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Die AIDS-Epidemie hat in der Schweiz in den letzten zehn Jahren die Mortalität bei Personen im Alter von 25 bis 44 Jahren stark beeinflusst. Dies ergab eine vom Bundesamt für Statistik zusammen mit dem BAG durchgeführte Analyse der neun häufigsten Todesursachen. Sowohl bei den Männern wie bei den Frauen im fraglichen Alter hatte AIDS 1982 die neunte und damit letzte Position belegt. 1993 war AIDS bei den Männern nach den Unfällen die zweithäufigste und bei den Frauen nach den Krebserkrankungen und der Selbsttötung die dritthäufigste Todesursache. Mit einer kumulativen Rate von 508.7 AIDS-Fällen pro Million Einwohner nahm die Schweiz Ende 1993 in Europa die zweite Position nach Spanien und vor Frankreich ein. Angesichts dieser Tatsachen unterstrich das BAG die Notwendigkeit, wirksame Massnahmen zur Prävention von HIV-Infektionen langfristig weiterzuführen.
Die im Vorjahr lancierte Pilotstudie zu anonymen AIDS-Massentests wurde aus Spargründen vorläufig auf Eis gelegt, da sich Aufwand und Ertrag nicht die Waage hielten.

AIDS als eine der häufigsten Todesursachen bei jungen Personen (1994)

In der Frage der Blutpräparate handelte Bundesrätin Dreifuss rasch. Da die Ausarbeitung eines eigentlichen Heilmittelgesetzes kaum vor dem Jahr 2000 erwartet werden kann, gab sie Mitte Dezember 1994 ihren Vorschlag für einen befristeten Bundesbeschluss in die Vernehmlassung. Zentraler Punkt ist die Einführung einer Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten sowie für deren Import und Export.

Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Der Nationalrat will AIDS nicht der Meldepflicht unterstellen und verwarf deshalb eine parlamentarische Initiative Schmied (svp, BE). Er folgte damit seiner vorberatenden Kommission, welche vor dem kontraproduktiven Effekt einer verschärften Meldepflicht warnte. Risikogruppen und AIDS-Infizierte würden vermehrt HIV-Tests meiden, womit die Prävention geschwächt würde. In Anlehnung an den – ebenfalls abgelehnten – zweiten Teil der Initiative, welcher eine rasche Änderung der Gesetzgebung im Bereich der Sozialversicherungen verlangte, um die Diskriminierung der Aids-Infizierten zu verhindern, überwies die grosse Kammer ein Postulat ihrer Kommission, welches den Bundesrat ersucht, Möglichkeiten zur Aufhebung der Diskriminierung von HIV-Positiven im Versicherungsvertragsrecht und im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge zu prüfen (Po. 94.3314).

AIDS der Meldepflicht unterstellen (Pa.Iv. 93.460)

Ausgehend von einer parlamentarischen Initiative Duvoisin (sp, VD) beschloss der Nationalrat, die Anspruchsberechtigung für die freiwilligen Bundesbeiträge an Transfundierte und Hämophile, die mit Produkten des SRK infiziert worden sind, auch auf die nachfolgend angesteckten Kinder auszuweiten. Im ersten Beschluss von 1990 waren lediglich die infizierten Ehepartner berücksichtigt worden. Auf Anregung ihrer Kommission verlängerte die grosse Kammer die Frist zur Einreichung von Beitragsgesuchen um fünf Jahre bis April 2001.
Die SRK wird allen AIDS-Kranken, die erwiesenermassen durch ihre Blutprodukte mit dem HI-Virus angesteckt wurden, und deren angesteckten Lebenspartnern eine monatliche Rente von CHF 1500 ausrichten.

Parlamentarische Initiative zur Ausweitung der freiwilligen Bundesbeiträgen an Transfundierte und Hämophile (Pa.Iv. 94.411)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Das BAG und der Kanton Bern finanzierten ein Pilotprojekt in der Frauenstrafanstalt Hindelbank (BE), das mit umfassenden Massnahmen der Ansteckung der Gefangenen mit dem AIDS-Virus vorzubeugen sucht. Dazu gehört neben Information und Beratung auch die Abgabe steriler Spritzen an Frauen, die intravenös Drogen konsumieren. Der Drogenkonsum in der Anstalt bleibt aber weiterhin verboten und strafbar. Der scheinbare Widerspruch ergibt sich aus der ernüchternden Bilanz der bisherigen Drogenpolitik im Strafvollzug, die nicht verhindern konnte, dass trotz strenger Kontroll- und Strafmassnahmen immer wieder harte Drogen in die Strafanstalten eingeschmuggelt und dort konsumiert werden.

HIV in Strafanstalten (1991–1995)

Ende März 1994 wurden die Ergebnisse der «Look-back»-Studie zur HIV-Infektion publiziert. Demnach haben sich zu Beginn der 1980er Jahre schätzungsweise zwischen 80 und 90 Personen über Bluttransfusionen mit dem AIDS-Virus angesteckt. 52 davon wurden vom «Look-back» erfasst, wobei in 49 Fällen die HIV-Infektion bereits vor der Durchführung der Untersuchung bekannt war. BAG und SRK mussten sich in der Folge den Vorwurf gefallen lassen, die Eruierung erst viel zu spät durchgeführt und so die Weiterverbreitung von AIDS nicht genügend konsequent bekämpft zu haben. Die Studie zeigte bedenkliche Lücken in der Dokumentation von Blutkonserven. Bei 59 von insgesamt 396 potentiell kontaminierten Chargen war der Blutspendedienst des SRK ausserstande zu sagen, an welches Spital sie geliefert worden waren. In einem Fünftel der schliesslich gut 300 in die Studie aufgenommenen Fälle konnte wegen unvollständiger, unauffindbarer oder vernichteter Dokumentation nicht mehr ausgemacht werden, ob und wem das fragliche Plasma transfundiert wurde.
Gestützt auf mehrere Anzeigen von Personen, die sich durch Blutprodukten des SRK mit dem HI-Virus angesteckt haben, eröffnete ein Genfer Untersuchungsrichter das Strafverfahren gegen den ehemaligen Leiter des SRK-Zentrallabors.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Die noch von Bundesrat Cotti als Vorsteher des EDI eingesetzte Arbeitsgruppe «Blut und AIDS» legte anfangs 1994 ihren Bericht vor. Sie attestierte den involvierten Bundesämtern zwar, bei den nach 1984 erfolgten HIV-Infektionen durch verseuchte Blutpräparate keine groben Pflichtverletzungen, Unterlassungen oder fachlichen Fehler begangen zu haben, stellte aber dennoch gewisse Mängel fest. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) musste sich hingegen eine scharfe Rüge gefallen lassen. Der Bericht führte aus, dass das Verhalten des Zentrallaboratoriums, welches noch nach 1985 möglicherweise verseuchte Blutpräparate weiter vertrieb, gegen die medizinisch-ethischen Regeln verstossen habe und zudem rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund ihrer Feststellungen kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, das Bluttranfusionswesen müsse neu organisiert werden. Die extreme Verzettelung der Kompetenzen zwischen BAG, BSV, IKS und SRK führe zu Unsicherheiten, Überschneidungen und vor allem zu Verzögerungen. Das Bluttranfusionswesen sei deshalb einer einzigen Instanz unterzuordnen, die Kontrollbehörde wäre und auch Entscheidungen in Grundsatzfragen zu treffen hätte.
Die festgestellten Mängel betreffen aber nicht nur die Blutprodukte, sondern die Heilmittel im allgemeinen, bei deren Kontrolle die gleiche Aufsplitterung der Verantwortlichkeiten herrscht wie im Blutspendewesen. Die Arbeitsgruppe verlangte deshalb, dass auch die Heilmittel einer einzigen Behörde unterstellt werden, was eine Abschaffung des Interkantonalen Konkordates und der IKS bedeuten würde.

Als Folge der schweren Vorwürfe reorganisierte das SRK seinen Blutspendedienst. Ab 1996 sollen die Blutspenden nur noch in wenigen Zentren getestet und weiterverarbeitet werden.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Berichtsjahr wurden dem BAG 684 neue AIDS-Fälle gemeldet. Darunter befanden sich 531 Männer und 153 Frauen. In 240 Fällen handelte es sich um homo- oder bisexuelle Männer (35.1%) und in 293 Fällen um Drogensüchtige (42.8%, davon 198 Männer und 95 Frauen). AIDS ist heute zur zweithäufigsten Todesursache der 25- bis 44jährigen geworden.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Diese Fragestellung erhielt durch den Blutskandal in Deutschland, wo in noch ungewissem Ausmass ungenügend kontrollierte Blutkonserven in die Spitäler gelangten, neue Aktualität, besonders als bekannt wurde, dass nicht auszuschliessen sei, dass einzelne dieser Blutpräparate auch in die Schweiz eingeführt worden seien. Keine der darauf angesprochenen Behörden (IKS, BAG, Kantonsärzte bzw. -apotheker) konnte mit letzter Klarheit die Frage beantworten, ob, wann und wo problematische Blutpräparate importiert und allenfalls verwendet worden seien. Diese völlig unklaren Kompetenzen erhärteten den Ruf nach einer zentralisierten Kontrollinstanz.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Derartige freiwillige Tests geben laut BAG nur unzureichende Angaben über die Ausbreitung des HIV in der Allgemeinbevölkerung. Auf seinen Antrag setzte der Bundesrat im Spätsommer 1993 eine Verordnung in Kraft, welche inskünftig anonyme Massentests in ausgewählten Spitälern der Schweiz zulässt. Diese Tests werden ausschliesslich mit Blutproben durchgeführt, die Patientinnen und Patienten zu anderen medizinischen Zwecken entnommen werden. Die Proben werden anonymisiert und von vorgegebenen Teststellen – die mit den Entnahmestellen nicht identisch sein dürfen – auf HIV untersucht. Aus Datenschutzgründen kann keine getestete Person über ein allfällig positives Resultat in Kenntnis gesetzt werden. Patientinnen und Patienten haben das Recht, die Teilnahme am Test zu verweigern. Von diesen Massentests verspricht sich das BAG wertvolle Hinweise auf die Entwicklung der HIV-Infektion in der Bevölkerung, welche erlauben würden, auf mögliche Veränderungen durch gezielte Präventionsmassnahmen zu reagieren. Die AIDS-Hilfe Schweiz und der Dachverband «People with AIDS» kritisierten demgegenüber, in der Prävention dringend benötigte Mittel würden so für statistische Untersuchungen ausgegeben, deren Resultate durch die freiwilligen Tests tendenziell bereits bekannt seien.

Anonymes Aids-Screening (1993)

Erste Resultate der Ende des Vorjahres vom SRK angekündigten «Look-back»-Studie zur Ermittlung jener Personen, die vor 1985 durch eine verseuchte Blutkonserve mit dem HI-Virus kontaminiert wurden, zeigten, dass von den zwei Millionen Bluttransfusionseinheiten, die den Schweizer Spitälern zwischen 1982 und 1985 ausgeliefert wurden, 303 eventuell HIV-verseucht waren, wobei vorerst unklar blieb, wie viele von ihnen an Patienten abgegeben wurden. Zudem hatte das SRK im gleichen Zeitraum über 80 möglicherweise HIV-infizierte Blutkonserven nach New York, Griechenland und Saudiarabien exportiert. Im Spätsommer 1993 gestand das SRK erstmals ein, noch während zehn Monaten nach der Einführung eines zuverlässigen AIDS-Tests unkontrollierte Blutpräparate abgegeben zu haben. Das SRK schloss nicht aus, dass von den zwischen Juli 1985 und April 1986 ausgelieferten 5800 Fläschchen mit Gerinnungspräparaten unter Umständen rund tausend mit dem HI-Virus kontaminiert gewesen seien. Es begründete sein damaliges Vorgehen mit einem drohenden Versorgungsengpass bei den für Hämophile lebenswichtigen Produkten.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Laut einer Umfrage des BAG haben sich bis Herbst 1992 in der Schweiz fast die Hälfte aller Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von 17 bis 45 Jahren einem oder mehreren AIDS-Tests unterzogen. Damit liegt der Anteil der getesteten Personen (47%) erheblich höher als in anderen Ländern (Frankreich 22.2%, Grossbritannien 15.3%). Mit 55 Prozent liessen sich die Männer deutlich mehr testen als die Frauen (39%), was unter anderem auf die Tests bei der Blutspende im Militärdienst zurückgeführt wurde.

Umfrage zur Häufigkeit von AIDS-Tests (1993)

Noch bevor konkrete Zahlen aus dem «Look-back» vorlagen, stellte das SRK den neu gegründeten AIDS-Solidaritätsfonds vor, der mit einem Aufpreis von knapp 5 Prozent auf Blutkonserven finanziert wird. Laut dem Fonds-Reglement erhält Beiträge, wer erwiesenermassen mit dem AIDS-Virus infizierte Blut- oder Plasmapräparate des SRK-Blutspendedienstes erhalten hat, indirekt durch einen Empfänger eines infizierten Präparates angesteckt wurde oder gegenüber einer direkt oder indirekt angesteckten Person unterhaltspflichtig ist. Die SRK-Beiträge sollen den Betroffenen in Ergänzung zu Versicherungs- und Fürsorgeleistungen die Weiterführung eines menschenwürdigen Lebens ermöglichen. Die SRK-Entschädigungen werden ohne Rechtspflicht im Sinne einer sozialen Massnahme erbracht.

Entschädigung für durch verseuchte Blutkonserven mit HIV angesteckte Personen (1990–1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Frühjahr 1993 setzte Bundesrat Cotti eine dreiköpfige Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, abzuklären, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Patienten durch Transfusionen von Blutpräparaten möglicherweise mit dem HI-Virus infiziert wurden. Nach Angaben des Departements des Innern (EDI) sollen die Experten feststellen, ob bei den meist vor dem Jahr 1985 erfolgten Infektionen die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden bzw. der ärztlichen Pflicht nachgelebt wurde. Überprüft werden soll namentlich die Arbeitsteilung zwischen den Bundesämtern für Gesundheitswesen (BAG) und Sozialversicherungen (BSV), der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und dem Roten Kreuz (SRK). Ziel ist laut EDI, für die Zukunft Verantwortlichkeit und Strukturen festzulegen, die eine rasche Reaktion der Behörden im Bereich der Blutprodukte sicherstellen.

Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz kam zum Schluss, dass die Abgabe steriler Spritzen im Strafvollzug rechtlich zulässig und als präventive Massnahme gegen AIDS sogar geradezu geboten sei. Das Gutachten war im Auftrag des BAG erstellt worden, welches bereits zwei Jahre zuvor die mangelnde AIDS-Prophylaxe in den Strafanstalten kritisiert hatte.

HIV in Strafanstalten (1991–1995)

Im Berichtsjahr wurden 651 AIDS-Neuerkrankungen registriert, 46 mehr als im Jahr zuvor. Zunehmend ist die Zahl der durch heterosexuelle Kontakte infizierten Personen, wobei der Anstieg bei den Frauen besonders markant ist. Nach wie vor bilden Drogensüchtige die am meisten betroffene Gruppe (39.5% aller Erkrankungen), gefolgt von jener der homo- und bisexuellen Männer (38.6%). Gesamthaft gesehen flachte die Zunahme der Fälle 1992 jedoch leicht ab. Der Grund für diese Entwicklung lässt sich gemäss BAG nicht eindeutig feststellen. Sowohl von HIV-Positiven benutzte Medikamente als auch die Informationskampagnen des Bundes könnten eine Rolle gespielt haben. Von 1983 bis zum Ende des Berichtsjahrs erkrankten insgesamt 2'879 Menschen an AIDS; 1'916 sind bereits an der Immunschwächekrankheit verstorben. Seit 1985 meldeten die Laboratorien 17'112 HIV-positive Testergebnisse.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Nach einem dreimonatigen Pilotprojekt im Vorjahr lancierte die AIDS-Hilfe Schweiz mit Unterstützung des BAG im Oktober 1992 neben anderen Präventionsprojekten das flächendeckend in Apotheken und Drogerien abgegebene Präventionsset «Flash», welches neben sauberem Spritzenmaterial und einem Kondom Informationsmaterial mit einer Liste der Beratungsstellen enthält. Bis Ende Jahr wurden 75'000 Sets ausgeliefert. Hingegen wurde im gleichen Zeitpunkt eine weitere Stop-Aids-Kampagne, welche den Gebrauch sauberer Spritzen propagieren wollte, vom BAG auf unbestimmte Zeit verschoben, da – vor allem auch an der Spitze des EDI – befürchtet wurde, dies könnte in der Öffentlichkeit als Drogenpromotionskampagne missverstanden werden.

Stop-AIDS-Kampagnen des BAG

Anonyme AIDS-Tests ohne ausdrückliches Einverständnis der Probanden sollen über die tatsächliche Ausbreitung des HI-Virus in der Schweiz Aufschluss geben und noch effektivere Präventionsmassnahmen ermöglichen. Der entsprechende Verordnungsentwurf stiess in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung. Das sogenannte «Unlinked Anonymous Screening» verwendet Blutproben, die Patienten in Spitälern, Arztpraxen oder Laboratorien zu anderen medizinischen Zwecken ohnehin entnommen werden. Die Blutproben werden vollständig anonymisiert und von den vorgegebenen Teststellen auf HIV untersucht. Die Teststellen dürfen dabei nicht mit den Entnahmestellen identisch sein. Erhoben werden für das Screening lediglich Angaben über Alter, Geschlecht und Wohnregion der Testperson. Die Teilnahme am Screening kann vom Patienten verweigert werden.

Anonymes Aids-Screening (1993)

Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete die Schweizer AIDS-Prävention als sehr erfolgreich. Dank intensivierter Aufklärung habe sich der Gebrauch von Kondomen stark erhöht, bei den Jugendlichen beispielsweise von 17 auf 73 Prozent. Zudem sei es gelungen, nicht nur die Risikogruppen, sondern auch die breite Bevölkerung anzusprechen. Besonderes Lob erhielt dabei die Stop-Aids-Informationskampagne des BAG und der «Aids Hilfe Schweiz» (AHS). Als weltweit einmalig bezeichneten die Fachleute die fortgesetzte Evaluation aller präventiven Massnahmen, deren Auswertung und Einbezug in neue Kampagnen. Anlass zur Kritik gaben hingegen die föderalistischen Strukturen, welche die Umsetzung der Prävention insbesondere im Bereich der Drogenpolitik teilweise behinderten.

Stop-AIDS-Kampagnen des BAG

Die Kontroverse um HIV-verseuchte Blutpräparate flackerte 1992 erneut auf. Ein AIDS-infizierter Hämophiler reichte Strafklage gegen Unbekannt ein – wobei aber klar war, dass er das BAG, die IKS und den Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) meinte –, da er durch eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus kontaminiert worden war. Er erhielt indirekte Unterstützung vom ehemaligen Leiter des Zentrallaboratoriums des SRK, der öffentlich erklärte, Opfer wären zu vermeiden gewesen, wenn die verantwortlichen Behörden rechtzeitig gehandelt hätten. Diese Anschuldigungen führten Ende 1992 zu einer konkreten Reaktion des SRK: Es entschloss sich, unter Mithilfe des BAG, welches dies schon mehrfach angeregt hatte, ein «Look back» durchzuführen, d.h. die Blutspendenempfänger, welche zwischen 1982 und 1985 womöglich ohne ihr Wissen mit kontaminiertem Blut angesteckt wurden, durch Zurückverfolgung der kritischen Blutkonserven ausfindig zu machen. Bisher hatte das SRK dies stets mit dem Hinweis auf die grosse psychische Belastung abgelehnt, welcher nicht infizierte Blutempfänger während des Abklärungsverfahrens ausgesetzt wären, sowie mit dem Fehlen wirksamer Medikamente gegen die Infektion.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Vorjahr hatte sich das BSV geweigert, den privaten Institutionen, welche zur Beherbergung AIDS-Kranker geschaffen worden waren, Beiträge aus der Invalidenversicherung auszurichten, da es sich hier um eigentliche Sterbe-Heime handle, eine soziale und berufliche Eingliederung, wie sie die IV anstrebt, also nicht mehr gegeben sei. Das Basler «Light-House», die erste Einrichtung dieser Art in der Schweiz, reichte umgehend Beschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht ein. Dieses gab ihm Recht und befand, der Invaliditätsbegriff, wie ihn das Gesetz umschreibt (gesundheitlich bedingte bleibende oder länger dauernde Erwerbsunfähigkeit), sei durchaus auf AIDS-Kranke anzuwenden, weshalb AIDS-Wohnheime weiterhin Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV hätten. Zudem handle es sich bei den AIDS-Sterbeheimen um Stätten der sozialen Integration, da ohne Institutionen wie das «Lighthouse» AIDS-Kranke im Endstadium in Spitäler eingeliefert werden müssten, wo sie – abgesehen von Phasen stationärer Behandlung – nicht angemessen untergebracht wären.

AIDS-Wohnheime haben Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV (1992)

1991 sind in der Schweiz 615 neue Fälle von AIDS-Erkrankungen registriert worden, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Immer häufiger sind auch Heterosexuelle von der Immunschwächekrankheit betroffen. Seit 1983, dem Beginn der Erfassung von AIDS-Erkrankungen, starben 1378 Menschen an den Folgen der HIV-Infektion, davon allein 429 im Berichtsjahr. Aufgrund der gemeldeten positiven Bluttests und der angenommenen Dunkelziffer schätzte das BAG den Anteil der HIV-Positiven an der Gesamtbevölkerung auf zwei bis vier Promille, womit die Schweiz nach wie vor Spitzenreiter in Europa ist.

Anzahl gemeldete neue AIDS-Fälle (1990–1993)

Zur Diskussion steht auch immer wieder die Stellung der HIV-Positiven und AIDS-Kranken in den Sozialversicherungen. In seiner Stellungnahme zu einer Motion von Felten (sp, BS) verwies der Bundesrat auf das im Vorjahr vom Eidgenössischen Versicherungsgericht gefällte Urteil, wonach eine HIV-Infektion als Krankheit im Rechtssinne zu bezeichnen sei. HIV-Positive würden demzufolge bei Vorbehalten oder der Verweigerung von Zusatzversicherungen nicht speziell diskriminiert, sondern lediglich wie andere Kranke behandelt. Er bekräftigte erneut seinen Wunsch nach einem Obligatorium in der Krankenversicherung, womit die Vorbehalte bei der Grundversicherung dahinfallen würden, und erinnerte daran, dass im BVG Mindestleistungen ohne Vorbehalt garantiert sind. Im überobligatorischen Bereich und bei den Zusatzversicherungen lehnte er spezifische Ausnahmen für HIV-Positive und AIDS-Kranke hingegen ab, da dies nach seiner Auffassung eher noch zu einer weiteren Ausgrenzung der von AIDS Betroffenen führen könnte. Auf seinen Antrag hin wurde die Motion nur als Postulat angenommen.

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und sein Blutspendedienst übernahmen die Mitverantwortung für die rund 200 bis 300 Bluter und Transfusionsempfänger, die durch HIV-verseuchte Blutkonserven mit dem Virus angesteckt worden sind. Zusätzlich zum bestehenden Notfall-Fonds wurden Rückstellungen von CHF 1 Mio. für AIDS-Betroffene getätigt. Das SRK betonte, dass sich in der Schweiz im Vergleich zum Ausland bedeutend weniger HIV-Infektionen auf diesem Weg ereignet hätten. Ein Grossteil der Infizierungen sei vor Mitte 1985 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, da noch keine Möglichkeit bestand, sämtliche Blutspenden auf eine eventuelle HIV-Positivität hin zu kontrollieren.

Entschädigung für durch verseuchte Blutkonserven mit HIV angesteckte Personen (1990–1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Die Gesundheit des Menschen in seiner heutigen Umwelt» (NFP 26) widmeten sich verschiedene interdisziplinäre Untersuchungen dem Ausmass, den Mechanismen und den Auswirkungen der gesellschaftlichen Ausgrenzung von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken. Fazit der Studien war, dass dieses Thema nur zusammen mit der wachsenden Intoleranz gegenüber den Randgruppen ganz allgemein angegangen werden kann. Im November 1991 lief eine vom BAG und der Stiftung zur Förderung der Aidsforschung unterstützte Studie zur Frage an, ob bei HIV-Positiven Ausbruch und Verlauf der Krankheit von virusunabhängigen Faktoren beeinflusst werden. Im Zentrum des Interesses stehen zusätzliche Faktoren, welche die Funktionsweise des Immunsystems beeinträchtigen können, wie etwa Stress, Konsum von Drogen oder Alkohol, mangelhafte Ernährung und Rauchen.

Die Gesundheit des Menschen in seiner heutigen Umwelt (NFP 26)