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160 Tage nach der Schaffung des Covid-19-Gesetzes und 93 Tage nach Annahme der ersten Revision behandelte der Ständerat in der Frühjahrssession 2021 die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Erneut stand das Parlament vor einem dichtgedrängten Programm, zumal das Gesetz bis zum Ende der Session fertig beraten sein musste, weil der Bundesrat ansonsten womöglich wieder auf Notrecht zurückgreifen müsste, wie etwa Ruedi Noser (fdp, ZH) erklärte. Der Zürcher Ständerat verwies denn auch auf die Problematik, ein Geschäft, in dem es um CHF 15 Mrd. geht, innert kurzer Zeit behandeln zu müssen. Der Ständerat hatte beispielsweise als Erstrat nur gerade fünf Stunden Zeit, bis die nationalrätliche Kommission seine Entscheide bereits wieder beraten sollte.
Bei der Präsentation der Revision erläuterte Kommissionspräsident Levrat (sp, FR) zum Einstieg, was nicht im Gesetz oder der Revision stehe – auch wenn man beim Lesen der Zeitungen das Gefühl habe, das seien die zentralen Elemente des Gesetzes: nämlich die Regeln zur Öffnung von Geschäften und Restaurants sowie die Meinungsäusserungsfreiheit der Covid-19-Task-Force. Damit stellte er sich ablehnend zur Forderung verschiedener Kommissionen – insbesondere der WAK-NR –, einen zwingenden Öffnungstermin etwa für Restaurants ins Covid-19-Gesetz aufzunehmen. Die WAK-SR habe sich auf die wirtschaftlichen Aspekte konzentriert, wie es ihrer Aufgabe und ihrem Kompetenzbereich entspreche, während das Notfallmanagement in der Verantwortung des Bundesrates liege.

Eintreten war in der Folge nicht bestritten, genauso wenig hatte die WAK-SR Anträge bezüglich Artikel 1 des Gesetzes, der die Grundsätze des Covid-19-Gesetzes beinhaltet, gestellt. Dennoch sorgten verschiedene Einzelanträge insbesondere der Mitte-Fraktion dafür, dass nicht nur die spezifischen vom Bundesrat geplanten Änderungen, sondern auch grundsätzliche Fragen zum Gesetz diskutiert wurden. Den Anfang machte Heidi Z’graggen (mitte, UR), die dem Bundesrat die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, «die mildest- und kürzestmögliche Einschränkung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens» sowie eine Pflicht zur umfassenden Information des Parlaments über die Massnahmen gemäss dem Epidemiengesetz vorschreiben wollte. Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) wollte den Bund zu einem Ampelsystem verpflichten, bei dem er vorgängig Kriterien und Richtwerte für Einschränkungen und Erleichterungen definieren sollte. Benedikt Würth (mitte, SG) beantragte eine Präzisierung bei der Pflicht zum Einbezug der Kantone – statt wie bisher vor allem die GDK sollten zukünftig die einzelnen Kantonsregierungen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Am weitesten ging der Vorschlag von Thomas Minder (parteilos, SH), der ein Vetorecht der zuständigen Kommissionen gegen einen Lockdown, eine Ausgangssperre, grossräumige Grenzschliessungen oder Schliessungen von sehr bedeutenden Branchen schaffen wollte. In der Folge entbrannte vor allem eine Diskussion um die Frage, ob denn nun der Grundsatz des Gesetzes diskutiert werden solle, ob im Hinblick auf die Mehrheitsanträge der WAK-NR zur Öffnung der Wirtschaft mit Grundsatzdiskussionen bis nach der ersten Beratung des Nationalrats gewartet werden solle oder ob es in dieser Revision des Gesetzes einfach um eine Minderung der wirtschaftlichen Folgen gehen solle und das folglich nicht der richtige Zeitpunkt für Grundsatzdiskussionen sei. Kommissionspräsident Levrat lehnte im Namen der Kommission sämtliche Einzelanträge zum ersten Artikel ab. Dabei wies er insbesondere auf die institutionelle Ordnung hin, gemäss der das Parlament abstrakte Normen zu erlassen habe und die Regierung für deren Durchsetzung zuständig sei. Ein Vetorecht der Kommissionen sowie eine zu detaillierte Informationspflicht gegenüber dem Parlament würden dieser institutionellen Ordnung widersprechen. Eine Präzisierung im Sinne des Antrags Z’graggen sei zudem nicht nötig, da die Verhältnismässigkeit im Covid-19-Gesetz bereits jetzt vorgeschrieben sei.
Dennoch stimmte der Ständerat einigen der Einzelanträge zu Artikel 1 zu, nämlich der Pflicht für den Bundesrat, sich an der Subsidiarität zu orientieren und die Einschränkungen so kurz wie möglich zu halten (Antrag Z’graggen), vorgängig Kriterien und Richtwerte zu definieren (Antrag Gmür-Schönenberger) sowie die Kantonsregierungen einzubeziehen (Antrag Würth). Deutlich lehnte er hingegen das Vetorecht für die Kommissionen ab (Antrag Minder).
In einem Einzelantrag verlangte überdies Martin Schmid (fdp, GR), dass Kantone mit stabiler oder rückläufiger epidemiologischer Lage oder mit innovativen Massnahmen zur Bewältigung der Pandemie (beispielsweise einer Covid-19-Teststrategie) Erleichterungen erhalten. So widersprächen wirtschaftspolitische Argumente, wonach ein Kanton wirtschaftlich nicht den anderen vorgezogen werden dürfe, dem Epidemiengesetz, gemäss dem nur gesundheitspolitische Argumente zählten. Christian Levrat vertrat im Gegenzug die Ansicht, dass Schmids Vorschlag im Widerspruch zum Epidemiengesetz stehe, da Letzteres ausschliesslich Massnahmen auf nationaler Ebene vorsehe. Zudem verwies er auf die Situation im November 2020, als es zu einem «Chaos zwischen den Kantonen» gekommen sei. Dennoch sprach sich der Ständerat mit 30 zu 13 Stimmen für den Einzelantrag Schmid aus.

Hauptdiskussionspunkt bei dieser Debatte des Covid-19-Gesetzes waren hingegen die Härtefallhilfen, zu denen zahlreiche Minderheitsanträge vorlagen. Umstritten waren hier beispielsweise die Finanzierungsanteile des Bundes und der Kantone an den Härtefallhilfen. Der Bundesrat hatte vorgesehen, 70 Prozent der Kosten bei Unternehmen mit Umsatz bis CHF 5 Mio. und gar 100 Prozent bei den umsatzstärkeren Unternehmen zu übernehmen. Die WAK-SR schlug vor, den Bundesanteil bei den umsatzschwächeren Unternehmen auf 80 Prozent zu erhöhen, und nahm damit einen Antrag der Finanzdirektorenkonferenz auf, die auf die grosse Belastung der Kantone im Gesundheitsbereich hingewiesen und um eine Reduktion ihres Anteils zur Aufrechterhaltung ihrer Flexibilität gebeten hatte. Zahlreiche Befürwortende einer Erhöhung des Bundesanteils wiesen in der Folge darauf hin, dass die Grossunternehmen, deren Härtefallhilfen vollständig vom Bund finanziert werden, nicht gleichmässig verteilt seien, sondern sich auf einige wenige Kantone konzentrierten. Diese städtischen oder Agglomerationskantone würden somit vom Bund deutlich stärker unterstützt als die übrigen Kantone, weshalb man Letztere durch Erhöhung des Bundesanteils ebenfalls entlasten solle. Eine Minderheit Zanetti (sp, SO) beantragte, dem Bundesrat zu folgen: Es sei den Kantonen durchaus zuzumuten, 18 (statt 12) Prozent der gesamten Härtefallhilfen (also 20 oder 30% der umsatzschwächeren und 0% der umsatzstärkeren Unternehmen) zu übernehmen, betonte Zanetti, insbesondere wenn man bedenke, dass die Kantone zwei Drittel der Nationalbankausschüttungen erhielten – ab diesem Jahr seien dies rund CHF 1.3 Mrd. mehr als bisher, ergänzte Bundesrat Maurer. Der Finanzminister zeigte zwar Verständnis für die Unterstützung der Kantonsvertreterinnen und -vertreter für die Kantone, wies aber darauf hin, dass diese «nicht für die Kasse der Kantone verantwortlich sind, sondern […] sozusagen für meine Kasse». Äusserst knapp, mit 21 zu 21 Stimmen und Stichentscheid von Ratspräsident Kuprecht (svp, SZ) sprach sich der Ständerat für den Antrag der Kommissionsmehrheit und somit für eine Erhöhung des Bundesanteils bei den umsatzschwächeren Unternehmen aus.
Auch andere Anträge des Bundesrates zu den Härtefallmassnahmen hatte die WAK-SR in der Vorbehandlung abgeändert. So hatte der Bundesrat vorgesehen, besondere Vorschriften für Unternehmen mit einem Jahresumsatz über CHF 5 Mio. erlassen zu können. Die Mehrheit der WAK-SR spezifizierte diese besonderen Vorschriften und ergänzte die Bestimmung um die Möglichkeit, ab einem Umsatzrückgang von 80 Prozent höhere Höchstbeträge der Härtefallhilfen vorsehen zu können. Thierry Burkart (fdp, AG) ging letztere Bestimmung zu wenig weit, er forderte einerseits eine entsprechende Verpflichtung für den Bundesrat und eine Senkung der Schwelle auf 70 Prozent Umsatzrückgang. Kommissionspräsident Levrat erachtete die Schwellenhöhe als sekundär, zentral sei, dass eine solche «catégorie de cas de rigueur dans les cas de rigueur», also eine Kategorie der Härtefälle innerhalb der Härtefälle, überhaupt geschaffen werde. Der Finanzminister teilte diese Ansicht, nicht aber die Absicht, den Maximalbetrag für Härtefallhilfen, die ein einzelnes Unternehmen beziehen kann, zu erhöhen. Man habe sich mit den Kantonen darauf geeinigt, dass diese Grenze bei CHF 10 Mio. liegen solle, erklärte der Finanzminister. Nun befürchtete er, dass eine Erhöhung dieses Betrags in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stossen könnte – eine Erhöhung sei folglich eher ein Problem der politischen Akzeptanz als der Kosten, welche die Verwaltung auf etwa insgesamt CHF 200 Mio. schätzte. Der Ständerat teilte diese Sorge jedoch nicht und folgte dem Antrag der Kommissionsmehrheit, nachdem er auch den Antrag Burkart abgelehnt hatte.
Eine Minderheit Zanetti schlug vor, die für Härtefallhilfe nötige Umsatzeinbusse in «besonderen Fällen» – etwa bei Zuliefererbetrieben – von 40 Prozent auf 25 Prozent zu senken. Wenn ein Unternehmen etwas weniger als 40 Prozent Umsatzeinbusse habe, könne es sein, dass ihm genau diese Differenz «den Hals breche». Die Kommissionsmehrheit erachtete die Definition von solchen speziell betroffenen Branchen als schwierig und sprach sich daher gegen den Antrag aus. Finanzminister Maurer verwies auf die Möglichkeit zur Spartenrechnung, welche der Bundesrat in der Zwischenzeit in der Verordnung geschaffen habe; damit «dürfte ein relativ grosser Teil dieser Probleme entschärft sein, aber nicht alle Probleme». Die übriggebliebenen Probleme könne man nun aber in der Verantwortung der Kantone belassen. Diese Meinung teilte der Ständerat und folgte der Kommissionsmehrheit.
Hingegen argumentierte die WAK-SR ihrerseits mit der Akzeptanz der Bevölkerung, als es um die Frage ging, ob Unternehmen ab einem Jahresumsatz von CHF 5 Mio., welche A-Fonds-perdu-Beiträge beziehen, das Gemeinwesen an einem allfälligen Gewinn beteiligen müssen. Die Kommissionsmehrheit schlug vor, dass die Unternehmen 100 Prozent des Gewinns im ersten Jahr und 40 Prozent während drei weiterer Jahre an den Bund abzutreten hätten. Maximal sollte die Gewinnbeteiligung aber dem erhaltenen Beitrag minus CHF 1 Mio. entsprechen. Eine Minderheit Schmid beantragte jedoch, die Gewinnbeteiligung auf das erste Jahr zu begrenzen. Ansonsten habe man während vier Jahren eine durchschnittliche Gewinnsteuer von 55 Prozent und eine Gewinnsteuererhöhung um 650 Prozent – und das nachdem man in derselben Woche die 99-Prozent-Initiative, bei der die Gewinnsteuer um 50 Prozent hätte erhöht werden sollen, als «masslos» abgelehnt habe, argumentierte Roberto Zanetti. Der Finanzminister unterstützte den Minderheitssprecher, zumal Gewinne der Unternehmen ja durchaus erwünscht seien. Deutlich, mit 32 zu 8 Stimmen (bei 1 Enthaltung), folgte der Ständerat der Minderheit und dem Bundesrat und beschränkte die Gewinnbeteiligung auf das erste Jahr.
Ferner schlug die Kommission auch vor, dass Unternehmen, die einen operativen Jahresgewinn erzielen, kein Anrecht auf A-Fonds-perdu-Beiträge haben sollen und allfällig ausbezahlte Beiträge – die durchaus entstehen können, zumal die Unternehmen Anfang Jahr ja noch nicht wissen, ob sie einen Gewinn erwirtschaften werden – zurückzahlen müssen. Auch diese Massnahme stellte der Kommissionssprecher ins Licht der politischen Akzeptanz der Covid-19-Unterstützung – die Bestimmung wurde stillschweigend angenommen.
Darüber hinaus wollte die WAK-SR eine Pflicht für die Eignerinnen und Eigner von Unternehmen schaffen, ab A-Fonds-perdu-Beiträgen von CHF 5 Mio. Eigenleistungen erbringen zu müssen. Eine Minderheit Zanetti sprach sich gegen diese Verschärfung aus. Eine solche Regelung sei in Ordnung für milliardenschwere Filialketten oder ausländische Riesenkonzerne, treffe aber die mittelständischen Unternehmen, deren Besitzerinnen und Besitzer ihr Geld eben im Unternehmen belassen hätten. Christian Levrat entgegnete jedoch für die Kommission, dass es hier nur um diejenigen Unternehmen gehe, deren Eigentümerinnen und Eigentümer über die nötigen Mittel verfügten, um Eigenkapital einzuwerfen. Auch hier unterstützte der Ständerat die Kommissionsmehrheit.

Doch nicht nur bei den Härtefallhilfen, auch in anderen Bereichen lagen Minderheitsanträge vor, etwa bei der Arbeitslosenversicherung und der Kurzarbeit. Hier hatte der Bundesrat beantragt, die Höchstdauer für KAE zu verlängern, den Anspruchsberechtigten 66 zusätzliche Taggelder für die Monate März bis Mai 2021 zuzusprechen und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug und die Beitragszeit zu vergrössern. Dabei beantragte eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG), 107 statt 66 zusätzliche Taggelder zu sprechen und somit rückwirkend auch die Monate Januar und Februar 2021 abzudecken. Paul Rechsteiner verwies auf die «ausserordentlich kritisch[e]» Situation der Betroffenen in bestimmten Branchen, etwa im Gastgewerbe. Man solle jetzt Personen, welche im Januar oder Februar statt März oder April 2021 ausgesteuert wurden, nicht «zwischen Stuhl und Bank fallen» lassen. Die verlangte Rückwirkung erachtete Kommissionssprecher Levrat jedoch auch als problematisch, weil es unmöglich sei, rückwirkend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug in den Monaten Januar und Februar gegeben waren. Finanzminister Maurer verwies indes insbesondere auf die hohen Kosten von CHF 1.3 Mrd., die durch diese Ausdehnung auf die Monate Januar und Februar 2021 entstehen würden. Der Ständerat lehnte den Minderheitsantrag Rechsteiner in der Folge ab.
Hatte die Minderheit Rechsteiner bezüglich der Taggelder eine rückwirkende Regelung beantragt, wollte eine Minderheit Noser die rückwirkend möglichen Anträge zur Kurzarbeit, die der Bundesrat ab Dezember 2020 schaffen wollte, streichen. Mit dieser Regelung müsse jedes einzelne Gesuch seit Dezember 2020 nochmals überprüft werden – im Kanton Zürich seien dies beispielsweise 20'000 Gesuche –, was zu etwa drei bis sechs Wochen zusätzlicher Verspätung bei der Auszahlung von KAE führe. Gleichzeitig hätten nur «ganz wenige Fälle» vergessen, Kurzarbeit anzumelden, zudem könnten diese Fälle über die Härtefallhilfe abgedeckt werden. Kommissionssprecher Levrat erwiderte, dass es vor allem um kleine Unternehmen ohne Personalabteilung in Branchen, in denen Kurzarbeit ungewöhnlich sei, gehe – die grossen Unternehmen hätten die Fristen kaum verpasst. Entsprechend müsse auch nur eine kleine Auswahl der Anträge erneut behandelt werden. Der Ständerat teilte diese Einschätzung und folgte der Kommissionsmehrheit.

Im Gesundheitsbereich lagen zwei Einzelanträge von Thomas Minder vor: Er forderte einerseits, geimpfte Personen von Quarantänemassnahmen auszunehmen und andererseits die Einführung einer Impfpflicht durch Bund oder Kantone explizit zu verbieten. Damit nahm er eine Forderung wieder auf, die bereits bei der Schaffung des Gesetzes im September 2020 diskutiert worden war: Um die Impfskeptikerinnen und Impfskeptiker zu beruhigen, solle eine entsprechende Klausel eingefügt werden, auch wenn das Gesetz eigentlich das Thema Impfpflicht nicht betreffe. Damit könne im Hinblick auf die Referendumsabstimmung im Juni Klarheit geschaffen und «den Gegnern des Covid-19-Gesetzes mit Blick auf das Referendum etwas Wind aus den Segeln» genommen werden, betonte Minder. Wie bereits im September 2020 der Nationalrat sprach sich nun auch der Ständerat gegen die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots einer Impfpflicht aus; anders als bei der ersten Debatte dieses Themas verwies Finanzminister Maurer jedoch darauf, dass womöglich irgendwann eine Ausnahme von der Impfpflicht diskutiert werden müsse – bisher sei dies aber nie diskutiert worden. Bezüglich der Ausnahme von Geimpften von den Quarantänemassnahmen verwiesen Andrea Caroni (fdp, AR) und Hans Stöckli (sp, BE) auf einen Antrag der SPK-SR an den Bundesrat, sich unabhängig von der zweiten Covid-19-Gesetzesrevision um diese Problematik zu kümmern. Dies sei der bessere Weg, zumal noch unklar sei, inwiefern geimpfte Personen die Viren weitergeben würden, betonte Stöckli. Knapp, mit 19 zu 18 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) nahm der Ständerat den ersten Antrag Minder an, wonach Geimpfte nicht in Quarantäne müssen.

Für rote Köpfe sorgte der Antrag der Mehrheit der WAK-SR, den Kantonen zur Stärkung des Detailhandels an bis zu zwölf zusätzlichen Sonntagen pro Jahr Sonntagsverkäufe zu erlauben. Eine Minderheit Rechsteiner lehnte den Mehrheitsantrag ab, der die «Bestimmungen über den Arbeitnehmerschutz ganz massgebend umkrempeln möchte, zulasten der Arbeitnehmenden» – und dies ohne vorgängige Anhörung der Sozialpartner, wie der Minderheitensprecher betonte. Er verwies zudem auf die wichtige Rolle des Sonntags, dem einzigen Tag, an dem alle frei hätten, und kritisierte den Zynismus, eine solche Regelung unter dem Titel «Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes» schaffen zu wollen. «Wir haben jetzt ein Jahr lang jeder Schweizerin und jedem Schweizer beigebracht, wie man über das Internet bestellt», darum müsse man dem stationären Handel nun mehr Spielraum geben, verteidigte Ruedi Noser das Anliegen. Zudem sei diese Bestimmung bis Ende Jahr begrenzt und enthalte eine Kann-Formulierung – die Entscheidungshoheit liege bei den Kantonen. Mit 23 zu 18 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat der Minderheit und lehnte die Möglichkeit zur Erhöhung der Anzahl Sonntagsverkäufe ab.

Auch im Sportbereich stand ein Änderungsantrag im Raum: Eine Minderheit Noser beantragte in Übereinstimmung mit einem Antrag der WBK-NR, die Pflicht für Sportklubs, die durchschnittlichen Löhne ihrer Mitarbeitenden zu senken, wenn sie Anrecht auf A-Fonds-perdu-Beiträge haben möchten, zu streichen. Noser verwies auf die Entstehung der aktuellen Regelung: Anfänglich hätten nur Sportklubs A-Fonds-perdu-Beiträge erhalten, während die übrigen Unternehmen Kredite aufnehmen mussten – entsprechend seien die strikteren Bedingungen für die Sporthilfe gerechtfertigt gewesen. Mit der Härtefallregelung für die Wirtschaft erhielten aber andere Unternehmen unter deutlich grosszügigeren Bedingungen A-Fonds-perdu-Beiträge als die Sportklubs. Zudem stelle die Bedingung der Einkommenssenkung die Vereine vor grosse Schwierigkeiten, zumal Lohnkürzungen einer Änderungskündigung bedürften. Damit würden die Spieler aber ablösefrei, wodurch den Klubs Transferbeiträge verloren gingen. Diese Verluste seien häufig grösser als die Gelder, welche die Vereine als Unterstützung erhielten. Für die Kommission bat Christian Levrat jedoch darum, «de ne pas changer les règles du jeu en cours de partie» und verwies auch hier auf die Akzeptanz der Regelungen in der Öffentlichkeit. Diese sei gefährdet, wenn die Arbeitnehmenden in Kurzarbeit auf 20 Prozent ihres Lohns verzichten müssten, während die vom Staat unterstützten Klubs Profisportlern weiterhin ihre vollen Löhne bezahlten. Man sei hier daran, eine bessere Lösung zu finden, aber zum jetzigen Zeitpunkt solle man bei der bisherigen Lösung bleiben. Mit 20 zu 20 Stimmen und Stichentscheid von Präsident Kuprecht folgte der Ständerat dem Minderheitsantrag Noser und strich die entsprechende Bedingung.

Weniger umstritten waren die übrigen Bestimmungen, über die der Ständerat zu befinden hatte. Bezüglich der Kulturhilfe schlug die WAK-SR vor, keinen maximalen Betrag für Kulturhilfe mehr ins Gesetz zu schreiben und stattdessen einfach von «notwendigen Finanzmitteln» zu sprechen. Stillschweigend nahm der Ständerat die Änderung an und löste die dafür nötige Ausgabenbremse. Auch eine Regelung, mit welcher er den Bund zur Förderung und Übernahme der direkten und indirekten Kosten der Covid-19-Tests verpflichten wollte, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Schliesslich befürwortete er auch die Unterstützung von privaten Radio- und Fernsehunternehmen mit maximal CHF 20 Mio. pro Sender, genauso wie die vom Bundesrat geschaffene Ergänzung des Covid-19-Gesetzes, wonach der Bund denjenigen Kantonen, welche ihre öffentlich geführten Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung mit Ausfallentschädigungen unterstützt haben, Finanzhilfen in der Höhe von 33 Prozent der Ausfallentschädigungen ausrichten soll.

In der Gesamtabstimmung wurde die Änderung des Covid-19-Gesetzes nicht bestritten, die kleine Kammer nahm sie einstimmig (mit 39 zu 0 Stimmen) an. Auch der Bundesbeschluss über die Finanzierung der Härtefallmassnahmen nach dem Covid-19-Gesetz sowie der ausserordentliche Beitrag an den Ausgleichsfonds für das Jahr 2021 fanden einstimmige Zustimmung (39 zu 0 Stimmen respektive 38 zu 0 Stimmen). Damit reichte die kleine Kammer die Revision des Covid-19-Gesetzes an ihren Schwesterrat weiter.

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Der Ständerat behandelte das Covid-19-Gesetz gleich am Folgetag der entsprechenden nationalrätlichen Debatte, was dazu führte, dass der Kommission und den einzelnen Ratsmitgliedern nur sehr wenig Zeit für die Vorbereitung blieb. Probleme bereiteten der Kommission insbesondere die vom Nationalrat gutgeheissenen Einzelanträge, da sie diese erst am Morgen vor der Ratsdebatte behandeln konnten. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) nannte die Situation entsprechend «herausfordernd, aber auch nicht völlig ungewöhnlich», zumal die Themen «überblickbar» seien. Anders sah dies Thomas Minder (parteilos, SH), der das Geschäft zu einem «Fauxpas der gröberen Sorte» erklärte, was er unter anderem auf die gedrängte Behandlung bezog. Eintreten war jedoch unbestritten.

Zuerst setzte sich der Ständerat in der Detailberatung mit einem Ordnungsantrag Minder auseinander, der auf dem zweiten Teil seiner Kritik beruhte: Der Schaffhauser Ständerat befürchtete, dass die Breite des Gesetzes die Einheit der Materie verletze. Er zeigte sich besorgt, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei einer so breiten Vorlage in einem drohenden Referendum ihrer freien Willensäusserung nicht nachkommen könnten. Entsprechend reichte er einen Splittingantrag ein, bei dem er die Primärmassnahmen, also die Massnahmen zur Bekämpfung der Epidemie, von den Sekundärmassnahmen, also den Massnahmen zur Bewältigung der Folgeprobleme, trennen wollte. Mit der Ansicht, dass die Zusammenfassung solch unterschiedlicher Aspekte in einem Gesetz problematisch sei, war Minder nicht alleine. Zahlreiche Sprechende pflichteten ihm diesbezüglich bei, selbst Kommissionssprecher Rechsteiner sprach von einem «gesetzgeberischen Birchermüesli». Dennoch fand die vorgeschlagene Lösung des Splittings bei der Ratsmehrheit wenig Anklang: Damit vereinfache man die Wahrnehmung der politischen Rechte nicht, sondern erschwere sie zusätzlich, argumentierte etwa Carlo Sommaruga (sp, GE). Zudem gebe man der Stimmbevölkerung erst recht das Gefühl, dass man sie an ihrer Mitsprache hindern wolle, weil sie dadurch zwei Referenden ergreifen müsste, ergänzte Paul Rechsteiner für die Kommission. Bundeskanzler Thurnherr erklärte, dass sich der Bundesrat durchaus überlegt habe, die Vorlage in viele einzelne dringliche Bundesbeschlüsse aufzuspalten, sich aber dagegen entschieden habe, weil das zu wenig übersichtlich gewesen wäre. Mit 30 zu 7 Stimmen lehnte der Ständerat in der Folge den Antrag Minder ab.

Bei der Detailberatung lag auch dem Ständerat eine Vielzahl an Anträgen vor (20 Mehrheits-, 13 Minderheits- und 10 Einzelanträge) und wiederum war bereits der Artikel zum Gegenstand des Gesetzes umstritten. Hier behandelte der Ständerat einen neuen Einzelantrag Caroni (fdp, AR), der explizit festhalten wollte, dass der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse nur soweit wahrnehmen dürfe, wie eine Problematik wirklich dringlich sei. Wann immer möglich, solle er jedoch den ordentlichen oder dringlichen Gesetzgebungsprozess einhalten. Kommissionssprecher Rechsteiner erachtete die Bestimmung als überflüssig und befürchtete überdies, dass sie zu Missverständnissen führen könnte. So gebe es durchaus Massnahmen, von denen man wolle, dass sie der Bundesrat selbständig umsetze, zum Beispiel die Beschaffung von Gesundheitsmaterial. Bundeskanzler Walter Thurnherr erachtete den Zusatz zwar ebenfalls als unnötig, er sei aber auch nicht schädlich, «weil wir nichts anderes vorhaben als das». Mit 24 zu 15 Stimmen nahm die kleine Kammer den Antrag Caroni an und schuf damit eine erste Differenz zum Nationalrat.
Darüber hinaus diskutierte nach dem Nationalrat auch der Ständerat über die Frage, ob die Dachverbände der Sozialpartner und die Verbände der Gemeinden und Städte ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden sollten. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Änderung durch den Nationalrat ab, eine Minderheit Germann (svp, SH) befürwortete sie. So betonte Germann unter Nennung seiner Interessenbindung als Präsident des Gemeindeverbandes, dass die Massnahmen gerade in den Bereichen der Kinderkrippen, der Unterstützung des öffentlichen Verkehrs oder der Kulturhilfen die Gemeinden durchaus betreffe und dass diese entsprechend auch angehört werden sollten. Mit 23 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und schuf damit eine weitere Differenz zum Erstrat. Die übrigen Änderungen des Nationalrats, wie die Information der Parlamentsorgane und die Orientierung der Entscheidungen an den vorhandenen Daten, hiess der Ständerat stillschweigend gut. Umstritten war hingegen die Frage, ob temporär die Bundeskanzlei einen Teil der Stimmrechtsbescheinigungen bei den Gemeinden einholen solle, wie der Nationalrat entschieden hatte. Die Kommissionsmehrheit lehnte dies ab. Der Bundeskanzler betonte, dass Initiativen und Referenden nicht nur aufgrund erschwerter Bedingungen nicht zustandekämen, in den letzten zehn Jahren seien 40 Prozent der Initiativen an der Unterschriftensammlung gescheitert. Ziel des bestehenden Gesetzes sei, dass die Referendumskomitees «selber die Verantwortung dafür übernehmen, wie viele Unterschriften sie haben». Ein Einzelantrag Vara (gp, NE) wollte diesbezüglich hingegen dem Nationalrat folgen: Damit könne man der Zivilgesellschaft zeigen, dass man ihre Anliegen anerkenne, zudem sei es die Pflicht der Politikerinnen und Politiker, die demokratischen Rechte auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten, betonte die Minderheitensprecherin. Mit 18 zu 17 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) teilte der Rat diese Meinung mehrheitlich und folgte diesbezüglich dem Nationalrat.

Besonders umstritten waren im Ständerat, wie bereits im Nationalrat, die Massnahmen im Kulturbereich. Hier entschied sich der Ständerat mit 26 zu 14 Stimmen für den Vorschlag der Kommission, insgesamt nur CHF 80 Mio. anstelle der vom Nationalrat festgesetzten und von einer Minderheit Graf (gp, BL) vorgeschlagenen CHF 100 Mio. für Leistungsvereinbarungen der Kantone bereitzustellen.
Bei den Sportvereinen schlug die Kommission vor, die vom Nationalrat angenommenen Darlehen ebenfalls zu ermöglichen, jedoch von den Vereinen Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent statt 25 Prozent zu verlangen und keine Möglichkeit für Rangrücktritte durch den Bund – also für eine Einwilligung des Bundes, dass seine Forderungen im Falle einer Insolvenz letzte Priorität hätten – vorzusehen. Eine Minderheit Germann wollte in beiden Punkten dem Nationalrat folgen. Für die Klubs seien diese Fragen entscheidend, da eigentlich bereits Sicherheiten von 25 Prozent über ihrer Schmerzgrenze lägen. Wenn der Betrag zudem ohne Rangrücktritte gewährt würde, müsste er als Fremdkapital angerechnet werden, wodurch sich die Klubs womöglich bereits zur Überschuldung anmelden müssten. Stattdessen solle eine Kann-Formulierung geschaffen werden, so dass der Bund immer noch entscheiden könne, ob ein Verein bereits hoffnungslos verloren sei oder nicht. Mit letzterem Kommentar nahm er eine Kritik des Bundeskanzlers auf, der mit Bezug auf die Position des VBS und des BASPO erklärt hatte, dass ein Verein, der keine Sicherheiten im Umfang von 35 Prozent aufbringen könne, auch kein Darlehen erhalten solle. Mit 25 zu 13 Stimmen sprach sich der Ständerat für die tieferen, vom Nationalrat vorgeschlagenen Sicherheiten von 25 Prozent aus, lehnte hingegen die Rangrücktritte mit 19 zu 19 Stimmen bei Stichentscheid durch Präsident Stöckli ab.

Besonders umstritten waren die Härtefallmassnahmen für Unternehmen. Kommissionssprecher Rechsteiner betonte, dass der Bundesrat dabei sei, mit dem SECO, der EFV und den Kantonen abzuklären, wie dieser Härtefallfonds aussehen soll. Anstatt jedoch die Ergebnisse dieses Prozesses und den entsprechenden Gesetzesvorschlag in der Wintersession 2020 abzuwarten, habe der Nationalrat die Rechtsgrundlage geschaffen, «bevor das Projekt reif ist». Nun wisse man daher nicht, was die vorgeschlagenen Regelungen kosten würden. Da die Regelung nun aber bereits auf dem Tisch lag, versuchte der Ständerat das Beste daraus zu machen und ergänzte weitere Bestimmungen. So verlangte die Kommissionsmehrheit eine «entsprechende» finanzielle Beteiligung der Kantone, während eine Minderheit I Bischof (cvp, SO) diese Beteiligung auf den Wohnsitzkanton beschränken wollte. Eine Minderheit II Germann wollte eine ähnliche Bestimmung schaffen, wie sie der Nationalrat am Vortrag aufgrund des Einzelantrags Paganini (cvp, SG) angenommen hatte. Entsprechend sei der jetzige Antrag eher eine Ergänzung der nationalrätlichen Bestimmung, quasi ein Absatz 1bis, betonte Carlo Sommaruga, worauf Germann seine Minderheit auf die Streichung der Kann-Bestimmung für die Unterstützung verkürzte. Zusätzlich wollte die Minderheit II Germann ausdrücklich auch A-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen. Ein Einzelantrag Ettlin (cvp, OW) wollte schliesslich sicherstellen, dass nur Unternehmen unterstützt würden, die vor Ausbruch der Krise wirtschaftlich gesund waren, und dass es keine doppelte Unterstützung für die Unternehmen durch verschiedene Massnahmen geben würde. Der Ständerat entschied sich hier für eine ausführlichere Regelung zu den Härtefallmassnahmen, nahm alle drei Minderheits- und Einzelanträge an (Antrag Bischof: 31 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung; Antrag Germann: 23 zu 17 Stimmen; Antrag Ettlin: 38 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) und löste die dafür nötige Ausgabenbremse ohne Gegenstimmen. Damit war er auch einem Vorschlag von Ratspräsident Stöckli (sp, BE) gefolgt, dem Antrag Ettlin zuzustimmen, damit man diese Frage im Differenzbereinigungsverfahren noch genauer diskutieren könne.

Ähnlich umstritten waren die Regelungen zum Erwerbsersatz. Bezüglich der Möglichkeiten auf EO wollte der Ständerat noch einen Schritt weitergehen als der Nationalrat, der diese bereits auf massgebliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausgedehnt hatte. Der Ständerat wollte aber zusätzlich auch die Kann-Formulierung der entsprechenden Regelung streichen, während eine Minderheit Hegglin (cvp, ZG) den engeren bundesrätlichen Vorschlag befürwortete. Es sei bereits mit der jetzigen Lösung für die Vollzugsstellen schwierig, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung zu prüfen, betonte er. Bundekanzler Thurnherr kritisierte einerseits die unklaren, aber vermutlich sehr hohen Ausgaben, die für die EO durch die Ausdehnung auf «Hunderttausende mehr» entstünden, und andererseits die unklare Formulierung der Regelung. Äusserst knapp folgte der Ständerat diesbezüglich der Minderheit Hegglin und dem Bundeskanzler und übernahm die Formulierung des Bundesrates mit 20 zu 19 Stimmen. Sehr kritisch zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber der Idee, die EO auch für Selbständigerwerbende zu öffnen, da es «einfach nicht möglich [sei] zu überprüfen, ob eine selbständigerwerbende Person einen teilweisen Erwerbsausfall erleidet oder nicht». Damit öffne man Missbrauch «Tür und Tor». Die Kommissionsmehrheit wollte den entsprechenden, vom Nationalrat ergänzten Passus streichen, während eine Minderheit Graf diesbezüglich dem Nationalrat folgen wollte. Mit 21 zu 18 Stimmen sprach sich der Rat gegen den Einbezug der Selbständigerwerbenden aus. Stillschweigend lehnte er überdies eine Obergrenze des anzurechnenden Betrags von CHF 90'000, die Möglichkeit für den Bundesrat, Bestimmungen zu den anspruchsberechtigten Personen erlassen zu können, die Pflicht, den Erwerbsausfall nachzuweisen, und die Festlegung der Auszahlung durch Selbstdeklaration ab. Stattdessen nahm er einen Verweis auf die Regelung zur Erlöschung der Ansprüche und zur Verfügung im ATSG vor. Äusserst knapp lehnte die kleine Kammer mit 19 zu 19 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten auch die Verlängerung der Nutzung der Arbeitgeberreserven durch die Arbeitgeber ab, nachdem ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (cvp, LU) diese entgegen dem Antrag der Kommissionsmehrheit aufrechterhalten wollte. Andrea Gmür-Schönenberger hatte argumentiert, dass dadurch den Arbeitgebenden geholfen werden könne, ohne dass jemand belastet würde.

In Zusammenhang mit der Regelung zur EO standen gemäss dem Kommissionssprecher die Entschädigungen für Lohnzahlungen von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden im Zuge von Covid-19-Massnahmen des Bundes. Der Nationalrat hatte sich für eine solche Entschädigung entschieden und eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) wollte diesem Beispiel folgen, die SGK-SR-Mehrheit empfahl hingegen deren Ablehnung. Da es sich bei einer vom Bund verhängten Quarantäne in der Praxis um ein Arbeitsverbot handle, müsse der Bund die Unternehmen für die anfallenden Lohnkosten entschädigen, betonte Marina Carobbio Guscetti. Kommissionssprecher Rechsteiner entgegnete, dass für gefährdete Personen nicht in erster Linie eine Quarantäne, sondern Massnahmen, welche eine Weiterarbeit der Betroffenen erlaube (wie zum Beispiel Homeoffice), angeordnet würden. Durch die vorgeschlagene Regelung hätten die Arbeitgebenden jedoch einen Anreiz, die Mitarbeitenden an der Arbeit zu hindern, anstatt sie dabei zu schützen. Mit 24 zu 13 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag ab.

Bei den Massnahmen zur ALV lehnte die Kommission die Ausdehnung der EO auf Personen auf Abruf, in Arbeitsverhältnissen auf Dauer, in Lehrverhältnissen sowie im Dienste von Temporärfirmen ab, wie sie der Nationalrat zuvor hinzugefügt hatte. In einem Einzelantrag machte sich Marina Carobbio Guscetti dafür stark, diese Ausdehnung beizubehalten, um diese Personen, in «prekären Arbeitsverhältnissen» zu unterstützen. Bundeskanzler Thurnherr argumentierte einerseits, dass Temporärarbeit sehr missbrauchsanfällig sei, und befürchtete andererseits, dass diese Arbeitsverhältnisse durch eine solche Besserstellung noch gefördert würden. Mit 26 zu 13 Stimmen folgte der Rat den Ausführungen des Bundeskanzlers und dem Antrag der Kommission. Auch zwei Minderheitsanträge Graf, die Vorschläge aus dem Erstrat aufnahmen, waren nicht erfolgreich: Mit 25 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat einen höheren Lohnersatz bei tiefen Löhnen (entsprechend dem Minderheitsantrag Maillard (sp, VD) im Nationalrat) ab, mit 25 zu 14 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach er sich gegen die finanzielle Unterstützung von familienergänzenden Institutionen (gemäss den Anträgen Feri (sp, AG) und Weichelt-Picard (al, ZG) im Nationalrat) aus.

Die übrigen Massnahmen waren deutlich weniger umstritten. Bei den Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung schlug Jakob Stark (svp, TG) in einem Einzelantrag vor, den Personen, die sich vor einem durch diesen Artikel ausgelösten Impfobligatorium und der Zulassung von ausserordentlich zugelassenen Impfungen fürchteten, entgegenzukommen und ihren Bedenken Rechnung zu tragen, indem man ausdrücklich festhalten sollte, dass im Ausnahmeverfahren zugelassene Impfstoffe nicht dem Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz (Art. 6, Absatz 2 Buchstabe d) unterliegen sollen. Damit könnte die Akzeptanz des Gesetzes erhöht werden, betonte er. Von diesem Vorschlag zeigte sich Kommissionssprecher Rechsteiner gar nicht überzeugt. Die Annahme dieses Antrags wäre ein «Eigengoal erster Güte», betonte er. Das Covid-19-Gesetz habe «null und nichts» mit Impfen zu tun, es gehe lediglich um die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln, nicht von Impfstoffen. Bundeskanzler Thurnherr betonte zudem, dass es beim Impfobligatorium gemäss Epidemiengesetz ausschliesslich um Personen mit Betreuungsfunktionen gehe. Zudem sei eine vereinfachte Zulassung von Impfstoffen aufgrund der Konzeption des Heilmittelgesetzes nicht möglich, wie ihm das BAG versichert habe. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Stark in der Folge ab.
Ständerat Minder beantragte überdies, die Möglichkeit des Bundesrates zur Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern aus dem Gesetz zu streichen. Dass während der Corona-Krise zu wenig medizinische Güter wie Desinfektionsmittel vorhanden gewesen seien, heisse nicht, dass der Staat für deren Vermarktung zuständig sein und damit die freie Privatwirtschaft konkurrenzieren solle, kritisierte er. Der Bundeskanzler betonte jedoch, dass es hier lediglich darum gehe, dass der Bund, wenn er wie im Frühling Güter beschaffen müsse, diese bei der Rückkehr zur normalen Lage auch dann an die Verbraucher im Gesundheitswesen oder die Kantone abgeben könne, wenn er dafür Marktpreise gezahlt hatte. Es würden aber keine medizinischen Güter direkt an die Endkunden verkauft. Mit 33 zu 6 Stimmen lehnte der Ständerat den Antrag Minder ab.
Dann wollte die SGK-SR die Möglichkeit des Bundesrates, medizinische Tätigkeiten einzuschränken oder zu verbieten, nur auf Fälle beschränken, die nicht dringend sind und deren Aufschub keine Konsequenzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten mit sich bringen. Diesen Punkt wolle man einfach explizit im Gesetz ausführen, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner. Der Bundeskanzler zeigte sich von der Formulierung nicht begeistert: Entweder gebe es «keine nicht dringlichen Eingriffe, deren Nichtausführung schädliche Konsequenzen beim Patienten nach sich» zögen, weil sie sonst ja dringlich wären, oder alle möglichen Konsequenzen einer Nichtbehandlung würden einen sofortigen Eingriff nötig machen. Mit 31 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat dennoch für die Präzisierung aus. Alle übrigen Änderungen des Nationalrats hiess der Ständerat stillschweigend gut.

In der Ausländer- und Asylpolitik wurden einige im Nationalrat abgelehnte Forderungen wieder aufs Tapet gebracht. So schlug die Kommission entsprechend dem Minderheitsantrag Crottaz (sp, VD) im Nationalrat vor, die Fristerstreckung auf weitere Bereiche auszudehnen, was der Rat stillschweigend annahm. Ohne Diskussion sprach sich der Rat auch für die vom Nationalrat geschaffene Ausnahme für Familiennachzug und Konkubinate aus. Eine Minderheit Sommaruga wollte zudem mit einer sehr offenen Formulierung festhalten, dass der Bundesrat bei Grenzschliessung die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner des Grenzgebiets «bestmöglich» gewährleistet. Damit wolle er der im Frühjahr aufgetretenen Problematik Rechnung tragen, als viele Personen Probleme bekamen, zum Beispiel weil sie auf der anderen Seite der Grenze arbeiteten, zur Schule gingen oder Familienmitglieder besuchen wollten. Dem pflichteten Maya Graf und Charles Juillard (cvp, JU) als weitere Vertretende von Grenzregionen bei, während Marco Chiesa aus gegenteiliger Perspektive des Tessins vertrat: Im Tessin sei man vielmehr hilflos gewesen, weil die Grenzen nicht hatten geschlossen werden können. Mit 28 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Rat dem Antrag Sommaruga zu.

Bei den insolvenzrechtlichen Massnahmen schlug die Kommission vor, dass der Bundesrat neben dem Nachlassvertrag und der Stundung auch bei der Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung vom Gesetz abweichende Regeln erlassen können soll. Der Bundeskanzler sprach sich im Namen des Bundesrates aufgrund des Gläubigerschutzes gegen diesen Antrag, der mit einer Motion Ettlin (Mo. 20.3418) übereinstimme, aus. Der Gläubigerschutz sei mit der entsprechenden Sofortmassnahme eingeschränkt worden, nun könne man diese Massnahme aber nicht beliebig lange fortsetzen. Auch in der Vernehmlassung seien entsprechende Bedenken geäussert worden. Mit 31 zu 5 Stimmen nahm der Ständerat den Vorschlag dennoch an. Stattdessen strich der Ständerat auf Antrag der Kommission stillschweigend die vom Nationalrat geschaffene Möglichkeit, die Haftung von Transporteuren für die Zollschuld bei Konkursen der Empfänger oder Importeure wegen Covid-19 zu streichen.

Zum Abschluss der Debatte behandelte der Rat noch einen Einzelantrag Stark, der das Covid-19-Gesetz nur bis Ende September 2021, statt wie vom Bundesrat vorgeschlagen bis Ende Dezember 2021 laufen lassen wollte. Da die Covid-19-Krise im Sommer 2021 mit grosser Wahrscheinlichkeit vorbei sein werde, solle das Gesetz nicht noch bis Ende Jahr gültig bleiben, argumentierte Jakob Stark. Durch die verkürzte Gültigkeit sende man der Schweizer Bevölkerung ein positives Signal, dass man das Notrecht zeitlich möglichst begrenzt halten wolle. Mit 30 zu 8 Stimmen folgte der Ständerat jedoch der Kommissionsmehrheit und beliess die Frist bei Ende 2021.
Mit 33 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) sprach sich schliesslich die überwiegende Mehrheit des Ständerats für das Covid-19-Gesetz aus. Die ablehnende Stimme stammte von Thomas Minder (parteilos, SH) und die Enthaltungen von Mitgliedern SVP und einem Mitglied der CVP.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen