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Die Petition der Jugendsession 1996 für eine bessere finanzielle Unterstützung von konkreten HIV/Aids-Projekten, insbesondere von Aidshäusern, Beratungstelephonen und Begegnungszentren wurde vom Ständerat diskussionslos zur Kenntnisnahme an den Bundesrat verabschiedet.

Petition der Jugendsession 1996 finanzielle Unterstützung HIV/Aids-Projekten

Nach einer durchaus positiv verlaufenen Vernehmlassung leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zu einem neuen Verfassungsartikel (Art. 24decies) zu, welcher dem Bund gestatten wird, für die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen Gesetze zu erlassen und somit Leitplanken zu setzen. Heute gelten hier lediglich die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften sowie unterschiedliche kantonale Bestimmungen. Als Grundmaxime des staatlichen Handelns in diesem Bereich postuliert der Bundesrat den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit sowie eine gerechte Zuteilung von Organen. Der Handel mit menschlichen Organen soll verboten, der Umgang mit allen anderen Spenden streng reglementiert werden.

Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin (BRG 97.035)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

1972 hatte das Bundesgericht die Verfassungsmässigkeit der Widerspruchslösung bei Organentnahmen anerkannt. Im Berichtsjahr mussten die Lausanner Richter anhand eines neuen Gesetzes des Kantons Genf, welcher von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung übergehen möchte, erneut in dieser Frage Stellung beziehen. Die Billigung der Widerspruchslösung erfolgte nur noch knapp mit 3:2 Stimmen. Gleichzeitig wurden die Bedingungen für dieses Vorgehen in einengendem Sinn präzisiert. Das Bundesgericht erachtete den Genfer Vorschlag, der - falls sich der Verstorbene nicht klar geäussert hat - von einer Einwilligung der Angehörigen ausgehen wollte, wenn sich diese nicht innerhalb von sechs Stunden klar dagegen aussprechen, als ungenügend und verlangte, dass die Angehörigen umfassend zu informieren seien. Können sie nicht erreicht werden, ist eine Organentnahme nicht zulässig. Nur wenn die Angehörigen nach entsprechender Konsultation schweigen oder zustimmen, darf das Organ verpflanzt werden. Ungeachtet der Haltung der Angehörigen ist die Organentnahme zwingend ausgeschlossen, wenn sich der Verstorbene zu seinen Lebzeiten dagegen ausgesprochen hat; selbst in Notfällen und bei Todesgefahr eines potentiellen Organempfängers darf der Wille des Verstorbenen nicht missachtet werden.

Urteil des Bundesgerichts zur Widerspruchslösung bei Organentnahmen (1997)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Über die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung des Umgangs mit Organen, Geweben und Zellen waren sich die Parteien, die Vereinigung der Schweizer Ärzte FMH und die SAMW einig und meinten, das unvollständige Regelwerk in 20 Kantonen sei nicht mehr zeitgemäss. In Bezug auf den Umfang der künftigen Bundeskompetenz und in der Frage der Xenotransplantation (Organübertragung vom Tier auf den Menschen) gab es allerdings Differenzen. Die CVP plädierte ohne weitere Einschränkungen dafür, die Xenotransplantation in die Regelungskompetenz einzubeziehen. Die SP hingegen hielt ein Moratorium zumindest für Organe jener Tiere für angebracht, die zum Zweck der Organspende genetisch verändert worden sind (Mo. 96.3364). Die FMH betonte, dass die Regelung der Zuteilung keinesfalls auf menschliche Organe beschränkt werden dürfe; falls nämlich Xenotransplantationen einmal erlaubt würden, sei nicht auszuschliessen, dass es auf dem freien Markt zu ethisch unhaltbaren Situationen komme. Die SAMW schlug vor, den Artikel über die Verwendung der Organe, Gewebe und Zellen explizit auf den humanmedizinischen Bereich zu beschränken. Alle Parteien befürworteten die Konzentration der Eingriffe auf einige wenige Zentren, wobei die SP dem Bundesrat eine Koordinationsbefugnis zur Schaffung von Transplantationszentren in den öffentlichen Spitälern erteilen möchte.

Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin (BRG 97.035)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Das EDI nahm den während der Beratungen des Bundesbeschlusses mehrfach geäusserten Wunsch nach einer raschen Ausarbeitung eines Transplantationsgesetzes umgehend auf und gab Ende August 1996 als ersten Schritt einen entsprechenden Verfassungsartikel (Art. 24decies BV) in die Vernehmlassung. Dieser ermächtigt den Bund, über den Umgang mit menschlichen und tierischen Organen, Geweben und Zellen Vorschriften zu erlassen, wobei er für den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit sorgen muss. Er gewährleistet insbesondere eine gesamtschweizerische, unentgeltliche und gerechte Zuteilung von menschlichen Organen, Geweben und Zellen. Bis jetzt gelten in diesem sensiblen medizinisch-ethischen Bereich teilweise allgemeine Regeln und Grundsätze, teilweise kantonale Regelungen sowie private Richtlinien, beispielsweise jene der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW).

Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin (BRG 97.035)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

In der Differenzbereinigung beim dringlichen Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten schloss sich der Nationalrat diskussionslos der Ansicht des Ständerates an, wonach es im jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll sei, die Entnahme von Organen zur Transplantation von der schriftlichen Zustimmung des Spenders abhängig zu machen. Diese Frage soll erst in einem eigentlichen Transplantationsgesetz angegangen werden. Damit konnte der auf zehn Jahre befristete Bundesbeschluss mit grossem Mehr verabschiedet werden. Er unterstellt bis zum Vorliegen eines eidgenössischen Heilmittelgesetzes die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten und Transplantaten der alleinigen Kompetenz des BAG.

Mitte Jahr setzte der Bundesrat auch die entsprechende Verordnung in Kraft. Dabei gelten strenge Regeln für die Sorgfaltspflicht: Blutspenden wie auch Transplantate müssen auf Krankheiten überprüft und die Spenderdaten registriert werden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wird den Homosexuellen die Blutspende nicht mehr ausdrücklich verwehrt; mit dem Hinweis auf eine noch in der Diskussion befindliche Empfehlung des Europarates, welche Personen mit «Risikoverhalten» zur Blutspende möglicherweise nicht mehr zulassen will, bleiben homosexuelle Männer beim SRK de facto aber weiter davon ausgeschlossen.

Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Der Basler Appell gegen Gentechnologie verlangte ein sofortiges Moratorium für Xenotransplantationen. Die Übertragung tierischer Organe in den Menschen berge unabsehbare Gefahren für die ganze Menschheit in sich. Bevor gentechnisch veränderte Organe von Tieren – namentlich von Schweinen und Pavianen – in Menschen eingepflanzt werden, müssten erst die Risiken sorgfältig abgeklärt und auch ethische Fragen diskutiert werden. Thematisiert wurde auch der problematische Umgang mit menschlicher Plazenta, welche seit Jahren ein begehrter Rohstoff der Kosmetik- und Heilmittelindustrie ist. Hier wurde insbesondere auf die Gefahr einer Ansteckung mit der dem Rinderwahnsinn (BSE) verwandten Creutzfeldt-Jakob-Krankheit hingewiesen. Eine Motion Goll (frap, ZH; Mo. 96.3364) übernahm die Forderung nach einem zehnjährigen Moratorium. Auf Antrag des Bundesrats wurde sie mit 109 zu 58 Stimmen abgelehnt.

Auch das Zentrallabor des Schweizerischen Roten Kreuzes traf Massnahmen, um CJ-Ansteckungen über Blutprodukte möglichst auszuschliessen; Personen, in deren familiärem Umfeld eine CJ-Erkrankung vorgekommen ist, werden von der Blutspende ausgeschlossen.

Basler Appell gegen Gentechnologie und für ein sofortiges Moratorium von Xenotransplantationen (1996)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

In der Differenzbereinigung übernahm der Ständerat den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spenden diskussionslos, machte aber das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung wieder rückgängig, da dies eine zu restriktive und pauschal geratene Verschärfung bedeute, welche sich kontraproduktiv auf den Spenderwillen der Bevölkerung auswirken und damit möglicherweise sogar dem illegalen Organhandel Vorschub leisten könnte.

Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Nach Abschluss einer einjährigen Pilotphase mit der Abgabe von sauberen Spritzen in der Frauen-Strafvollzugsanstalt Hindelbank (BE) wurde ein positives Fazit der Aktion gezogen. In der Versuchsperiode stieg der – in Gefängnissen zwar grundsätzlich verbotene, in Wirklichkeit aber nie auszumerzende – Drogenkonsum nicht an, es gab keine neuen Heroinkonsumentinnen und keine Frau steckte sich neu mit dem HI- oder einem Hepatitis-Virus an. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beschloss deshalb, das Pilotprojekt in Form eines Anschlussprogramms fortzusetzen.

HIV in Strafanstalten (1991–1995)

In beiden Kammern und über alle Parteigrenzen hinweg war unbestritten, dass sich die Vorkommnisse der 1980er Jahre, wo unter anderem eine unklare Verantwortlichkeitsregelung die tragischen Ereignisse mit den durch HI-Viren verseuchten Blutkonserven und -präparaten mitverursacht hatte, nicht mehr wiederholen dürfen. Sowohl Stände- wie Nationalrat waren praktisch einstimmig damit einverstanden, die Kompetenzen für die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten bis zum Vorliegen des neuen Heilmittelgesetzes in einem dringlichen Bundesbeschluss ausschliesslich dem BAG zu übertragen.

Während aber der Ständerat in den wesentlichen Punkten der bundesrätlichen Vorlage folgte, fügte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission mit 61 zu 46 Stimmen einen Artikel ein, wonach es für alle Transplantate einer schriftlichen Zustimmung des Spenders bedarf. Vergeblich machten der Bundesrat und die Gegner dieses Zusatzes geltend, es handle sich hier nur um eine Übergangsregelung, die in erster Linie auf den Schutz vor Infektionen angelegt ist, weshalb es wenig sinnvoll sei, ohne vertiefte Diskussion die ethisch überaus heikle Frage des Umgangs mit Transplantaten bereits einzubeziehen. Widerstandslos passierte hingegen die ebenfalls von der Kommission eingebrachte Bestimmung, wonach es verboten ist, mit menschlichen Transplantaten Handel zu betreiben. Keine Chance hatten ein Minderheitsantrag zum Verbot von Transplantaten, die von gentechnisch veränderten Tieren stammen, sowie die Forderung nach beratenden Fachkommissionen, welche den Vollzug des Bundesbeschlusses mitgestalten sollten.

Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Die «Aids-Hilfe Schweiz» (AHS), deren erster Präsident – der populäre und inzwischen verstorbene TV-Mann André Ratti – mit seinem öffentlichen Bekenntnis, er sei homosexuell und aidskrank, der Diskussion um die Immunschwächekrankheit in der Schweiz eine emotionale Komponente verliehen und sie damit erst eigentlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht hatte, konnte im Berichtsjahr auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Die AHS ist heute eine breit verankerte Gesundheitsorganisation mit über 100 Mitarbeitern, deren jährliches Betriebsbudget zu über 80 Prozent vom BAG finanziert wird. Die AHS, die sich stark gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung der Aidskranken zur Wehr setzt, prägte die 1987 lancierten und bis heute weitergeführten «Stop Aids»-Kampagnen des Bundes, welche die WHO als «weltweit einmalig» bezeichnete, ganz wesentlich mit.

Zehnjähriges Bestehen der Aids-Hilfe Schweiz (1995)

Oppositionslos stimmte der Ständerat einer parlamentarischen Initiative der grossen Kammer zu, welche darauf abzielt, die 1990 beschlossenen Leistungen für Personen, die durch verseuchte Blutpräparate mit dem HI-Virus infiziert wurden, nicht nur auf deren kontaminierte Ehegatten, sondern auch auf allenfalls angesteckte Kinder auszudehnen. Zudem wurden auf Antrag der Kommission die Leistungen des Bundes von CHF 50'000 auf CHF 100'000 pro infizierte Person angehoben. Die Kommission begründete diese Erhöhung einerseits mit der seit 1990 noch deutlicher gewordenen Mitverantwortung des Bundes und andererseits mit einem internationalen Quervergleich, aus welchem hervorgeht, dass sich die bisherigen Leistungen der Schweiz im unteren Bereich der Skala bewegen. Der Bundesrat war mit der Ausdehnung des Kreises der Anspruchsberechtigten einverstanden, bekämpfte aber den Ausbau der Leistungen. In diesem Punkt unterlag er bei der Differenzbereinigung auch im Nationalrat, der den Beschluss des Ständerates diskussionslos bestätigte.
Die Zahl der Kinder, die für eine solche Entschädigung gemäss geändertem Bundesbeschluss in Frage kommen, wird auf höchstens fünf geschätzt. Wie der Blutspendedienst des SRK mitteilte, wurden 1994 und 1995 je eine Person bei einer Bluttransfusion mit dem HI-Virus infiziert. Dies geschah nicht aus Nachlässigkeit, sondern aufgrund des «immunologischen Fensters», welches bewirkt, dass eine Neuansteckung frühestens nach zwei bis drei Monaten im Blut nachweisbar ist, da sich erst nach diesem Zeitraum die Antikörper bilden. Das «Restrisiko» bei einer Fremdblutübertragung beträgt 1:600'000.

Parlamentarische Initiative zur Ausweitung der freiwilligen Bundesbeiträgen an Transfundierte und Hämophile (Pa.Iv. 94.411)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Swisstransplant, die nationale Stiftung für Organspende und Transplantation, konnte ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Aus diesem Anlass wies sie darauf hin, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten, die auf lebensrettende Organe warten, ständig wächst, während die Liste der potentiellen Organspender – rund 7 Prozent der Bevölkerung mit Spenderausweis – stagniert oder sogar zurückgeht. Dies steht im Gegensatz zur Entwicklung im Ausland, wo die Zahl der Spender laufend zunimmt. Swisstransplant koordiniert alle anstehenden Operationen in den Transplantationszentren von Bern, Zürich, Lausanne und Genf und sichert den Kontakt zu den ausländischen Spenderdatenbanken. Zudem wacht die Organisation darüber, dass – ausser für Entnahme- und Transportkosten – nichts für Organspenden bezahlt werden muss und die Spender keine Entschädigung bekommen. Damit soll dem vor allem in der Dritten Welt grassierenden Organhandel entgegengewirkt werden.

Zehnjähriges Bestehen von Swisstransplant (1995)

Nationalrätin von Felten (sp, BS) verlangte in einer parlamentarischen Initiative den Erlass eines Gesetzes über das Massen-Screening, das unter anderem gewährleisten sollte, dass die Durchführung anonymer Studien und die Weiterleitung der erhobenen Daten nur mit der Einwilligung der Betroffenen erfolgen darf, dass Screening-Programme auf behandelbare Krankheiten beschränkt werden und den Patientenorganisationen ein Mitspracherecht zugestanden wird. Die vorberatende Kommission empfahl, der Initiative keine Folge zu geben, da sie in ihrem Wortlaut zu vage sei und die beiden Schritte der Datenbeschaffung und der Datenweitergabe vermenge. Die Frage der Rechtmässigkeit von anonymen Tests werde in der bereits eingeleiteten Revision des Epidemiengesetzes angegangen, weshalb es nicht zweckmässig sei, dafür ein eigenes Gesetz zu schaffen. Das Plenum folgte dieser Argumentation und verwarf die Initiative mit 66 zu 40 Stimmen.

Parlamentarische Initiative für ein Gesetz über das Massen-Screening (Pa.Iv. 93.456)

Wie schon der Ständerat überwies auch der Nationalrat oppositionslos zwei Motionen Onken (sp, TG; Mo. 93.3573) und Huber (cvp, AG; Mo. 94.3052), welche eine rasche Gesetzgebung im Bereich der Organspenden und der Transplantationsmedizin verlangen.

Motionen zur Transplantationsmedizin (Mo. 93.3573 & Mo. 94.3052)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Die AIDS-Epidemie hat in der Schweiz in den letzten zehn Jahren die Mortalität bei Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren stark beeinflusst. Dies ergab eine vom Bundesamt für Statistik zusammen mit dem BAG durchgeführte Analyse der neun häufigsten Todesursachen. Sowohl bei den Männern wie bei den Frauen im fraglichen Alter hatte AIDS 1982 die neunte und damit letzte Position belegt. 1993 war AIDS bei den Männern nach den Unfällen die zweithäufigste und bei den Frauen nach den Krebserkrankungen und der Selbsttötung die dritthäufigste Todesursache. Mit einer kumulativen Rate von 508.7 AIDS-Fällen pro Million Einwohner nahm die Schweiz Ende 1993 in Europa die zweite Position nach Spanien und vor Frankreich ein. Angesichts dieser Tatsachen unterstrich das BAG die Notwendigkeit, wirksame Massnahmen zur Prävention von HIV-Infektionen langfristig weiterzuführen.
Die im Vorjahr lancierte Pilotstudie zu anonymen AIDS-Massentests wurde aus Spargründen vorläufig auf Eis gelegt, da sich Aufwand und Ertrag nicht die Waage hielten.

AIDS als eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Personen (1994)

In der Frage der Blutpräparate handelte Bundesrätin Dreifuss rasch. Da die Ausarbeitung eines eigentlichen Heilmittelgesetzes kaum vor dem Jahr 2000 erwartet werden kann, gab sie Mitte Dezember 1994 ihren Vorschlag für einen befristeten Bundesbeschluss in die Vernehmlassung. Zentraler Punkt ist die Einführung einer Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten sowie für deren Import und Export.

Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Mit zwei Motionen forderten die Ständeräte Huber (cvp, AG) und Onken (sp, TG) den Bundesrat auf, für die Bewältigung der vielfältigen rechtlichen und organisatorischen Probleme der Transplantationsmedizin das notwendige Recht auf Verfassungs- und Gesetzesebene zu erarbeiten und damit dem aufkommenden (Schwarz-)Handel mit Transplantaten rechtzeitig einen Riegel zu schieben. Es gibt zwar eine Norm der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, die den Verkauf von Organen untersagt, auf der Anonymität der Spender besteht und die Kostenlosigkeit einer Organspende verlangt, doch fehlt ihr die verbindliche Rechtskraft zur Bekämpfung von möglichen Missbräuchen. Transplantationen von Nieren, Herz, Leber und Knochenmark haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Da es aber nicht genügend Spenderinnen und Spender gibt, um die steigende Nachfrage sicherzustellen, ist die Gefahr von ethisch unsauberen Machenschaften beträchtlich. Der Bundesrat anerkannte den dringlichen Handlungsbedarf in diesem Bereich und war bereit, die beiden Motionen entgegenzunehmen, worauf sie diskussionslos angenommen wurden.

Motionen zur Transplantationsmedizin (Mo. 93.3573 & Mo. 94.3052)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Der Nationalrat will AIDS nicht der Meldepflicht unterstellen und verwarf deshalb eine parlamentarische Initiative Schmied (svp, BE). Er folgte damit seiner vorberatenden Kommission, welche vor dem kontraproduktiven Effekt einer verschärften Meldepflicht warnte. Risikogruppen und AIDS-Infizierte würden vermehrt HIV-Tests meiden, womit die Prävention geschwächt würde. In Anlehnung an den – ebenfalls abgelehnten – zweiten Teil der Initiative, welcher eine rasche Änderung der Gesetzgebung im Bereich der Sozialversicherungen verlangte, um die Diskriminierung der Aids-Infizierten zu verhindern, überwies die grosse Kammer ein Postulat ihrer Kommission, welches den Bundesrat ersucht, Möglichkeiten zur Aufhebung der Diskriminierung von HIV-Positiven im Versicherungsvertragsrecht und im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge zu prüfen (Po. 94.3314).

AIDS der Meldepflicht unterstellen (Pa.Iv. 93.460)

Ausgehend von einer parlamentarischen Initiative Duvoisin (sp, VD) beschloss der Nationalrat, die Anspruchsberechtigung für die freiwilligen Bundesbeiträge an Transfundierte und Hämophile, die mit Produkten des SRK infiziert worden sind, auch auf die nachfolgend angesteckten Kinder auszuweiten. Im ersten Beschluss von 1990 waren lediglich die infizierten Ehepartner berücksichtigt worden. Auf Anregung ihrer Kommission verlängerte die grosse Kammer die Frist zur Einreichung von Beitragsgesuchen um fünf Jahre bis April 2001.
Die SRK wird allen AIDS-Kranken, die erwiesenermassen durch ihre Blutprodukte mit dem HI-Virus angesteckt wurden, und deren angesteckten Lebenspartnern eine monatliche Rente von CHF 1500 ausrichten.

Parlamentarische Initiative zur Ausweitung der freiwilligen Bundesbeiträgen an Transfundierte und Hämophile (Pa.Iv. 94.411)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Das BAG und der Kanton Bern finanzierten ein Pilotprojekt in der Frauenstrafanstalt Hindelbank (BE), das mit umfassenden Massnahmen der Ansteckung der Gefangenen mit dem AIDS-Virus vorzubeugen sucht. Dazu gehört neben Information und Beratung auch die Abgabe steriler Spritzen an Frauen, die intravenös Drogen konsumieren. Der Drogenkonsum in der Anstalt bleibt aber weiterhin verboten und strafbar. Der scheinbare Widerspruch ergibt sich aus der ernüchternden Bilanz der bisherigen Drogenpolitik im Strafvollzug, die nicht verhindern konnte, dass trotz strenger Kontroll- und Strafmassnahmen immer wieder harte Drogen in die Strafanstalten eingeschmuggelt und dort konsumiert werden.

HIV in Strafanstalten (1991–1995)

Ende März 1994 wurden die Ergebnisse der «Look-back»-Studie zur HIV-Infektion publiziert. Demnach haben sich zu Beginn der 1980er Jahre schätzungsweise zwischen 80 und 90 Personen über Bluttransfusionen mit dem AIDS-Virus angesteckt. 52 davon wurden vom «Look-back» erfasst, wobei in 49 Fällen die HIV-Infektion bereits vor der Durchführung der Untersuchung bekannt war. BAG und SRK mussten sich in der Folge den Vorwurf gefallen lassen, die Eruierung erst viel zu spät durchgeführt und so die Weiterverbreitung von AIDS nicht genügend konsequent bekämpft zu haben. Die Studie zeigte bedenkliche Lücken in der Dokumentation von Blutkonserven. Bei 59 von insgesamt 396 potentiell kontaminierten Chargen war der Blutspendedienst des SRK ausserstande zu sagen, an welches Spital sie geliefert worden waren. In einem Fünftel der schliesslich gut 300 in die Studie aufgenommenen Fälle konnte wegen unvollständiger, unauffindbarer oder vernichteter Dokumentation nicht mehr ausgemacht werden, ob und wem das fragliche Plasma transfundiert wurde.
Gestützt auf mehrere Anzeigen von Personen, die sich durch Blutprodukten des SRK mit dem HI-Virus angesteckt haben, eröffnete ein Genfer Untersuchungsrichter das Strafverfahren gegen den ehemaligen Leiter des SRK-Zentrallabors.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Die noch von Bundesrat Cotti als Vorsteher des EDI eingesetzte Arbeitsgruppe «Blut und AIDS» legte anfangs 1994 ihren Bericht vor. Sie attestierte den involvierten Bundesämtern zwar, bei den nach 1984 erfolgten HIV-Infektionen durch verseuchte Blutpräparate keine groben Pflichtverletzungen, Unterlassungen oder fachlichen Fehler begangen zu haben, stellte aber dennoch gewisse Mängel fest. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) musste sich hingegen eine scharfe Rüge gefallen lassen. Der Bericht führte aus, dass das Verhalten des Zentrallaboratoriums, welches noch nach 1985 möglicherweise verseuchte Blutpräparate weiter vertrieb, gegen die medizinisch-ethischen Regeln verstossen habe und zudem rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund ihrer Feststellungen kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, das Bluttranfusionswesen müsse neu organisiert werden. Die extreme Verzettelung der Kompetenzen zwischen BAG, BSV, IKS und SRK führe zu Unsicherheiten, Überschneidungen und vor allem zu Verzögerungen. Das Bluttranfusionswesen sei deshalb einer einzigen Instanz unterzuordnen, die Kontrollbehörde wäre und auch Entscheidungen in Grundsatzfragen zu treffen hätte.
Die festgestellten Mängel betreffen aber nicht nur die Blutprodukte, sondern die Heilmittel im allgemeinen, bei deren Kontrolle die gleiche Aufsplitterung der Verantwortlichkeiten herrscht wie im Blutspendewesen. Die Arbeitsgruppe verlangte deshalb, dass auch die Heilmittel einer einzigen Behörde unterstellt werden, was eine Abschaffung des Interkantonalen Konkordates und der IKS bedeuten würde.

Als Folge der schweren Vorwürfe reorganisierte das SRK seinen Blutspendedienst. Ab 1996 sollen die Blutspenden nur noch in wenigen Zentren getestet und weiterverarbeitet werden.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Berichtsjahr wurden dem BAG 684 neue AIDS-Fälle gemeldet. Darunter befanden sich 531 Männer und 153 Frauen. In 240 Fällen handelte es sich um homo- oder bisexuelle Männer (35.1%) und in 293 Fällen um Drogensüchtige (42.8%, davon 198 Männer und 95 Frauen). AIDS ist heute zur zweithäufigsten Todesursache der 25- bis 44jährigen geworden.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Diese Fragestellung erhielt durch den Blutskandal in Deutschland, wo in noch ungewissem Ausmass ungenügend kontrollierte Blutkonserven in die Spitäler gelangten, neue Aktualität, besonders als bekannt wurde, dass nicht auszuschliessen sei, dass einzelne dieser Blutpräparate auch in die Schweiz eingeführt worden seien. Keine der darauf angesprochenen Behörden (IKS, BAG, Kantonsärzte bzw. -apotheker) konnte mit letzter Klarheit die Frage beantworten, ob, wann und wo problematische Blutpräparate importiert und allenfalls verwendet worden seien. Diese völlig unklaren Kompetenzen erhärteten den Ruf nach einer zentralisierten Kontrollinstanz.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven