsweise durch den Abbau von Spitalbetten) fast umgehend zunichte macht. Wichtigste Diskussionspunkte waren hier der in den letzten Jahren erfolgte Kostenschub bei den ambulanten Behandlungen, die Tendenz, ältere, bewährte und billige Medikamente durch neue teure zu ersetzen, sowie der sprunghafte Anstieg von Praxisgründungen. Für Bundesrätin Dreifuss und das BSV stehen drei Massnahmen im Vordergrund: ein Zulassungsstopp für Ärzte, die Verpflichtung zum Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung vor bestimmten kostenintensiven Behandlungen sowie die Einführung eines individuellen Gesundheitspasses und einheitlicher Patientendossiers in den Spitälern, um Mehrfachuntersuchungen möglichst zu vermeiden. Die OECD ortete in ihrem Länderbericht 2000 zur Lage der Schweiz ein Überangebot von Angebot und Nachfrage als Hauptgrund für die hohen Gesundheitskosten der Schweiz. Ihre Empfehlungen (überregionale Spitalplanung, Eindämmung der Zahl der Leistungserbringer) deckten sich mit jenen der Experten.

Gedankenaustausch zu notwendigen Reformen des schweizerischen Gesundheitswesens
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Bundesrätin Dreifuss machte sehr rasch Gebrauch von der neuen Kompetenz, die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich beschränken zu können. Bereits im Juli kündigte sie an, sie wolle mit einer Verordnungsänderung den Kantonen baldmöglichst die Möglichkeit zu einer dreijährigen Zulassungsbeschränkung für Ärzte und andere Leistungserbringer im ambulanten Bereich (Apotheker und Physiotherapeuten) geben; bei genügender Versorgungsdichte könnte sogar ein Zulassungsstopp verfügt werden. Die zügige Umsetzung erfolgte in erster Linie aus Angst vor einer Ärzteschwemme aus dem EU-Raum. Die Schweiz kann nach Inkrafttreten der bilateralen Verträge einreisenden Medizinalpersonen aus der EU zwar die Eröffnung einer eigenen Praxis während zwei Jahren verbieten und während fünf weiteren Jahren eine Inländerbevorzugung geltend machen; dieser Abwehrmechanismus gilt aber nicht für die mehr als 2000 bereits heute in Schweizer Spitälern beschäftigten Ärzte und Ärztinnen aus EU-Staaten. In der Vernehmlassung stiess die „Bedürfnisklausel“ jedoch auf breite Ablehnung. Insbesondere die Kantone wehrten sich dagegen, selber aktiv zu werden und verlangten eine Bundeskompetenz.

Dreijährige Zulassungsbeschränkung für Ärzte und andere Leistungserbringer im ambulanten Bereich im Jahr 2000
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Mit einer von 105 Abgeordneten aus allen Parteien mitunterzeichneten Motion verlangte Hollenstein (gp, SG), Art. 321 Abs. 1 des Strafgesetzbuches sei so zu ändern, dass alle Angehörigen eines Gesundheitsberufes dem Berufsgeheimnis unterstellt sind. Die Motionärin argumentierte, Art. 321 StGB gehe von der Vorstellung aus, dass nur Ärzte sowie Hebammen und von ihnen überwachte und abhängige Hilfspersonen Zugang zu schützenswerten Patientendaten haben. Diese Annahme treffe heute aber nicht mehr zu, da die Aufgaben in der Gesundheitsversorgung in den letzten Jahren auf zahlreiche Berufsgruppen verteilt worden seien. Als Beispiele nannte sie Physiotherapeuten, Ernährungsberaterinnen und diplomierte Pflegende, die ihre Arbeit häufig nicht unter der direkten Kontrolle eines Arztes ausführen. Da sie nicht dem Berufsgeheimnis unterstellt seien, komme es immer wieder vor, dass ihnen die Ärzteschaft deswegen wichtige Informationen vorenthalte. Der Bundesrat machte geltend, der Schutz der Vertraulichkeit bei der Berufsausübung sei in Art. 35 des Datenschutzgesetzes umfassend geregelt, nicht allerdings das in Art. 321 StGB verankerte Zeugnisverweigerungsrecht. Dieses möchte der Bundesrat in der in Ausarbeitung befindlichen einheitlichen Strafprozessordnung gesamtschweizerisch regeln. Um hier nicht vorzugreifen, wurde auf seinen Antrag die Motion lediglich als Postulat überwiesen.

alle Angehörigen eines Gesundheitsberufes dem Berufsgeheimnis unterstellt

Der Bundesrat erarbeitete umgehend ein Vertragsmodell zur Aufhebung des Kontrahierungszwangs. Entgegen dem Auftrag der Motion sah er die Aufhebung des Kontrahierungszwangs allerdings vorderhand lediglich für den ambulanten Bereich vor. Demnach sollten sich die Versicherer darauf beschränken können, Tarifverträge nur noch mit ausgewählten Ärztinnen und Ärzten abzuschliessen. Andererseits hätten auch die Leistungserbringenden die Zusammenarbeit mit gewissen Versicherungen verweigern können. Diese Änderung hätte keinen Abbau der kassenpflichtigen Leistungen mit sich gebracht, für die Patienten aber die freie Arztwahl eingeschränkt. Die Kostenübernahme in Notfällen wäre bei allen Ärzten und Spitalambulatorien sichergestellt gewesen. In der Vernehmlassung bildeten sich klare Fronten heraus. Während die Versicherer die Aufhebung des Kontrahierungszwangs als geeignetes Mittel zur Kostendämpfung erachteten, protestierten die FMH und die Patientenorganisationen gegen die Einschränkung der freien Arztwahl. Auch die SVP bezeichnete das Modell als untauglich, weil die Gefahr bestehe, dass nur noch die billigsten Leistungserbringer ausgewählt würden. Die SP brachte ebenfalls Vorbehalte an; ihrer Ansicht nach sollten Bedürfniskriterien und Zulassungsbedingungen Sache des Bundes und nicht der Krankenkassen sein. Von der Wirksamkeit der Massnahme überzeugt zeigten sich hingegen die FDP und die CVP sowie die Stiftung für Konsumentenschutz. Angesichts des breiten Widerstands, der ein Referendum als sehr wahrscheinlich erscheinen liess, verzichtete der Bundesrat schliesslich darauf, den brisanten Vorschlag in die 2. Teilrevision des KVG aufzunehmen. Er schlug lediglich vor, den Kontrahierungszwang für jene Ärzte und Ärztinnen aufzuheben, die das 65. Altersjahr überschritten haben. Zudem möchte er die Krankenkassen verpflichten, gesamtschweizerisch alternative Versicherungsformen wie HMO- und Hausarztmodelle anzubieten. (Die im MediX-Verband zusammengeschlossenen Ärzte, die nach dem HMO- resp. dem Hausarztmodell praktizieren, hatten sich, anders als die FMH, für die Aufhebung des Vertragszwangs ausgesprochen)

2. KVG-Teilrevision (BRG 00.079)
Dossier: Prämienverbilligung

Im Februar genehmigte die Schweizer Ärztekammer den neuen Arzttarif (TarMed). Anlässlich der Jahrestagung der Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) Ende Mai wurde ein Vorvertrag unterzeichnet. Damit einigten sich – nach jahrelangen, zähen Verhandlungen – die Verbindung der Schweizer Ärzte und Ärztinnen (FMH), das Konkordat der Krankenkassen (KSK), die Organisation der Schweizer Spitäler (H+) und die privaten Versicherer auf ein gesamtschweizerisch einheitliches Tarifmodell. Obgleich dies nach einem Durchbruch in der sehr strittigen Ausmarchung aussah, wurde der Vertrag nicht dem EDI zugestellt. Hintergrund der Verzögerung war der nach wie vor innerhalb der FMH schwelende Konflikt zwischen Spezialärzten, die eine tarifäre Rückstufung ihrer vor allem technischer Leistungen nicht zu akzeptieren bereit sind, während die Allgemeinpraktiker darauf drängen, ihre umfassend beratende Tätigkeit besser honoriert zu sehen. (Die Chirurgen drohten sogar mit Operationsstopp) Bundesrätin Dreifuss drohte erneut, die Tarifstruktur durch das BSV festlegen zu lassen, falls sich die Partner nicht innert nützlicher Frist einigen sollten. Zum letztmöglichen Zeitpunkt wurde der neue Arzt- und Spitaltarif Ende Juni dem Bundesrat schliesslich doch noch eingereicht. Im September genehmigte der Bundesrat den neuen TarMed, doch erwies sich die Umsetzung weiterhin als harzig, weil eine Splittergruppe der FMH, in der sich 1998 die invasiv und operativ tätigen Spezialärzte zusammengeschlossen hatten, immer wieder Nachbesserungen verlangte.

Schaffung des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Der Nationalrat zeigte sich gewillt, zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen auch einschneidende Massnahmen zu ergreifen. In der Differenzbereinigung zur 1. Teilrevision des KVG fügte er die Bestimmung ein, dass der Bundesrat während einer Dauer von drei Jahren die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich (Ärzte und andere Therapeuten) zu Lasten der Krankenversicherung beschränken kann, wobei die Kantone sowie die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer vorher anzuhören sind. Der Rat trug damit dem Umstand Rechnung, dass die Ärztedichte in der Schweiz eine der höchsten der Welt ist und durch die Personenfreizügigkeit für EU-Bürger noch weiter zunehmen wird. Da sich der Gesundheitsmarkt nicht nach Angebot und Nachfrage richtet, resp. die Nachfrage angebotsinduziert ist, lösen mehr Leistungsanbieter fast automatisch mehr Leistungen aus, was zu höheren Kosten führt. Zulassungsbeschränkungen könnten hier regulierend wirken. Die konkrete Ausgestaltung blieb dem Bundesrat überlassen. Vergeblich versuchte eine Minderheit, darunter der Aargauer CVP-Vertreter und Leiter des Paraplegiker-Zentrums Nottwil (LU) Zäch und der Zürcher SVP-Nationalrat Bortoluzzi, die Massnahme abzuwenden. Der Rat stimmte der befristeten Zulassungsbeschränkung mit 124 zu 47 Stimmen zu. Entgegen einem bürgerlichen Minderheitsantrag nahm der Ständerat diese Bestimmung mit 27 zu 4 Stimmen ebenfalls an.

1.Teilrevision des KVG (BRG 98.058)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)
Dossier: 1. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1998-2002)
Dossier: Prämienverbilligung

Im Vorjahr hatte der Nationalrat bei der Beratung der 1. Teilrevision des KVG mit deutlicher Mehrheit einen Antrag angenommen, der eine Aufhebung des Kontrahierungszwangs im ambulanten, tagesstationären und stationären Bereich verlangte, um den Krankenkassen die Möglichkeit zu geben, nicht mehr mit sämtlichen Leistungserbringern Verträge abschliessen zu müssen, sondern diese an Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien anbinden zu können. Der Ständerat hatte den Vorschlag, da seiner Ansicht nach zu wenig ausgereift, vorläufig abgelehnt. In der Differenzbereinigung entschied der Nationalrat nun, hier nicht weiter im Alleingang vorzuprellen. Um die Idee am Leben zu erhalten, beauftragte er aber den Bundesrat mit einer Motion seiner SGK (Mo. 00.3003), eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten; mit 142 gegen 4 Stimmen setzte sich dieser zweite Anlauf ganz klar durch, worauf auch der Ständerat einschwenkte und die Motion diskussionslos annahm.

1.Teilrevision des KVG (BRG 98.058)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)
Dossier: 1. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1998-2002)
Dossier: Prämienverbilligung

Das Malaise im Pflegebereich weitete sich weiter aus. Geringe Löhne und drastische Sparmassnahmen führen zu Personalmangel, dieser wiederum zur Überforderung der Pflegenden und damit zur weiteren Abwanderung aus dem Beruf. Unter Federführung der Gewerkschaft VPOD wurde in vielen Kantonen gegen den Pflegenotstand demonstriert, teilweise sogar mit beschränkten Arbeitsniederlegungen. In einer Einfachen Anfrage von Nationalrätin Hollenstein (gp, SG) auf den Missstand angesprochen, erklärte Bundesrätin Dreifuss, die tatsächlich unbefriedigende Situation sei nicht dem KVG anzulasten, weshalb es für den Bundesrat keine Möglichkeit zur direkten Intervention gebe. Die Kantone seien allein für die Sicherstellung der Pflegeleistungen zuständig. Der Bundesrat sei aber gewillt, alle ihm auf Verordnungsebene zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um gemeinsam mit den anderen Akteuren – Leistungserbringer, Gemeinwesen, Versicherer – die Qualität der erbrachten Leistungen sicherzustellen. In der Herbstsession reichte der Berner SVP-Nationalrat Joder, unterstützt von 64 Mitunterzeichnern von rechts bis links, eine Motion ein, die eine Aufwertung des Pflegeberufs verlangt (Mo. 00.3521)

Demonstrationen gegen den Pflegenotstand

Eine Evaluation des Medizinstudiums an den Universitäten Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich durch Experten aus den USA, Belgien und Deutschland fiel wenig schmeichelhaft aus. Die Fachleute monierten, die Ausbildung sei zu wenig praxisorientiert, die Studierenden seien überlastet und würden zu wenig begleitet.

Evaluation des Medizinstudiums

Im Herbst bot die Universität Basel erstmals ein dreijähriges Studium der Pflegewissenschaften an. Die Einrichtung höherer Ausbildungsgänge und Forschungsmöglichkeiten soll zu einer Überprüfbarkeit und Kontinuität im pflegerischen Wissen führen.

Studium der Pflegewissenschaften

Ohne Wenn und Aber beantragte der Bundesrat dem Parlament, die Volksinitiative „für eine freie Arzt- und Spitalwahl“ Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen, da damit ein wichtiges Steuerungsinstrument zur Dämpfung der Gesundheitskosten und Prämien wegfallen würde. Der Nationalrat schloss sich mit 151 zu 14 Stimmen ganz klar dem Bundesrat an. Die freie Wahl des Arztes sei zwar im Krankenversicherungsgesetz verankert und ein zutiefst liberales Anliegen, betonten vor allem freisinnige Parlamentarier. Auch die freie Spitalwahl über die Kantonsgrenzen hinweg sei wünschenswert, doch sei eine uneingeschränkte Zulassung von Leistungserbringern nicht bezahlbar, da im Gesundheitswesen der Wettbewerb nur bedingt spiele: nicht der Patient als Nachfrager, sondern der Arzt als Anbieter entscheide darüber, wie viele Leistungen erbracht werden. Der Mitbegründer der Initiative und frischgebackene Aargauer CVP-Nationalrat Zäch, Chef des Paraplegikerzentrums Nottwil (LU), wollte dem Rat zumindest einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer gesamtschweizerischen Spitalplanung beliebt machen. Obgleich dieses Ansinnen in den Räten bereits mehrfach zur Diskussion gestanden hatte und durchaus auf Interesse gestossen war, wurde sein Antrag vom Nationalrat mit 95 gegen 72 Stimmen abgelehnt.

Volksinitiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» (BRG 99.059)