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Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments erachteten das BehiG als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“, die 1999 mit über 120 000 Unterschriften eingereicht worden war. Wegen der zwar nicht abschätzbaren, aber als zu hoch eingestuften Kosten, die sich aus der behindertengerechten Ausgestaltung aller für die Öffentlichkeit bestimmter Bauten und Anlagen ergeben würden, empfahl der Ständerat mit 36 zu 4 Stimmen die Initiative zur Ablehnung. Auch der Bündner SVP-Vertreter Brändli, Präsident der an der Lancierung der Initiative beteiligten „Pro Infirmis“ sprach sich, schon nur aus rechtlichen Überlegungen, wie er betonte, für den indirekten Gegenvorschlag und gegen die Initiative aus. Mit den gleichen Argumenten wurde die Initiative auch vom Nationalrat abgelehnt, allerdings nur relativ knapp mit 82 zu 75 Stimmen bei sieben Enthaltungen. Ziemlich überraschend hatte die vorberatende Kommission Zustimmung zur Initiative beantragt. Die Gegner rekrutierten sich aus der SVP, einer Mehrheit der FDP und Teilen der CVP.

Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ (BRG 00.094)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Bei der Behandlung der 4. IV-Revision diskutierte der Ständerat vor allem über die Ausgestaltung der Assistenzentschädigung. Ständerätin Langenberger (fdp, VD) brachte ein neues Modell ein, das von vielen Behindertenorganisationen schon länger propagiert wird und nun auch die Unterstützung der Kantone fand. Dieser Vorschlag sah vor, die Existenzsicherung von Behinderten, die selbstbestimmt leben möchten, nicht über eine Verdoppelung der Hilflosenentschädigung resp. der Pflegebeiträge für Minderjährige und einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) bis zum Gesamtbetrag von jährlich 90'000 Fr. vorzunehmen, wie dies der Nationalrat beschlossen hatte, sondern die Hilflosenentschädigung auf dem heutigen Stand von 200 bis 800 Fr. pro Monat zu belassen, daneben aber den Anspruch auf ein individuelles Hilflosenbudget einzuführen, das je nach Bedarf an Pflege und Betreuung bis zu 8'000 Fr. pro Monat betragen und selbständig verwaltet werden sollte. Langenberger begründete ihren Minderheitsantrag mit der noch grösseren Autonomie der Behinderten als in der Version des Nationalrates und damit, dass beim Modell des Nationalrates jene Behinderte benachteiligt würden, die trotz einer schweren Behinderung erwerbstätig sind.

Obgleich sich im Plenum alle überzeugt zeigten, dass der Vorschlag Langenberger das Modell der Zukunft sei, unterlag ihr Antrag nach längerer Debatte mit 21 zu 16 Stimmen. Die Mehrheit befand, die Sache sei noch nicht ausgereift. Da es für den Systemwechsel an verlässlichen statistischen Grundlagen fehle, seien dessen finanziellen Konsequenzen unkalkulierbar. Zudem, wurde gewarnt, mit dem Systemwechsel drohe eine Pflicht zum Export der Leistungen in die EU-Staaten; aus diesem Grund hatte der Rat bereits zu Beginn der Debatte den Begriff „Assistenzentschädigung“ wieder in „Hilflosenentschädigung“ umbenannt. Auch Bundesrätin Dreifuss sah im Minderheitsantrag mehr offene als gelöste Probleme. Eine Brücke zwischen den beiden Positionen schlug schliesslich Ständerat Pfisterer (fdp, AG). Er beantragte, den Bundesrat zu verpflichten, unverzüglich einen oder mehrere Pilotversuche mit dem neuen System zu veranlassen. Sein Antrag wurde ohne Gegenstimme angenommen. Pilotversuche sind auf Vorschlag des Bundesrates auch im Bereich der Erwerbstätigkeit vorgesehen; sie sollen zeigen, wie die Arbeitgeber dazu motiviert werden können, Personen mit Behinderungen anzustellen.

In den weiteren Punkten folgte der Ständerat weitgehend der Linie des Nationalrates. Er unterstützte die Einführung einer Dreiviertelsrente, die dank einer besseren Abstufung gewisse Einspareffekte bringen soll, sowie die bereits im ersten Anlauf zu dieser Revision unbestrittene Aufhebung der Zusatzrente für Ehepartner. Bei der Verbesserung der Aufsicht über die ärztlichen Dienste, welche eine Vereinheitlichung der Anspruchberechtigung und damit ebenfalls Minderkosten anstrebt, nahm er allerdings gewisse Retouchen im Sinn einer stärkeren Steuerung vor. Nichts wissen wollte er von einem Zweckartikel im Gesetz, der deutlich machen soll, dass die Leistungen der IV zu einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung von Personen mit Behinderungen beizutragen haben. Zur finanziellen Konsolidierung siehe hier.

Vierte IV-Revision (BRG 01.015)
Dossier: Vierte IV-Revision (1990-2003)

Wer gegen seinen Willen sterilisiert oder kastriert wurde, was vielen geistig behinderten Menschen auch in der Schweiz widerfuhr, soll für diesen schweren Eingriff in die psychische und physische Integrität entschädigt werden. Zudem gilt es, künftige Missbräuche zu verhindern. Beides soll in einem neuen Gesetz geregelt werden, das auf eine parlamentarische Initiative der ehemaligen Nationalrätin von Felten (gp, BS) zurückgeht und vom Bundesrat Ende März in die Vernehmlassung gegeben wurde. Das Gesetz will die Sterilisation nur dann erlauben, wenn die betroffene Person volljährig ist und ihre Einwilligung erteilt. Ist die Person jünger oder aufgrund ihrer geistigen Behinderung auf Dauer urteilsunfähig, ist der Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen und mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde erlaubt. In allen anderen Fällen wird die Zwangssterilisation als schwere Körperverletzung im Sinn des Strafgesetzbuches geahndet. Opfer von vergangenen zwangsweisen Sterilisationen oder Kastrationen sollen im Rahmen des Opferhilfegesetzes entschädigt werden.

Zwangssterilisation geistig behinderter Menschen

Anders als der Ständerat im Vorjahr, der beim Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen (BehiG) in den grossen Linien dem Entwurf des Bundesrates gefolgt war, nahm die vorberatende Kommission des Nationalrates mit grosser Mehrheit eine deutliche Anreicherung der Vorlage vor. Unter Wahrung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Tragbarkeit und der Verhältnismässigkeit orientierte sie sich dabei im wesentlichen am Gleichstellungsgesetz für Frau und Mann mit einklagbaren Rechten für Einzelpersonen und Organisationen. Öffentlich zugängliche Altbauten sowie private Neubauten mit mehr als sechs Wohneinheiten (anstatt acht gemäss Bundesrat und Ständerat) sollten zwingend behindertengerecht ausgestaltet werden. Die wesentlichste Ausdehnung fand im Bereich der Arbeit statt. Der Geltungsbereich wurde auf alle Arbeitsverhältnisse nach Obligationenrecht und öffentlichem Recht erweitert. Die Kantone wurden verpflichtet, die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in die Regelschule zu fördern. Nach dem Muster des Eidg. Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann wurde die Schaffung eines Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen beschlossen, das über die Grundlagen des Gesetzes informieren, Kampagnen durchführen und die Tätigkeiten öffentlicher und privater Einrichtungen auf diesem Gebiet koordinieren soll.

Gesetz zur Gleichstellung Behinderter (BRG 95.418)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Die Initianten zeigten sich nach den parlamentarischen Beratungen vom Gesetz enttäuscht. Ihrer Ansicht nach zeigte gerade die Verwässerung der Vorlage, dass das Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung durch ein eigentliches Gleichstellungsgebot ergänzt werden müsse, da das Gesetz für die zentralen Bereiche der beruflichen Tätigkeit, der Ausbildung, der Kultur und des Sports keine konkreten Schritte vorsieht. Um nicht den Kampf an zwei Fronten führen zu müssen, beschlossen sie, ihre Initiative aufrecht zu erhalten, auf ein Referendum gegen das Gesetz aber zu verzichten.

Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ (BRG 00.094)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

In der Herbstsession behandelte der Ständerat das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen (Behindertengesetz, BehiG). Es herrschte Einigkeit darüber, dass die Situation der körperlich, geistig und psychisch behinderten Menschen verbessert werden muss. In der Detailberatung folgte die kleine Kammer im wesentlichen dem Vorschlag des Bundesrates. In einzelnen Punkten kam sie jedoch den Vorschlägen der Dachorganisation der privaten Invalidenhilfe (DOK) entgegen. So soll das Beschwerderecht nicht nur gesamtschweizerischen, sondern auch Behindertenorganisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung zugestanden werden. Nicht durchsetzen – und zwar mit 32 resp. 31 zu 6 Stimmen – konnten sich Anträge der beiden SP-Abgeordneten Studer (NE) und Brunner (GE), den Geltungsbereich des Gesetzes auf das Erwerbsleben und die Ausbildung auszudehnen, wie dies auch die DOK in der Vernehmlassung gefordert hatte. Abgelehnt wurde auch der Antrag der Kommission, die Beschränkung der Entschädigung bei Diskriminierung (maximal 5000 Fr. nach bundesrätlichem Vorschlag) zu streichen und diese Frage den Richtern zu überlassen. Mit Unterstützung von Bundesrätin Metzler machte Merz (fdp, AR) demgegenüber geltend, diese Aufhebung wecke die Ängste des Gewerbes und wäre nicht konsensfähig. Das Gesetz, das einstimmig verabschiedet wurde, wird als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ zur Abstimmung kommen, sofern diese nicht zurückgezogen wird. Ebenfalls einstimmig gutgeheissen wurde eine Anschubhilfe von 300 Mio Fr. für behindertengerechte Massnahmen im öffentlichen Verkehr sowie die dafür notwendige Überwindung der Ausgabenbremse.

Gesetz zur Gleichstellung Behinderter (BRG 95.418)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Der Nationalrat überwies ein Postulat Widmer (sp, LU), welches den Bundesrat ersucht zu prüfen, mit welchen Massnahmen die Zusammenarbeit zwischen der IV und den regionalen Arbeitsvermittlungsstellen bei der Eingliederung der Behinderten in den Arbeitsprozess verbessert werden kann.

Eingliederung der Behinderten

Auf Grund scharfer Proteste von Behindertenorganisationen revidierte die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) ihre im Vorjahr publizierte Empfehlung zur Sterilisation nicht Urteilsfähiger. Sie hatte ihre Haltung mit dem Recht auf gelebte Sexualität begründet, weshalb es naheliegend sei, nicht mehr länger auf die Urteilsfähigkeit als einzig massgebliches Kriterium für die Zulässigkeit einer Sterilisation abzustellen; diese sollte auch dann erlaubt sein, wenn eine Person deren Tragweite nicht voll begreifen kann. In Erwartung der anstehenden Revision des Vormundschaftsgesetzes beschloss die SAMW, wieder zu ihren Richtlinien von 1981 zurückzukehren. Danach dürfen keine Sterilisationen von urteilsunfähigen Personen vorgenommen werden. Bei urteilsfähigen geistig Behinderten wird die Sterilisation als Ultima Ratio angesehen. Voraussetzung für den Eingriff soll ein Gutachten eines Facharztes und das klare Einverständnis der Betroffenen sein.

Zwangssterilisation geistig behinderter Menschen

Im Dezember verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zum Gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen. Es trägt den in der Vernehmlassung ausgedrückten Bedenken insofern Rechnung, als die Invaliden ein Beschwerde- und Klagerecht erhalten. Die Behindertenverbände reagierten verhalten auf die bundesrätlichen Vorschläge. Das Gesetz gehe zwar in die richtige Richtung, aber es genüge noch nicht. Insbesondere die Bereiche Arbeit (lediglich Förderung der Anstellung von Behinderten in der Bundesverwaltung) und Schule (nur Aufforderung an die Kantone, behinderten Kindern und Jugendlichen eine den Bedürfnissen angepasste Grundschulung zu gewährleisten) seien praktisch ganz ausgeklammert geblieben. Als besonders störend empfanden die Behinderten, dass das Gesetz für die Anpassungen in den öffentlichen Bauten und im öffentlichen Verkehr eine Übergangsfrist von 20 Jahren vorsieht, und dass der Abbau von Hürden nur zwingend vorgeschrieben wird, wenn der wirtschaftliche Aufwand vertretbar ist. Wegen dieser Mängel wollen die Verbände an ihrer Initiative festhalten.

Gesetz zur Gleichstellung Behinderter (BRG 95.418)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Der Bundesrat beschloss, der Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ sowie zwei parlamentarischen Vorstössen einen indirekten Gegenvorschlag entgegen zu stellen. Das neue Behindertengesetz, das Mitte Jahr in die Vernehmlassung ging, konkretisiert die von der revidierten Verfassung geforderte Beseitigung der Benachteiligungen im öffentlichen Leben. Da der einklagbare subjektive Anspruch auf Zugang zu den Rechten in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Bauten, Fernsehen, Telefondienstleistungen, Bildung und Arbeit in einer ersten Konsultation von der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien wegen der unklaren Folgekosten abgelehnt worden war, stellte der Bundesrat je eine Variante mit und ohne diesen Rechtsanspruch zur Diskussion. Die Schaffung eines Gesetzes zur Gleichstellung von behinderten mit nicht behinderten Menschen wurde auf breiter Ebene begrüsst. Die SP und die Behindertenverbände erachteten allerdings die vorgeschlagenen Massnahmen als zu wenig weit gehend, da insbesondere die Bereiche Schule und Arbeit zu wenig konkret formuliert seien. Die bürgerlichen Parteien wiesen erneut auf finanziell unklaren Folgen für allfällige Um- oder Neubauten hin.

Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ (BRG 00.094)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Die 15 wichtigsten Organisationen der privaten Behindertenhilfe, zusammengeschlossen in der Dachorganisatoren-Konferenz DOK, legten Anfangs September einen eigenen Gesetzesentwurf zur Gleichstellung der Invaliden vor. Ständerat Brändli (svp, GR) erklärte als Präsident der Pro Infirmis Schweiz, der Gesetzesentwurf des Bundesrates werde dem umfassenden Anspruch auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen nicht gerecht. So seien die Bestimmungen, die den Zugang zu öffentlichen Gebäuden regelten, zum Teil weniger verbindlich gefasst als in kantonalen Baugesetzen. Auch seien keine Anreize und Lenkungsabgaben für die Eingliederung der Behinderten in die Privatwirtschaft vorgesehen. Die DOK verlangte, dass innert zehn Jahren alle von der Allgemeinheit genutzten Bauten und Anlagen, wie Verwaltungsgebäude, Spitäler, Kirchen, Kinos oder Restaurants, behindertengerecht ausgestattet und somit für alle zugänglich sind. Die DOK beharrte auf dem Prinzip eines subjektiven Rechtsanspruchs. Sie forderte zudem ein Verbandsbeschwerderecht und einen eidgenössischen Beauftragten für die Behindertengleichstellung.

Alternativer Gesetzesentwurf der Verbände (2000)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

In den letzten Jahren waren in der Presse immer wieder Berichte erschienen über die Zwangssterilisation geistig behinderter Menschen nicht nur im nationalsozialistischen Deutschland und in anderen europäischen Ländern seither, sondern auch in der Schweiz. Nationalrätin von Felten (gp, BS) hatte kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Parlament eine parlamentarische Initiative eingereicht, welche für Personen, die gegen ihren Willen oder unter psychischem Druck sterilisiert worden sind, eine angemessene Entschädigung verlangt. Auf Antrag der Rechtskommission wurde der Initiative einstimmig Folge gegeben. Die Kommission will zudem prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Sterilisationen ohne Einwilligung der Betroffenen rechtmässig sind.

Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften, deren Richtlinien von 1981 derartige Eingriffe als unzulässig bezeichnet, hielt es für angezeigt, ihre Praxis zu überdenken. Danach soll eine Sterilisation auch dann möglich sein, wenn eine Person deren Tragweite nicht ganz versteht. Die SAMW begründete ihre neuen Richtlinien mit dem Recht auf gelebte Sexualität. Der Eingriff soll dann erlaubt sein, wenn alle reversiblen Formen der Schwangerschaftsverhütung nicht möglich sind

Zwangssterilisation geistig behinderter Menschen

Der Ständerat lehnte eine 1996 vom Nationalrat genehmigte parlamentarische Initiative Suter (fdp, BE) ab, die den entsprechenden Artikel in der Bundesverfassung (Art. 8 Abs.2) griffiger formulieren und insbesondere einen direkt einklagbaren Anspruch einführen wollte. Hingegen überwies er eine Motion Gross (sp, TG), die den Bundesrat auffordert, den Verfassungsartikel zügig in einem Gesetz umzusetzen.

Gesetz zur Gleichstellung Behinderter (BRG 95.418)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Im Vorjahr hatte der Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates, der Überweisung in Postulatsform beantragt hatte, eine Motion seiner SGK zur Erstellung einer Behindertenstatistik sowie eine Motion Borel (sp, NE) für einen erleichterten Zugang von Behinderten zur Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge angenommen. Der Ständerat folgte dem Bundesrat und nahm die beiden Vorstösse nur als Postulate an.

Behindertenstatistik Wohneigentumsförderung

Der Bundesrat war bereit, eine Motion Gross (sp, TG) entgegen zu nehmen, welche ihn beauftragt, dem Parlament ein Bundesgesetz über die Gleichstellung der Behinderten vorzulegen, das Art. 8 Abs. 4 der neuen Bundesverfassung konkretisiert.

Bundesgesetz über die Gleichstellung der Behinderten

Mitte Juni wurde die Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ mit 120 455 gültigen Unterschriften eingereicht. Zusätzlich zum neuen Verfassungsartikel, der Körper-, Geistig- und Psychisch-Behinderte erstmals erwähnt und vor Diskriminierung schützt, fordert das Begehren den freien Zugang zu allen Bauten, Anlagen und Dienstleistungen, die den Nichtbehinderten uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Mit ihrer Initiative wollen die Invaliden das Prinzip der „vollständigen Teilhabe“ verankern, zum Beispiel in den Bereichen Schule, Verkehr, Kommunikation und Arbeit.

Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ (BRG 00.094)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Gegen den Willen des Bundesrates, der Umwandlung in ein Postulat beantragte, nahm der Nationalrat eine Motion seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) an, welche die Landesregierung beauftragt, durch die Bundesämter für Sozialversicherung und Statistik und in Koordination mit dem NFP 8 („Behinderte Menschen in der Schweiz“) den Aufbau einer schweizerischen Behindertenstatistik in die Wege zu leiten, welche die persönliche und finanzielle Situation der Invaliden in allen Sozialversicherungszweigen und in der Sozialfürsorge berücksichtigt.

Behindertenstatistik Wohneigentumsförderung

Gegen den Willen des Bundesrates wurde im Nationalrat eine Motion Borel (sp, NE) angenommen, die eine Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) in dem Sinn verlangt, dass Bezüger einer IV-Rente – gleich wie andere Versicherte – jenen Teil der BVG-Gelder, der nicht zur Deckung des Invaliditätsrisikos dient, zur Wohneigentumsförderung vorbeziehen können.

Wohneigentumsförderung für Invalide (Mo. 97.3068)
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

Der Nationalrat überwies ein Postulat seiner SGK, das den Bundesrat auffordert, die gesetzgeberische Umsetzung von Anreizmodellen zur wirksamen beruflichen Eingliederung Behinderter in die Arbeitswelt im Rahmen der 4. IV-Revision vorrangig zu prüfen.

beruflichen Eingliederung Behinderter in die Arbeitswelt

Im Rahmen der Verfassungsrevision lehnte der Ständerat im Gleichstellungsartikel (Art. 8) mit 20 zu 11 Stimmen einen Antrag von Pro-Infirmis-Präsident Brändli (svp, GR) für einen neuen Abs. 4 ab, der den Gesetzgeber verpflichten wollte, für die Gleichstellung der Behinderten zu sorgen und Massnahmen zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vorzusehen. Mit gleichem Wortlaut wurde dieser Absatz im Nationalrat bereits von der Kommission vorgeschlagen und gegen einen rechtsbürgerlichen Streichungsantrag mit 97 zu 58 Stimmen auch angenommen. Die SP wollte dem noch hinzufügen, der Zugang zu Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sei soweit zumutbar zu gewährleisten, unterlag aber mit 78 zu 77 Stimmen ganz knapp. Angesichts der klaren Stellungnahme der grossen Kammer kam der Ständerat auf seinen Beschluss zurück und stimmte einem – allerdings abgeschwächten – Text zu. Danach ist der Gesetzgeber nur gehalten, Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vorzusehen. Die kleine Kammer befand, ihre Formulierung sei verhältnismässiger als jene des Nationalrates, da gar nicht definiert werden könne, was unter der Gleichstellung von Behinderten zu verstehen sei. Dieser Auffassung schloss sich auch eine Mehrheit des Nationalrates an, obgleich Pro Mente Sana-Präsident Gross (sp, TG) monierte, damit könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei den Behinderten um einen Gesetzgebungsauftrag minderer Qualität handle als etwa bei der Gleichstellung der Geschlechter. Mit 96 zu 68 Stimmen übernahm der Nationalrat die Version des Ständerates.

Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten in der Verfassungsrevision (BRG 96.091)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Gleichentags behandelte die grosse Kammer auch die Umsetzung einer 1996 angenommenen parlamentarischen Initiative Suter (fdp, BE) zur Gleichstellung der Behinderten. Eine rechtsbürgerliche Kommissionsminderheit versuchte noch einmal vergeblich, das Gleichheitsgebot dahingehend abzuschwächen, dass nur von der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen gesprochen werden sollte bzw. das Gesetz nur im Rahmen der verfügbaren Mittel für die Gleichstellung zu sorgen hätte, unterlag aber mit 81 zu 64 resp. 83 zu 56 Stimmen. Andererseits scheiterte auch ein Antrag aus dem linken Lager, der den Passus, wonach der Gesetzgeber nur in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung tätig wird, wieder streichen wollte. Am meisten entzündeten sich aber die Diskussionen am Antrag der Kommissionsmehrheit, entgegen den Beschlüssen bei der Verfassungsrevision noch einen dritten Satz in den vorgeschlagenen neuen Verfassungsartikel aufzunehmen, wonach den Behinderten der Zugang zu Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, soweit zumutbar zu gewährleisten sei. Die FDP, unterstützt von Bundesrat Koller, beantragte hier Streichung, weil diese Forderung nur schwer einklagbar wäre und zu nicht abzuschätzenden finanziellen Folgen für Öffentlichkeit und Private führen würde. Koller verwies auch darauf, dass mit dieser Doppelspurigkeit des Vorgehens (laufende Verfassungsrevision und gleichzeitiger Antrag auf Abänderung der geltenden Verfassung) eine, wie er sagte, ”verfahrene Verfahrenssituation” entstehen würde. Mit 78 zu 66 Stimmen setzte sich der Antrag der Kommissionsmehrheit dennoch durch. Die Gesamtvorlage wurde mit 82 zu 64 Stimmen angenommen. Dafür votierte das geschlossene rot-grüne Lager mit Unterstützung von einzelnen Abgeordneten aus der CVP und der FDP

Gesetz zur Gleichstellung Behinderter (BRG 95.418)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Da die Behinderten mit dem Resultat der Verfassungsrevision klar nicht zufrieden waren und die Zukunft der parlamentarische Initiative Suter (die ja noch vom Ständerat angenommen werden muss) zumindest ungewiss ist, lancierten deren Organisationen unter dem Präsidium von Nationalrat Suter (fdp, BE) Anfang August unter dem Titel ”Gleiche Rechte für Behinderte” eine entsprechende Volksinitiative. Diese verlangt eine Revision von Art. 4 der bisherigen Bundesverfassung gemäss dem ersten Beschluss des Nationalrates zur revidierten Verfassung (Diskriminierungsverbot für körperliche, geistige und psychische Behinderung sowie Gleichstellungsgebot), ergänzt mit den Bestimmungen aus der parlamentarische Initiative Suter betreffend den Zugang zu Bauten und Einrichtungen. Das Initiativkomitee, in dem Parlamentarier aus allen vier Bundesratsparteien Einsitz nahmen, begründete sein Vorgehen damit, dass nur durch Verfassung und Gesetz geschützte Rechte den Invaliden die Möglichkeit geben würden, diese notfalls vor Gericht einzuklagen.

Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ (BRG 00.094)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Der Vorschlag des Bundesrates zum Gleichstellungsartikel (Art. 8) sah vor, neben dem Grundsatz, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Abs. 1), eine Liste der verbotenen Diskriminierungen anzuführen (Abs. 2). So sollte niemand benachteiligt werden dürfen, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, der sozialen Stellung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung. Im Ständerat, der die Vorlage als Erstrat behandelte, wollten mehrere Abgeordnete weitere Diskriminierungstatbestände explizit aufnehmen, so etwa Beerli (fdp, BE) den Begriff der Lebensform, um den alternativen Partnerschaften besser gerecht zu werden, Leumann (fdp, LU) das Kriterium des Alters, womit in erster Linie ein besonderer Schutz der Jugend anvisiert wurde, und Brändli (svp, GR) neben der körperlichen und geistigen auch die psychische Behinderung. In zwei Eventualabstimmungen wurden die Anträge Beerli und Brändli angenommen, jener von Leumann ganz knapp abgelehnt. Schliesslich setzte sich aber Spoerry (fdp, ZH) mit dem Argument durch, angesichts der Tatsache, dass wohl keine Aufzählung je abschliessend sein könne, sei es sinnvoller, die Liste gänzlich fallen zu lassen und in Abs. 2 nur zu sagen, dass niemand diskriminiert werden darf.

Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Vorstösse für eine geschlechtergerechte Sprache in der Politik und Verwaltung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei den Grundrechten wichen die Räte in zwei Punkten von ihrer Devise ab, keine materiellen Neuerungen gegenüber der bestehenden Verfassung und der Rechtspraxis einzuführen. Nachdem sich Redner aus allen Parteien dafür eingesetzt hatten, nahm der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission einen Artikel in die Verfassung auf, der den Bund verpflichtet, auf dem Gesetzesweg Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von Behinderten zu treffen. Der Ständerat hatte einen entsprechenden Antrag Brändli (svp, GR) ursprünglich abgelehnt, lenkte dann aber ein. Der Nationalrat nahm zudem in erster Lesung einen von der SP geforderten speziellen Kinderartikel unter die Grundrechte auf. Danach sollen Kinder und Jugendliche Recht auf besonderen Schutz und Anspruch auf eine harmonische Entwicklung haben. Bundesrat Koller hatte vergeblich gegen den Anspruch auf harmonische Entwicklung argumentiert, dass damit ein einklagbares Grundrecht geschaffen werde, das gar nicht justiziabel sei. Der Ständerat reduzierte diesen Anspruch dann auf das Postulat der Förderung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und konnte sich damit durchsetzen.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

In der Wintersession befasste sich der Ständerat mit den weiteren Punkten des ersten Teils der 4. IV-Revision, welche vorab Massnahmen zur Kosteneinsparung beinhalten. Unbestritten war die Aufhebung der Zusatzrente für die Ehepartnerin oder den Ehepartner, nachdem die gleiche Leistung in der AHV mit der 10. Revision bereits gestrichen worden war. Hingegen erwuchs der Abschaffung der Viertelsrente Opposition, und dies nicht bloss aus SP-Kreisen. Die Gegner argumentierten, dies gehe in die falsche Richtung, weil damit die Eingliederung Behinderter noch mehr erschwert werde; zudem bestehe die Gefahr, dass dadurch die Zahl der (teureren) 50%-Renten ansteige. Die Befürworter der Abschaffung wiesen darauf hin, dass die Viertelsrenten nur schwach beansprucht würden (ca. 4000 Fälle seit deren Einführung) und dass Härtefälle durch das EL-System aufgefangen werden könnten. Der Rat sprach sich schliesslich mit 23 zu 13 Stimmen für die Aufhebung aus.

Vierte IV-Revision (BRG 01.015)
Dossier: Vierte IV-Revision (1990-2003)