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Das Westschweizer RTS führte im Frühjahr 2021 eine neue Regelung zum Gebrauch gendergerechter Sprache ein. Neu werde etwa die Begrüssungsformel «Bonsoir à toutes et tous» verwendet und nicht mehr lediglich «Bonsoir à tous». Das Deutschschweizer SRF folgte dem Beispiel, obwohl einzelne Sendungen wie die «Tagesschau» oder «10vor10» bereits seit längerem auf gendergerechte Sprache geachtet hatten. Ebenfalls prüfte die italienischsprachige RSI im März 2021 eine Anpassung der Sprachregelung, wollte aber mit der Umsetzung vorerst noch zuwarten.
Vorwiegend auf die Anpassungen beim RTS folgten mediale Reaktionen. Die Westschweizer Zeitungen 24 heures, Tribune de Genève und Le Temps griffen das Thema auf, ebenfalls berichtete die NZZ und die Aargauer Zeitung über die dadurch ausgelöste Debatte, die teils kritische Reaktionen enthielt. So zitierte die Zeitung etwa einen Kommentar eines ehemaligen RTS-Journalisten, der meinte, dass die RTS dringendere Probleme habe als «Jagd aufs Fräulein» zu machen – eine Anspielung auf das nunmehr verpönte «mademoiselle». Ferner meldete sich ein Schweizer Ableger des französischen Vereins «Défense de la langue française» bei der RTS-Chefredaktion und drohte mit einer Volksabstimmung zum Erhalt der Sprache, sollten die neuen Sprachregelungen nicht sofort abgeschafft werden, führten diese doch zu einem «Stottern des Gehirns» (24 heures). Auch Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS) hielt nicht viel von den Änderungen: Er wollte in einer Fragerunde vom Bundesrat wissen, was dieser von diesem «mit Zwangsgebühren finanzierte[n] Staatsender» halte, der zu einem ideologischen Laboratorium, ja gar zu einer «Brutstätte der Propaganda» für die «Dekonstruktion der Sprache» verkommen sei. Der Bundesrat antwortete, dass die SRG über genügend Autonomie verfüge, um solche Entscheide selbst zu treffen.
Es gab aber auch positive Reaktionen: Laut NZZ meldeten sich etwa 200 (männliche) Mitarbeiter beim RTS-Direktor Pascal Crittin, um diesem ihre Unterstützung für die Sprachanpassungen auszusprechen. Man begrüsse den Wandel hin zu einem gerechteren und gesünderen Arbeitsumfeld.

Die Sprachanpassungen erregten nicht zuletzt deshalb derart viel Aufmerksamkeit, da sie Teil der «Charta für ein antisexistsiches und inklusives Service-public-Medium» sind, welche eine Konsequenz auf den im Oktober 2020 publik gewordenen Belästigungsskandal bei RTS darstellte.

Gendergerechte Sprache beim SRF

Parallèlement aux révélations de cas de harcèlement sexuel au sein de la SSR, et en particulier à la RTS, des affaires similaires ont éclaboussé d'autres médias. À Tamedia, c'est à travers une lettre adressée à la direction que 78 rédactrices se sont plaintes d'une culture de travail sexiste dans l'entreprise. S'il ne s'agit pas ici de cas graves de harcèlement, les cosignataires dénonçaient une dévalorisation des femmes, moins bien payées et moins sollicitées que leurs homologues masculins. La majorité d'hommes dans les rédactions du groupe Tamedia, et en particulier aux postes-clés, serait l'une des causes de ce problème, que les journalistes ont mis en avant à l'aide de dizaines de propos sexistes ou machistes dont elles ont été la cible dans le cadre professionnel. Alors que des collaborateurs masculins se sont ensuite solidarisés avec leurs collègues en adressant également une lettre à la direction, celle-ci a dit «être consciente» que les mesures adoptées jusqu'alors pour augmenter la part des femmes dans les rédactions et dans les positions dirigeantes ne suffisaient pas, et qu'il était temps d'être plus contraignants. À la suite de ces allégations, la Neue Zürcher Zeitung, qui appartient elle au groupe de presse du même nom, appelait à des enquêtes à partir de données fiables avant de conclure à l'existence de sexisme structurel au sein du groupe Tamedia en particulier et dans le milieu de la presse en général, soulignant que la soixantaine de citations contenues dans la lettre des rédactrices de Tamedia n'indiquait ni l'endroit ni la date auxquels elles ont eu lieu.

Allégations de sexisme chez Tamedia
Dossier: Belästigungsvorwürfe bei den Medien

Im Frühjahr 2021 gab die SRG bekannt, grosse Einsparungen im Kulturangebot vorzunehmen. Der Entscheid war Teil eines gross angelegten Sparprogramms, das in allen Abteilungen Einsparungen vorsah. Nach der 2018 abgelehnten No-Billag-Initiative hatte die SRG bekannt gegeben, CHF 100 Mio. sparen zu wollen. So wurde damals beschlossen, das Berner Radiostudio nach Zürich-Leutschenbach zu verlegen, um die Immobilienkosten zu reduzieren. Die Sparmassnahmen waren ausserdem teils den gesunkenen Gebühren und neuen Konzessionen geschuldet, welche eine Umstrukturierung des Programms hin zu einem jüngeren Zielpublikum vorsahen. Ferner, dies erklärte die Sonntags-Zeitung, seien auch die Werbeeinnahmen weggebrochen, da Unternehmen ihre Werbung heutzutage vermehrt auf Google oder Facebook platzieren würden.

Die Ankündigung, das Kulturangebot grosszügig abzuspecken, fand in der Öffentlichkeit wenig Anklang: In der Aargauer Zeitung war von «Verrat an der Kultur» und einem «Tod auf Raten» die Rede und ein weiterer Artikel der Zeitung trug, in Anspielung auf einen SRF-Beitrag auf Instagram, den etwas lapidaren Titel «Kultur? Boah, ne!».
Die NZZ fragte die SRF-Direktorin Nathalie Wappler in einem Interview, ob das ihr Verständnis von Service public sei. Diese verstand den Unmut, betonte aber, dass die in den Schlagzeilen thematisierten Kürzungen nur einen Teil der Wahrheit abbildeten: Die Konzessionen sähen vor, das digitale Angebot voranzutreiben, damit insbesondere die jüngere Bevölkerung besser erreicht werden könne. Neue Kanäle wie Youtube oder Instagram würden hier fokussiert, wobei aber noch immer 80 Prozent des ausgestrahlten Programms via Fernsehen empfangbar bleibe. Es sei also kein genereller Angebotsabbau in allen Bereichen, Ziel sei es vielmehr, mit neuen und zeitgemässen Angeboten entstehende Lücken wieder zu füllen. Damit erfülle das SRF seinen Leistungsauftrag, so Wappler.
Die Sonntags-Zeitung warf der SRG zudem vor, radikal den Sparhammer auszupacken, und befürchtete einen Qualitätsrückgang. Zu dieser Frage nahm SRF-Kultur-Chefin Susanne Wille Stellung. Sie räumte ein, dass man nicht schönreden müsse, was gemacht werde: Es werde gespart und einige Sendungen, etwa die Literatursendung «52 beste Bücher» würden eingestellt. Es sei aber besser, den Prozess mit Entwicklungsaufträgen zu verbinden und das Angebot anzupassen und weiterzuentwickeln, als Sendungen am Leben zu erhalten und dabei deren Qualität zu verringern. Auch Wille betonte hier die Verschiebung vom klassischen Fernsehen hin zu einem zunehmend digitalen Angebot: Gehe der Plan auf, so werde zukünftig die ältere Generation nach wie vor via klassische Sendungen in Radio und Fernsehen erreicht, während die nachfolgende, jüngere Generation das kulturelle Angebot auf digitalen Kanäle konsumieren könne.

SRF spart im Kulturangebot

Wie diverse Medien berichteten, verbannte der Duden Anfang 2021 das generische Maskulin, welches bis anhin als geschlechtsneutral galt, aus seiner Onlineausgabe. Die Änderung habe zum Ziel, die deutsche Sprache durch die Einbindung der weiblichen Form zu spezifizieren und inklusiver zu gestalten – wenn eine Frau im Garten arbeite, handle es sich um eine Gärtnerin und eben nicht um einen Gärtner. Der Entscheid von Duden, insgesamt über 12'000 Wörter doppelt aufzuführen, war gesellschaftlich stark umstritten und führte zu heftigen Diskussionen in den Medien. Kritische Stimmen betonten, dass der Duden über seine Kompetenzen hinaus agiert habe, da mit dieser Neuerung ein gesellschaftliches Umdenken angestossen werde. Weiter fürchteten sich viele vor komplizierten Formulierungen oder wollten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie die deutsche Sprache zu verwenden hätten. Gegenstimmen freuten sich über diesen «längst überfälligen Schritt» und stellten fest, dass der Duden hiermit lediglich eine gesellschaftliche Veränderung erkannt und aufgenommen habe. Eine extreme Position nahm der Psycholinguist Pascal Gygax der Universität Fribourg ein, der gegenüber 24 Heures kritisierte, dass der Grund für diese Ablehnung im Sexismus dieser Menschen liege, die daran glauben würden, dass Frauen weniger wert seien als Männer. Weiter führte er aus, dass sich insbesondere die stark von Männern dominierte politische Rechte dagegen wehre. Auch auf parlamentarischer Ebene, insbesondere in den Kantonen, würden sie sich gegen solche Entwicklungen stellen, mit dem Ziel patriarchale und androzentrierte Werte zu verteidigen. So fürchteten sie laut Gygax den Machtverlust des männlichen Geschlechts aufgrund der Feminisierung der Gesellschaft. Diese Debatte sei dabei alles andere als neu – bereits seit über 40 Jahren würde sie geführt –, was unter anderem zu zentralen Veränderungen im Sprachgebrauch auf Bundesebene geführt habe. Bereits in den 1980er Jahren seien auf Bundesebene erste Dokumente mit geschlechtsneutralen Begriffen umformuliert worden. Dies habe 1996 in die Ausarbeitung eines Leitfadens für geschlechterneutrale Sprache auf Bundesebene gemündet.

Duden verbannt das generische Maskulin

Einen Tag nach Ablauf der Referendumsfrist am 8. Oktober 2020 erklärte Bundesrat Alain Berset Medienberichten zufolge das Referendum gegen die SwissCovid-App für gescheitert. Auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter habe sich der Gesundheitsminister erfreut gezeigt und die Wichtigkeit der App für die Unterbrechung der Infektionsketten unterstrichen. Gegenüber der Aargauer Zeitung bestätigte François de Siebenthal als Sprecher des Referendumskomitees, dass die benötigten Unterschriften nicht beisammen seien. Wie der «Corriere del Ticino» ergänzte, sei die App bis zu diesem Zeitpunkt 2.5 Millionen Mal heruntergeladen worden.

Einführung der SwissCovid-App

Anlässlich der Freischaltung der SwissCovid-App um Mitternacht des 25. Juni 2020 brachten die Medien der Bevölkerung die genaue Funktionsweise sowie die Vor- und Nachteile der SwissCovid-App näher. Am ersten Tag wurde die App gemäss Presseberichten bereits eine halbe Million Mal aktiviert. Eine gute Woche später war diese Zahl auf rund eine Million gestiegen. Damit sei das Interesse an der App aber deutlich geringer als erwartet beziehungsweise sei die anfängliche Euphorie allzu schnell verflogen, so das allgemeine Urteil. Verschiedene Experten stellten übereinstimmend fest, dass das Vertrauen in die App und die Bereitschaft zur Installation wohl doch geringer seien als gedacht. Es sei nun an den Behörden, besser zu kommunizieren, um diesen Widerstand in der Bevölkerung doch noch zu überwinden.
Drei Wochen nach dem Start fiel die Bilanz der SwissCovid-App eher nüchtern aus und die NZZ fragte rhetorisch: «Geht der SwissCovid-App die Luft aus?» Sie verwies auf die bereits wieder rückläufige Anzahl aktiver Apps, die ihrerseits jedoch nach wie vor steigenden und inzwischen rund 1.8 Mio. zählenden Downloads gegenüberstanden. Das BAG führte diese Diskrepanz auf Probleme bei der Messung der aktiven Apps zurück und versprach künftig genauere Zahlen. Ausserdem kündigte das Bundesamt eine weitere, gross angelegte Werbekampagne für die App an.
Der Nutzen der App wurde in der öffentlichen Debatte folglich aber nicht nur durch die geringen Nutzerzahlen, sondern auch durch die mangelhafte Arbeit der involvierten Behördenstellen relativiert. Wie die NZZ berichtete, erhielten positiv getestete Personen den Covidcode zum Teil erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, sodass die Kontaktpersonen viel zu spät gewarnt würden. Ausserdem funktioniere die Zusammenarbeit zwischen der Hotline des Bundes, an die sich App-Nutzer im Falle einer Benachrichtigung über eine mögliche Ansteckung wenden sollten, und den Contact-Tracing-Stellen der Kantone beziehungsweise den kantonsärztlichen Diensten alles andere als reibungslos. Dadurch erhielten die von der App gewarnten Personen keine offizielle Quarantäneanordnung und damit keinen Erwerbsersatzanspruch, wie es der Bundesrat im Erläuterungsbericht zur Proximity-Tracing-System-Verordnung vorgesehen hatte. Gerade deshalb blieben viele der potenziell Infizierten nicht zu Hause und gefährdeten so Andere, kritisierte der Geschäftsführer der BAG-Hotline-Betreiberin Andy Fischer.
Unterdessen lancierte ein Bürgerkomitee in der Westschweiz ein Referendum gegen die vom Parlament beschlossene dringliche Änderung des Epidemiengesetzes, die als gesetzliche Grundlage für die SwissCovid-App dient. Das Komitee bemängelte, dass keine richtige demokratische Debatte über die Risiken der Tracing-Technologie geführt worden sei, und befürchtete deren Missbrauch zur staatlichen Kontrolle sowie sozialen Druck zu deren Nutzung. Die Konzerne Apple und Google, die die entscheidende Bluetooth-Schnittstelle zur Verfügung stellten, seien nicht gerade für ihren Datenschutz berühmt und die Bluetooth-Technologie sei zu ungenau, sodass viele unnötige Quarantänen verfügt würden, was der Wirtschaft schade, zitierte die Presse aus der Argumentation. Aus dem Kreis der eidgenössischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier gehörte dem Komitee der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor an. Bis am 8. Oktober hat das Komitee Zeit, die notwendigen 50'000 Unterschriften zu sammeln. Das dringliche Gesetz würde bei einem zustande gekommenen Referendum jedoch erst nach der Ablehnung in der Volksabstimmung oder ein Jahr nach Inkrafttreten, falls die Abstimmung nicht vorher stattfindet, ausser Kraft gesetzt.

Einführung der SwissCovid-App

Am 1. Juli 2020 beschloss der Bundesrat aufgrund der Corona-Pandemie auf den 6. Juli 2020 eine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr einzuführen. Diese gilt für Personen ab 12 Jahren, welche ein öffentliches Verkehrsmittel (inklusive Flugzeug) benutzen. Die mediale Debatte über das Maskentragen im öffentlichen Verkehr hatte sich jedoch bereits seit April 2020 entwickelt. So forderte beispielsweise die NZZ schon Ende April ein Maskenobligatorium für den öffentlichen Verkehr; von Seiten der Behörden gab es damals jedoch nur die Empfehlung, zu Stosszeiten eine Maske zu tragen. Zwei Wochen später war es erneut die NZZ, die darauf hinwies, dass auch das Personal des öffentlichen Verkehrs die Einführung der Maskenpflicht verlange, da nur wenige Fahrgäste die Empfehlung, Maske zu tragen, befolgten. Somit seien die Angestellten im öffentlichen Verkehr, sowie die Fahrgäste selber, ungeschützt. Zudem werde die Lage mit den nächsten anstehenden Lockerungsschritten noch heikler. Im Sonntagsblick folgten sodann der Ökonom Ernst Fehr, Marcel Tanner, Mitglied der Swiss National Covid-19 Science Task Force, und die Virologin Isabelle Eckerle, welche Ende Mai 2020 ein Masken-Obligatorium für den öffentlichen Verkehr forderten. Nach Ende der ausserordentlichen Lage am 19. Juni 2020 meldeten sich auch vermehrt Kantonsvertreterinnen und -vertreter zu Wort und erwägten eine Maskenpflicht für ihren jeweiligen Kanton. Als der Bundesrat schliesslich Anfang Juli 2020 die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr verfügte, ging ein kollektives «Endlich» durch die Schweizer Printpresse. Während die NZZ mutmasste, dass der Bundesrat aufgrund des Drucks einzelner Kantone gehandelt hatte, merkte La Liberté an, dass das Maskenobligatorium auch aufgrund der Empfehlungen der Swiss National Covid-19 Science Task Force zustandekommen sei. Laut Aargauer Zeitung waren auch die steigenden Fallzahlen mit ein Grund für die Maskenpflicht. Die Zeitung Le Temps stimmte dieser These zu, indem sie darauf hinwies, dass es dem Bundesrat auch um die Symbolik gegangen sei; er wolle die Bevölkerung daran erinnern, dass das Virus noch lange nicht verschwunden sei.

Einführung der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr
Dossier: Covid-19 und Verkehr

Am 16. April 2020 informierte der Bundesrat über die geplante Lockerungsstrategie der Massnahmen zum Coronavirus, die in drei Schritten erfolgen sollte. In den Mittelpunkt stellte der dabei die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, daneben beabsichtigte er aber auch, die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten und die Einschränkung der Grundrechte zu reduzieren. In einer ersten Etappe sollten ab dem 27. April Coiffeursalons, Kosmetikstudios, Baumärkte, Blumenläden und Gärtnereien ihre Türen wieder öffnen dürfen. In diesen Einrichtungen sei die Umsetzung von Schutzkonzepten einfach möglich, sie wiesen wenige direkte Kontakte auf und lösten keine grossen Personenströme aus, erklärte der Bundesrat die Auswahl. Ab dem gleichen Datum sollten in Krankenhäusern zudem wieder uneingeschränkt Eingriffe durchgeführt werden können.
Als zweite Etappe sah die Regierung für den 11. Mai die Wiedereröffnung der obligatorischen Schulen, Einkaufsläden und Märkte vor. Vor dem Entscheid über diesen zweiten Lockerungsschritt wollte sie jedoch die Entwicklung der Fallzahlen abwarten und diesen folglich erst am 29. April fällen. Schliesslich war als dritte Etappe neben der Öffnung von Museen, Zoos und Bibliotheken sowie der Lockerung des Versammlungsverbots für den 8. Juni auch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Mittel-, Berufs- und Hochschulen geplant. Einzelheiten dazu beabsichtigte der Bundesrat am 27. Mai festzulegen.

An demselben Tag, an dem der Bundesrat diese ersten Lockerungsschritte ankündigte, verabschiedete er eine am 20. April 2020 in Kraft tretende Verordnung, die eine übergangsweise Befreiung von der Anzeigepflicht bei Überschuldung, die in der Regel zur sofortigen Insolvenz führen würde, und eine zeitlich befristete Covid-19-Stundung beinhaltete. Letztere sollten insbesondere KMU unbürokratisch beantragen können. Er gab zudem bekannt, dass Selbständigeerwerbende rückwirkend ab dem 17. März 2020 Anspruch auf EO erhalten sollen. Mit diesem Entscheid sollte die Problematik angegangen werden, dass rund 270'000 Personen, darunter zum Beispiel viele Taxifahrerinnen und Taxifahrer oder Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, keine Covid-19-Kredite oder Kurzarbeitsgelder hatten beantragen können, da der Bundesrat ihre Unternehmen nicht geschlossen hatte, sie aber dennoch bis zu 90 Prozent ihres Einkommens aufgrund der Pandemie eingebüsst hatten. Um die durch die Corona-Pandemie entstandenen Finanzlöcher zu stopfen, gingen zahlreiche verschiedene Vorschläge ein: von einer Halbierung der Mehrwertsteuer, wodurch der Konsum angekurbelt werden sollte (Postulat Müller; fdp, LU; Po. 20.3214), über ein fünfjähriges Ausgaben- und Aufgabenmoratorium (SVP-Fraktion; Mo. 20.3567) und der Reduktion der Ausgaben für die EU, den Asylbereich und ausländische Personen (Motion Quadri; lega, TI; Mo. 20.3272) hin zu einer Solidaritätssteuer, z.B. über eine Erhöhung der Kapitalgewinnsteuer (Motion de la Reussille, pda, NE, Mo. 20.3174; Motion der SP-Fraktion, Mo. 20.3203; Motion Prezioso, egsols, GE, Mo. 20.3335; Motion Rytz, gp, BE, Mo. 20.3362).

Anspruch auf Entschädigung ihres vollen Erwerbs sagte der Bundesrat am 22. April denjenigen Angehörigen der Armee zu, die zwischen dem 6. März 2020 und dem 30. Juni 2020 zur Bewältigung der Coronakrise im Einsatz standen und die Dauer ihres Ausbildungsdienstes überschritten hatten. Für Angehörige des Zivilschutzes sollte eine vergleichbare Regel gelten.

Eine Woche darauf kündigte die Regierung an, dass einige Lockerungen schneller vorgenommen werden könnten als ursprünglich geplant, da die Ausbreitung von Covid-19 aufgrund der vorbildlichen Umsetzung der ergriffenen Massnahmen durch die Bevölkerung hatte abgeschwächt werden können. Daher sollten unter anderem auch Restaurants, Museen und Bibliotheken bereits ab dem 11. Mai wieder ihre Pforten öffnen dürfen und auch Primar- und Sekundarschulen ihren Unterricht vor Ort wieder aufnehmen können, wobei die diesbezügliche Entscheidung über die Durchführung bei den Kantonen lag. Diese sollten auch entscheiden, ob an den Gymnasien schriftliche Abschlussprüfungen durchgeführt werden oder nicht. Im Vorfeld hatte die EDK bereits bekanntgegeben, dass sie die Absage mündlicher Prüfungen empfehle. Anders sah die Situation für die Berufsschulen aus, wo bereits zuvor landesweit einheitlich entschieden worden war, auf schriftliche Lehrabschlussprüfungen zu verzichten. Auch Trainings im Breiten- und Spitzensport sollten ab dem 11. Mai wieder erlaubt sein.
Um die Auswirkungen der Lockerungen auf die Epidemieentwicklung genau beobachten zu können, plante der Bundesrat ein entsprechendes Monitoring. Die einzelnen Lockerungsetappen sollten mit Schutzkonzepten einhergehen, zudem müssten alle Institutionen über ein auf den Vorgaben des BAG, des SECO oder auf einem Branchenkonzept basierendes Schutzkonzept verfügen. Des Weiteren beschloss die Regierung, auch die Einreisebeschränkungen zu entschärfen; Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen blieben jedoch bis Ende August 2020 weiterhin verboten. Die Kantone wurden zudem aufgefordert, ab dem 11. Mai die flächendeckende Rückverfolgung von Neuinfektionen fortzuführen. Ein ähnliches Ziel verfolgte die SwissCovidApp, eine digitale Applikation mit Bluetooth-Funktechnik, mit der die Benutzerinnen und Benutzer informiert würden, wenn sie sich in der Nähe einer mit Covid-19 infizierten Person befunden haben (Proximity Tracing). Diese gehe Mitte Mai in die Testphase, zudem solle in Kürze auch die gesetzliche Grundlage für ihren ordentlichen Betrieb geschaffen werden, erklärte der Bundesrat. Die eidgenössischen Abstimmungen vom 19. Mai, welche der Bundesrat im März abgesagt hatte, sollten am 27. September 2020 nachgeholt werden. Ferner kündigte er Liquiditätshilfen in der Höhe von maximal CHF 1.9 Mrd. an, um den beiden Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss unter die Arme zu greifen.

Mit den ersten Lockerungen einhergehend änderte die BAG-Kampagne «So schützen wir uns» am 30. April ihre Grundfarbe auf Pink. Dennoch wurde betont, dass trotz einiger Zugeständnisse nach wie vor die gleichen Regeln gälten – unter anderem Abstandhalten, Händewaschen und das Niesen in den Ellbogen. Das BAG legte der Bevölkerung ausserdem nahe, eine Maske zu tragen, sollten die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.

Was die vorläufig auf Eis gelegte Fussballsaison anbelangt, so entschloss der Zentralvorstand des SFV Ende April, dass abgesehen von der Super League, der Challenge League und dem Schweizer Cup der Männer der Spielbetrieb endgültig nicht fortgesetzt werden sollte. Ob und in welcher Form die Saison der beiden höchsten Ligen fortgeführt werden könne, wollte die Swiss Football League nach Anhörung der tangierten Clubs entscheiden.

Nachdem die Frühjahrssession 2020 vor der dritten Woche abgebrochen werden musste, tagten National- und Ständerat vom 4. bis 6. Mai im Rahmen einer ausserordentlichen Session, an welcher in erster Linie Geschäfte im Zusammenhang mit Covid-19 behandelt wurden. Im Zentrum standen dabei die dringlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie, etwa für die Corona-Kredite, welche nachträglich von der Bundesversammlung abgesegnet werden mussten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Räte aber auch ausführlich mit den Corona-Krediten für die Unternehmen, mit den Massnahmen für die Medien oder mit den Frage nach dem Erlass der Geschäftsmieten.

Da sich Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund der gegebenen Umstände bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einer Stelle im Anschluss an ihre Ausbildung vor Herausforderungen gestellt sahen, kam es am 7. Mai 2020 zur Gründung einer aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, der Sozialpartner und des Bundes bestehenden Task Force, welche die Berufsbildung stärken sollte. Tags darauf gab der Bundesrat bekannt, Institutionen der familienergänzenden Betreuung, die wegen der Pandemie Ertragsausfälle erlitten, mit CHF 65 Mio. unterstützen zu wollen. Wie diese Unterstützung genau erfolgen sollte, plante die Landesregierung bis zum 20. Mai in einer entsprechenden Verordnung festzuhalten.

Am 13. Mai liess das EJPD verlauten, dass die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich bis zum 15. Juni 2020 vollständig geöffnet werden sollen, wenn dies mit der epidemiologischen Situation vereinbar sei. Die drei Nachbarländer würden sich zurzeit ebenfalls in der Transitionsphase befinden und verfügten über eine ähnliche epidemiologische Lage wie die Schweiz. Bis dahin sollten für binationale Paare, die nicht verheiratet sind, sowie für «allfällige weitere Personenkategorien» Lösungen entwickelt werden. Gleichentags verkündete das VBS die Unterstützung des Schweizer Sports mit Darlehen in einer Höhe vom CHF 500 Mio.

Auch an der sonst schon einem starken Wandel unterworfenen Medienlandschaft zog die Coronakrise nicht unbemerkt vorbei. Zeitung, Radio und Fernsehen hatten unter anderem einen starken Rückgang an Werbeeinnahmen zu beklagen. Angesichts der zentralen Rolle, die den Medien in einer Demokratie zukomme, stellte der Bundesrat am 20. Mai die Covid-19-Verordnung elektronische Medien vor, in der Radio- und Fernsehveranstaltern finanzielle Soforthilfen in der Höhe von CHF 40 Mio. in Aussicht gestellt wurden. Zeitgleich erliess die Landesregierung eine Notverordnung zur Unterstützung der Printmedien, die finanzielle Sofortmassnahmen im Rahmen von CHF 17.5 Mio. beinhaltete. Weiter beantragte der Bundesrat am 20. Mai CHF 14.9 Mrd. in Form von elf Nachtragskrediten, um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft weiter abzudämpfen. Der Löwenanteil von CHF 14.2 Mrd. ging dabei an die ALV.

Eine Woche später – am 27. Mai 2020 – teilte der Bundesrat an seiner Pressekonferenz den bis anhin grössten Lockerungsschritt mit. So sollte das spontane Zusammenkommen von bis zu 30 Personen ab dem 30. Mai 2020 wieder erlaubt sein. Ab dem 6. Juni sollten auch wieder öffentliche Veranstaltungen wie etwa Messen, Theatervorstellungen, Familienanlässe oder politische Kundgebungen mit bis zu 300 Personen stattfinden dürfen. Für denselben Tag wurde zudem die Wiedereröffnung von Bergbahnen, Campingplätzen und anderen Angeboten im Tourismusbereich wie auch für Casinos, Freizeitparks, Zoos, botanische Gärten, Wellnessanlagen und Erotikbetriebe angesetzt. In Restaurants sollte ab dem 6. Juni ausserdem die Gruppengrösse von maximal vier Personen aufgehoben werden, jedoch müssen ab einer Gruppengrösse von vier Personen die Kontaktdaten angeben werden. In Mittel-, Berufs- und Hochschulen sollte ab dem 6. Juni ebenfalls wieder vor Ort unterrichtet werden dürfen, wobei die Kantone über die Umsetzung entscheiden sollten. Der Bundesrat legte der Bevölkerung nahe, weiterhin von zuhause aus zu arbeiten, die Unternehmen dürften jedoch grundsätzlich selbst über die Rückkehr an den Arbeitsplatz bestimmen. Weiter sollten ab dem 8. Juni die Bearbeitung der Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU/EFTA-Raum wieder aufgenommen werden und die Anstellung hochqualifizierter Arbeitnehmerinnen und -nehmer durch Schweizer Firmen wieder möglich sein. Zudem sei für den 6. Juni die vollständige Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit und Reisefreiheit im Schengen-Raum geplant, gab der Bundesrat bekannt.

Am 15. Juni wurden schliesslich die Grenzen zu allen Staaten des EU-EFTA-Raums wieder vollständig geöffnet und auch der Einkaufstourismus, der zuvor verboten worden war, wieder zugelassen. Vier Tage darauf beschloss der Bundesrat, die ausserordentliche Lage zu beenden und stattdessen zur besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz zurückzukehren, wofür er die Covid-19-Verordnung 3 verabschiedete. Das Demonstrationsverbot, das zuvor für ausführliche Diskussionen um die Frage der Grundrechte gesorgt hatte, fiel am 20. Juni und ab dem 22. Juni wurden weitere bis anhin herrschende Massnahmen aufgehoben: Unter anderem konnten wieder Veranstaltungen mit bis zu 1'000 Personen stattfinden, der Mindestabstand zwischen zwei Personen wurde von zwei Metern auf 1.5 Meter reduziert und die für Restaurants und Diskotheken geltende Sperrstunde um Mitternacht sowie die Home-Office-Empfehlung wurden aufgehoben. Somit waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch immer verschiedene Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft am Laufen, Einschränkungen bestanden jedoch fast keine mehr.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Seit die WHO im März 2020 die Verbreitung des Covid-19-Virus als Pandemie eingestuft hatte, startete eine beispiellose internationale Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19. Wie die Medien im Frühjahr berichteten, gab es bereits zu diesem Zeitpunkt weltweit rund 140 Forschungsprojekte zu möglichen Impfstoffen. Die Aargauer Zeitung lieferte im Mai 2020 eine Übersicht über die erfolgsversprechendsten Impfstoffe, darunter auch diejenigen von Moderna und Pfizer/BioNTech. Letzterer wurde denn auch Ende 2020 in Grossbritannien zum ersten Mal eingesetzt.
Der SNF lancierte im April 2020 das NFP 78 «Covid-19»; im August gab er bekannt, dass in dessen Rahmen 28 Forschungsprojekte gefördert werden. Diese Projekte sollen dazu dienen, «neue Erkenntnisse zur Coronavirus-Erkrankung 2019 (Covid-19) zu gewinnen, Empfehlungen für das klinische Management und das Gesundheitswesen zu erarbeiten sowie die Entwicklung von Impfstoffen, Behandlungen und Diagnostika zu beschleunigen». Dafür stehen CHF 18.6 Mio. zur Verfügung. Zudem sprach der SNF im Mai 2020 weitere CHF 10 Mio. für insgesamt 36 Forschungsprojekte, die sich den gesellschaftlichen und biomedizinischen Aspekten von Epidemien widmen.
Die weltweite intensive und beschleunigte Forschung (sogenannte Speed-Forschung) nach einem Impfstoff warf auch gewisse ethische Fragen auf. Die Theologin und Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle forderte in der NZZ, dass vor einer Impfstoff-Zulassung die Nebenwirkungen detailliert erforscht sein müssen. Es müsse verhindert werden, dass es aufgrund der Ängste in der Bevölkerung vor einer Ansteckung mit Covid-19 zu einer raschen und unkontrollierten Zulassung komme, die unter Umständen für sehr viele Leute ein hohes Risiko mit sich bringen könne. Zudem wies Baumann-Hölzle auf die Relevanz der Frage nach der weltweiten Verteilungs- und Zugangsgerechtigkeit hin. Hier befinde sich die Schweiz, welche sich bei Moderna ein Vorverkaufsrecht für deren Impfstoff gesichert habe und sich gleichzeitig international für den Aufbau eines Verfahrens für mehr Verteilungsgerechtigkeit bei den Impfstoffen engagiere, in einem Spannungsfeld zwischen Eigennutzen und internationaler Solidarität.

Forschung für Corona-Impfstoff

Um die Jahreswende 2019/2020 blickte die ganze Welt gebannt auf die zentralchinesische Metropole Wuhan, wo sich eine bislang unbekannte Lungenkrankheit, deren Erreger sich als Coronavirus (Sars-CoV-2) entpuppte, rasend schnell ausbreitete. Nachdem Covid-19 – die Krankheit, die durch das Virus ausgelöst wird – Europa erreicht hatte, verschärfte der Bundesrat Ende Januar 2020 die Meldepflicht zum Virus. Zudem richtete das BAG eine kostenlose Hotline ein, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, Fragen im Zusammenhang mit Covid-19 stellen zu können.

Am 25. Februar wurde in der Schweiz erstmals eine Person positiv auf den Erreger getestet und in den folgenden Tagen verbreitete sich das Virus hierzulande in allen Sprachregionen. Als Reaktion lancierte das BAG am 27. Februar die Kampagne «So schützen wir uns», bestehend aus Plakaten, Flugblättern, einer Telefonhotline und einem Internetauftritt zum Coronavirus.

Am 28. Februar stufte die Landesregierung die Situation gemäss Epidemiengesetz als «besonders» ein und verabschiedete die Verordnung über «Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19)». Aufgrund der besonderen Lage erhielt der Bundesrat die Kompetenz, weitreichende Massnahmen gegenüber einzelnen Personen und der ganzen Bevölkerung zu erlassen – was er in der Folge auch tat. In einem ersten Schritt verhängte er im Rahmen der Verordnung ein Verbot für das Zusammenkommen von über 1’000 Personen bis Mitte März 2020, woraufhin die Organisatorinnen und Organisatoren zahlreicher Events ihre Anlässe absagen mussten.

Angesichts der sich verschärfenden Situation entschied das BAG am 2. März, die bisher für die Kampagne «So schützen wir uns» verwendete Farbe Gelb durch Rot zu ersetzen und die Hygieneregeln zu erweitern. Einen Tag darauf verkündete das Bundesamt die künftige Vergütung des Diagnostiktests zu Covid-19 mit CHF 180 durch die OKP.

Am 5. März musste die Schweiz erstmals ein Todesopfer aufgrund von Covid-19 beklagen. Es handelte sich dabei um eine 74-jährige Frau, die im Universitätsspital Lausanne verstarb. Gut eine Woche später – am 11. März – erklärte die WHO die Lage rund um die Infektionskrankheit zur Pandemie.

Das Tessin, welches aufgrund seiner Nähe zu Italien, in dem das Virus bereits sehr früh sehr viel stärker tobte, ebenfalls deutlich früher von der Corona-Pandemie getroffen wurde als der Rest der Schweiz, rief am 11. März den Notstand aus. Dabei entschied sich die Kantonsregierung, Kinos, Theater, Skigebiete sowie Gymnasien und Hochschulen, nicht aber die obligatorischen Schulen, zu schliessen. Bereits zuvor hatte die Kantonsregierung mehrfach die Schliessung der Grenze zu Italien gefordert. Auch Sportveranstaltungen und Trainings durften nicht mehr durchgeführt werden, weshalb die Chefetagen der Schweizer Eishockeyclubs am darauffolgenden Tag entschieden, die Meisterschaft 2019/2020 abzubrechen. Diesem Entscheid folgten die beiden höchsten Fussballligen der Schweiz am 13. März zumindest teilweise, indem sie bekannt gaben, die Saison vorläufig bis Ende April auf Eis zu legen.

Auf nationaler Ebene unternahm der Bundesrat am Freitag, 13. März 2020 weitere Verschärfungen, indem er die Grenzen zwar nicht schloss, in einer zweiten Verordnung aber Reiseeinschränkungen aus Risikoländern festlegte. Zudem untersagte er Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen bis Ende März 2020 und führte für Restaurants, Diskotheken und Bars eine Obergrenze von 50 Personen ein. Um die wirtschaftlichen Folgen der getroffenen Massnahmen zu dämpfen, erleichterte die Regierung im Rahmen der Covid-19-Verordnung «Arbeitslosenversicherung» den Zugang zu Kurzarbeit mit dem Ziel, die Lohnfortzahlung der Mitarbeitenden zu sichern und Massenentlassungen zu verhindern. Dazu gestand sie dem ALV-Fonds zudem dringlich CHF 8 Mrd. für die Kurzarbeit zu. Ferner wurde der Präsenzunterricht an Schulen bis zum 19. April 2020 gestoppt.

Die Pandemie wurde langsam, aber sicher auch für die Schweizer Tourismusbranche spürbar. So wurde der Skisaison am 14. März ein abruptes Ende gesetzt und praktisch alle touristischen Bergbahnen wurden stillgelegt.

Im Verlaufe der Woche spitzte sich die Lage weiter zu und über das Wochenende stiegen die Fallzahlen massiv an. Dies bewog die beiden Büros des National- und Ständerats am Sonntag, 15. März 2020, dazu, die laufende Frühjahrssession auf Antrag der Verwaltungsdelegation nach der zweiten Woche abzubrechen. Am darauffolgenden Tag rief der Bundesrat die ausserordentliche Lage und den sogenannten Lockdown aus. Die ausserordentliche Lage ist die dritte von drei Stufen des seit 2016 existierenden Epidemiengesetzes. Sie gesteht dem Bundesrat die Kompetenz zu, zeitlich begrenzte Verordnungen zu erlassen, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Zudem kann sich der Bundesrat auf seine Notverordnungskompetenz oder sein Notrecht (Art. 185 BV) stützen, das bei Gefahr einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit anwendbar wird.
In einer Medienkonferenz richtete Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ernste Worte an die Nation: Es müsse nun «ein Ruck durch unser Land gehen», verkündete sie in allen vier Landessprachen. Die bereits verabschiedeten Massnahmen seien teilweise ungenügend befolgt worden, nun werde die ganze Bevölkerung gebraucht: Jede und jeder müsse sich an die Massnahmen halten. Denn nur so könne die Verbreitung des Virus verlangsamt werden. Dies sei ausgesprochen wichtig, um weiterhin genügend freie Kapazitäten in den Spitälern gewährleisten und einen Engpass vermeiden zu können.

Konkret bedeutete der Ausruf der ausserordentlichen Lage, dass der Bundesrat nun in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anordnen konnte. Damit verbunden waren die Schliessung sämtlicher Läden, Märkte, Restaurants, Bars wie auch Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe. Offen blieben hingegen Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen, was zu einer Debatte darüber führte, welches denn nun die essentiellen Berufe seien und wie diese entlöhnt werden sollen. Auch Betriebe, in denen das Abstandwahren nicht möglich ist, waren von dieser Regelung betroffen. Kirchen und andere Gotteshäuser durften zwar offen bleiben, jedoch wurden Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen verboten. Obwohl der Bundesrat erklärte, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen essentiellen Gütern wie Medikamenten sichergestellt sei, kam es in der Folge zu Hamsterkäufen. Ebenfalls erliess der Bundesrat ein Verbot von Veranstaltungen im öffentlichen und im privaten Rahmen, das – wie sich zeigen sollte – von der Kultur bis hin zum Sport seine Spuren hinterliess. Am Fahrplan des öffentlichen Verkehrs wurden in einem bis anhin unbekannten Ausmass Ausdünnungen vorgenommen. Gesundheitsminister Berset rief zum Abstandhalten auf. Unnötige Kontakte sollten vermieden und Hygienemassnahmen eingehalten werden. Insbesondere ältere Menschen seien dazu angehalten, zuhause zu bleiben. Social Distancing – so der Ausdruck, der sich in den Folgemonaten durchsetzte – könne Leben retten. Es bedürfe nun Solidarität zwischen den Generationen und gegenüber den kranken Menschen. Diese Solidarität zeigte sich in der Folge durch unzählige freiwillige Hilfsangebote, etwa für Einkäufe für Menschen in Quarantäne oder Angehörige der Risikogruppe oder für Kinderbetreuungen für Eltern in der Pflegebranche oder ohne Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Die Kantone wurden damit beauftragt, ein Betreuungsangebot für Kinder zur Verfügung zu stellen, die nicht auf privater Basis betreut werden konnten. Nur wenn andere Betreuungsangebote bestünden, dürften Kinderkrippen geschlossen werden. Um den Kantonen in Sachen Spitäler, Logistik und im Sicherheitsbereich unter die Arme zu greifen, segnete der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8'000 Mitgliedern der Armee ab. Dabei handelte es sich gemäss Verteidigungsministerin Viola Amherd um die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg. Weiter führte die Landesregierung neben den bereits seit dem 13. März existierenden Kontrollen an der Grenze zu Italien auch an denjenigen zu Deutschland, Frankreich und Österreich Kontrollen ein. Die Einreise aus den Nachbarländern mit Ausnahme von Liechtenstein wurde ausserdem nur noch Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, Ausländerinnen und Ausländern mit einem Aufenthaltstitel und in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie Personen, die sich in einer «Situation absoluter Notwendigkeit» befanden, gestattet. Damit beabsichtigte der Bundesrat, den Schutz der Schweizer Bevölkerung zu gewährleisten und die Kapazitäten des Schweizer Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Sich im Ausland befindlichen Schweizer Reisenden legte die Regierung nahe, in die Schweiz zurückzukehren, und organisierte in diesem Zusammenhang Rückholaktionen.

Da der Bundesrat die Ansicht vertrat, dass die freie Meinungsbildung unter den gegebenen Umständen nicht gewährleistet sei, sagte er am 18. März die für den 17. Mai 2020 angesetzten Volksabstimmungen ab. Das letzte und bisher einzige Mal in der Geschichte der Schweizer Demokratie war dies 1951 aufgrund der Maul- und Klauenseuche passiert, wie die Medien berichteten.

Zwei Tage später – am 20. März – zog die Regierung die Schraube noch einmal an. Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum wurden verboten. Zudem sei zwischen Personen stets ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Bei Nicht-Befolgen dieser Regelungen könne die Polizei Ordnungsbussen verteilen. Die Leute sollen abgesehen vom Erledigen von Einkäufen, Arztbesuchen oder der Unterstützungsleistung anderer Personen dringend zuhause bleiben. Dies gelte insbesondere für Kranke und über 65-Jährige, welche das BAG zur Risikokategorie zählte. Dadurch sollten Risikopatientinnen und -patienten besser geschützt werden und es sollte verhindert werden, dass die Intensivstationen in den Krankenhäusern überlastet würden. Dasselbe Ziel verfolgte ein Durchführungsverbot von nicht dringend notwendigen Untersuchungen, Eingriffen und Therapien in medizinischen Einrichtungen.

Aufgrund der stetigen Zunahme der Infizierten wurden die Spitäler stark gefordert und stiessen mit den personellen Ressourcen an ihre Grenzen. Daher beschloss der Bundesrat weiter, für die betroffenen Bereiche die Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten solange aufzuheben, wie es die Situation verlangte. Dies sorgte für Unverständnis von verschiedener Seite und es wurde eine Online-Petition lanciert, mit welcher der Bundesrat dazu aufgefordert wurde, den Entscheid rückgängig zu machen. Der restlichen erwerbstätigen Bevölkerung empfahl die Regierung, falls sich dies mit ihrer Arbeitsstelle vereinbaren liess, von zuhause aus zu arbeiten. Konnten die auszuführenden Tätigkeiten nicht im Homeoffice erledigt werden, mussten die Arbeitgebenden dafür sorgen, dass die Empfehlungen des BAG bezüglich Hygienemassnahmen und sozialer Distanz eingehalten wurden; Personen, die zur Risikogruppe zählten, sollten in diesem Fall unter Lohnfortzahlung beurlaubt werden.

Gleichentags beschloss die Regierung ein Massnahmenpaket über Nachtragskredite in der Höhe von CHF 11.7 Mrd. und Verpflichtungskredite von CHF 20 Mrd., um die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung von Covid-19 abzufedern. Im Rahmen der Sozialversicherungen wurde die Kurzarbeit auf zusätzliche Anspruchsgruppen, unter anderem Lehrlinge, Angestellte mit nicht kündbaren temporären Arbeitsverträgen, Personen im Dienst von Temporärarbeitsfirmen sowie arbeitgeberähnliche Angestellte, ausgeweitet und die Karenzfrist aufgehoben. Auch den Zugang zu Erwerbsersatz erweiterte der Bundesrat mittels einer entsprechenden Verordnung in gewissen Fällen auf Selbständigerwerbende. Den von der Pandemie gebeutelten Kulturschaffenden wurde mit CHF 280 Mio. unter die Arme gegriffen und Sportorganisationen CHF 100 Mio. zugesichert, um zu verhindern, dass durch das Einstellen des Meisterschaftsbetriebes die Sportlandschaft «massiv in ihren Strukturen geschädigt wird». Bezüglich des ebenfalls durch das Coronavirus stark betroffenen Tourismus würden bereits seit Februar 2020 Sofortmassnahmen, insbesondere Informations- und Beratungsaktivitäten sowie Massnahmen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, umgesetzt, liess der Bundesrat in seiner Medienmitteilung verlauten.

Dass das Coronavirus auch vor den Institutionen des politischen Systems der Schweiz nicht haltmachte, zeigte sich nicht nur an der abgebrochenen Frühjahrssession des Parlaments, sondern auch im Bereich des Justizwesens. Um voll funktionsfähig bleiben und sich auf die besonderen Umstände einstellen zu können – ersteres sei «gerade in der Zeit der Verunsicherung» besonders essentiell –, wurde der Beginn der Gerichtsferien, die für die Ostertage angesetzt waren, bereits auf den 21. März vorverschoben. Da die Einschränkung von Menschenansammlungen und Freizeitaktivitäten in einem gewissen Zielkonflikt mit dem Sammeln von Unterschriften stand, veranlasste der Bundesrat einen Fristenstillstand vom 21. März bis zum 31. Mai; während dieser Zeit war es untersagt, Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu sammeln, dafür wurden die entsprechenden Sammelfristen verlängert.

In Folge der aufgrund der ausserordentlichen Lage verordneten Schliessungen von zahlreichen Betrieben wurde die Frage aufgeworfen, wer für die Geschäftsmieten aufkommen müsse, wobei Mietende und Vermietende diesbezüglich unterschiedliche Ansichten hatten. Um offene Fragen im Mietrecht zu klären, setzte der Bundesrat am 24. März eine Task Force unter der Leitung des BWO ein. Gute zwei Wochen später liess er jedoch verlauten, dass er sich nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen Privaten einmischen wolle. Dies führte in der Folge zu langen Diskussionen zwischen Mietenden und Vermietenden.

Am 25. März gab der Bundesrat bekannt, Verfeinerungen an den Sozialversicherungsmassnahmen in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung und der beruflichen Vorsorge vorgenommen zu haben. Damit sollten unter anderem die Aussteuerung von Arbeitssuchenden und die Kündigung von 200'000 Personen verhindert werden. Um nicht nur deren Kündigung zu vermeiden, sondern auch den KMU die Bewältigung der Coronakrise zu ermöglichen, richtete die Landesregierung zudem zusammen mit der SNB und der FINMA, der Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte und den Banken Überbrückungskredite ein, die ab dem 26. März bezogen werden konnten. Am 3. April beschloss der Bundesrat, den dafür nötigen Verpflichtungskredit von CHF 20 Mrd. auf CHF 40 Mrd. aufzustocken. Die Steuerverwaltung gab zudem bekannt, in bestimmten Bereichen von Verzugszinsen abzusehen, sodass Härtefälle vermieden werden könnten. Während die Medien die Schritte grösstenteils begrüssten, welche die Landesregierung im Zusammenhang mit der Coronakrise unternahm, äusserten sie sich zugleich auch besorgt über deren Auswirkungen auf die Bundesfinanzen.

Im Hinblick auf den Umzugstermin vom 31. März legte der Bundesrat in seiner Covid-19-Verordnung Miete und Pacht am 27. März fest, dass Umzüge immer noch durchgeführt werden könnten, sofern die Empfehlungen des BAG eingehalten würden. Zudem verlängerte er die Zahlungsfristen bei Zahlungsrückständen auf Miet- und Pachtzinse von 30 auf 90 respektive von 60 auf 120 Tage, wenn die Zahlungsrückstände auf Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zurückzuführen seien.

Anfang April erliess der Bundesrat eine weitere Verordnung, mit der die notwendigen Massnahmen getroffen werden sollten, um eine angemessene Unterbringung von Asylsuchenden und die Durchführung von Asylverfahren sicherzustellen, nachdem Hilfswerke bereits seit Anfang März kritisiert hatten, dass die zur Eindämmung des Coronavirus getroffenen Massnahmen in Asylzentren vielerorts kaum oder gar nicht umsetzbar seien.
Anlässlich des Amtsantrittes des neuen SBB-CEO Vincent Ducrot in demselben Zeitraum berichteten die Medien überdies, dass das Coronavirus auch bei den Bundesbahnen sichtbare Spuren hinterlassen habe. So seien die Passagierzahlen um 80 bis 90 Prozent eingebrochen und etwa 150'000 Personen hätten vorübergehend ihr GA hinterlegt, nachdem der Fahrplan des öffentlichen Verkehrs um gut ein Viertel der Züge ausgedünnt worden war.

Erstmals etwas aufwärts ging es dann am 6. April, als die Büros des National- und Ständerates verlauten liessen, dass sich die Kommissionen der beiden Räte wieder für Sitzungen treffen dürften. Ausserdem wurde bekannt gegeben, dass auf Anfang Mai eine ausserordentliche Session für dringende Geschäfte im Zusammenhang mit dem Coronavirus angesetzt worden sei. Am 8. April wurden die bestehenden Massnahmen der ausserordentlichen Lage vom 19. April auf den 26. April verlängert. Anschliessend seien etappenweise Lockerungen vorgesehen, da die Umsetzung der Massnahmen bisher gut verlaufen sei und die Massnahmen Wirkung gezeigt hätten, so der Bundesrat.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Während sich das Gros der Diskussionen zu Covid-19 um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie drehten, nahmen sich einzelne Medien im Zuge der Entwicklungen dem Virus auch als einem sprachlichen Phänomen an. Anfang Jahr noch kaum beachtet und von Laien lediglich als eine weitere Form der Grippe abgeschrieben, zeichnete sich sein sprachkulturelles Potenzial ab März 2020 deutlich ab. So mokierte sich beispielsweise die in Tel Aviv lebende Autorin Joelle Well in der Aargauer Zeitung über die Unwissenheit und der damit einhergehenden Ignoranz der breiten Masse um die eigentliche Bedeutung des Akronyms «Covid-19» (engl. coronavirus disease 2019). Ennet der Schweizer Landesgrenze, im Nachbarland Frankreich, hingegen, war man bereits weit über die semantische Diskussion hinaus und machte hier stattdessen das Genus zum Zankapfel: In der französischen Gelehrtengesellschaft Académie française wurde über Wochen darüber debattiert, ob es denn nun «le» oder «la» Covid heisse, da es in den Medien offensichtlich unterschiedlich gehandhabt wurde. Anfang Mai war man sich schliesslich darüber einig geworden, dass Covid feminin und entsprechend mit «la» aufzuführen sei. Dies, weil das dem Akronym zugehörige «D» (disease) im Kern ein Äquivalent des französischen weiblichen Substantivs «la maladie» sei. In der Schweizer Medienlandschaft, besonders in der Romandie, schien dieses Thema indes kaum auf Interesse zu stossen.
Stattdessen fokussierten die Medien bevorzugt die Grenzen im Landesinneren – also den «Röstigraben». So kam in den Frühlingsmonaten vermehrt die Frage auf, ob im Zuge der Covid-Pandemie die Sprachgrenzen zu Landesgrenzen werden (Sonntags-Blick). Dies bedingt durch die unterschiedliche Handhabung der Situation in der Deutschschweiz und der Romandie. Während die alemannische Schweiz zu Beginn der Krise eher zögerlich reagierte, nach dem Lockdown dann aber relativ rasch auch wieder um eine Exit-Strategie bemüht war, habe man sich in der französischsprachigen Schweiz sehr offensiv für die Strategie der französischen Nachbarn – dem «confinement total» – ausgesprochen. Dabei habe man sich noch Anfang März in der Westschweiz herzlich über die Deutschschweiz amüsiert, wie Philippe Reichen im Tages-Anzeiger schilderte. Grund dafür sei die Einschätzung des Berner Immunologen Beda Stadler gewesen, nach der die Deutschschweizer aufgrund ihrer markanten Kehllaute (beispielsweise «ch») ein höheres Ansteckungspotenzial für Corona aufwiesen. Nach Reichen sei dies wiederum für die Westschweizerinnen und -schweizer eine Bestätigung dafür, dass «das Schweizerdeutsch keine eigentliche Sprache, sondern eine Halskrankheit» sei. Im Sommer hingegen, mit Beginn der Urlaubszeit, schien sich die Covid-Röstigraben-Theorie zu verflüchtigen. So titelte im August beispielsweise die gleiche Zeitung, die im April ebendiese Thematik erst aufgeworfen hatte: «Le Röstigraben n'existe pas». Covid-19 bedingt habe sich das Reiseverhalten der Westschweizerinnen und -schweizer verändert. Sie entdeckten plötzlich die Deutschschweiz für sich und fänden Gefallen daran. So stelle sich die Frage, ob man Covid vielleicht doch als eine Chance zum überwinden des Röstigrabens sehen könne.

Die Relevanz der Sprache und insbesondere ihres adäquaten Einsatzes im Umgang mit der Covid-Krise wurde zu Beginn des Sommers auch wissenschaftlich bestätigt. Nicht nur die Aargauer Zeitung stellte fest, dass die Corona-Krisenkommunikation des Bundesrates und des BAG trotz ihrer höflichen, unaufgeregten und diskreten Form erfolgreich war, dies bestätigte auch eine trinationale Studie des Schweizer Meinungsforschungsinstituts Link. Die Schweizer Plakate mit Warnhinweisen und Handlungsanweisungen hätten im Vergleich mit den deutschen und österreichischen viel mehr Aufmerksamkeit erhalten. Dass die Kampagne bei der Bevölkerung auf durchwegs positive Resonanz gestossen sei, bestätigte auch die Sprachwissenschaftlerin Juliane Schröter von der Universität Genf. Sie untersuchte sämtliche Radio- und Fernseheinspieler, die Medienkonferenzen, Tweets, Videos sowie Plakate im Rahmen der Informationskampagne und identifizierte hierbei drei Schlüsselaspekte des Erfolgs: Erstens habe man erfolgreich wiederholt dieselbe einfache und positiv formulierte Verhaltensempfehlung ausgesprochen («bleiben Sie zu Hause»), zweitens habe man nicht auf Verbote, sondern auf Argumente gesetzt. Dieses Vorgehen sei durchaus mit dem bundesrätlichen Vorgehen im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen vergleichbar. Drittens habe eben gerade diese Argumentationsstrategie im Wesentlichen dazu beigetragen, die Kampagne mit Schweizer Werten wie Freiheit und Eigenverantwortung aufzuladen. Wer also die Empfehlungen befolge, verhalte sich auch schweizerisch.
Jedoch liess auch die wissenschaftliche Kritik nicht lange auf sich warten. In einem Gastkommentar in der Aargauer Zeitung titelte Mario Andreotti, Dozent für Neuere deutsche Literatur an der Universität St. Gallen: «Corona hat unsere Sprache infiziert». Dabei monierte er in erster Linie den sinnlosen Gebrauch von Anglizismen im Zusammenhang mit coronaspezifischen Tätigkeiten – besonders in der Deutschschweiz. Er stiess sich beispielsweise an der inflationären Verwendung des Begriffs «home office». Besonders störte ihn die Fehlnutzung des Begriffes, denn die englische Bedeutung des Begriffs bezeichne nichts anderes als das Innenministerium. Wenn sich die Leute also zwingend auf Englisch ausdrücken wollten, müssten sie korrekterweise den Begriff «homework» verwenden, für den es aber wiederum einen durchaus etablierten deutschen Begriff gebe: die Heimarbeit. Das Gleiche gelte auch für «home schooling», «lockdown» oder den Ausdruck «social distancing», den Andreottis Ansicht nach viele nicht einmal richtig aussprechen könnten. Dieser müsste eigentlich «physical distancing» heissen, da die soziale Distanzierung mit Corona nicht im Geringsten etwas zu tun habe. Ein grosses Lob hingegen sprach er der Romandie aus: Anstatt sich in fehlgeleiteten Anglizismen zu verlieren, verwendeten sie für Französischsprechende sofort verständliche Begriffe. So werde aus dem «lockdown» ein «confinement» und aus dem «home office» ein «télétravail». Aber auch das Deutsche selbst habe sich in der «Coronawelt» neu erfunden. So hätten Wörter des täglichen Gebrauchs eine neue Bedeutung erhalten; wie beispielsweise der Ausdruck der «Normalität», der zu Coronazeiten nun eben als «neue Normalität» bezeichnet werde, was aber entgegen jeglicher Logik sei, da etwas entweder normal oder eben nicht normal sein könne, aber nicht beides zugleich. Daher sehe er die Politik und Medien in der Verantwortung, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben.

COVID - Sprache

Im Sommer 2019 lag das Augenmerk der sprachaffinen Schweizerinnen und Schweizer auf der Region Maloja im Kanton Graubünden. Zwischen dem 1. und 18. August fanden dort, in der Gemeinde Zuoz, im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums der Lia Rumantscha Kultur- und Sprachfestivitäten für Gross und Klein statt. Das rund dreiwöchige Grossereignis war mit gut CHF 1 Mio. budgetiert und durch den Kanton Graubünden, Bundesbeiträge, Sponsoren sowie Solidaritätsbeiträge diverser anderer Kantone finanziert worden. Zwischen der offiziellen Eröffnung am 2. August und dem Hauptfestakt am 17. August wurden an unterschiedlichen Daten Thementage gestaltet, die sich mit alltäglichen und politisch relevanten Belangen des Bergkantons und seiner Sprachvielfalt auseinandersetzten. So gab es abwechslungsreiche Anlässe zur Familie, zur Sprachpolitik, zu Minoritäten, zur Dreisprachigkeit des Kantons oder zum Romanisch in der Schule und der Literatur. Es sollte ein Fest für alle sein, war doch die ganze Schweiz mit dem Ziel eingeladen worden, aufzuzeigen, dass die Schweiz etwas verlieren würde, «wenn es das Romanische nicht mehr gäbe», wie Johannes Flury (fdp, GR), Präsident der Lia Rumantscha, zu bedenken gab. Das Highlight des Jubiläums stellte sicherlich das im vom Architekten Men Duro Arquint temporär konstruierten Theaterhaus mehrfach aufgeführte Theaterstück «Tredeschin Retg» dar, das aufgrund des Grossandrangs gar um zwei zusätzliche Vorführungen ergänzt werden musste. Des Bündners liebstes Märchen erzählt die Geschichte von Tredeschin, der als 13. Kind einer Bünder Familie das Licht der Welt erblickt und sich irgendwann aufmacht, die Welt zu entdecken und nach seinem Glück zu suchen. Dabei bewegt er sich stets im Spannungsfeld zwischen der kleinen Heimat und der grossen Welt, wodurch die Suche nach dem eigenen Glück zu einer Suche nach der eigenen Identität wird. Das speziell für die Bühne adaptiere Kindermärchen könnte als sinnbildlich für den vom Medienverantwortlichen der Lia Rumantscha, Andreas Gabriel, als «hochpolitisch» bezeichneten Charakter des Festivals betrachtet werden. Das Programm wurde grundsätzlich auf Romanisch durchgeführt, war jedoch auch in anderen Sprachen verfolgbar. So wurde das Theaterstück auf Deutsch und Italienisch übertitelt, also genau das, was Gabriel und andere «in umgekehrten Vorzeichen auch von den grösseren Sprachgemeinschaften erwarten würden, damit wir das Romanische im Alltag und in den politischen Diskussionen nicht aufgeben müssen.»

Gegründet wurde die Lia Rumantscha am 26. Oktober 1919 als Dachorganisation aller romanischen Sprach- und Kulturvereine. Sie hat ihren Hauptsitz in Chur. Die zentrale Figur der Entstehungsgeschichte war Giachen Conrad, ein Churer Postinspektor, der im April 1919 unter dem Titel «Kassandrastimmen vom Hinterrhein» einen Aufruf in der damaligen «Neuen Bündner Zeitung» startete. In seinem Kassandraruf verglich er das Romanische mit einem «Ertrinkenden», das durch den zunehmenden Tourismus Gefahr laufe zu «verdeutschen». Mit den Bahntunneln öffne man nun die «natürlichen Dämme gegen die fremde Flut» und grabe «alle Wälle ab, hinter welchen die kränkelnde Pflanze des Erbes unserer Väter noch etwas Schutz vor dem Nordwind fand.» Es gelte nun, eine «Phalanx» gegen diese Gefahr zu bilden, wie die «Südostschweiz am Wochenende» den Churer zitierte. Tatsächlich verfehlte der Weckruf seine Wirkung nicht, wurde doch auf Anregung der «Uniun rumantscha da Schons» die Bitte um eine Konferenz aller romanischen Sprachvereine von der «Societad Retorumantscha» gutgeheissen, sodass bereits im Juli 1919 eine Kommission mit der Ausarbeitung der Statuten und Satzungen der postulierten Dachorganisation beauftragt wurde. Am 26. Oktober 1919 fand schliesslich die Gründungsversammlung statt, an der Conrad zum ersten Präsidenten der Lia Rumantscha gewählt wurde. So kurzweilig sich die Entstehungsgeschichte auch lesen mag, so lässt sich dennoch nicht verleugnen, dass es sich hierbei um einen wahren Kraftakt handelte, wie der Romanist Rico Franc Valär zu berichten wusste: Es bestanden bedeutende idiomatische und konfessionelle Differenzen zwischen den verschiedenen Tälern, sodass ein gesamträtoromanisches Bewusstsein nie wirklich aufkommen konnte. Zudem musste die Dachorganisation bereits kurz nach ihrer Gründung eine bedeutende Bewährungsprobe überstehen: die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Sowohl der Kanton Graubünden als auch der Bund zeigten sich zunächst nicht sonderlich begeistert von den «sprachpolitischen Unruhestiftern», hatten dann aber doch ein Einsehen.

Heute hat die Dachorganisation indes mit weitaus grösseren Problemen zu kämpfen: Der vor 100 Jahren ausgesandte Kassandraruf scheint in der Gegenwart angekommen zu sein. Das Romanische ist je länger, je mehr vom Aussterben bedroht; Erhebungen zufolge beherrschen zwischenzeitlich noch rund 60'000 bis 80'000 Personen die Sprache. Johannes Flury sieht das Hauptproblem in der Auswanderung aus den Tälern, zieht aber auch den Kanton Graubünden in die Verantwortung. Als Hauptverantwortlicher für die Erhaltung und Förderung der Sprache nehme dieser seine Verantwortung nur zögerlich wahr; Lehrmittel seien mangelhaft und es würden zu wenige romanischsprachige Lehrpersonen ausgebildet. Zudem sei in der Kantonsverwaltung ein zu geringes Bewusstsein für die Mehrsprachigkeit vorhanden. Der Kanton weist diese Vorwürfe von sich. Im Rahmen seiner dreitägigen Nationalfeiertagsreise fand sich auch Aussenminister Ignazio Cassis in Zuoz ein, wo er sich als offizieller Vertreter des Bundesrates in allen fünf Idiomen (Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter, Vallader) für die Einladung bedankte und aufmunternde Worte an die Bevölkerung richtete: «Lassen Sie sich nicht entmutigen [...]. Die Schweiz braucht das Rumantsch.» Weiter kündigte er an, dass der Bund ab 2020 rätoromanische Sprachkurse für Kinder und Jugendliche ausserhalb des angestammten rätoromanischen Sprachgebiets unterstützen werde, und brachte auch die Idee einer rätoromanischen Woche, einer «emna da la lingua rumantscha» ein – in Anlehnung an die Anlässe, die die italienische und französische Sprache und Kultur in den Fokus setzen. Gemäss Johannes Flury wird es das Romanische auch in 100 Jahren noch geben, die Frage sei lediglich, in welchem Zustand es dann sein werde. Die Solidarität der übrigen Schweiz für die Sprache habe man aber bereits seit der Gründung immer gespürt: «Die Schweiz ist für uns im Jahr 1938 eingestanden, aber auch heute. Alle, wirklich alle Kantone haben sich an unserem Fest beteiligt.»

Was hingegen im Rahmen der Feierlichkeiten bewusst ausgespart wurde, war das «Rumantsch Grischun», da der Präsident der Dachorganisation um den «fragilen Sprachfrieden» fürchtete. Die Schriftsprache wurde 1982 auf Initiative der Lia Rumantscha vom Zürcher Linguisten Heinrich Schmid quasi ab dem Reissbrett entwickelt und war als Rettung des Rätoromanischen angedacht gewesen. Über die Jahre gesehen wurde die vielbesagte Rettung jedoch immer mehr zum Zankapfel und die Idee, eine Brücke von der Standardsprache zu den bestehenden fünf Idiomen zu schlagen, gilt bereits jetzt als gescheitert. Tatsächlich hat der Widerstand gegen das Rumantsch Grischun in den letzten Jahren stark zugenommen; dieses wird besonders im schulischen Kontext abgelehnt, weshalb es nicht verwundert, dass auch aktuell wieder in zwei Oberhalbsteiner Gemeinden (Lenz Albula und Surses) per Initiative dessen Abschaffung aus dem Schulunterricht gefordert wird. Sollte dies tatsächlich eintreten, würde das Rumantsch Grischun nur noch in den zweisprachigen Schulen in Chur, Trin und Domat/Ems unterrichtet werden.

100 Jahre Lia Rumantscha

Rund zwei Jahre nach der Ankündigung der Somedia AG, die rätoromanische Tageszeitung «La Quotidiana» nicht mehr mitfinanzieren zu wollen, und der damit aufgeworfenen Frage um die Zukunft der romanischen Medienlandschaft im Allgemeinen stellten Vertreterinnen und Vertreter der romanischen Medien im Frühjahr 2019 ein neues Medienkonzept vor, von dem sie sich eine Entlastung der Situation erhofften. Im Rahmen des Projektes «Medias rumantschas 2019» wollten öffentliche und private rätoromanische Medien ab Anfang 2020 zusammenspannen und täglich ein Medienangebot in der vierten Landessprache bereitstellen. Auf den Weg gebracht wurde das Konzept unter der Leitung der Lia Rumantscha. Mit von der Partie waren die Zeitungen «Engadiner Post/Posta Ladina», «La Quotidiana» und «La Pagina da Surmeir», die SRG-Tochter Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR), die Somedia AG sowie die ehemalige Agentura da Novitads Rumantscha (ANR). Letztere war im Rahmen der Neukonzeption in die unabhängige Stiftung «Fundaziun da medias rumantschas» (FMR) überführt worden, welche sich in einem wesentlichen Punkt von ihrer Vorgängerin unterschied: Vertreterinnen und Vertreter von Medienhäusern mit Leistungsvereinbarungen erhielten keinen Einsitz mehr in den FMR-Stiftungsrat, sondern sollten ihre Anliegen an einen der FMR beigeordneten Konsultationsrat richten. Während der Kernauftrag der FMR in der Sicherstellung der medialen Versorgung der rätoromanischen Bevölkerung in Textform lag, sollte RTR in erster Linie Nachrichten und Aktualitäten beisteuern. Derweil investiere Somedia in den Vertrieb, die Verbreitung und das Marketing, wie Somedia-Geschäftsführer Silvio Lebrument gegenüber den Medien erläuterte.
Das von der FMR und RTR in allen fünf Idiomen und auf Rumantsch Grischun produzierte Textangebot soll allen beteiligten Partnern kostenlos und zur gleichberechtigten Verwendung auf einer Plattform zur Verfügung gestellt werden. Damit dieser erweiterte Auftrag erfüllt werden kann, genehmigte die Bündner Regierung im Dezember 2019 die neue Leistungsvereinbarung mit der FMR, welche die bestehende Vereinbarung mit ANR für die Legislaturperiode 2017–2020 ersetzt. Neu werden ab 2020 die jährlichen Bundes- und Kantonsbeiträge an die Stiftung um je CHF 300'000 erhöht. Für das Jahr 2020 erhält die FMR folglich CHF 745'000 an Kantonsbeiträgen und rund CHF 1 Mio. an Bundesbeiträgen.

Quotidiana

Mitte Mai 2014 wurde die neue AIDS Kampagne des BAG "Love life - und bereue nichts" lanciert. Die Kampagne wurde unter der Federführung des BAG zusammen mit der "Aids-Hilfe Schweiz" und "Sexuelle Gesundheit Schweiz" organisiert und setzte den Schwerpunkt auf die Selbstverantwortung im Sexualleben, wobei die bewährten Safer-Sex Regeln als Botschaften im Zentrum standen. Mit der Ankündigung der Kampagne organisierte das BAG ein Casting, um Paare mit einer "originellen Vorstellung eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Sexualität" zu finden. Die Paare sollten Teil der Kampagne werden und auf Plakaten abgebildet werden.
Der Aufruf war sowohl erfolg- wie auch folgenreich: Die in einschlägigen Positionen abgebildeten Paare, sowohl hetero-, als auch homosexuelle, entfalteten eine womöglich unerwartet grosse Wirkung. Die provokativen Sujets waren ein gefundenes Fressen für die Medien und riefen zahlreiche Kritiker aus Politik und Gesellschaft auf den Plan. Wertkonservative Parteien, aber auch Kirchen – die Schweizerische Evangelische Allianz wollte die Kampagne mittels Petition stoppen – und besorgte Elternorganisationen taten ihren Unmut öffentlich kund. Die Kampagne wurde als skandalös und pornografisch bezeichnet und es sei unhaltbar für ein Bundesamt, solche Szenen zu verbreiten. Mit einer Motion von Siebenthal (svp, BE) wurde gar die Einstellung der Kampagne gefordert. Das BAG versuchte die Wogen zu glätten. So entgegnete Direktor Pascal Strupler in der NZZ, dass es sich keineswegs um Pornografie handle, sondern versucht werde, statt mit Ängsten mit "positiven Assoziationen wie Lebenslust und Leidenschaft zu operieren."
Höhepunkt der Schelte war eine ans Bundesverwaltungsgericht gelangende Beschwerde von 35 Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern, die unter anderem von der christlich ausgerichteten Stiftung Zukunft CH unterstützt wurden. Diese wurde Anfang Oktober vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Das BAG musste seine Kampagne, die zirka CHF 2 Mio. kostete, somit nicht einstellen.

AIDS Kampagne des BAG

Wie weit darf Humor gehen? Zu Beginn des Jahres 2014 wurde in den Schweizer Medien eine moralistisch aufgeladene Humordebatte geführt. Den Auftakt bildeten Italiener-Witze, die der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) im Rahmen der Kulturreihe „Das Zelt“ zum Besten gab und die ihm eine Anzeige wegen Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm einhandelten. Es folgten Proteste gegen das Blackfacing von Birgit Steinegger und Äusserungen über den jüdischen Humor durch Massimo Rocchi. Im Zentrum stand jeweils die Frage, wo die Linie zwischen Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus zu ziehen sei. Umstritten waren auch die als antisemitisch eingestuften, aber dennoch restlos ausverkauften Auftritte des Franzosen Dieudonné M’bala M‘bala in Nyon. Der Komiker war in Frankreich mit einem Auftrittsverbot belegt worden. Eine präventive Zensur wurde jedoch von der Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig Graf, abgelehnt. Die Anti-Rassimus-Strafnorm sei kein Zensurinstrument und führe auch nicht zu einem landesweiten Lachverbot. Zudem belegten die Zahlen keine Zunahme von Klagen gegen Rassismus seit der Einführung der Strafnorm im Jahr 1995.

Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus

Dans la première moitié de l’année sous revue, l’aide suisse contre le SIDA a dénombré 40 cas de discrimination ou d’infraction à la protection des données concernant des personnes infectées. L’organisation a demandé l’élaboration d’une loi contre la discrimination estimant que les dispositions du droit du travail protègent insuffisamment les personnes séropositives.

discrimination ou d’infraction à la protection des données

Die Schweinegrippe sorgte im Berichtsjahr weltweit und auch in der Schweiz so gut wie das ganze Jahr über für Schlagzeilen. Anfang Mai erreichte die Grippe die Schweiz, indem ein erster Fall von Schweinegrippe im Kanton Aargau festgestellt wurde. In der Folge breitete sich die Grippe immer schneller aus, so dass am 11. Juni von der WHO eine Pandemie und damit die höchste Gefahrenstufe ausgerufen wurde.

Schweinegrippe

Die Schweiz war diesjähriges Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt. Der Ausstellungsmacher, Christoph Vitali, ehemaliger Zürcher Kulturbeauftragter, ehemaliger Direktor der Frankfurter Schirn-Kunsthalle und heutiger Direktor des Hauses der Kunst in München, setzte unter dem in Schweizer Kulturkreisen nicht unumstrittenen Oberbegriff „Hoher Himmel, enges Tal” auf eine Darstellung der Fülle und Vielfalt, die ein so kleines Land wie die Schweiz in der Literatur vorzuweisen hat. Konsequenterweise lud er nicht nur prominente und weniger bekannte Autorinnen und Autoren aus den vier Landesteilen ein, sondern auch zehn in der Schweiz lebende ausländische Schriftsteller. Dass deutschschweizer Mundartautoren daneben kaum präsent waren, trug Vitali einige Kritik ein.

Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt

Bereits einige Monate zuvor hatte das BAK einen Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes veröffentlicht. Es hatte sich ohne fremde Aufforderung die Aufgabe gestellt, diese Untersuchung durchzuführen, und stufte dabei als Hypothese grundsätzlich alle Objekte, die zwischen 1933 und 1945 in den Besitz des Bundes gelangt waren, als bedenklich ein. Nach sorgfältiger Prüfung aller zugänglicher Daten kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, dass vermutlich kein einziges Werk unrechtmässig erworben wurde. Nach Ansicht des BAK muss aber nicht nur die Eidgenossenschaft unter die Lupe genommen werden, sondern auch die Kantone und Gemeinden, die Museen, Sammlungen und Stiftungen. Der vorgelegte Bericht verstand sich denn auch als Initialzündung für andere Institutionen, es dem Bund gleichzutun.

Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes

Im Laufe des ersten Halbjahres stimmten weitere Agglomerationsgemeinden den Kulturbeiträgen an die Stadt Bern zu, so dass der neue Kulturvertrag, welcher der Stadt jährlich CHF 4.3 Mio. Subventionen an die grossen städtischen Kulturinstitutionen (Stadttheater, Symphonieorchester, Kunstmuseum, Historisches Museum) einbringen wird, auf den 1.1.1999 in Kraft treten kann.

Bern Kulturvertrag

Zu einem peinlichen Gezerre kam es Anfangs März um die Skulptur «Shoah» des Solothurner Bildhauers Schang Hutter. Es war vorgesehen, dass das Werk den Abschluss des Skulpturenweges bilden sollte, der aus Anlass des 150-Jahre-Jubiläums des Bundesstaates eingerichtet wurde und vom Mahnmal für die Schlacht im Grauholz (BE) von 1798 bis auf den Bundesplatz führte. Entgegen den Vorgaben plazierte Hutter sein Werk direkt vor dem Eingang des Bundeshauses und nicht drei Meter vom Hauptportal entfernt, wie dies die Parlamentsdienste aus Sicherheitsgründen verlangt hatten. Das Büro der Räte erachtete dies zwar als eine gewisse Provokation, war aber bereit, den Standort für die Dauer der Session zu dulden. Das sahen die Parlamentarier der FP anders. In einer Nacht- und Nebelaktion liessen sie die Skulptur ins Atelier des Künstlers zurückschaffen. Ihre Aktion begründeten sie mit dem «Ruhe-Ordnung-Sicherheit»-Slogan ihrer Partei. Die Tat stiess im Bundeshaus auf einhellige Ablehnung. Die Präsidenten beider Kammern verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung das eigenmächtige Vorgehen ihrer Ratskollegen, welches der Aktion einer Bürgerwehr gleichkomme.

Gezerre um Skulptur «Shoah» vor dem Eingang des Bundeshauses

Für die Aufnahme des Betriebs einer rätoromanischen Nachrichtenagentur sowie die Lancierung der rätoromanischen Tageszeitung "La Quotidiana" siehe unten, Teil I, 8c (Presse).

Für die Aufnahme des Betriebs einer rätoromanischen Nachrichtenagentur sowie die Lancierung der rätoromanischen Tageszeitung "La Quotidiana" siehe unten, Teil I, 8c (Presse)

Immer häufiger weisen Städte mit Zentrumsfunktion auf die ungerechte Verteilung von Kosten und Nutzen im Kulturbetrieb hin. Während die Städte praktisch allein die kulturellen Institutionen finanziell über Wasser halten, sind es in weiten Teilen die Einwohnerinnen und Einwohner der Agglomeration, welche das kulturelle Angebot nutzen. Im 1995 revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons Bern wurde festgehalten, dass die Gemeinden der Region Bern die bedeutenden Kulturinstitute der Bundesstadt mitfinanzieren sollen. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich jedoch als sehr schwierig, da sich mehrere Gemeinden dagegen wehrten, diesen Obolus zu entrichten. Bis Ende Jahr stimmten 43 Gemeinden der Abgabe zu, 21 Gemeinden lehnten den Subventionsvertrag ab, 20 weitere vertagten ihren Entscheid auf 1998.

Städte mit Zentrumsfunktion Gemeinden der Region Bern

Haas, durch die Haltung des Papstes beim Ad-limina-Besuch in seinem Selbstbewusstsein bestärkt, ernannte im November drei neue Bischofsvikare, die von der Basiskirche aufgrund deren Haastreue als Provokation erachtet wurden. 14 der 16 Dekane des Bistums protestierten heftig gegen diesen Personalentscheid, der als faktische Entmachtung der beiden Weihbischöfe Vollmar und Henrici gedeutet wurde, welche Rom 1993 zur Entspannung der Stimmung in der Diözese Chur eingesetzt hatte. Der Priesterrat des Bistums forderte daraufhin Haas zum Rücktritt auf. Ob es die eigenwillige Personalpolitik war, welche den Sinneswandel in Rom ermöglichte, oder die diplomatische Demarche des Bundesrates konnte nicht eruiert werden: so oder so wurde Haas anfangs Dezember von Chur auf den neu geschaffenen Sitz eines Erzbischofs von Vaduz "wegbefördert". Mit Erleichterung und unverhohlener Freude reagierten die Vertreter der Bistumskantone und die meisten Chur unterstellten Gläubigen auf diese Nachricht. Auch Bundesrat Cotti konnte eine gewisse Genugtuung über den Abgang von Bischof Haas nicht verbergen, da er darin eine bedeutende Verbesserung der Gesprächskultur sah.

Haas Erzbischofs von Vaduz

Ziemlich überraschend kündigte Urs Frauchiger, seit 1992 Direktor der Stiftung Pro Helvetia seinen Rücktritt per Ende September an. Als Hauptgrund für seine Entscheidung nannte er Amtsmüdigkeit. Da auf Ende des Berichtsjahres auch das Mandat der Stiftungspräsidentin, der Solothurner CVP-Ständerätin Rosmarie Simmen auslief, musste gleich die ganze Führung der Pro Helvetia neu bestellt werden. Ende November wählte der Stiftungsrat den Bündner CSP-Politiker und Sekretär der Lia Rumantscha Bernard Cathomas zum neuen Direktor. Zur Stiftungspräsidentin ernannte der Bundesrat die scheidende Stadtpräsidentin von Lausanne und frühere Waadtländer SP-National und Ständerätin Yvette Jaggi.

Urs Frauchiger Rücktritt Bernard Cathomas Yvette Jaggi