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Mit seiner Botschaft vom 6. März 2015 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament einen Bundesbeschluss über die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 15 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Ziel dieses Zusatzprotokolls ist es, das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) effizienter zu gestalten und somit den Gerichtshof zu entlasten und seine Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Konkret sieht das Protokoll folgende fünf Änderungen der EMRK vor: Erstens wird am Ende der Präambel ein ausdrückliches Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip eingefügt. Zweitens endet die Amtszeit der Richterinnen und Richter nicht mehr automatisch mit Vollendung des 70. Lebensjahres; stattdessen müssen für das Richteramt kandidierende Personen jünger als 65 Jahre sein. Drittens wird das Widerspruchsrecht der Parteien gegen die Absicht einer Kammer, eine Rechtssache an die Grosse Kammer abzugeben, abgeschafft. Viertens wird die Frist für die Einreichung einer Beschwerde an den EGMR von bisher sechs auf neu vier Monate verkürzt. Fünftens kann der EGMR künftig eine Beschwerde auch dann wegen Nichterheblichkeit des erlittenen Nachteils für unzulässig erklären, wenn die Rechtssache innerstaatlich noch von keinem Gericht geprüft worden ist. Als Änderungsprotokoll zur EMRK wird das Protokoll Nr. 15 in Kraft treten, sobald es von sämtlichen Vertragsstaaten ratifiziert worden ist. Bis Mitte August 2015 hatten 19 von insgesamt 47 Vertragsstaaten das Protokoll ratifiziert und 22 weitere, unter ihnen die Schweiz, unterzeichnet.
Im Nationalrat gab vor allem die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips, welche gleichzeitig ein Bekenntnis zum Ermessensspielraum der Nationalstaaten darstellt, Anlass zu Diskussionen. Eine Minderheit der nationalrätlichen Rechtskommission beantragte die Rückweisung des Geschäfts an den Bundesrat, weil die Erwähnung in der Präambel keine Änderung in der Praxis des EGMR bewirke. Um die Subsidiarität und die Selbstbestimmung der Schweiz wirklich zu stärken, müsse der Bundesrat neu verhandeln und sich für ein Zusatzprotokoll einsetzen, welches die Verfassungen der Vertragsstaaten als oberste und für den EGMR verbindliche Rechtsquelle festsetze. Dieses Anliegen stiess jedoch nicht auf Gegenliebe und der Rückweisungsantrag wurde mit 49 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen aus den Reihen der SVP gegenüber 128 Nein-Stimmen abgelehnt. Nachdem über die ansonsten technische Vorlage keine weiteren Diskussionen geführt worden waren, genehmigte der Nationalrat das Protokoll Nr. 15 mit 136 Ja-Stimmen gegenüber 46 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen aus der SVP-Fraktion.

Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 15 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (BRG 15.030)
Dossier: EMRK Zusatzprotokolle

Eine Motion Schmid-Federer (cvp, ZH) zur Ausarbeitung einer nationalen Strategie gegen Cyberbullying und Cybermobbing wurde von der kleinen Kammer in der Herbstsession 2015 abgelehnt. Im Vorjahr war der Vorstoss im Nationalrat überwiegend auf Unterstützung gestossen. Der Ständerat folgte mit dem Entscheid den Anträgen des Bundesrates und seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Förder- und Präventionsmassnahmen im Rahmen der beiden nationalen Programme «Jugend und Medien» sowie «Jugend und Gewalt» sei der Nutzen der geforderten nationalen Strategie grundsätzlich in Frage zu stellen. Ein weiterer Kritikpunkt war die angezweifelte Effektivität der zentralen Anlaufstelle; die Zuständigkeit wurde hier primär bei den Kantonen gesehen.

nationale Strategie gegen Cyberbullying und Cybermobbing (Mo. 12.4161)

Wenn gegenüber einer beschuldigten Person im Strafprozess rechtswidrige Zwangsmassnahmen angewandt wurden, hat diese Person gemäss geltender Strafprozessordnung Anspruch auf Genugtuung. Eine solche rechtswidrige Zwangsmassnahme kann beispielsweise darin bestehen, dass die Dauer der Untersuchungshaft länger war als die schliesslich verhängte Strafe. Falls der Staat einer verurteilten Person eine solche Entschädigung zahlen muss, stellt sich die Frage, ob diese Genugtuung mit den Gerichtskosten, welche der verurteilten Person auferlegt werden, verrechnet werden kann oder nicht. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte die RK-NR den unklaren Wortlaut von Art. 442 Abs. 4 StPO ändern, „um die widersinnige Situation auszuschliessen, dass der Staat einer verurteilten Person erst eine Entschädigung bezahlen muss und danach Schritte einleiten muss, um die eben dieser Person auferlegten Gerichtskosten einzufordern“, so die Begründung des Vorstosses. Die Schwesterkommission (RK-SR) betonte jedoch, dass solche Entschädigungszahlungen nur bei sehr problematischen Haftbedingungen ein Thema seien und es in diesen Fällen wichtig sei, dass die geschädigte Person tatsächlich eine Genugtuung erhalte, und sprach sich mit 5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Initiative aus. Die RK-NR wollte im Sinne der Prozessökonomie am Vorstoss festhalten und argumentierte, die Umsetzung der Initiative könne im Rahmen der ohnehin anstehenden StPO-Revision (als Folge der Überprüfung der StPO auf ihre Praxistauglichkeit) erfolgen. In der Herbstsession 2015 liess sich der Nationalrat von der Argumentation seiner Kommission mehrheitlich überzeugen und gab der Initiative mit 130 zu 53 Stimmen Folge.

Verrechnung der Gerichtskosten mit den Genugtuungsansprüchen aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 13.466)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Mit einem Bericht über die Anforderungen an die Gültigkeit von Volksinitiativen mischte sich die SPK-SR in die laufende Diskussion zum Thema ein. Die in letzter Zeit sehr hart geführten Diskussionen um die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von angenommenen Volksbegehren und der damit verknüpfte Unmut in der Bevölkerung war für die SPK-SR Anlass für eine eingehende Prüfung des Reformbedarfs der Gründe für die Ungültigerklärung von Volksinitiativen. Die Kommission schlug fünf mögliche Präzisierungen vor, von denen sie vier als parlamentarische Initiativen einreichte. Das bestehende Kriterium der "Einheit der Materie" soll erstens präziser formuliert werden (Pa.Iv. 15.475). Zweitens soll die Behandlung einer Initiative, die in die Umsetzung einer bereits angenommenen Initiative eingreifen will, erst nach der Umsetzung der ersten in Angriff genommen werden. Damit wollte die SPK-SR Durchsetzungsinitiativen – als Beispiel genannt sei die von der SVP eingereichte Initiative zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative – die Zähne ziehen (Pa.Iv. 15.476). Drittens sollen Initiativkomitees die Möglichkeit erhalten, ihr Begehren formell- und materiellrechtlich prüfen zu lassen (Pa.Iv. 15.477). Dieser Vorschlag entsprach einer mittlerweile vom Bundesrat zur Abschreibung empfohlenen Motion. Viertens sollen indirekte Gegenentwürfe zu Volksinitiativen zur Information in den Abstimmungserläuterung des Bundesrates publiziert werden (15.478). Fünftens soll ein Begehren dann ungültig sein, wenn es rückwirkende Bestimmungen enthält. Diese Forderung war schon früher von einer parlamentarischen Initiative Lustenberger gefordert worden (Pa.Iv. 14.471), der beide SPK bereits Folge gegeben hatten.

Gültigkeit von Volksinitiativen (Pa.Iv. 15.477)
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen

Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder war seit seinem Amtsantritt 2011 mit einigen Vorstössen aufgefallen, mit denen – grösstenteils erfolglos – institutionelle Reformen angestossen werden sollten (z.B. das Bundesratswahlverfahren, Regelungen zur Abstimmung über Gegenvorschläge, die Einführung einer Volksmotion oder die Einführung des doppelten Pukelsheim bei Nationalratswahlen). Eine Verwesentlichung des Petitionsrechts war Gegenstand einer neuerlichen Reformidee von Minder, die Ende August bei der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-SR) auf offene Ohren stiess. Ziel des Vorstosses ist eine eigentliche Abstufung: Petitionen, welche an die Bundesbehörden gerichtet sind, sollen in diesem Sinne von jenen, welche an die Bundesversammlung gerichtet sind, unterschieden werden. Erstere sollen neu in einer Landessprache verfasst werden und einen Hauptverantwortlichen mit Schweizer Wohnsitz ausweisen. Bei Letzteren sollen die Anzahl Unterschriften ausgewiesen werden. Unwichtige Anliegen – Minder nennt Petitionen mit weniger als 10'000 Unterschriften – sollen lediglich noch von den Kommissionen, nicht aber von den Ratsplenen zur Kenntnis genommen und beantwortet werden. Die beiden Räte sollen sich also nur noch um jene Petitionen kümmern müssen, bei denen von der Kommission ein Antrag auf Folge geben gestellt wird oder die aufgrund der Unterschriftenzahl eine gewisse Relevanz aufweisen.

Verwesentlichung des Petitionsrechts

Die Diskussion um die Kriterien, die zu einer Ungültigkeitserklärung von Volksinitiativen führen sollen, war in den letzten Jahren virulenter geworden. Nicht nur in den Ratsdebatten bei Beratungen zu Initiativbegehren, sondern auch in der gesellschaftlichen Debatte fanden sich zahlreiche Befürworterinnen und Befürworter eines Ausbaus der Ungültigkeitsgründe. Diese beschränken sich bisher auf die Einheit der Form, die Einheit der Materie und die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechtes. Zu den Befürwortern zählt auch Ruedi Lustenberger (cvp, LU), der mit einer parlamentarischen Initiative eine Ungültigkeit von Rückwirkungsklauseln fordert. In Initiativen gestellte Forderungen, welche rückwirkend gelten, führten zwar zu Rechtsunsicherheit, könnten aber mit der aktuellen Verfassung nicht als Grund für die Ungültigkeit einer Volksinitiative geltend gemacht werden. Diese Problematik zeige sich bspw. aktuell auch im Rahmen der Diskussion um die Erbschaftssteuerinitiative. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) sprach sich mit 9 zu 5 Stimmen für Folge geben aus. Nicht weniger als 10 Kommissionsmitglieder enthielten sich dabei der Stimme, da sie einen Bericht der ständerätlichen Schwesterkommission abwarten wollten. Dieser werde eine umfassende Prüfung der Gültigkeitsgründe von Volksinitiativen beinhalten und auf mehreren weiteren Vorstössen zu diesem Thema basieren. Die SPK-SR ihrerseits gab der Initiative Lustenberger Ende August zusammen mit vier weiteren Begehren Folge, mit denen sie Handlungsbedarf im Rahmen der Ungültigkeitsgründe für Volksinitiativen signalisieren wollte.

Ungültigkeit von Rückwirkungsklauseln (Pa.Iv. 14.471)
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen

Im Datenschutz steht ein Paradigmenwechsel von der Missbrauchsbekämpfung hin zur informationellen Selbstbestimmung bevor: Die Beweislast soll zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger, und damit zu Lasten von Staat und Unternehmen, umgekehrt werden. Eine entsprechende Verfassungsänderung war das Ziel zweier parlamentarischer Initiativen Vischer (gp, ZH) (Pa.Iv. 14.413) und Derder (fdp, VD) (Pa.Iv. 14.434). Wie ihre Schwesterkommission zuvor stimmte im August 2015 auch die SPK-SR beiden Vorstössen zu. Damit hat die SPK-NR die Möglichkeit, einen Entwurf für eine entsprechende Änderung der Bundesverfassung auszuarbeiten, sollte der Bundesrat die Anliegen nicht in zufriedenstellender Weise in seinem Entwurf zur Revision des Datenschutzgesetzes berücksichtigen.

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Pa.Iv. 14.413) / Schutz der digitalen Identität von Bürgerinnen und Bürgern (Pa.Iv. 14.434)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Im Juni 2015 gab der Bundesrat als indirekten Gegenentwurf zur Wiedergutmachungsinitiative ein Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in die Vernehmlassung. Insgesamt 300 Millionen Franken sollen demnach als Solidaritätsbeiträge an die schätzungsweise 12'000 bis 15'000 noch lebenden Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen ausgezahlt werden. Die Hintergründe, das Ausmass und die Auswirkungen der damaligen Praktiken sollen in einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung beleuchtet werden. Des Weiteren enthält die Vorlage Massnahmen zur Aktensicherung und Regelungen für die Akteneinsicht sowohl für Betroffene als auch für die Forschung. Betroffenen soll zudem Beratung und Unterstützung durch kantonale Anlaufstellen angeboten sowie – wie auch in einem Postulat Schneider Schüttel (sp, FR) gefordert – die Suche nach früheren Sparguthaben erleichtert werden. Die Gesetzesvorlage sieht überdies vor, dass Zeichen der Erinnerung errichtet werden sollen. Der Vorteil des indirekten Gegenvorschlags des Bundesrates liegt vor allem darin, dass auf diesem Weg eine schnellere Aufarbeitung der Ereignisse möglich ist als über eine Verfassungsrevision. Dadurch können möglichst viele der zum Teil betagten oder gesundheitlich angeschlagenen Opfer noch eine Anerkennung für ihr Leiden erhalten. Hauptinitiant Guido Fluri begrüsste den Vorschlag des Bundesrates grundsätzlich, möchte aber vorerst noch an den Anliegen des Initiativkomitees wie einem umfangreicheren Entschädigungsfonds und der Bemessung der Entschädigungshöhe nach dem erlittenen Unrecht festhalten.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Mit einer Standesinitiative verlangte der Kanton Genf, dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ausdrücklich in der Bundesverfassung und im Strafgesetzbuch verankert wird. Als Erstrat gab der Ständerat in der Herbstsession 2014 der Initiative keine Folge. Er folgte damit dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit, die in dieser Sache keinen Handlungsbedarf sah, da die «Lebensform» bereits explizit als Diskriminierungsgrund genannt sei. Die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrats war in diesem Punkt jedoch anderer Ansicht und argumentierte, dass Homosexualität nicht nur die Lebensform betreffe, sondern auch die Identität einer Person. Der bestehende Schutz sei daher nicht ausreichend. Der Nationalrat gab der Initiative mit 102 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge und gab das Geschäft damit zurück an den Ständerat. Dieser hielt mit gleichbleibender Begründung an seiner Entscheidung fest und liess das Begehren somit scheitern. Die Aufnahme der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in die Rassismusstrafnorm sei zudem auch Gegenstand einer parlamentarischen Initiative Reynard (sp, VS).

Kt.Iv. GE: Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung

Mitte Juni 2015 legte der Bundesrat seinen Bericht zum Postulat der FDP-Fraktion vor, das eine Klärung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht gefordert hatte. Die Regierung anerkannte im Fazit ihres Berichtes, dass insbesondere im Verhältnis zwischen Volksinitiative und Völkerrecht eine zunehmende Problematik bestehe. Eine Hierarchisierung oder eine Vorrangregel von Landesrecht sei allerdings kaum ohne negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Schweiz als verlässliche Vertragspartnerin möglich. Der Bundesrat schlug indes vor, dass jeweils vor der Verabschiedung eines Erlasses oder vor Abschluss eines Vertrages die Konsequenzen für Völker- bzw. Landesrecht eruiert werden sollten, um bereits bei der Verabschiedung Klarheit zu schaffen, ob Unvereinbarkeiten bestünden und wie diese allenfalls beseitigt werden müssten.
Zur Frage nach einem möglichen obligatorischen Referendum bei Staatsverträgen mit verfassungsmässigem Charakter ging der bundesrätliche Bericht auf das bestehende «Referendum sui generis» ein. Es gebe ja bereits ein obligatorisches Staatsvertragsreferendum, das bei Verträgen Anwendung findet, mit denen die Schweiz Mitglied von supranationalen Organisationen werden soll. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum unterstehen Verträge, die unbefristet und unkündbar sind. Darüber hinaus bestehe aber auch ein ungeschriebenes Verfassungsrecht: Dieses «Referendum sui generis» könne dann zur Anwendung gelangen, wenn ein Vertrag eine so grosse Bedeutung habe, dass ihm Verfassungsrang zukomme. Dies habe man sich beispielsweise beim Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen überlegt, damals aber verworfen. Falls je nach einem allfälligen Austritt ein Wiederbeitritt in die Europäische Menschenrechtskonvention nötig wäre, dann würde dieser beispielsweise einem obligatorischen Referendum unterstellt werden.

Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht (Po. 13.3805)
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Im Juni 2015 veröffentlichte der Bundesrat einen umfassenden Bericht zu Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Er erfüllte damit die Postulate Streiff-Feller (evp, BE; Po. 12.4162), Caroni (fdp, AR; Po. 13.3332), Feri (sp, AG; Po. 13.4033) und Fehr (sp, ZH; Po. 13.4045), welche allesamt vom Bundesrat einen Bericht im Bereich der Sexarbeit gefordert hatten. Der Nationalrat schrieb die Postulate daraufhin im Sommer 2016 ab.
Der Bundesrat sprach sich im Bericht deutlich gegen ein Verbot der Prostitution aus, da dies die Prostituierten in den Untergrund verdränge, was für sie mit erhöhten Risiken verbunden sei. Der Vergleich mit anderen Ländern, insbesondere mit Schweden, zeige zudem, dass die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung auch mit einem Prostitutionsverbot schwierig bleibe. Es bestehe aber in der Schweiz durchaus Handlungsbedarf. Sehr viele der sich prostituierenden Frauen zeigten physische oder psychische Krankheitssymptome und das Ausbeutungsrisiko sei real. Ausserdem sei die Faktenlage zur sexuellen Ausbeutung in der Prostitution bescheiden und die in dem Bereich zuständigen Kantone verzichteten aufgrund mangelnder Ressourcen und tiefer Priorisierung weitgehend auf langfristige Strukturermittlungen zur Aufdeckung von Menschenhandel. Um die bestehenden Probleme anzugehen und eine Diskussionsgrundlage für das Parlament zu liefern, listete der Bundesrat am Ende des Berichts 57 mögliche Massnahmen zum Schutz von Prostituierten auf, wovon jedoch lediglich 14 auf Bundesebene durchführbar sind.

Länderstudie zu Prostitution und Sexarbeit (Po. 13.4045)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zu Prostitution und Menschenhandel 2012–2015

In der Frühjahrssession 2015 stimmte auch der Nationalrat den Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs betreffend das Verbrechen der Aggression und die Kriegsverbrechen zu. In der Schlussabstimmung wurde der Bundesbeschluss in beiden Räten einstimmig angenommen.

Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (BRG 14.021)
Dossier: Internationaler Strafgerichtshof / Römer Statut

Schon seit geraumer Zeit schlug sich die SVP mit dem Gedanken herum, eine Initiative zu lancieren, mit der das Verhältnis zwischen Landesrecht und Völkerrecht definiert werden soll. Bereits 2013 hatte Parteipräsident Toni Brunner (svp, SG) moniert, dass sich das Bundesgericht immer stärker von internationaler Rechtsprechung beeinflussen lasse. Ein Positionspapier, in dem die schleichende Entmündigung des Schweizer Volkes kritisiert worden war, hatte in der Folge parteiintern als Grundlage für die Ausarbeitung einer Volksinitiative gedient, die Mitte August 2014 mit einer Medienkonferenz angekündigt und deren Lancierung Ende Oktober 2014 an der Delegiertenversammlung beschlossen worden war. Hans-Ueli Vogt (ZH, svp), Kantonsrat aus Zürich und Vater des Initiativtextes, bemängelte insbesondere, dass das Völkerrecht die Umsetzung angenommener Volksinitiativen erschwere.
Zu Beginn des Wahljahres, am 10. März 2015, wurde die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» schliesslich mit viel Aufhebens gestartet: Mit Hilfe eines SVP-«Extrablatts», das eine Auflage von rund 4.2 Mio. Exemplaren hatte, wurde das Begehren von der Volkspartei lanciert.
Die Regelung des Verhältnisses zwischen Völker- und Landesrecht war zwar auch im Parlament aufgrund einiger Vorstösse diskutiert worden, mit ihrer Idee, das Landesrecht über das Völkerrecht zu stellen und im Falle eines Normenkonflikts internationale Verträge neu zu verhandeln oder zu kündigen und damit notfalls gar die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Kauf nehmen zu wollen, stand die SVP in der Parteienlandschaft allerdings ziemlich alleine auf weiter Flur.

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Die vor allem medial ausgetragene, gesellschaftliche Debatte um Reformen der Volksinitiative, die sich etwa im Begriff ‚Initiativenflut‘ manifestierte, lässt sich mit Zahlen aus dem Berichtsjahr unterfüttern (vgl. Tabelle anbei). Nachdem 2013 etwas weniger Initiativen (9) lanciert worden waren als 2012 (11) waren 2014 für insgesamt zwölf neue Begehren Unterschriftensammlungen gestartet worden. Gleich vier davon behandeln Ernährungs- und Landwirtschaftsfragen, wobei die vom Bauernverband und der SVP getragene Initiative „für Ernährungssicherheit“ innerhalb von knapp fünf Monaten mit fast 150'000 gültigen Unterschriften die Sammelhürde sehr rasch übersprang. Zwei der zwölf lancierten Begehren stammen aus der Feder von Anita Chaaban, die mit der Verwahrungsinitiative 2004 einen Erfolg an der Urne gefeiert hatte. Sie fordert ein Zentralregister für Sexualstraftäter und eine Haftung für Vollzugsbehörden bei Rückfällen fälschlicherweise entlassener Straftäter. Unterschriften werden zudem für die Wiedergutmachung an Verdingkinder gesammelt, für die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auf Autobahnen, für Vollgeld und die Abschaffung der Billag-Gebühren. Neue Dimensionen erreichen die restlichen beiden Initiativbegehren, die Ende Jahr lanciert wurden. Die Initiative „zur Ausschaffung krimineller Männer“ verwendet exakt den gleichen Initiativtext wie die 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative der SVP mit der Ausnahme, dass sie „Ausländer“ durch „Männer“ ersetzt. Das Komitee „Männer raus“ will nach eigenen Angaben ein Zeichen setzten gegen den latenten Rassismus in der Schweiz. Auch die so genannte Rasa-Initiative (Raus aus der Sackgasse) bestreitet neue Wege. Sie fordert die Streichung der Artikel 121a und 197 Ziff. 11 a aus der Bundesverfassung. Dabei handelt es sich um jene Paragraphen, die mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in die Verfassung Eingang gefunden hatten. Eine Streichungsinitiative war zuvor schon von der Gewerkschaft VPOD angeregt worden.
Die zwölf Begehren entsprechen lediglich der Hälfte der im Jahr 2011 lancierten Begehren, die Ausgangspunkt der Debatte um die Initiativenflut waren. Damals wurden zahlreiche Initiativen vor allem als Wahlvehikel lanciert. Dies scheint für die Wahlen 2015 eher kein Thema mehr zu sein. Von den 2014 lancierten Initiativen stammt einzig die „Fair Food-Initiative“ von einer Partei, nämlich der GP. Was in der Diskussion um (zu) viele Volksbegehren häufig zu kurz kommt, ist eine Relativierung mit nicht zustande gekommenen Initiativen. Ein Überblick über die letzten rund 35 Jahre zeigt, dass im Schnitt rund ein Drittel aller lancierten Initiativen an der Unterschriftenhürde gescheitert oder ein Volksanliegen zurückgezogen worden ist. Im Berichtjahr mussten total sechs Begehren als gescheitert klassiert werden. Aufgeteilt nach Lancierungsjahren zeigt sich folgendes Bild: Von den elf im Jahr 2012 lancierten Initiativen scheiterten deren fünf und von den neun im Jahr 2013 lancierten Volksbegehren brachten bisher deren fünf die 100'000 Unterschriften nicht zusammen (eine der 2013 lancierten Initiativen war 2014 noch im Sammelstadium und drei waren erfolgreich eingereicht).
Die Rekordzahl aus dem Jahr 2011, in dem 24 Begehren lanciert wurden – von diesen schafften übrigens elf die Unterschriftenhürde nicht – machte sich 2014 im Parlamentsbetrieb bemerkbar. So wurde im Berichtjahr über neun Initiativen abgestimmt, von denen sechs 2011 lanciert worden waren (2013 waren über 5 Initiativen Urnenentscheide gefällt worden). Neben den sechs im Berichtjahr zustande gekommenen Begehren (2013: 8) waren elf noch hängig (2013: 12). Darunter immer noch sechs, die im Spitzenjahr 2011 eingereicht worden waren. Insgesamt wurde der von Volksinitiativen verursachte Pendenzenberg im Berichtjahr aber langsam abgebaut.
Für 2015 waren Ende 2014 bereits einige weitere Volksbegehren angekündigt worden. Viel Staub wirbelte das noch vor Ende Jahr der Bundeskanzlei zur Prüfung vorgelegte Begehren der SVP auf, das unter dem Namen Selbstbestimmungsinitiative die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen will. Die Volkspartei wird wohl versuchen, mit diesem Anliegen im Wahljahr zu punkten. Zudem kündigte der Verband „Pro Velo Schweiz“ eine Initiative an, mit der die Förderung des Velofahrens in die Verfassung geschrieben werden soll. Ähnlich wie Wanderwege soll ein Velowegnetz erstellt und gepflegt werden. VCS und WWF sagten ihre Unterstützung zu. Die PdA beschloss im Dezember die Lancierung eines Begehrens, mit der eine AHV-Rente von CHF 4‘000 angestrebt wird, wofür die Pensionskassengelder in die AHV überführt werden sollen. Schliesslich beschloss die Junge GP eine Volksinitiative zur Förderung des verdichteten Bauens zu lancieren.

Lancierte Volksinitiativen 2014
Dossier: Lancierte Volksinitiativen von Jahr zu Jahr (ab 2007)

2014 fanden vier eidgenössische Urnengänge zu insgesamt zwölf verschiedenen Vorlagen statt, darunter nicht weniger als acht Volksinitiativen, von denen gleich zwei angenommen wurden: die Masseneinwanderungsinitiative und die Pädophileninitiative. Insgesamt wurden damit seit Einführung des Volksbegehrens 1891 total 22 von 198 oder insgesamt jede neunte Initiative angenommen. Seit 1990 hat sich die Erfolgswahrscheinlichkeit von Volksinitiativen somit noch weiter verbessert. Wurden vor 1990 neun Prozent aller Bürgerbegehren angenommen (9 von 98), verschob sich die Erfolgsquote seit 1990 auf 13 von 100. Die restlichen sieben Initiativen, über die 2014 abgestimmt wurde, hatten allerdings allesamt keine Chance. Nur die Abschaffung der Pauschalbesteuerung erreichte mehr als 40% Ja-Stimmenanteil. Während die beiden obligatorischen Referenden behördenkonform angenommen wurden, war das fakultative Referendum gegen den Kauf des Kampfflugzeuges Gripen entgegen den Wünschen von Bundesrat und Parlament erfolgreich. Von den total bis Ende 2014 eingereichten 177 fakultativen Referenden waren damit neu insgesamt 96 erfolgreich (54%); bei den obligatorischen Referenden liegt der Anteil der angenommenen Vorlagen bei 75% (146 von 195). Die mittlere Stimmbeteiligung an den vier Abstimmungssonntagen lag bei 52,6%, was im langjährigen Vergleich ein sehr hoher Wert ist. Stark mobilisiert haben insbesondere die Masseneinwanderungsinitiative im Februar (56,6% Stimmbeteiligung) und das Gripen-Referendum im Mai (56,3% Stimmbeteiligung).

Eidgenössische Urnengänge 2014
Dossier: Eidgenössische Volksabstimmungen von Jahr zu Jahr (seit 2000)

Bereits 2013 waren die Unterschriftensammlungen gegen den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen und gegen das FATCA-Abkommen zwischen der Schweiz und den USA lanciert worden. Während das Referendum gegen die Gripen-Beschaffung Ende Januar mit 65‘384 gültigen, vom Bündnis gegen neue Kampfflugzeuge und vom Liberalen Komitee „Nein zum Gripen“ gesammelten Unterschriften zustande kam, scheiterte die Unterschriftensammlung gegen FATCA. Nach der 100-tägigen Frist konnten lediglich 35‘264 Unterschriften eingereicht werden. Auch das vom Kanton Wallis angestrengte Kantonsreferendum gegen FATCA wurde nur vom genannten Kanton unterstützt – nötig gewesen wären aber insgesamt acht Kantone. Im Berichtsjahr selber kündigten das Komitee „Nein zur Billag-Mediensteuer“ und der Verein „Aktion stopBillag.ch“ an, ein Referendum gegen das neue Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) zu ergreifen. Bereits Mitte Dezember hatte das Komitee laut eigener Aussage die nötigen Unterschriften gesammelt, bis Ende 2014 aber noch nicht eingereicht. Auch gegen den Bau einer zweiten Gotthard-Strassenröhre zur Sanierung des Tunnels wurde ein Referendum lanciert. Federführend war hier der Verein "Nein zur zweiten Gotthardröhre, hinter dem der VCS und die Alpeninitiative stehen. Auch dieses Komitee war rasch erfolgreich und hatte Ende Jahr nach eigenen Angaben bereits über 100'000 Unterschriften gesammelt. Die EVP kündigte vorsorglich an, gegen das noch nicht zu Ende debattierte Fortpflanzungsmedizingesetz das Referendum ergreifen zu wollen. Allerdings ist vorgängig ein obligatorisches Referendum nötig, um die heute verbotene Präimplantationsdiagnostik (PID) zu ermöglichen. Auch der atomfreundliche Verein "Kettenreaktion" kündigte an, gegen jegliche Verbote von AKW das Referendum zu ergreifen.

Referenden 2014
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Am 6. März 2014 lancierte ein überparteiliches Komitee (ohne SVP) unter der Leitung der Guido Fluri Stiftung eine Volksinitiative zur Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen («Wiedergutmachungsinitiative»). Gefordert wurde insbesondere eine finanzielle Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts durch die Schaffung eines mit CHF 500 Mio. dotierten Fonds. Weiter soll eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Vorfälle geleistet und eine öffentliche Diskussion geführt werden. Mit dem Instrument der Volksinitiative sollen die bereits gestarteten Prozesse der Rehabilitierung, wie sie das Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen und der Runde Tisch vorsahen, beschleunigt werden. Kurz vor Weihnachten 2014 konnte das Komitee die Initiative mit über 110‘000 Unterschriften einreichen.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Ein altes, immer wieder vorgebrachtes Begehren, die Einführung einer Gesetzesinitiative, war Gegenstand einer parlamentarischen Initiative Hiltpold (fdp, GE). Bereits 1987, 2004 und 2009 waren ähnliche Vorstösse eingereicht worden. Der Genfer Nationalrat machte geltend, dass die Volksinitiative als immer beliebteres Instrument nicht geeignet sei für Anliegen, die eine Gesetzesänderung anregen möchten: Detailbestimmungen hätten in der Verfassung nichts zu suchen, das Prozedere von Annahme einer Initiative bis hin zu einer Gesetzesvorlage sei lang und die Umsetzung häufig schwierig. Das könne aber nicht den Initianten angelastet werden, weil sie ja gar keine andere Möglichkeit hätten, als via Verfassungsinitiative Einfluss zu nehmen. Zudem existiere die Gesetzesinitiative auf kantonaler Ebene und werde dort geschätzt und ohne Probleme genutzt. Die SPK-NR lehnte das Begehren ab. Die Umsetzung wäre noch komplizierter als bei der 2009 wieder abgeschafften allgemeinen Volksinitiative. Zudem könnte die Bundesversammlung nicht mehr autonom entscheiden, auf welcher Stufe ein Begehren umgesetzt werden soll. Die Ausarbeitung von Gesetzestexten, die mit übergeordnetem Recht kompatibel sind, und vor allem die Überprüfung dieser Kompatibilität wären zu grosse Anforderungen an die Initiativkomitees und das Parlament. Ein weiteres in der Debatte vorgebrachtes Argument war die Schwächung der Kantone, weil eine Gesetzesinitiative kein Ständemehr bedingen würde. Der Nationalrat gab, seiner Kommission folgend, der Initiative mit 116 zu 61 Stimmen keine Folge. Obwohl das Anliegen von einem FDP-Parlamentarier stammte, wurde es nur von den geschlossenen Fraktionen der SP und der GP, sowie von drei FDP-Abgeordneten unterstützt. Acht Mitglieder der FDP-Fraktion enthielten sich der Stimme.

Einführung einer Gesetzesinitiative
Dossier: Vorstösse für eine Einführung der Gesetzesinitiative

In seiner Antwort auf ein im März 2014 überwiesenes Postulat Stöckli (sp, BE) (Po. 13.4187) verabschiedete der Bundesrat im November 2014 einen Bericht über die Erfahrungen und Perspektiven nach einer 40-jährigen EMRK-Mitgliedschaft der Schweiz. Darin wies der Bundesrat unter anderem darauf hin, dass die Rechtsprechung in Strassburg jene des Bundesgerichts zu den Grundrechten mitgeprägt und den Schweizer Grundrechtskatalog beeinflusst habe. Trotz der Kritik an gewissen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stehe eine Kündigung der EMRK nicht zur Diskussion. Vielmehr solle ein gelassenerer Umgang mit Strassburg gepflegt werden. Anlässlich des 40. Jubiläums des Schweizer Beitritts fanden am 28. November 2014 öffentliche Veranstaltungen im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga statt. Die Justizministerin ging in ihrer Rede an der Universität Zürich zwar auf die kritischen Stimmen ein, wies sie jedoch mehrheitlich zurück. Im Vorfeld der Feierlichkeiten war eine Debatte über die Verbindlichkeit der Rechtsprechung des Strassburger Gerichtshofes geführt worden. Während die SVP in der Bundesverfassung einen klaren Vorrang des Landesrechts vor dem Völkerrecht festschreiben wollte, sammelten sich verschiedene Organisationen aus dem Menschenrechtsbereich zur Arbeitsgruppe „Dialog EMRK“. Eine von Walter Kälin verfasste Studie hob zudem hervor, dass eine Nichtbeachtung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unvermeidlich den Austritt aus dem Europarat zur Folge hätte. „Die Schweiz und die EMRK – das ist eine Verbindung ohne Verfallsdatum“, betonte auch Sommaruga.

40 Jahre EMRK-Mitgliedschaft der Schweiz (Po. 13.4187)

Einstimmig sprach sich der Ständerat für die Genehmigung zweier Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs aus. Zum einen sollen durch eine Änderung der Bestimmung betreffend das Verbrechen der Aggression hochrangige Personen, die eine Angriffshandlung in die Wege leiten, völkerstrafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Zum anderen soll der Tatbestand des Kriegsverbrechens neu auch auf interne Konflikte ausgedehnt werden.

Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (BRG 14.021)
Dossier: Internationaler Strafgerichtshof / Römer Statut

Die Tessiner Verfassungsbestimmung, wonach Gesichtsverhüllungen – beispielsweise durch eine Burka oder eine Vermummung bei Massenveranstaltungen – im öffentlichen Raum verboten sind, ist bundesrechtskonform. Zu diesem Schluss kam der Bundesrat bei der Gewährleistung der 2013 angenommenen Verfassungsänderung im Südkanton. Begründet wurde der Entscheid damit, dass die Tessiner Bestimmung sich eng an das französische Gesetz anlehne, welches vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2014 als mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar beurteilt worden war. Da sich die von der EMRK geschützten Grundrechte weitestgehend mit jenen der Bundesverfassung – unter anderem der Religionsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot – decken und die Tessiner Verfassungsbestimmung Ausnahmeregelungen auf Gesetzesstufe zulässt, beantragte der Bundesrat deren Gewährleistung. Er liess jedoch auch verlauten, dass er solche Bestimmungen weiterhin als wenig sinnvoll erachte.

Vermummungsverbot im Tessin
Dossier: Burkaverbot in den Kantonen

Zum besseren Schutz der Privatsphäre soll der Bundesrat die digitale Identität der Bürgerinnen und Bürger definieren und diese in die bestehende Rechtspersönlichkeit integrieren. Dies forderte ein vom Nationalrat an die Regierung überwiesenes Postulat Derder (fdp, VD).

Die digitale Identität definieren und Lösungen für ihren Schutz finden (Po. 14.3655)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Das Postulat von Karl Vogler (csp, OW), das vom Bundesrat einen Bericht fordert, mit dem Möglichkeiten für eine Erhöhung der Hürden für das Einreichen von Volksinitiativen aufgezeigt werden sollen, wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen. Vogler schlug neben der Erhöhung der Unterschriftenzahl und der Verkürzung der Sammelfristen – Forderungen, die im Berichtjahr von zahlreichen Kommentatoren unterstützt wurden – auch vor, dass Unterschriften künftig nur noch im Gemeindebüro abgegeben werden sollen. Allerdings beeilte sich die Regierung in ihrer Stellungnahme zu betonen, dass die bundesrätliche Empfehlung der Annahme des Begehrens nicht gleichzusetzen sei mit der Annahme von Forderungen zur Errichtung von höheren Hürden. Vielmehr könne mit dem Bericht das Initiativrecht analysiert und optimiert werden. Dies würde auch die aktuellen Diskussionen über Umsetzung, Ungültigkeit und Funktion der Volksinitiative allgemein bedienen. Die befürwortende Haltung des Bundesrates zu einem Postulat führt normalerweise zu dessen stillschweigender Annahme im Parlament. Allerdings wurde das Begehren von Toni Brunner (svp, SG) bekämpft, was bedeutet, dass es im Rat noch diskutiert werden muss. Diese Diskussion fand allerdings 2014 nicht mehr statt. Ein weiterer Vorschlag zur Eindämmung der Über-Nutzung des Instrumentes "Volksinitiative" wurde Anfang November von Alt-Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz vorgebracht. Sie schlug vor, Volksbegehren Interessengruppen vorzubehalten, die nicht in der Regierung vertreten sind. Die ursprüngliche Idee der Volksinitiative sei es, einen Kanal für Minderheitenanliegen zu gewährleisten, die sich sonst kein Gehör verschaffen können. Dies sei für Regierungsparteien, die Volksbegehren immer mehr auch als Wahlvehikel missbrauchen würden, sicher nicht der Fall.

Erhöhung der Hürden für das Einreichen von Volksinitiativen (Po. 13.4155)

Ein weiteres Begehren aus den Reihen der SVP, mit dem die Beziehung zwischen Landesrecht und Völkerrecht geregelt werden sollte, wurde mit einer parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH) vorgebracht. Gregor Rutz argumentierte, dass immer mehr Rechtsbestimmungen aus dem Ausland ins Schweizerische Rechtssystem Eingang fänden und forderte deshalb in seinem Vorstoss, dass die Angleichung von Landesrecht an Völkerrecht, an bindende internationale Verträge oder an ausländisches Recht und an Normen internationaler Organisationen nur dann vorgenommen werden darf, wenn dies in einem dem Referendum unterstehenden Erlass so vorgesehen ist. Die SPK-NR, die den Vorstoss mit 14 zu 7 Stimmen ablehnte, machte geltend, dass die Forderung der Initiative eigentlich bereits erfüllt sei, weil die Anpassung an Landesrecht an abgeschlossene völkerrechtliche Verträge nur bei einer Verfassungs- oder Gesetzesänderung vorgenommen werde; zudem unterstünden völkerrechtliche Verträge, die rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder bei der Umsetzung einen Erlass von Bundesgesetzen erforderlich machen, bereits dem fakultativen Referendum. Rutz forderte zusätzlich eine Angleichung der Auslegung völkerrechtlicher Verträge. Hier hielt die SPK fest, dass dies eine fallweise Aufgabe der Judikative sein müsse. Die Legislative könne hier nicht alle Einzelfälle pauschal regeln. Die geschlossene SVP-Fraktion – unterstützt von Petra Gössi (fdp, SZ) – brachte den Vorstoss mit den total 55 Stimmen gegen die 126 Stimmen aus den anderen Fraktionen nicht durch.

Rechtsbestimmungen aus dem Ausland ins Schweizerische Rechtssystem

Die Diskussion um die Umsetzung von Volksinitiativen, bzw. um das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht, hatte 2013 zu einiger Aktivität in den Reihen der SVP geführt. Mit seiner parlamentarischen Initiative forderte Luzi Stamm (svp, AG) eine Regelung des Verhältnisses zwischen Bundesgesetzen und Staatsverträgen. Stamms Vorschlag sah vor, dass in einem Konflikt das neuere Recht dem älteren vorgeht. Sollte also ein neues Bundesgesetz oder ein neuer Verfassungsgrundsatz geschaffen werden, so müsste ein älterer, völkerrechtlicher Vertrag neu ausgehandelt oder aber gekündigt werden. Damit einher ging die Forderung, dass keine rechtlich oder faktisch unkündbaren Staatsverträge mehr abgeschlossen werden dürften. Sollte ein neuer referendumspflichtiger Staatsvertrag im Konflikt mit bestehendem Gesetz geraten, so müsste das Gesetz angepasst werden. Mit dem Vorschlag wäre die so genannte Schubert-Praxis verändert worden, die vorsieht, dass ein völkerrechtlicher Vertrag einem Bundesgesetz vorgeht, wenn der Gesetzgeber sich nicht ausdrücklich über den Vertrag hinwegsetzt. Die SPK-NR lehnte die parlamentarische Initiative mit 16 zu 7 Stimmen ab und erachtete es als sinnvoller, die bisherige Praxis beizubehalten, mit der Konflikte zwischen Rechtsnormen bereits beim Erlass zu vermeiden versucht werden und bei der Umsetzung von Initiativen auf Konformität mit dem Völkerrecht geachtet wird. Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner SPK und gab der Initiative mit 129 zu 54 Stimmen keine Folge, wobei die Ja-Stimmen allesamt aus der geschlossenen SVP-Fraktion stammten.

Regelung des Verhältnisses zwischen Bundesgesetzen und Staatsverträgen