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Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Mittels Standesinitiative forderte der Kanton Jura im September 2020 die Einführung einer Preisobergrenze für Hygienemasken und hydroalkoholisches Gel in der ausserordentlichen Lage. Bei den beiden Gütern handle es sich in Pandemiezeiten um Grundbedarfsgüter, deren Preise bedingt durch die starke Nachfrage stiegen. Der Kanton Jura befürchtete Missbrauch durch Personen, die von der besonderen Situation profitierten und sich bereicherten. Bei ihrer Behandlung im November 2021 erachtete die SGK-SR die Standesinitiative als überholt und beantragte mit 10 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der Forderung keine Folge zu geben.

Preisobergrenze für Hygienemasken und hydroalkoholisches Gel in der ausserordentlichen Lage (St.Iv. 20.327)

Ende Oktober 2021 präsentierte der Bundesrat seinen Entwurf für die vierte Änderung des Covid-19-Gesetzes, welche die Verlängerung von einzelnen Bestimmungen zum Ziel hatte. Damit wollte er sich die nötigen Instrumente sichern, falls die Krise auch im Jahr 2022 anhalten sollte. Für diesen Fall wolle er weiterhin «über die Instrumente [verfügen], die für die Bewältigung der Covid-19-Epidemie erforderlich sind». Bereits vor dieser Revision waren die Artikel zu Gegenstand und Grundsätzen des Covid-19-Gesetzes sowie alternative Bestimmungen bezüglich einer Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung bis Ende 2031 und einzelne Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung sowie die Regelungen des Covid-19-Zertifikats bis Ende 2023 respektive 2022 gültig. Neu sollten nun auch die Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung, etwa mögliche Ausnahmen zur Einfuhr oder zur Zulassungspflicht von Medikamenten, die Regelungen des Proximity-Tracings oder der Quarantäneverzicht für geimpfte Personen, bis Ende 2022 verlängert werden. Auch die Regelungen bezüglich Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmendenschutzes, also insbesondere der Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Arbeitgebenden, bezüglich Massnahmen zur Förderung des Berufseinstiegs, Einschränkungen bei Einreisen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Fristerstreckungen im AIG oder bezüglich der Möglichkeit von technischen Hilfsmitteln bei justiziellen Verfahren sollten ein Jahr länger gültig bleiben. Darüber hinaus wollte der Bundesrat die Geltungsdauer der Massnahmen im Kulturbereich, insbesondere die Unterstützung von Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, nicht aber den Schutzschirm für Publikumsanlässe verlängern und die A-Fonds-perdu-Beiträge für die Sportvereine sowie die Darlehen für verschiedene Mannschaftssportvereine beibehalten – Letzteres jedoch nur bis Ende Juni 2022 und somit bis Ende der jeweiligen Saisons. Ein Jahr länger als ursprünglich geplant sollten auch die Covid-Erwerbsausfallentschädigungen zugänglich bleiben: Da bestimmte Personengruppen sowie Kleinkinder bisher keine Möglichkeit zur Impfung hätten, seien auch im kommenden Jahr Quarantänemassnahmen und entsprechende Schliessungen von Betreuungseinrichtungen oder Ausfälle in der Kinderdrittbetreuung möglich. In diesen Fällen – aber auch falls wider Erwarten erneut Betriebsschliessungen und Veranstaltungsverbote nötig sein sollten – sollte daher der Zugang zu Erwerbsausfallentschädigungen durch den Bundesrat ermöglicht werden können. Schliesslich werde gemäss Bundesrat auch eine neue Regelung zur Abgeltung der Härtefallmassnahmen an die Kantone nötig, da nicht alle Abrechnungen bis Ende 2021 vorgenommen werden könnten. Zusammen mit dieser Fristverlängerung beantragte der Bundesrat in einer zweiten Nachmeldung zum Voranschlag 2022 CHF 915 Mio., um die dadurch anfallenden Kosten insbesondere beim Corona-Erwerbsersatz (CHF 490 Mio.), bei der Bundesfinanzierung der Covid-Tests (CHF 134 Mio.), beim Kulturbereich (CHF 130 Mio.) und beim Sport (CHF 100 Mio.) abzudecken.
Nicht verlängert werden sollten hingegen unter anderem die Härtefallhilfen und die meisten Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung.

Vierte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung von einzelnen Bestimmungen, BRG 21.066)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Mit einer im September 2021 eingereichten Motion wollte Thomas Aeschi (svp, ZG) dafür sorgen, dass der Bundesrat auch weiterhin die Kosten aller Covid-19-Tests übernimmt, solange das Covid-19-Zertifikat gilt. So hatte die Regierung zuvor erklärt, dass Bundesrat und Krankenkassen ab dem 1. Oktober 2021 nur noch die Kosten der Tests von symptomatischen Personen übernehmen werden. Um nicht-geimpfte und nicht-genesene Personen, die zum Erhalt eines Zertifikats einen Covid-19-Test machen müssen, nicht zu diskriminieren, müsse der Bund die Kosten auch weiterhin übernehmen, betonte Aeschi. In der Herbstsession 2021 und somit elf Tage nach Einreichung der Motion behandelte der Nationalrat einen Ordnungsantrag des Motionärs auf Aufnahme der Motion in die nationalrätliche Traktandenliste des Tages. Der vom Bundesrat angegebene Grund für die Zertifikatspflicht – die Überlastung des Spitalwesens – sei nun nicht mehr gegeben. Nun müsse man mit Annahme der Motion ein Zeichen gegen die Spaltung der Gesellschaft setzen und sich gegenüber den Jungen solidarisch zeigen, argumentierte der Motionär. Gemäss Ruth Humbel (mitte, AG) habe auch die SGK-NR dem Bundesrat die Fortführung der Finanzierung der Covid-Tests empfohlen, dennoch bat sie den Rat um Ablehnung des Ordnungsantrags, da die Motion gemäss Parlamentsgesetz nicht ohne vorherige Stellungnahme des Bundesrates behandelt werden dürfe und der Ständerat so oder so erst in der Wintersession 2021 Stellung dazu nehmen könne. Ratspräsident Aebi (svp, BE) betonte ebenfalls, dass der Antrag gegen das Parlamentsgesetz verstosse, erläuterte aber ergänzend, dass auch ein gegen das Gesetz oder die Verfassung verstossender Ordnungsantrag dem Rat mit Verweis auf den Verstoss zur Abstimmung vorgelegt werden dürfe. Mit 103 zu 67 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Ordnungsantrag ab, womit die Behandlung der Motion frühestens in der Wintersession 2021 wird erfolgen können. Für Annahme des Ordnungsantrags stimmten grossmehrheitlich die SVP- und die Grünen-Fraktion.

Übernahme der Kosten für die Corona-Tests auch nach dem 1. Oktober

Etant donné les conséquences économiques de la crise du Covid-19, le sénateur agrarien Jakob Stark (udc, TG) a recommandé une adaptation de l'article 63 de la loi sur les épidémies (LEp). Pour être précis, il a préconisé une indemnisation appropriée pour les entreprises restreintes dans leurs activités économiques par des mesures contraignantes liées à une épidémie, comme le confinement.
Le Conseil fédéral s'est montré sceptique face à une adaptation de la LEp. Au contraire, il estime que la LEp doit rester flexible pour répondre aux enjeux de chaque épidémie. En outre, il a précisé que, lors de la crise du Covid-19, des mesures extraordinaires ont été prises via la loi Covid-19.
La motion a été rejetée par 22 voix contre 8 et 3 abstentions.

Indemnisation en cas d'interdiction de travailler (Mo. 21.3742)

Im Mai 2021 schlug die FK-SR in einer Motion vor, die Zusatzausschüttungen des Jahres 2020 (CHF 660 Mio.) der SNB dem Amortisationskonto gutzuschreiben und somit zum Abbau der Corona-Schulden zu verwenden. Anders als die Motion ihrer Schwesterkommission, welche neben den Zusatzausschüttungen auch den Grundbetrag der Ausschüttungen auf das Amortisationskonto buchen wollte, plante die ständerätliche Kommission, den Grundbetrag über CHF 2 Mrd. wie geplant dem ordentlichen Haushalt zukommen zu lassen. Demnach hätten «Zusatzausschüttungen [...] klar den Charakter von ausserordentlichen Einnahmen», begründete die Kommission ihren Vorstoss. Im August 2021 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, da er den generellen Vorschlag der ständerätlichen Kommission in der Zwischenzeit als eine von zwei Möglichkeiten in seine Botschaft zum Abbau der Covid-19-Schulden aufgenommen hatte: So sollen die Schulden neben der Verwendung der ordentlichen Überschüsse in den kommenden Jahren entweder über die Zusatzausschüttungen der SNB oder über eine Umbuchung der als ordentliche Überschüsse verbuchten Erträge aus früheren Jahren abgebaut werden. Gleichzeitig hatte er jedoch darauf verzichtet, die bereits verbuchten Zusatzausschüttungen aus dem Jahr 2020 neu zuzuweisen und seine Regelung stattdessen auf die ab 2021 anfallenden Ausschüttungen beschränkt.
Nachdem Bundesrat und Kommission dieses aktuelle Projekt des Bundesrates in der Herbstsession 2021 erläutert hatten, zog die Kommission ihre Motion, die von einer Minderheit Zanetti (sp, SO) abgelehnt worden war, zurück.

Zusatzausschüttungen der SNB dem Amortisationskonto gutschreiben (Mo. 21.3603)
Dossier: Was tun mit den Erträgen der Schweizerischen Nationalbank?

In der Herbstsession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion von Eva Herzog (sp, BS), welche die Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten forderte. Die Motionärin zeigte sich erstaunt darüber, dass der Bundesrat die Ablehnung der Motion beantragt hatte, obwohl die in der Motion geforderte Bestimmung bereits im befristeten Covid-19-Gesetz verankert ist. Ständerätin Herzog lobte das Vorgehen des Bundesrats, der mit Fortschreiten der Pandemie die besondere Situation der Grenzregionen mehr und mehr berücksichtigt habe. Sie zeigte aber wenig Verständnis für die Aussage des Bundesrats, dass das Motionsanliegen erfüllt sei, wo doch die Covid-Verordnungen und das Covid-Gesetz nur befristet gelten. Sie gab sich auch nicht mit der Begründung des Bundesrats zufrieden, dass man mit einer derartigen Regelung im Epidemiengesetz den eigenen Handlungsspielraum eingrenzen würde, denn ihre Motion enthalte eine «Kann-Formulierung » und liesse einen genügend grossen Handlungsrahmen zu. Unterstützung erhielt Herzog von ihrem Parteikollegen Carlo Sommaruga (sp, GE), der durch die Gesetzesänderung zukünftige Spannungssituationen und Blockaden im Grenzverkehr verhindern wollte. Bundesrat Berset meinte, dass für die Erfüllung des Motionsanliegens keine gesetzliche Änderung notwendig sei und der Bundesrat das Thema wie bisher flexibel handhaben wolle. Nach der Pandemie werde eine Analyse der Lage vorgenommen, die sich auch der Überarbeitung des Epidemiengesetzes widmen werde. Weil es wahrscheinlich eine allgemeine, umfassende Diskussion darüber geben werde, was geändert oder angepasst werden müsse, lehne der Bundesrat vor Abschluss der Analyse fast alle Anträge unabhängig von deren Inhalt ab, erklärte Berset. Man spiele mit dem Antrag auf Ablehnung also nicht die Bedeutung der Motion herunter, sondern wolle vor der anstehenden Gesetzesrevision noch keine Entscheidungen treffen, die zu Unstimmigkeiten zwischen künftigen Änderungsanträgen führen könnten. Der Ständerat liess sich von der bundesrätlichen Begründung nicht überzeugen und nahm die Motion mit 29 zu 7 Stimmen an.

Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Im Juni 2021 forderte die SGK-NR den Bundesrat mittels einer Motion dazu auf, bis Ende Juni 2023 einen Entwurf für eine Revision des EpG auszuarbeiten, welcher die während der Covid-19-Pandemie gemachten Erfahrungen berücksichtigt. Die Landesregierung begrüsste das Anliegen, gab aber auch zu bedenken, dass neben der Bundesebene auch die Kantone berücksichtigt werden müssten und die angesetzte Frist sehr sportlich sei. Sollte die Motion vom Nationalrat angenommen werden, so werde der Bundesrat dem Ständerat gegebenenfalls einen Änderungsantrag mit einer Frist auf Ende 2023 unterbreiten. Stillschweigend nahm die grosse Kammer das Geschäft in der Herbstsession 2021 an.

Revision des Epidemiengesetzes bis Ende Juni 2023 (Mo. 21.3963)

Eine grössere Versorgungssicherheit bei Impfstoffen wollte Bea Heim (sp, SO) mittels einer Motion erreichen, die sie im September 2019 – und somit noch vor der Covid-19-Pandemie – einreichte. Der Fokus soll dabei auf Impfstoffe gelegt werden, bei denen ein Risiko für Versorgungsengpässe bestehe. Weiter forderte die Motionärin einen zentralen Einkauf, mehrjährige Lieferverträge und garantierte Mengen sowie die Beschleunigung der Zulassung EMA-geprüfter Impfstoffe. Der Vorstoss wurde gut zwei Jahre nach dessen Einreichung im Nationalrat diskutiert. Angelo Barrile (sp, ZH), welcher die Motion nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer übernommen hatte, veranschaulichte am Beispiel des Mangels an Impfungen gegen Starrkrampf und Keuchhusten, was es bedeutet, wenn es zu einem Lieferengpass kommt. Es sei an der Ärzteschaft gewesen, über die Verteilung des verfügbaren Impfstoffes zu entscheiden, wobei die Empfehlung herausgegeben worden sei, werdende Eltern zu bevorzugen und Seniorinnen und Senioren zu vertrösten. So etwas dürfe in der Schweiz nicht wieder geschehen, erklärte Barrile. Gesundheitsminister Berset führte aus, dass die Situation nun eine ganz andere sei als noch bei der Stellungnahme des Bundesrates im November 2019. Trotzdem beantrage die Landesregierung weiterhin die Ablehnung des Geschäfts. Grund dafür sei, dass sich eine ganze Reihe an Massnahmen bereits in Umsetzung befinde. So diskutiere man in Zusammenarbeit mit dem BWL und Swissmedic zwanzig Massnahmen zur Verbesserung der Versorgung. Bei einer der geplanten Massnahmen handle es sich um den zentralen Einkauf, welcher allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit anderen Massnahmen beurteilt werden müsse. Die Corona-Pandemie habe zudem gezeigt, dass der zentrale Einkauf im Krisenfall etwas sei, das funktioniert. Was das vereinfachte Zulassungsverfahren betreffe, so schliesse dieses seit Inkrafttreten der letzten Änderung des Heilmittelgesetzes auch Impfstoffe mit ein, womit diese Forderung bereits adressiert werde. Eine Evaluation der Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen erfolge auf Ende 2020. Ebenfalls für die Ablehnung der Motion spreche der Bundesratsbeschluss vom Mai 2021 zur Ausarbeitung einer Strategie zur langfristigen Sicherung der Versorgung der Schweiz mit Impfstoffen, mit der das EDI und das WBF beauftragt worden seien. Der Nationalrat liess sich vom Bundesrat jedoch nicht überzeugen und nahm die Motion mit 137 zu 44 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Dabei stammten alle ablehnenden Stimmen aus der SVP-Fraktion.

Versorgungssicherheit bei Impfstoffen (Mo. 19.4131)

Im September 2021 zog die FK-NR ihre Motion kommentarlos zurück. Darin hatte sie verlangt, die Corona-bedingten Mehrkosten nicht als ausserordentliche Ausgaben und somit nicht auf dem Amortisationskonto zu verbuchen. Unterdessen hatte der Bundesrat – mit Zustimmung des Parlaments – jedoch bereits im Jahr 2020 die entsprechenden Kosten auf das Amortisationskonto gebucht und plante, dasselbe auch für das Jahr 2021 zu tun. Zudem hatte er aber auch einen Vorschlag unterbreitet, wie die entsprechenden Schulden abgebaut werden sollen.

Keine Buchung der Covid-19-Kosten auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse (Mo. 20.3470)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?

Ende Juni 2021 gab der Bundesrat bekannt, wie die Covid-19-Schulden abgebaut werden sollen, wobei er mit einem Schuldenbetrag von CHF 30 Mrd., welche auf dem Amortisationskonto verbucht sind, rechnete. Ein Abbau ist aufgrund der «Ergänzungsregel» des Bundeshaushalts nötig, die einen Abbau der Schulden, welche als ausserordentliche Ausgaben auf dem Amortisationskonto verbucht wurden, innert sechs Jahren vorsieht. Für diesen Schuldenabbau präsentierte der Bundesrat zwei Varianten zur Änderung des Finanzhaushaltsgesetzes (FHG): Gemäss der ersten Variante sollten die Schulden bis ins Jahr 2035 abgebaut werden müssen – die sechsjährige Frist zum Abbau der Schulden auf dem Amortisationskonto würde somit verdoppelt –, wodurch jährlich CHF 2.3 Mrd. anfallen würden. Diese sollten durch eine fixe Verbuchung der SNB-Zusatzausschüttungen als ausserordentliche Einnahmen – gemäss Vereinbarung des EFD mit der SNB seien dies jährlich durchschnittlich CHF 1.3 Mrd. – sowie durch die jährlichen ordentlichen Kreditreste, die v.a. durch Budgetunterschreitungen entstehen, beglichen werden. Die zweite Variante sah vor, die ordentlichen Überschüsse der letzten Jahre, die eigentlich für den Abbau der ordentlichen Schulden eingesetzt werden sollten, für die Tilgung der Hälfte der Covid-19-Schulden einzusetzen. Die andere Hälfte der Schulden soll ebenfalls über die zukünftigen Kreditreste abbezahlt werden. Diese Variante hätte gemäss Bundesrat den Vorteil, dass die Amortisationsfrist gegenüber dem ersten Vorschlag verkürzt werden könnte. Gemäss beiden Varianten sollte der Schuldenabbau ohne Sparprogramme möglich sein. Lehnt das Parlament beide Varianten ab und sieht auch sonst keine Massnahmen zur Verlängerung der Amortisationsfrist vor, müsste je ein Teil der Schulden bis ins Jahr 2026 (CHF 10 Mrd.) respektive bis 2027 (CHF 20 Mrd.) abgebaut werden, wodurch es gemäss Bundesrat vermutlich zu Sparprogrammen kommen würde.
Ende August 2021 schickte der Bundesrat die zwei Vorschläge zur Änderung des FHG bis Ende November 2021 in die Vernehmlassung.

Bundesrätlicher Vorschlag zum Abbau der Covid-19-Schulden (BRG 22.020)
Dossier: Wie sollen die Kosten der Covid-19-Krise verbucht und die Schulden abgebaut werden?
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie beschäftigte sich die SGK-NR im Juni 2021 mit einer parlamentarischen Initiative Heer (svp, ZH) zu einer dringlich erklärten, auf fünf Jahre befristeten Änderung des Epidemiengesetzes (EpG). Der Initiant beabsichtigte mit seinem Vorstoss einerseits, die besonderen Lage nicht länger durch die WHO – «einer fremden Institution» –, sondern durch Schweizer Behörden feststellen zu lassen. Andererseits wollte er die Anordnungskompetenz von Grundrechtseingriffen mittels genereller Massnahmen an die Bundesversammlung und damit an die Gesetzgeberin delegieren. Er begründete diese Zuständigkeitsübertragung mit der «Schwere, Häufigkeit und Dauer» der bisherigen auf dem EpG basierenden Interventionen des Bundesrates. Das Gleiche sah er für Massnahmen im Kontext der ausserordentlichen Lage vor. Insgesamt strebe er damit die Beseitigung eines Zustandes an, in dem sich die Bevölkerung «fast täglich» vor möglichen Freiheitseinschränkungen durch die Landesregierung fürchten müsse, erklärte Heer. Mit 17 zu 5 Stimmen beantragte die Kommission, dem Geschäft keine Folge zu geben, da das EpG ihres Erachtens nicht nur im Zusammenhang mit der Funktion des Parlaments, sondern in seiner Gesamtheit überarbeitet werden sollte.

Änderung des Epidemiengesetzes (Pa.Iv. 20.503)

Im Differenzbereinigungsverfahren zur dritten Revision des Covid-19-Gesetzes bestanden noch vier offene Punkte: Die Verlängerungen der Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen beim Aktienrecht, bei den Massnahmen im Kulturbereich und bei den KAE für tiefe Einkommen sowie die ergänzende Regelung bei den Sportklubs, wonach diese auch 50 Prozent der Ausfälle aus den Ticketverkäufen vergütet bekommen sollten, wenn sie ihre Lohnsumme über die nächsten fünf Jahre erhöhen. Letztere Regelung, welche der Nationalrat auf Antrag der WBK-NR ergänzt hatte, stiess bei der Mehrheit der WBK-SR auf Unverständnis. Man bedauere «die Änderung der Spielregeln während des laufenden Spiels», betonte Hannes Germann (svp, SH) für die Kommission. Zumal in der nationalrätlichen Kommission und mit ihr im Nationalrat kein Widerstand gegen die Regelung auszumachen gewesen sei und zumindest keine Verordnungsänderung nötig würde, akzeptierte die ständerätliche Kommission die Regelung, «wenn auch ohne Begeisterung und mit einigen Bedenken». Stillschweigend bereinigte der Ständerat daraufhin diese Differenz.
Keinen Widerspruch von Seiten der WBK-SR gab es bezüglich der nationalrätlichen Änderung beim Aktienrecht: Stillschweigend sprach sich der Ständerat nach seinem Schwesterrat für die Verlängerung der Ausnahmeregelung zu den Generalversammlungen bis Ende 2021 aus.
Auch die Verlängerung der Erhöhung der KAE bei tiefen Einkommen auf 100 Prozent bis Ende 2021 hiess der Ständerat im zweiten Anlauf ohne Abstimmung gut.

Keine Zustimmung gab der Ständerat hingegen in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens zur Verlängerung der Kulturhilfen bis Ende April 2022, wie sie der Nationalrat geschaffen hatte. Eine solche Verlängerung würde eine Ausnahme im Covid-19-Gesetz darstellen, dessen Massnahmen grösstenteils bis Ende 2021 begrenzt seien, und dem «Sinn und Geist einer Notfallgesetzgebung» widersprechen, argumentierte Germann für die Kommission. Zudem würde man dadurch ein Präjudiz für andere Branchen schaffen. Beide Argumente hob auch Finanzminister Maurer hervor, der überdies darauf hinwies, dass der Bundesrat die Sondergesetzgebung wenn möglich auf Ende 2021 aufheben möchte. In der Folge zeigten sich beide Räte unnachgiebig, der Nationalrat hielt etwa trotz den jeweiligen Minderheitsanträgen Gutjahr (svp, TG) mehrmals an der Verlängerung fest. In der grossen Kammer gewann jeweils das Argument, dass kulturelle Veranstaltungen auch in absehbarer Zukunft noch «unter erschwerten Bedingungen» durchgeführt werden müssten und die Verlängerungsdauer entsprechend mit der Geltungsdauer der Covid-19-Verordnung für Publikumsanlässe übereinstimme. Die Verlängerung sei folglich nötig, um Planungssicherheit zu schaffen. Dieses Argument überzeugte jedoch den Ständerat nicht, dieser lehnte die Regelung mehrmals ab. In der letzten Runde vor der Einigungskonferenz rang sich der Nationalrat durch und verzichtete mit 96 zu 88 Stimmen auf die Verlängerung der Kulturhilfen. Er folgte damit schlussendlich der Minderheit Gutjahr und stellte sich gegen seine Kommissionsmehrheit, die erneut Festhalten beantragt hatte.

Damit war die dritte Revision des Covid-19-Gesetzes aber noch nicht fertig beraten. In der Zwischenzeit hatte die WBK-NR einen Rückkommensantrag auf die ursprünglich von ihrer Schwesterkommission ergänzte und von beiden Kammern angenommene Ausnahme von den Zugangsbeschränkungen für Inhaberinnen und Inhaber mit einem Covid-19-Zertifikat bei öffentlich zugänglichen Einrichtungen, Veranstaltungen und Messen angenommen. Entsprechend durften die beiden Kammern diese Regelung erneut beraten. Nun zeigten sich beide Kommissionen nicht gänzlich zufrieden mit dieser Regelung, zumal unsicher sei, ob diese «überhaupt durchsetzbar sei» (Germann). Folglich beschäftigte sich der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren zuerst noch einmal damit. Die Kommissionssprechenden Roth Pasquier (mitte, FR) und Aebischer (sp, BE) führten dieselben Argumente gegen die Regelung an wie bei der ersten Behandlung: Sie stelle eine unnötige Hürde für den Bundesrat dar und führe zu einer Zweiklassengesellschaft für Personen mit und ohne Zertifikat. Neu sorgte man sich aber auch davor, dass sich die Regelung aufgrund ihrer weiten Formulierung nicht nur auf Grossveranstaltungen, sondern auch auf den Restaurantbesuch beziehen könnte. Dadurch könnten zukünftig Personen mit Zertifikat im Restaurant «stehen und an Zehnertischen feiern», während Personen ohne Zertifikat «mit Maske und Registrierung nur an Sechsertischen platziert werden dürften». Daher beantragte die Kommissionsmehrheit einmal mehr die Streichung der Regelung, während eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) dieses Problem durch eine ausdrückliche Beschränkung der Regelung auf Veranstaltungen und Messen lösen wollte. Damit könne man den Personen mit Zertifikat «einen Teil ihrer individuellen Freiheiten» zurückgeben und gleichzeitig die Kapazitäten von Veranstaltungen und Messen erhöhen. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommissionsmehrheit und strich die Bestimmung. Dies kam bei der ständerätlichen Kommission nicht gut an: Kommissionssprecher Germann betonte, man habe den Rückkommensantrag gutgeheissen, um die Regelung zu verbessern, nicht um sie zu streichen. Der Ständerat setzte in der Folge auf den Vorschlag von Philipp Kutter im Nationalrat und lehnte einen Minderheitsantrag Graf (gp, BL) auf Streichung ab. Da sich die beiden Kammern in dieser Frage bis zum Schluss des Differenzbereinigungsverfahrens nicht einig wurden, musste dafür eine Einigungskonferenz einberufen werden. Diese schlug diskussionslos, wie Hannes Germann betonte, vor, in dieser Frage dem Nationalrat zu folgen und die Bestimmung zu streichen. Der Ständerat hiess den Antrag der Einigungskonferenz mit 37 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut, der Nationalrat stimmte ihm mit 148 zu 9 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) zu.

Die Ergebnisse der Schlussabstimmungen wiederspiegelten diejenigen der vorangegangenen Revisionen des Covid-19-Gesetzes: Während der Ständerat die Revision mit 44 zu 0 Stimmen einstimmig annahm, zeigte sich der Nationalrat nicht gänzlich geschlossen: Er nahm die Änderung mit 174 zu 18 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an, wobei die ablehnenden und enthaltenden Stimmen von Mitgliedern der SVP-Fraktion stammten.

Dritte Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung Covid-Erwerbsersatz und Massnahmen im Sportbereich; BRG 21.033)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Einen Bericht zu den Auswirkungen der Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft verlangte Heidi Z’graggen (mitte, UR) im März 2021 in einem Postulat. So würden die volkswirtschaftlichen Folgen der Pandemie zwar breit diskutiert, nicht aber die gesellschaftlichen, sozialen oder psychologischen Auswirkungen. Besorgt zeigte sie sich vor allem wegen der Homeofficepflicht, dem Fernunterricht, den Beschränkungen von Zusammenkünften oder dem sogenannten Social distancing. In einem zweiten Schritt solle der Bundesrat zudem aufzeigen, ob und wie die «allfälligen Auswirkungen der getroffenen Massnahmen geheilt werden sollen». Der Bundesrat beantragte das Postulat zur Annahme und schlug vor, die verschiedenen Aspekte im Rahmen anderer bereits angenommener Postulate (Po. 21.3457; Po. 21.3234; Po. 20.3297; Po. 20.3721; Po. 20.3724) anzugehen. In der Herbstsession 2021 nahm der Ständerat das Postulat stillschweigend an.

Bericht zu den Auswirkungen der Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft (Po. 21.3230)

In der Sommersession 2021 widmete sich der Ständerat einer im März 2021 eingereichten Motion von Othmar Reichmuth (mitte, SZ), mit der er die Aufhebung der ausserordentlichen Lage forderte, sobald alle Personen den Zugang zu einem geprüften Impfstoff haben. Reichmuth verlangte auch, dass keine Sonderprivilegien für Geimpfte eingeführt werden – dieses Verbot sollte einen passiven Impfzwang verhindern. Für Reisen ins Ausland sei jedoch allenfalls ein Impfausweis zu erstellen. In seiner Antwort verwies der Bundesrat darauf, dass die ausserordentliche Lage bereits seit Juni 2020 aufgehoben sei und aktuell die besondere Lage gemäss EpG gelte. Im Mai 2021 habe er zudem in seinem Drei-Phasen-Modell festgelegt, dass die «starke[n] gesellschaftliche[n] und wirtschaftliche[n] Einschränkungen» aufgehoben werden sollen, sobald alle impfwilligen Erwachsenen geimpft sind. In der Sommersession 2021 lobte Reichmuth das Drei-Phasen-Modell und die vom Bundesrat verordneten Lockerungen per Ende Mai 2021. Dennoch befürchte er, dass der Bundesrat den Zeitpunkt für eine vollständige Aufhebung der Massnahmen verpassen werde. Nach verschiedenen Wortmeldungen entschied der Motionär, seinen Vorstoss zugunsten der Motion Chiesa (svp, TI; Mo. 21.3441) mit ähnlichem Inhalt zurückzuziehen, da seine eigene Formulierung mit der Forderung nach Aufhebung der ausserordentlichen Lage fehlerhaft sei.

Aufhebung der ausserordentlichen Lage, sobald alle Personen den Zugang zu einem geprüften Impfstoff haben (Mo. 21.3447)
Dossier: Vorstösse für weitergehende Lockerungen der Covid-19-Massnahmen

Mitte März 2021, nachdem sich National- und Ständerat gegen die Aufnahme eines verbindlichen Öffnungstermins ins Covid-19-Gesetz ausgesprochen hatten, reichten Thomas Aeschi (svp, ZG; Mo. 21.3157) und Marco Chiesa (svp, TI; Mo. 21.3441) in beiden Räten gleichlautende Motionen ein, mit denen sie die Corona-bedingte besondere Lage nach Artikel 6 des Epidemiengesetzes aufheben lassen wollten. Da das Epidemiengesetz die besondere Lage als Situation definiere, in welcher die «ordentlichen Vollzugsorgane» dem Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten nicht gewachsen seien, die Vollzugsorgane aber in der über zwölf Monate andauernden Krise die Situation in den Griff bekommen hätten – Thomas Aeschi erwähnte insbesondere die zurückgegangene Auslastung der Spitäler, die wirksamen Schutzkonzepte sowie die Impfung von gefährdeten Personen –, seien die Voraussetzungen für die besondere Lage nicht mehr gegeben.
Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die zweite Situation, in der die besondere Lage gemäss EpG ausgerufen werden könne: Wenn nämlich die WHO eine gesundheitliche Notlage feststelle und die «öffentliche Gesundheit in der Schweiz gefährdet» sei. Aktuell liessen die gesetzlichen Kriterien eine Rückkehr zur normalen Lage nicht zu, betonte der Bundesrat.
In der Sommersession 2021 behandelten National- und Ständerat die beiden Motionen im Rahmen einer von der Mehrheit der SVP-Fraktion für diese zwei Vorstösse verlangten ausserordentlichen Session. Nach kurzen Wortmeldungen der Motionäre sowie von Gesundheitsminister Berset lehnte der Nationalrat die Motion mit 127 zu 54 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab, der Ständerat tat es ihm mit 25 zu 16 Stimmen gleich. Im Nationalrat unterstützte die Mehrheit der SVP-Fraktion sowie eine Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion den Vorstoss, konnten damit jedoch keine Mehrheit erzielen.

«Covid-19. Aufhebung der besonderen Lage nach Artikel 6 EpG. Jetzt!» (Mo. 21.3157 und Mo. 21.3441)
Dossier: Vorstösse für weitergehende Lockerungen der Covid-19-Massnahmen

Stillschweigend nahm der Nationalrat in der Sommersession 2021 eine Kommissionsmotion der SGK-SR an, die ein besseres Datenmanagement im Gesundheitsbereich zum Ziel hatte. Damit folgte er der Empfehlung der SGK-NR, welche eine gute Datenbasis als grundlegend erachtet hatte, um eine «evidenzbasierte[…] Gesundheitspolitik» zu entwickeln und das Management im Gesundheitswesen richtig zu planen.

Besseres Datenmanagement im Gesundheitsbereich (Mo. 20.3923)

Im Januar 2021 reichte die SGK-NR eine Motion ein, mit der das Gesundheitssystem auf ein «erneute[s] Aufflammen der Pandemie» vorbereitet werden sollte. Demnach sollte der Bundesrat die Kantone anweisen, die Spitäler sowie die Alters- und Pflegeheime finanziell so zu unterstützen, dass sie sich auf eine erneute Covid-Welle vorbereiten können. So störte sich die Kommission zum einen daran, dass die Kantonsärztinnen und Kantonsärzte bei Personalmangel die Quarantänepflicht in den Alters- und Pflegeheimen aufheben können, wodurch die besonders stark gefährdeten Seniorinnen und Senioren in den entsprechenden Heimen zusätzlicher Gefahr ausgesetzt würden. Folglich sollten die Kantone die Finanzen für eine Aufstockung des Pflegepersonals sprechen, alternativ könnten auch die «Kapazitäten der Armee» zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen standen bei den Spitälern gemäss Kommission im April 2020 zusätzlich zu den normalerweise vorhandenen 1000 Intensivpflegeplätzen 500 weitere Plätze zur Verfügung. Da die Spitäler, welche diese zusätzlichen Plätze bereitgestellt hatten, dafür jedoch nur teilweise entschädigt worden seien, würden diese zukünftig vermutlich nicht mehr angeboten. Entsprechend müssten jetzt (finanzielle) Vorkehrungen getroffen werden, dass bei einer allfälligen weiteren Corona-Welle erneut mindestens 1500 Intensivpflegeplätze bereit stünden.
Der Bundesrat verwies in beiden Fragen auf die Zuständigkeit der Kantone. So müssten die Kantone sowie die Arbeitgebenden für genügend Personal in Alters- und Pflegeheimen sorgen. Einen Armeeeinsatz in den Alters- und Pflegeheimen habe das Parlament im Übrigen in der Wintersession 2020 abgelehnt, da die Armee nur subsidiär tätig werden solle. Die Spitäler hätten zudem ihre Intensivpflegekapazitäten laufend ausgebaut, wobei der Bundesrat die Finanzierung dieses Ausbaus geregelt habe. Somit empfahl die Regierung die Motion zur Ablehnung.
In der Sommersession 2021 setzte sich der Nationalrat mit dem Vorstoss seiner Kommission auseinander. Kommissionssprecher Maillard (sp, VD) anerkannte die weitreichenden Bemühungen des Bundesrates sowie die Kompetenzen der Kantone, wollte den Bundesrat – mit dem Auftrag des Parlaments im Rücken – aber dennoch befähigen, präventiv die entsprechenden Pläne der Kantone für den Herbst und Winter 2021 einzuholen. Mit 128 zu 57 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für die Motion aus, die FDP.Liberalen-Fraktion sowie die Mehrheit der Mitte- und eine Minderheit der SVP-Fraktion lehnten den Vorstoss ab.

Das Gesundheitssystem vorbereiten, um die gefährdetsten Personen zu schützen und überstürzte Massnahmen zu vermeiden (Mo. 21.3003)

Die SGK-NR verlangte im März 2021 mit einer Motion ausreichend finanzielle Mittel für eine systematische Erforschung und wissenschaftliche Begleitung von Long-Covid-Fällen. Damit Personen mit Long-Covid-Symptomen zukünftig besser geholfen werden könne, sollten die bekannten Fälle mithilfe einer dem allgemeinen Wissensaustausch dienenden Anlaufstelle systematisch begleitet werden. Eine Kommissionsminderheit de Courten (svp, BL) beantragte die Motion zur Ablehnung – im Gegensatz zum Bundesrat. Dieser anerkannte die Problematik, lehnte aber die Schaffung einer solchen Anlaufstelle durch den Bund aufgrund einer fehlenden verfassungsrechtlichen Grundlage ab. Es sei Aufgabe der Kantone, die entsprechenden Strukturen zu schaffen, wobei einige Kantone bereits damit begonnen hätten. Stattdessen werde er jedoch die nötigen Massnahmen zur Behandlung der von Long-Covid betroffenen Personen in seinem Bericht zur Erfüllung des Postulats der SGK-SR (Po. 21.3014) darlegen – wie es das entsprechende Postulat der Schwesterkommission forderte. Minderheitensprecher de Courten wies in der Sommersession 2021 auf die bereits in Auftrag gegebenen Studien zu diesem Thema hin. Er beteuerte deren Notwendigkeit, erachtete aber zusätzliche Studien, Gelder und Massnahmen zu demselben Thema als nicht nötig. Die grosse Kammer nahm die Motion jedoch mit 126 zu 51 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) deutlich an. Abgelehnt wurde der Vorstoss von der SVP-Fraktion und einzelnen Mitgliedern der Mitte-Fraktion.

Wissenschaftliche Begleitung von Long-Covid-Fällen

In der Sommersession 2021 beschäftigte sich der Nationalrat mit der Frage, ob die Regelung zur Versorgungssicherheit in der Verfassung ergänzt werden solle, ob also die Verantwortung des Bundesrates für die Versorgung der Bevölkerung mit «den wichtigsten sensiblen Medikamenten, Wirkstoffen und Schutzmaterial» sowie für Schutzmassnahmen gegen eine Pandemie explizit in die Verfassung geschrieben werden soll. Manuela Weichelt-Picard (al, ZG) begründete den Antrag der Kommissionsminderheit, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben, mit dem Verweis auf die Unzulänglichkeiten der bisherigen Regelung, welche die Corona-Pandemie deutlich aufgezeigt habe. Die Relevanz der Problematik zeigten überdies auch Pläne für ähnliche Standesinitiativen sowie für eine Volksinitiative, betonte Weichelt-Picard. Die beiden Kommissionssprecher Benjamin Roduit (mitte, VS) und Thomas de Courten (svp, BL) anerkannten zwar die Relevanz der Frage und die Notwendigkeit entsprechender Massnahmen, bestritten aber die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung. Die nötigen gesetzlichen Grundlagen seien bereits vorhanden, insbesondere in Form des Landesversorgungsgesetzes (LVG). Es seien auch bereits ähnliche Vorstösse angenommen worden (Mo. 20.3166 und Po. 20.3241), zudem habe der Bundesrat auf Anfang 2022 die Erarbeitung konkreter Massnahmen angetönt. Mit 121 zu 66 Stimmen (bei einer Enthaltung) entschied sich der Nationalrat, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Einzig bei den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen stiess der Vorstoss auf Anklang.

Parlamentarische Covid-19-Verordnung. Konkretisierung von Artikel 102 der Bundesverfassung bezüglich Versorgungssicherheit (Pa.Iv. 20.429)

Im Juni 2021 forderte Eva Herzog (sp, BS) in einer Motion, dass das Epiedemiengesetz dahingehend geändert wird, dass der Bundesrat bei Grenzschliessungen die notwendigen Massnahmen ergreifen können soll, um die Reisefreiheit und Mobilität von Grenzgängerinnen und Grenzgängern und Einwohnerinnen und Einwohnern mit persönlicher, familiärer oder beruflicher Bindung im Grenzgebiet sicherzustellen. Da die Corona-Pandmie nicht die letzte ihrer Art sein werde und die abgebrochenen Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU die Situation der Grenzregionen nicht vereinfacht hätten, müsse man präventiv Massnahmen ergreifen, um das Leben in diesen Regionen in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten. Eine derartige Bestimmung sei bereits im Covid-19-Gesetz enthalten, sei aber wie das Gesetz selber auf Ende 2021 befristet.
In seiner Stellungnahme machte der Bundesrat klar, dass er sich bemühe, verhältnismässige Massnahmen zur Pandemiebekämpfung zu ergreifen und von einer Mobilitätsbeschränkung absehe, wenn die epidemiologische Lage dies erlaube. Das Motionsanliegen werde durch die Umsetzung des Epidemiengesetzes, der Covid-19-Verordnung 3 und der Covid-19-Verordnung «Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs» bereits berücksichtigt, argumentierte der Bundesrat. Er setze sich jedoch gegen eine explizite Regelung im Epidemiengesetz ein, da man dadurch den eigenen Handlungsspielraum – beispielsweise bei Ausbruch einer noch bedrohlicheren Pandemie – einschränken würde. Zudem sollten derartige Massnahmen an den Binnengrenzen im Rahmen der Schengen-Zusammenarbeit erarbeitet werden. Aus diesen Gründen beantragte er die Ablehnung der Motion.

Ergänzung des Epidemiengesetzes zur Garantie des Grenzverkehrs auch in Pandemiezeiten
Dossier: Kontrolle der Schweizer Landesgrenzen in Covid-19-Zeiten

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

An demselben Tag, als die Schweizer Stimmbürgerschaft das Covid-19-Gesetz in einem Referendum bestätigte, kündigten die Junge SVP und der Verein «Freunde der Verfassung» ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Das Zertifikat diskriminiere die ungeimpften Personen und schränke sie in ihren Grundrechten ein – etwa indem sie vom Zugang zu gewissen Veranstaltungen oder auch Restaurantbesuchen ausgeschlossen seien. Zudem würden sie auch durch die «Zwangsquarantäne» im Falle eines Kontaktes mit dem Virus diskriminiert – so hebt die zweite Revision die Quarantänepflicht von Geimpften, nicht aber von Ungeimpften auf. Zudem störten sich die Referendumsführenden an den ebenfalls in der Revision geregelten Unterstützungsmassnahmen für die Medien sowie an den allgemein zu grossen Vollmachten des Bundesrates in der Pandemie – diesbezüglich war ebenfalls noch eine neue Regelung ergänzt worden. Umstritten war in den Medien, wie gross die Auswirkungen einer Ablehnung der Revision wären. So würde bei einer Ablehnung nicht wie bei der ersten Abstimmung das Covid-19-Gesetz als Ganzes ausser Kraft gesetzt, sondern nur die Revision vom März 2021. Weiterhin möglich bleiben würde aber vermutlich das bereits im EpG enthaltene Contact Tracing – das die Referendumsführenden als Basis für «permanente Massenüberwachung» ebenfalls bekämpften. Auch die ebenfalls auf dem EpG beruhende Quarantänepflicht für Ungeimpfte würde bleiben, bei Ablehnung der Revision müssten aber zudem auch die Geimpften weiterhin in Quarantäne. Theoretisch sei auch die Weiterführung des Covid-19-Zertifikats auf Basis des EpG denkbar, politisch sei eine solche nach einer verlorenen Abstimmung aber vermutlich nicht machbar, erklärte die NZZ. Schliesslich würden die Bestimmungen erneut nicht per sofort aufgehoben, sondern erst ein Jahr nach ihrer Inkraftsetzung, also im März 2022, ausser Kraft treten. Ab dann müsste schliesslich auch auf den Ausbau der Wirtschaftshilfe – etwa für Selbständigerwerbende, für besonders stark betroffene grosse Unternehmen, für den Sport oder den Kulturbereich –, die ebenfalls in dieser Revision geregelt wurde, verzichtet werden.
Da die zweite Revision bereits Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, blieben den Referendumsführenden nach der Bestätigung des Covid-19-Gesetzes durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur noch drei Wochen, um die nötigen 50'000 Unterschriften zusammenzubekommen. Im August 2021 gab die Bundeskanzlei bekannt, dass das Komitee «Referendum Covid-19», das Aktionsbündnis Urkantone sowie die «Freunde der Verfassung» insgesamt 187'239 Unterschriften eingereicht hätten – also rund dreimal so viele wie nötig. Wie aufgrund des Covid-19-Gesetzes sowie der zeitlich begrenzt eingeführten «Covid-19-Verordnung Stimmrechtsbescheinigung» erlaubt, war es während der Covid-19-Pandemie möglich, auch Unterschriften, für die noch keine Stimmrechtsbescheinigung ausgestellt worden war, einzureichen – normalerweise müssen alle Unterschriften vor der Einreichung beglaubigt werden. Diese Möglichkeit nutzten auch die Komitees, so waren lediglich 5'401 Unterschriften bei Einreichung bereits beglaubigt worden. Von den 75'526 nachträglich von der Bundeskanzlei zur Beglaubigung eingereichten Unterschriften konnten die zuständigen Stellen schliesslich 69'935 als gültig bescheinigen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden somit Ende November 2021 über das zweite Covid-19-Referendum abstimmen.

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im März 2021 beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion der APK-NR, welche damit einen Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe gefordert hatte. Im Bericht über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahre 2020 liess der Bundesrat verlauten, dass er im April 2020 einen Kredit über CHF 400 Mio. beschlossen habe, um die negativen Folgen der Covid-Pandemie in von Armut, Konflikten und Katastrophen geprägten Staaten zu mildern. Das Parlament hatte daraufhin im Nachtrag IIa nur CHF 200 Mio. an Darlehen und CHF 107.5 Mio. an Beiträgen freigegeben. Diese erfüllten das Motionsanliegen aus Sicht des Bundesrats jedoch bereits. Zusätzlich zu den Krediten in der Entwicklungshilfe habe das EJPD einen Kredit von CHF 1.1 Mio. für Projekte des UNO-Flüchtlingshilfswerks und des IKRK freigegeben. Die beiden Räte schrieben die Motion kurz darauf während der Sommersession 2021 ab.

Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe

Eine offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen durch das Schweizer Parlament forderten Greta Gysin (gp, TI; Po. 21.3069) im Nationalrat und Maya Graf (gp, BL; Po. 21.3079) im Ständerat mittels zweier Postulate. Die Gedenkfeier solle zusammen mit der Landesregierung stattfinden und eine Möglichkeit bieten, den annähernd 10'000 Opfer der Pandemie in der Schweiz, aber auch den Trauernden und den Kranken «mit einem kollektiven Gedenken Respekt und unser Mitempfinden» auszudrücken. Während das Büro-SR den Vorstoss von Maya Graf befürwortete, aber auf die dafür notwendige Zusammenarbeit mit dem Bundesrat hinwies, lehnte die Mehrheit des Büro-NR das Postulat Gysin ab. Entsprechend zog Greta Gysin ihren Vorstoss im Nationalrat zurück, nachdem der Ständerat das Postulat Graf in der Sommersession 2021 stillschweigend angenommen hatte.

Offizielle Gedenkfeier für die Covid-19-Opfer und ihre Angehörigen durch das Schweizer Parlament