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In der Wintersession 2022 erledigte der Ständerat die Motion Regazzi (mitte, TI), die forderte, dass Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden, unabhängig davon, ob diese als sicher gelten oder nicht. Die SPK-SR hatte ihrem Rat einstimmig beantragt, es dem Nationalrat gleichzutun und den Vorstoss abzuschreiben, was dieser stillschweigend tat. Im Ratsplenum dankte Kommissionssprecher Hans Stöckli (sp, BE) dem Bundesrat für die «sehr gute Botschaft», in der die Regierung dargelegt hatte, weshalb die Motion rechtlich nicht umsetzbar sei. Die Kommission teile die Meinung des Bundesrates vollumfänglich – sie hatte schon 2019 vergeblich für deren Ablehnung plädiert. Das Non-Refoulement-Gebot sei Teil des zwingenden Völkerrechts, von dessen Verpflichtungen sich die Schweiz nicht etwa durch Kündigung von Verträgen befreien könne. Damit sei der Widerspruch zum Anliegen der Motion «unüberbrückbar», erläuterte Stöckli.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Polizeigewalt zu verhindern, sei ein berechtigtes Anliegen, man sei damit aber über das Ziel hinausgeschossen, konstatierte Nationalrätin Céline Amaudruz (svp, GE) in der Begründung ihrer Ende 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative. «Wir haben ein System geschaffen, das die Polizeiangehörigen völlig demotiviert», so die Initiantin: Aufgrund der drohenden disziplinarischen und rechtlichen Probleme bei einem gewaltsamen Eingreifen sei es für Polizistinnen und Polizisten die einfachste Lösung, einfach nichts zu tun. Mit der parlamentarischen Initiative forderte sie daher, die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich zu verankern. Amaudruz äusserte die Hoffnung, dass Angreiferinnen und Angreifer unter diesen neuen Voraussetzungen zurückhaltender agierten. Im Herbst 2022 prüfte die RK-NR die Initiative vor und kam mehrheitlich zum Schluss, dass diese weder die Zahl noch die Dauer der Strafverfahren gegen Polizeiangehörige vermindern würde. Ausserdem existiere das Konzept der Vermutung in der schweizerischen Strafprozessordnung nicht, weshalb die Initiative abzulehnen sei. Eine Minderheit Addor (svp, VS) unterstützte die Initiative, unterlag damit aber im Rat. Mit 118 zu 68 Stimmen bei 4 Enthaltungen gab der Nationalrat der Initiative in der Wintersession 2022 keine Folge. Das Anliegen war damit erledigt.

Die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich verankern (Pa.Iv. 21.521)

Im Dezember 2022 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz einen Bericht zum Verbot von nationalsozialistischen, rassistischen, gewaltverherrlichenden und extremistischen Symbolen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte den Bericht in Reaktion auf mehrere eingereichte Vorstösse zum Thema (Mo. 21.4354, Pa.Iv. 21.524, Pa.Iv. 21.525) anfertigen lassen. Gemäss der aktuellen Rechtslage könne eine öffentliche Verwendung solcher Symbole von der Antirassismus-Strafnorm in Artikel 261bis StGB erfasst werden. Straflos sei die Verwendung nur, wenn die Symbole ohne Propagandaabsicht – die Absicht, andere Personen von dieser Ideologie überzeugen zu wollen –, in nicht gegen die Menschenwürde verstossender Weise und ohne Diskriminierungs- oder Herabsetzungsabsicht gezeigt würden. Es bestehe diesbezüglich ein weiter Ermessensspielraum, konstatierte das BJ. Im Bericht zeigte das Bundesamt verschiedene Möglichkeiten auf, wie ein weitergehendes Verbot auf Bundes- oder kantonaler Ebene verankert werden könnte. Neben einer Erweiterung von Artikel 261bis StGB um ein explizites Verbot der Verwendung nationalsozialistischer und rassistischer Symbole wäre auch die Schaffung eines neuen Spezialgesetzes denkbar. Dies erlaubte eine spezifischere Regelung und die Ahndung von Verstössen im Ordnungsbussenverfahren. Für eine weniger straf- sondern mehr präventionsfokussierte Lösung sah das BJ eine Verankerung im kantonalen Polizeirecht als gangbaren Weg. Ungeachtet der gewählten Variante stelle die Formulierung des Verbots eine Herausforderung dar, so die Schlussfolgerung des Berichts: Das Verbot müsse einerseits bestimmt genug formuliert sein, damit die Bevölkerung weiss, was verboten und was erlaubt ist. Bereits eine Klassifizierung in verbotene und erlaubte Symbole erweise sich allerdings als schwierig, da manche von Extremistinnen und Extremisten verwendete Symbole – etwa Buchstaben- und Zahlenkombinationen – je nach Zusammenhang eine extremistische oder eine alltägliche Bedeutung haben könnten. Weiter müsste die Verwendung zu wissenschaftlichen, schulischen, künstlerischen oder journalistischen Zwecken geregelt werden. Andererseits müsste die Verbotsnorm offen genug formuliert sein, damit die Gerichte die Aktualität und den Kontext des Einzelfalls berücksichtigen können.
In einer Medienmitteilung, aus der etwa die Aargauer Zeitung zitierte, betonten die beiden jüdischen Dachverbände SIG und PLJS, dass in dieser Frage dringender Handlungsbedarf bestehe. Das geltende Recht habe Lücken, die gezielt ausgenutzt würden. Sie forderten Bundesrat und Parlament auf, rasch ein Verbot von nationalsozialistischen Symbolen umzusetzen, denn bei der Verwendung dieser Symbole dürfe es keinen Graubereich mehr geben.

Bericht zum Verbot von nationalsozialistischen und rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

In der Wintersession 2022 gelangte die parlamentarische Initiative Molina (sp, ZH) betreffend die Verbesserung des Abwehrdispositivs gegen Potentatengelder ins Plenum des Nationalrats. Die Mehrheit der vorberatenden RK-NR beantragte, der Initiative keine Folge zu geben. Gemäss Kommissionssprecher Yves Nidegger (svp, GE) befürchtete sie einen Widerspruch der Forderung zur grundrechtlichen Eigentumsgarantie. Der Vorstoss schaffe zudem eine generelle Korruptionsvermutung gegenüber Personen, die aus einem Land stammten, welches unter Korruption leide oder dessen Rechtsstaat in den Augen der Schweiz ungenügend ausgebaut sei. Eine Minderheit Dandrès (sp, GE) beantragte, der Initiative Folge zu geben. Aufgrund ihrer Stellung im internationalen Finanzplatz sehe sich die Schweiz dem grossen Risiko ausgesetzt, zum sicheren Hafen für Gelder von Potentaten oder diktatorischen Regimen zu werden. Die präventive Blockierung von Gütern oder Vermögenswerten aus illegalem Handel oder Korruption reduziere dieses geopolitische Risiko, so Dandrès. Ausserhalb der sozialdemokratischen, der grünen und der grünliberalen Fraktionen überzeugten diese Argumente allerdings nicht; der Nationalrat gab der parlamentarischen Initiative mit 108 zu 81 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge.

Améliorer le dispositif de lutte contre les avoirs de potentats (In. Pa. 21.523)

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2022 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» von Vertreterinnen und Vertretern der Grünen-, der GLP-, der FDP.Liberalen-, der SP- sowie der Mitte-Fraktion. Marionna Schlatter (gp, ZH) und Jon Pult (sp, GR) erläuterten den Initiativtext und setzten sich dafür ein, dass in der Bundesverfassung ein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt festgeschrieben wird. Zudem solle in der BV auch eine Grundlage dafür geschaffen werde, dass die Natur zumindest teilweise eine Rechtspersönlichkeit erhält. Nur dadurch könne der ungenügende Schutz der Natur justiziabel gemacht werden. Anschliessend empfahl Yves Nidegger (svp, GE) im Namen der Mehrheit der RK-NR, den fünf Initiativen keine Folge zu geben. Zum einen sei die Bestimmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu unbestimmt, um dieses zu einem Verfassungsrecht zu erklären. Zum anderen sei die Forderung, die Natur zum Rechtssubjekt zu machen, in der Schweizer Rechtsordnung nicht vorgesehen, denn einem Rechtssubjekt stünden gemäss der hiesigen Rechtsordnung nicht nur Rechte zu, sondern oblägen auch gewisse Pflichten, die man der Natur nicht auferlegen könne. In der Abstimmung sprachen sich 87 Mitglieder des Nationalrates für Folgegeben aus, 101 votierten dagegen und 1 Person enthielt sich der Stimme. Gegen Folgegeben stimmten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte. Die fünf parlamentarischen Initiativen sind damit erledigt.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit». Die Initiative verlangte, dass «jeder Eingriff in die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person deren Zustimmung bedarf». Fehlende Zustimmung darf zudem nicht zu Bestrafung oder beruflichen oder sozialen Nachteilen führen. Damit gehe diese Formulierung wohl deutlich über das hinaus, was die Initiantinnen und Initianten erreichen wollten, vermutete der Bundesrat. So tangiere sie etwa auch Bereiche wie das Polizeiwesen, die Strafverfolgung, das Militär, das Ausländer- und Asylwesen sowie den Kindes- und Erwachsenenschutz, während die eigentliche Forderung, die Zustimmungspflicht im medizinischen Kontext, durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit bereits in der Bundesverfassung festgeschrieben sei. Deren Einschränkung bedarf unter anderem eines öffentlichen Interesses oder des Schutzes von Grundrechten Dritter und muss verhältnismässig sein. Bereits heute seien Impfobligatorien entsprechend «nur unter Einhaltung enger Voraussetzungen für einen begrenzten Personenkreis und für eine begrenzte Zeit» möglich – und auch dann sei für die Impfung selbst die Zustimmung der betroffenen Person erforderlich. Folglich hätte die Annahme der Initiative grosse Rechtsunsicherheit und einen eingeschränkten Handlungsspielraum bei der Pandemiebekämpfung zur Folge. Schliesslich sollten entsprechende Diskussionen im Rahmen der laufenden Revision des Epidemiengesetzes abgewartet werden. Folglich empfahl der Bundesrat die Initiative der Stimmbevölkerung und den Kantonen zur Ablehnung.

Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» (BRG 22.075)

Ebenso wie der Nationalrat erachtete die RK-SR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Genf für härtere Sanktionen bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Oktober 2022, der Initiative keine Folge zu geben. In der Wintersession 2022 folgte der Ständerat diesem Antrag stillschweigend. Die Initiative ist damit erledigt.

Härtere Sanktionen bei Straftaten gegen Behörden und Beamte (Kt.Iv. 12.306)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die RK-NR hielt im Herbst 2022 mehrheitlich an ihrer Unterstützung der parlamentarischen Initiative Regazzi (mitte, TI) mit dem Ziel, Pädokriminalität im Internet wirksam zu bekämpfen, fest. Sie argumentierte, die Annahme der Initiative würde den Weg für weitergehende Abklärungen zum Thema ebnen, etwa bezüglich allfälliger Unvereinbarkeiten mit der Bundesverfassung oder der Notwendigkeit, weitere Rechtsbestimmungen neben der StPO zu ändern. Die starke Minderheit – der Entscheid fiel mit 11 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen – wollte dagegen nicht in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen, die sich in diesem Bereich zwischenzeitlich Know-how und ein wertvolles Netzwerk angeeignet hätten. Mit 102 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung schloss sich der Nationalrat in der Wintersession 2022 der Kommissionsmehrheit an und gab der Initiative Folge. Während das Anliegen in den Fraktionen der Mitte, der GLP und der SVP auf Anklang stiess, stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP (mit zwei Ausnahmen), die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie zwei SVP-Vertreter gegen die Initiative.

Pädokriminalität im Internet endlich wirksam bekämpfen (Pa.Iv. 19.486)

Mit 145 zu 33 Stimmen bei 2 Enthaltungen überwies der Nationalrat in der Wintersession 2022 die Motion der RK-SR für einen verbesserten Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel. Eine Minderheit Addor (svp, VS) hatte die Ablehnung der Motion beantragt, weil sich die vorberatende RK-NR dagegen ausgesprochen hatte, die Motion dahingehend auszuweiten, dass sich der neue NAP zusätzlich auch der illegalen Schleusung von Migrantinnen und Migranten widmen sollte. Wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter erklärte, sei der neue NAP zwischenzeitlich fertig erarbeitet und vom EJPD, der KKJPD und der SODK genehmigt worden. Er befinde sich bei Bund, Kantonen und Gemeinden bereits in Umsetzung, woran auch eine Ablehnung der Motion nichts mehr ändern würde.

Verbesserter Nationaler Aktionsplan gegen Menschenhandel (Mo. 22.3369)

Verglichen mit der Intensität der öffentlichen Debatte, die die Abstimmung zur sogenannten Burka-Initiative begleitet hatte, fiel das Echo in der Vernehmlassung zur gesetzlichen Umsetzung des in der Verfassung verankerten Gesichtsverhüllungsverbots eher bescheiden aus. Von den insgesamt 55 Stellung nehmenden Kantonen, Parteien, Organisationen und Privatpersonen äusserten sich nur 8 grundsätzlich ablehnend, darunter der Kanton Genf, die Grüne Partei, Amnesty International, die EKR, Les Foulards Violets und Operation Libero. Demgegenüber bekundeten 39 Teilnehmende grundsätzliche Zustimmung zum Vorentwurf. Dazu zählten neben den anderen 25 Kantonen etwa die EDU, die FDP, die SP und die SVP sowie GastroSuisse, die FIDS und der SIG – und damit auch Akteure, die sich im Abstimmungskampf zur Volksinitiative dezidiert gegen das Verhüllungsverbot eingesetzt hatten. In den befürwortenden Stellungnahmen wurde vor allem die schweizweit einheitliche Umsetzung gelobt. Von der Gegenseite wurde die Umsetzung auf Bundesebene hingegen kritisiert. Gegenstand von Kritik waren auch die Ausnahmebestimmungen, die Verankerung im Strafgesetzbuch und die Höhe der vorgesehenen Bussen.
In seiner Botschaft vom Oktober 2022 berücksichtigte der Bundesrat einige Kritikpunkte aus der Vernehmlassung. So legte er dem Parlament statt der Änderung des Strafgesetzbuches nun ein neues, eigenständiges Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts (BVVG) vor. Damit werde deutlich, dass beim Gesichtsverhüllungsverbot die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vordergrund stehe, nicht die Bestrafung, erklärte die Regierung. Widerhandlungen gegen das Verhüllungsverbot sollen, um den Aufwand für die Kantone gering zu halten, im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können, die maximale Busse soll CHF 1000 betragen. Im Vorentwurf waren noch Bussen bis CHF 10'000 vorgesehen gewesen, was als unverhältnismässig kritisiert worden war. Damit die Verhüllung an politischen Manifestationen zulässig ist – mit der Formulierung im Vorentwurf hatte sich der Bundesrat den Vorwurf eingehandelt, vermummte Chaoten zu schützen –, soll die zuständige Behörde diese im Voraus bewilligen müssen. In der Medienmitteilung betonte die Regierung jedoch erneut, dass Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum zulässig sein sollen, wenn sie in Ausübung von Grundrechten, namentlich der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit, zum eigenen Schutz notwendig sind. Unverändert aus dem Vorentwurf übernahm der Bundesrat die Ausnahmen aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen, des einheimischen Brauchtums, für künstlerische und unterhaltende Darbietungen sowie zu Werbezwecken.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Die parlamentarische Initiative 20.504 zur Strafbarkeit von Folter habe ihn, so erklärte Ständerat Mathias Zopfi (gp, GL) seine Beweggründe im Ständeratsplenum, zur Feststellung veranlasst, dass die darin aufgezeigte Strafbarkeitslücke nicht nur die Folter betreffe: Auch andere vorsätzliche Verstösse gegen Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts – beispielsweise Sklaverei oder illegale Rückschiebungen – könnten im geltenden Recht nur geahndet werden, wenn sie im Zusammenhang eines bewaffneten Konflikts stehen. Ein Straftatbestand für Verstösse gegen zwingendes Völkerrecht ohne Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt fehle in der Schweizer Rechtsordnung allerdings. Mit einem Postulat forderte Zopfi den Bundesrat daher auf zu prüfen, ob diese Strafbarkeitslücken tatsächlich bestehen, und darzulegen, wie sie allenfalls durch Anpassungen im Strafrecht geschlossen werden könnten. Der Bundesrat beantragte das Postulat zur Annahme, obgleich er keine solchen Strafbarkeitslücken erkenne, wie er in seiner Stellungnahme ausführte. Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien nicht nur im Kontext eines bewaffneten Konflikts, sondern auch im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung strafbar. Ausserdem richte sich das zwingende Völkerrecht nicht in erster Linie an Individuen, sondern an Staaten. Dennoch erklärte sich die Regierung bereit, die aufgeworfenen Fragen zu prüfen, damit sichergestellt sei, dass das schweizerische Strafrecht «eine effektive Umsetzung des geltenden Völkerrechts» erlaube. In der Herbstsession 2022 überwies der Ständerat das Postulat stillschweigend.

Strafbarkeit von vorsätzlichen Verstössen gegen zwingendes Völkerrecht (Po. 22.3857)

Mit 30 zu 8 Stimmen nahm der Ständerat in der Herbstsession 2022 eine Motion Sommaruga (sp, GE) an, die verlangte, das Verbrechen der Aggression ins Schweizer Recht zu übernehmen. Seit der Anpassung des Römer Statuts auf der Revisionskonferenz in Kampala 2010, die auch von der Schweiz ratifiziert wurde, verfügt der Internationale Strafgerichtshof über die Zuständigkeit für die Verfolgung von Verbrechen der Aggression. Im Gegensatz zu den anderen im Römer Statut definierten Verbrechen – es sind dies Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen – gebe es in der Schweiz aber nach wie vor keine innerstaatliche Zuständigkeit zur Verfolgung von Personen, die ein Aggressionsverbrechen verantworten, erklärte der Motionär. Aufgrund des Erfordernisses der doppelten Strafbarkeit könne die Schweiz heute anderen Staaten in Bezug auf das Aggressionsverbrechen auch keine Strafrechtshilfe leisten, ergänzte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Der Bundesrat war der Ansicht, dass die Schweiz mit der Umsetzung des Anliegens dazu beitragen könne, das Gewaltverbot im Völkerrecht durchzusetzen, weshalb er die Motion befürwortete. SVP-Ständerat und -Parteipräsident Marco Chiesa (TI) beantragte die Motion hingegen zur Ablehnung und warnte davor, sich von der Aktualität des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu überstürztem Handeln verleiten zu lassen. Weiter argumentierte er, der IStGH sei aufgrund der Natur eines Angriffsverbrechens besser in der Lage, dieses zu beurteilen, als Schweizer Gerichte. Abgelehnt wurde der Vorstoss von den Mitgliedern der SVP-Fraktion sowie Mitte-Vertreter Othmar Reichmuth (SZ).

Kampf gegen die Straffreiheit. Übernahme des Verbrechens der Aggression gemäss Römer Statut in das Schweizer Recht (Mo. 22.3362)

Der Nationalrat überwies in der Herbstsession 2022 gegen den Widerstand der SVP-Fraktion ein Postulat Bellaïche (glp, ZH) zur Eindämmung digitaler Gewalt. Digitale Gewalt wie Cybermobbing, Cyberstalking, Hassrede, Gewaltandrohung oder Diskriminierung im Netz sei ein weitverbreitetes Phänomen und allzu oft kämen die Täterinnen und Täter ungeschoren davon, so die Postulantin. Die Bekämpfung scheitere aber nicht am materiellen Recht – einschlägige Straftatbestände seien in Kraft –, sondern an der Rechtsdurchsetzung: Die Polizei sei zu wenig ausgebildet, ausgestattet und koordiniert, um Täterinnen und Täter im Internet aufzuspüren. In einem Bericht muss der Bundesrat nun aufzeigen, wie digitale Gewalt mittels konkreter Massnahmen eingedämmt und griffig bekämpft werden kann. SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (BL) hatte das Postulat mit dem Argument bekämpft, der Bund müsse seine IT-Ressourcen momentan für Digitalisierungsprojekte nutzen, «statt zusätzliche Berichte zu schreiben». Der Bundesrat hatte den Vorstoss unterstützt.

Digitale Gewalt eindämmen (Po. 22.3201)

In der Herbstsession 2022 folgte der Nationalrat mit 103 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Antrag des Bundesrates und stimmte der Abschreibung der Motion Regazzi (mitte, TI) für eine «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht», zu. Die vorberatende SPK-NR hatte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen empfohlen, dem Antrag des Bundesrates stattzugeben. Neben der im bundesrätlichen Bericht ausführlich dargelegten rechtlichen Unmöglichkeit, die Motion umzusetzen, betonte die Kommissionsmehrheit, beim Grundrechtsschutz dürfe nicht mit zweierlei Mass gemessen werden: «Ein wahrer Rechtsstaat muss auch seine Feindinnen und Feinde rechtskonform und gemäss seinen Werten behandeln», schrieb sie in der Medienmitteilung. Im Ratsplenum erklärte Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO), der Bundesrat habe sich darüber hinaus bereit erklärt, im Umgang mit verurteilten Terroristinnen und Terroristen, die aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausgeschafft werden können, alle rechtlich zulässigen Mittel zur Wahrung der Sicherheit der Schweiz auszuschöpfen. Justizministerin Karin Keller-Sutter ergänzte, man prüfe im Einzelfall, ob vom Herkunftsstaat die diplomatische Zusicherung erlangt werden kann, dass die betroffene Person weder gefoltert noch unmenschlich behandelt wird, sodass eine völkerrechtskonforme Ausschaffung dennoch möglich ist. Zudem werde auch jeweils geprüft, ob die Person in einen anderen Staat als ihren Herkunftsstaat weggewiesen werden kann. Gleichzeitig betonte sie, die Schweiz habe in letzter Zeit mit dem Nachrichtendienstgesetz, den Strafbestimmungen gegen Terrorismus und den präventiv-polizeilichen Massnahmen ein besseres Instrumentarium erhalten, um «mit den Personen, die wir in der Schweiz behalten müssen, umgehen zu können». Momentan handle es sich um fünf Personen, die die Schweiz aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausschaffen könne, so die Bundesrätin.
Eine Minderheit um SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH) wollte die Motion trotzdem nicht abschreiben. Es könne nicht sein, dass verurteilte Terroristinnen und Terroristen in der Schweiz blieben, und er sei nicht zufrieden damit, «dass der Bundesrat uns sagt, das ginge nicht», so Rutz. Es sei «eine Frage des gesunden Menschenverstandes», dass «wir [...] doch nicht mit unserer Rechtsordnung Leute schützen [können], die diese Rechtsordnung missbrauchen, um sie zu zerstören». Der Bundesrat müsse «noch einmal über die Bücher», denn es gebe «Möglichkeiten, wie man dieses Anliegen umsetzen kann». Einen Vorschlag, wie eine solche Umsetzung aussehen könnte, lieferte der Minderheitsvertreter dem Ratsplenum jedoch nicht. Seine Ansicht teilten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie FDP-Vertreterin Jacqueline de Quattro (VD), was in der grossen Kammer aber nicht zu einer Mehrheit reichte.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Mit der Harmonisierung der Strafrahmen, die in der Wintersession 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, wurden die Strafbestimmungen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verschärft. Die Mehrheit der RK-NR erachtete das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Genf, die härtere Sanktionen bei ebendiesen Delikten im Sinne der Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Pet. 10.2016) verlangte, damit als erfüllt und beantragte im Sommer 2022, ihr keine Folge zu geben. Die Räte hatten die Behandlung der 2012 eingereichten Initiative im Jahr 2014 ausgesetzt, da über die Forderung im Zuge der Strafrahmenharmonisierung entschieden werden würde. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei, und plädierte für Folgegeben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative mit 97 zu 77 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Folge. Gleichzeitig erledigte er verschiedene Standesinitiativen mit ähnlichen Anliegen (Kt.Iv. 11.312, Kt.Iv. 14.301 und Kt.Iv. 16.317).

Härtere Sanktionen bei Straftaten gegen Behörden und Beamte (Kt.Iv. 12.306)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Waadt für eine strengere Bestrafung von Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, der Initiative keine Folge zu geben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte für Folgegeben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative mit 97 zu 79 Stimmen keine Folge. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) und des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Kt.Iv. 11.312)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Tessin für eine Überprüfung der Strafrahmen bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, die Initiative abzuschreiben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte gegen Abschreiben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und schrieb die Initiative mit 94 zu 79 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) und des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Bern für eine zwingende Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen im Grunde genommen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, die Initiative abzuschreiben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte gegen Abschreiben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und schrieb die Initiative mit 94 zu 80 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) und des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ende August 2022 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Totalrevision des Zollgesetzes. Mit der Totalrevision sollen die rechtlichen Grundlagen für die Arbeiten des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) – bis zum 1. Januar 2022 hiess das Bundesamt noch EZV – harmonisiert und gleichzeitig die Digitalisierung im Sinne des bestehenden Transformationsprogramms DaZiT vorangetrieben werden. Das BAZG soll dadurch eine aufgabenorientierte Organisation erhalten und Prozesse sollen vereinfacht, harmonisiert und digitalisiert werden. Die Anpassung erfolgt in Umsetzung verschiedenster parlamentarischer Vorstösse für einfachere Verfahren im Zollwesen (Mo. 15.3551, Mo. 15.4153, Mo. 17.3376, Po. 17.3377, Mo. 18.3315).

Wie der Bundesrat erklärte, soll das bestehende Zollgesetz aus dem Jahr 2005 in zwei Teile aufgeteilt werden. Einerseits soll im neuen BAZG-Vollzugsaufgabengesetz (BAZG-VG) die Harmonisierung des Aufgabenbereichs des BAZG infolge der Zusammenlegung von Zoll und Grenzwachtkorps geregelt werden. Andererseits soll das bestehende Zollgesetz (ZG) zu einem reinen Abgabeerlass (Zollabgabengesetz; ZoG) – ohne Anpassung der abgabenrechtlichen Bestimmungen – umgeschrieben werden. Diese Transformation sei nötig, da sich das wirtschaftliche Umfeld in den vergangenen Jahren drastisch verändert habe: Sowohl der Personen- als auch der Warenverkehr – Letzterer aufgrund des Onlinehandels – seien stark angestiegen und sowohl die Bevölkerung als auch die Wirtschaft verlangten effiziente Grenzprozesse und effektive Grenzkontrollen. Dank der Digitalisierung sollen diese Prozesse effizienter gestaltet werden, was die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz stärke und sowohl die Wirtschaft als auch das BAZG entlaste. Nebst der klassischen Zollaufgabe der Abgabenerhebung soll das BAZG-VG die verschiedensten Arten von Warenkontrollen, die dabei verwendeten Hilfsmittel, die Datenerhebung sowie die Strafverfolgung regeln und harmonisieren.

Die Vernehmlassung dazu hatte zwischen September und Dezember 2020 stattgefunden. Von 118 eingegangenen Stellungnahmen hatten 43 den Vorentwurf befürwortet, 22 hatten ihn kritisch beurteilt und der Rest hatte sich gespalten gezeigt oder nur zu einzelnen Anpassungen Bemerkungen abgegeben. Gegen die Gesetzesrevision als Ganzes sprachen sich etwa die SP und die Grünen aus. Sie standen der Digitalisierung und Automatisierung gewisser Zollprozesse skeptisch gegenüber, da Erfahrungen aus anderen Ländern gravierende Mängel gezeigt hätten. Grundsätzlich für die Revision sprachen sich die SVP, die FDP und die CVP aus, wenn auch mit Einschränkungen. Die SVP forderte etwa eine Wirksamkeitsprüfung der Digitalisierungsmassnahmen, die FDP unter anderem eine genauere Auslegung der Datenschutzmassnahmen und die CVP hielt fest, dass in der Umsetzung und Definition der Kompetenzen insbesondere die Kantone stark miteinbezogen werden müssten, damit das Vorhaben erfolgreich werden könne.

Totalrevision des Zollgesetzes (Transformation der Zollverwaltung; BRG 22.058)
Dossier: Totalrevision des Zollgesetzes (BRG 22.058; Umsetzung div. Motionen)
Dossier: Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung (DaziT)
Dossier: Forderungen nach einer Aufstockung des Grenzwachtkorps und Transformation der EZV (2016–)

Öffentliche Aufrufe zum Ungehorsam gegen militärische Befehle, zur Dienstverletzung, Dienstverweigerung oder zum Ausreissen sollen nicht mehr strafbar sein. Eine parlamentarische Initiative Zopfi (gp, GL) verlangte, dass Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz entsprechend angepasst werden. Seit der Einführung des Zivildienstes seien die genannten Straftatbestände nicht mehr relevant und schränkten die Meinungsäusserungsfreiheit unnötig ein, so die Begründung. Die RK-SR kam ebenfalls zum Schluss, dass die einschlägigen Artikel nicht mehr zeitgemäss seien, und gab der Initiative im Sommer 2022 einstimmig (bei zwei Enthaltungen) Folge.

Anpassung von Artikel 276 StGB und Artikel98 MStG an die heutige Realität zur Stärkung der Meinungsäusserungsfreiheit (Pa.Iv. 21.464)

Im Mai 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass die Änderung des Bundesgerichtsgesetzes, mit der die Revision eines Bundesgerichtsentscheids auch nach einer gütlichen Einigung zwischen der Schweiz und dem EGMR möglich wird – bisher war dafür eine Verurteilung der Schweiz durch den EGMR Voraussetzung –, am 1. Juli 2022 in Kraft tritt.

EMRK, Strafregister, Restitutio in integrum. Bundesgerichtsgesetz anpassen (Pa.Iv. 16.461)
Dossier: Revision des Bundesgerichtsgesetzes

Nachdem das Anliegen im Rahmen der Revision der Strafprozessordnung diskutiert und verworfen worden war, zog die RK-NR ihre parlamentarische Initiative zur Verrechnung von Genugtuungsansprüchen mit den Gerichtskosten im Juni 2022 zurück.

Verrechnung der Gerichtskosten mit den Genugtuungsansprüchen aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 13.466)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

In Erfüllung eines Postulats der SiK-SR veröffentlichte der Bundesrat im Juni 2022 einen Bericht zur Bekämpfung des Hooliganismus. Darin betonte er zuallererst, dass die Polizeihoheit bei den Kantonen liege und dem Bund somit nur eine subsidiäre und sektorielle Kompetenz in diesem Bereich zufalle. Für den Erlass und den Vollzug von Massnahmen zur Gewaltbekämpfung an Sportveranstaltungen, sowohl gegenüber Gewalttäterinnen und -tätern als auch gegenüber den Sportklubs, seien die Kantone zuständig. Diese verfügten mit dem Hooligan-Konkordat tatsächlich über das nötige Instrumentarium, um Gewalt bei Sportveranstaltungen zu verhindern. «Es ist nicht ersichtlich, welche anderen gesetzgeberischen Massnahmen ergriffen werden könnten, die wirkungsvoller wären», konstatierte die Regierung. Sie erwarte allerdings von den Kantonen, dass diese ihre Bewilligungspflicht dazu nutzten, den Klubs schärfere Auflagen zu Massnahmen gegen Hooliganismus zu machen. Des Weiteren seien Massnahmen, die zur Bekämpfung der Covid-Pandemie eingeführt wurden, namentlich personalisierte Tickets, die Aufhebung von Stehplätzen und Restriktionen bei den Gästefans, seiner Auffassung nach auch nach der Pandemie flächendeckend fortzuführen, hielt der Bundesrat fest. Zudem forderte er von den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft den Beitritt zur revidierten Fassung des Hooligan-Konkordats sowie von allen Kantonen, dass sie vermehrt Meldeauflagen aussprechen, mehr Personal für die Täteridentifikation einsetzen und den Dialog zwischen Polizei und Fans intensivieren.
Soweit es ihm aufgrund der Kompetenzordnung möglich sei, nehme der Bund die Kantone und Klubs in die Pflicht, indem sich das Fedpol an operativen Spielbesuchen beteilige und Massnahmen gegen gewalttätige Personen beantrage. Zur Unterstützung stelle er das Informationssystem «Hoogan» bereit, das den Kantonen zur polizeilichen Lagebeurteilung von anstehenden Spielen diene. Darüber hinaus engagiere sich das Fedpol, u.a. in seiner Rolle als National Football Information Point, im internationalen Informationsaustausch und bringe Good Practices aus dem Ausland in der Schweiz ein. Gegen gewaltbereite Fans erlasse der Bund Ausreise- bzw. Einreiseverbote und nehme entsprechende Grenzkontrollen vor. Nicht zuletzt beteilige er sich an der Finanzierung der Forschungsstelle «Gewalt bei Sportveranstaltungen» der Universität Bern. Um die Kantone und Klubs noch besser zu unterstützen, drückte der Bundesrat seinen Willen aus, die Hoogan-Datenbank an neue Anforderungen anzupassen und sie – nebst dem EV Zug, der sie jetzt schon dafür nutzt – weiteren Sportklubs für elektronische Eingangskontrollen zur Verfügung zu stellen sowie Abklärungen zur elektronischen Kontrolle von Meldeauflagen zu unterstützen.

Bekämpfung des Hooliganismus (Po. 19.3533)

Im Juni 2022 veröffentlichte der Bundesrat einen Bericht über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenlage zu Diskriminierungen von LGBTI-Personen. Er erfüllte damit ein 2017 überwiesenes Postulat Reynard (sp, VS). Im Bericht stellte der Bundesrat fest, dass die Datenlage zu Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität «heute tatsächlich sehr dünn» sei. Allerdings sei die entsprechende Datenerhebung auch «keine einfache Angelegenheit», wie eine in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie des SKMR gezeigt habe. Quantitative Bevölkerungsumfragen eigneten sich dazu eher schlecht. LGBTI-Personen bildeten keine homogene Gruppe, weshalb Zahlen zu den verschiedenen Ausprägungen separat erhoben werden müssten. Dabei handle es sich jedoch um zahlenmässig kleine Gruppen, die zudem mangels Erhebungsrahmen in Form eines Registers o.ä. schwierig zu identifizieren seien, sodass es «eine grosse Herausforderung» sei, eine repräsentative Stichprobe der LGBTI-Bevölkerung zu gewinnen. Überdies seien Diskriminierungserfahrungen aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen und Selbsteinschätzungen subjektiv. Um sie allenfalls in standardisierte Bevölkerungsumfragen integrieren zu können, müssten durch qualitative Forschung zuerst geeignete Fragestellungen zur Erfassung des Phänomens entwickelt werden. Damit könnte auch ein vertieftes Verständnis von Mehrfachdiskriminierungen gewonnen werden – eine explizite Forderung des Postulats. In diesem Sinne ermutigte die Regierung Forscherinnen und Forscher dazu, Projekte mit entsprechendem Schwerpunkt beim Schweizerischen Nationalfonds einzureichen. Abschliessend verwies der Bundesrat auf laufende Arbeiten zur Verbesserung der Datenlage zu Hassverbrechen – eine Konsequenz der Aufnahme des Verbots der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in das Strafgesetzbuch; am Ende dieses Prozesses sollte das BFS im Rahmen der polizeilichen Kriminalstatistik Zahlen zu Diskriminierung durch Hassverbrechen aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit oder der sexuellen Orientierung ausweisen können.

Datenerhebung zu Diskriminierungen, die auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beruhen, mit Augenmerk auf Mehrfachdiskriminierungen (Po. 16.3961)

«Wie fit sind die Kantone in der Cyber-Strafverfolgung?», fragte Nationalrat Andri Silberschmidt (fdp, ZH) im Titel eines im März 2022 eingereichten Postulats. Er forderte den Bundesrat auf, anhand einer Auslegeordnung aufzuzeigen, welcher Handlungsbedarf in der Cyber-Strafverfolgung in den verschiedenen Kantonen besteht. Insbesondere soll er für alle Kantone untersuchen, ob die gesetzlichen Grundlagen zum Austausch mit anderen Kantonen ausreichend sind, ob die Organisation an die neuen Herausforderungen angepasst wurde und ob eine Bündelung der Ressourcen zwischen den Kantonen sinnvoll wäre. Die Ergebnisse sollten allerdings nur eingeschränkt veröffentlicht werden, um die Polizeitaktik und die Reputation einzelner Kantone nicht zu gefährden. Der Bundesrat begrüsste eine solche Bestandesaufnahme und beantragte die Annahme des Postulats. Der Nationalrat kam diesem Antrag in der Sommersession 2022 stillschweigend nach und überwies den Vorstoss diskussionslos.

Wie fit sind die Kantone in der Cyber-Strafverfolgung? (Po. 22.3145)