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Als «Pionierin des Wasserstoffs» betitelte die Westschweizer Zeitung «Le Temps» die Schweiz im Juli 2020 mit Verweis auf das geplante, privatwirtschaftlich organisierte Netz von Wasserstofftankstellen entlang der Achse Bodensee bis Genfersee. Nachdem bereits 2016 in Hunzenschwil (AG) die erste Wasserstofftankstelle der Schweiz ihren Betrieb aufgenommen hatte, folgte im Juli 2020 eine weitere in der Stadt St. Gallen. Bis Jahresende sollen zudem Tankstellen an den Standorten Rümlang (ZH), Zofingen (AG), Stadt Bern und Crissier (VD) folgen, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Mit der Eröffnung solcher Tankstellen könne die «Huhn-und-Ei-Frage» durchbrochen werden, denn ohne Infrastruktur würden auch keine Wasserstofffahrzeuge gekauft und ohne Nachfrage auch keine Tankstellen errichtet werden, erklärte dieselbe Zeitung weiter.
Bereits ab 2021 sollen 150 Wasserstoff-LKWs auf den Schweizer Strassen unterwegs sein, zwei Jahre später bereits deren 1000, wie die «bz Basel» festhielt. Möglich gemacht hat diese Wasserstoffinitiative unter anderem der im Jahr 2018 gegründete, privatwirtschaftlich organisierte Förderverein «H2 Mobilität Schweiz», der zum Ziel hat, ein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen in der Schweiz aufzubauen. Mitglieder dieses Vereins sind unter anderem die Detailhändler Migros und Coop sowie verschiedene Tankstellenbetreiber und Transportunternehmen, die entsprechende Fahrzeuge bestellt haben. Interesse am Alternativantrieb zeigte gemäss dem St. Galler Tagblatt beispielsweise auch die St. Galler Kantonspolizei, die im Sommer 2020 ein erstes Wasserstoffauto in ihre Dienstflotte aufnahm.
Nebst dem Netzausbau von H2-Tankstellen scheint auch die Produktion von Wasserstoff ins Rollen geraten zu sein. Der ersten bestehenden Anlage in der Schweiz beim Wasserkraftwerk Gösgen (SO) könnte beim Wasserkraftwerk Birsfelden (BL) bald eine zweite folgen, wie die «bz Basel» berichtete. Mit dem Aufbau eines Wasserstofftankstellennetzes und einer klimafreundlichen H2-Produktion werde erwartet, dass der Verkauf von Brennstoffzellenautos ansteige. Zusätzlich zum Potenzial, die Mobilitätsbranche aufzuwühlen, werde der Wasserstoff als potenzieller Energieträger angesehen, um temporär überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraftwerken zu speichern, wie die NZZ berichtete.

Mediale Debatte zu Wasserstoff als neuem Treibstoff (2020–2021)
Dossier: Potential und Einsatz von Wasserstoff

Nachdem am 22. Februar 2020 der erste Reaktorblock wie geplant vom Netz gegangen war, wurde am 30. Juni desselben Jahres auch dem zweiten Druckwasserreaktor des elsässischen AKWs Fessenheim (F) nach 43 Jahren endgültig der Stecker gezogen. Das 1977 in Betrieb genommene, mittlerweile älteste Kernkraftwerk Frankreichs stand seit Jahren in der Kritik, nicht ausreichend sicher zu sein. Eine Panne und die dadurch ausgelöste Schnellabschaltung wenige Tage vor der definitiven Ausserbetriebnahme bestätigte für die Kritikerinnen und Kritiker einmal mehr das Bild des «Pannenreaktors». Der im Jahr 2005 gegründete Trinationale Atomschutzverband (TRAS) – ein Zusammenschluss der Fessenheim-Kritikerinnen und Kritiker aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich – bezeichnete den 30. Juni 2020 gegenüber den Medien deshalb als «Freudentag».
Kritik für den zeitlich sportlichen Rückbauplan von 20 Jahren hagelte es unter anderem von der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN (autorité de sûreté nucléaire), die diesen als ungenau und unvollständig einstufte, wie die Basellandschaftliche Zeitung im Februar 2020 berichtet hatte. Der TRAS werde deshalb weiterhin wachsam bleiben und den Rückbau des nahe an der Schweizer Grenze gelegenen Reaktors kritisch begleiten, erklärte der Verbandspräsident und Basler Grossrat Jürg Stöcklin (BS, gp) gegenüber der gleichen Zeitung.

Abschalttermin AKW Fessenheim (F) voraussichtlich 2020
Dossier: Geschichte des AKW Fessenheim (F)

Nachdem am 20. Dezember 2019 das AKW Mühleberg seinen Betrieb eingestellt hatte, begannen im Januar des Folgejahres die Rückbau- und Entsorgungsarbeiten. «Nun wird aufgeräumt im Atomkraftwerk», betitelte etwa «Der Bund» die Abbauarbeiten im ehemaligen Berner Kraftwerk. Wie diverse Medien berichteten, seien diese Arbeiten entsprechend dem Zeitplan gestartet. In einem ersten Schritt sollen die Brennelemente ab Ende März im internen Lagerbecken abkühlen und bis Ende 2024 vom Gelände abtransportiert werden. Es fanden zudem erste LKW-Fahrten statt, die nicht-radioaktive Maschinen- und Splitterschutzteile vom Gelände weg beförderten. Komplett frei von Radioaktivität wird das Gelände voraussichtlich im Jahr 2030 sein. Erst danach kann mit dem konventionellen Abbruch des Gebäudes begonnen werden, der 2034 abgeschlossen sein soll. Gemäss der Berner Zeitung rechne die Betreiberin BKW mit Stilllegungs- und Entsorgungskosten von CHF 3 Mrd. Davon seien zwar 80 Prozent dank dem Stilllegungs- und Entsorgungsfonds bereits angesammelt, die restlichen Kosten werden jedoch wohl erst in 100 Jahren finanziell gedeckt sein, rechnete die Zeitung weiter vor.

ab 2020: Rückbau des AKWs Mühleberg
Dossier: Geschichte des Atomkraftwerks Mühleberg

Die französische Betreiberfirma Electricité de France reichte im Herbst 2019 das Schliessungsgesuch für die beiden Kernreaktoren des AKWs Fessenheim (F), das sich nahe der Schweizer Grenze bei Basel befindet, ein. Der erste Reaktor soll demnach am 22. Februar 2020, der zweite rund vier Monate später am 30. Juni 2020 den Betrieb einstellen. Das gut 50-jährige AKW im Dreiländereck zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz stand seit Jahren aufgrund der häufigen Störfälle in der Kritik und sorgte für Spannungen in den trinationalen und regionalen Beziehungen. Mit der Schliessung der Anlage setzt der französische Präsident Emmanuel Macron ein Versprechen vom November 2018 in die Tat um.

Abschalttermin AKW Fessenheim (F) voraussichtlich 2020
Dossier: Geschichte des AKW Fessenheim (F)

Pünktlich am 20. Dezember 2019 um 12:30 Uhr betätigte ein Mitarbeiter der BKW zwei Knöpfe im Kommandoraum des AKW Mühleberg (BE) und schaltete die Anlage damit endgültig ab. «Nach 47 Betriebsjahren und 43 Tagen ist das AKW Mühleberg Geschichte», schrieb die NZZ. Die Ausserbetriebnahme wurde von in- und ausländischen Medien, Anwohnerinnen und Anwohnern rund um Mühleberg, Mitarbeitenden sowie Politikerinnen und Politikern – teilweise emotional – mitverfolgt. Umweltministerin Simonetta Sommaruga meldete sich per Videobotschaft zu Wort und verkündete, die Abschaltung sei eine Chance, um Wasserkraft und Sonne besser zu nutzen, Arbeitsplätze im Inland zu schaffen und dank erneuerbarer Energien weniger abhängig von Öl und Gas zu sein.

Sowohl die Monate im Vorfeld der Abschaltung als auch die Tage danach waren gekennzeichnet von einem starken medialen Echo. Die Schweizer Zeitungen setzten den Fokus unter anderem auf die Menschen und ihre Geschichten zum Werk und publizierten Reportagen über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Atomkraftgegnerinnen und -gegner sowie über die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde Mühleberg, die über Jahrzehnte in unmittelbarer Nähe zum Reaktor gelebt hatten. Sowohl die beendeten Arbeiten der BKW während der letzten Jahre als auch die noch zu tätigenden wurden beleuchtet, darunter auch die noch ungeklärte Frage der Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Zwar leiste die BKW mit dem Rückbau in der Schweiz «Pionierarbeit», dies werde sich aber in Zukunft durchaus auch als lukrativ erweisen können, zumal weltweit nur wenige Firmen dieses Know-How besässen und in naher Zukunft viele Anlagen rückgebaut werden müssten, so die Presse.
Ebenfalls wurde in der Presse die Frage aufgegriffen, wie die durch die Abschaltung entstehende Bandstromlücke gefüllt werden könne. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der Abschaltung eine Chance für die erneuerbaren Energien sah, verwiesen andere einmal mehr auf Gaskraftwerke als Brückentechnologie. Swissgrid sehe in der Abschaltung indes keine Gefährdung der Stromversorgungssicherheit, wie online zu lesen war. Die nationale Gesellschaft der Übertragungsnetze propagierte aber einen schnellen Aus- und Umbau der Übertragungskapazitäten, damit die neuen Stromflüsse – aufgrund der zunehmend dezentralen Produktionsstätten – sicher geleitet werden könnten.

Nach dem offiziellen Beginn der Rückbauarbeiten an der Anlage in Mühleberg am 6. Januar 2020 werde sich der Blickwinkel wohl auf die Anlagen in Beznau verschieben: «Der älteste Meiler ist der nächste Abschaltkandidat» postulierte etwa der Tages-Anzeiger. Gemäss eigenen Angaben der Axpo, der Betreiberfirma der AKWs Beznau 1 und 2, dürfte dies aber erst in etwa zehn Jahren der Fall sein, so lange werde nämlich ein Weiterbetrieb der Anlagen angestrebt.

2013-2019: Abschaltung des AKW Mühleberg im Jahr 2019
Dossier: Geschichte des Atomkraftwerks Mühleberg

Mitte März 2019 endete die Vernehmlassung zur Teilrevision der Stilllegungs- und Entsorgungsverordnung (SEFV). Im Kern beinhaltete die Revision fünf Anpassungen: Erstens sollte der von der Strombranche stark kritisierte pauschale Sicherheitszuschlag wieder gestrichen werden, da mit der neuen Berechnungsmethode der Kostenstudie 2016 solche kalkulatorischen Unsicherheiten bereits einberechnet werden. Zweitens sollte auch der Rückforderungsprozess zum Herauslösen von Fondsmitteln konkretisiert und erleichtert werden. Dies waren die zwei Punkte in der Revision, die gemäss dem Vernehmlassungsbericht vom November 2019 sowohl von der Strombranche als auch von einer Mehrheit der Kantone begrüsst wurden. Starke Kritik seitens der Kernkraftbranche und beispielsweise des Kantons Zürich gab es hingegen für die weiteren Anpassungen. So sollten drittens die Anlageparameter auf die einbezahlten Mittel gesenkt werden und viertens eine Anpassung der personellen Zusammensetzung der Betreibergesellschaften in den Organen des STENFO vorgenommen werden. Mit letzterer Änderung sollten die unabhängigen Mitglieder des Rats gestärkt werden. Diese «Good-Governance-Strategie», wie sie die Befürwortenden bezeichneten, missfiel den Kernkraftwerkbetreibern, da sie die Kosten für die Stilllegung und Entsorgung der AKW zu tragen hätten und die nötige Fachkompetenz für die Verwaltung der Fonds mitbringen würden, so der Verband Swissnuclear. Der fünfte Punkt des Entwurfs beinhaltete Anpassungen beim Rückerstattungsprozess. So sollten im Falle einer Überdeckung der Soll-Fondsbeiträge die überschüssigen Beträge erst zum Zeitpunkt der Schlussabrechnung zurückbezahlt werden können.
Mit der Revision wolle der Bundesrat erreichen, dass für die Stilllegung und Entsorgung der AKW genügend finanzielle Mittel in den beiden Fondstöpfen liegen und nicht der Fiskus am Ende in die Bresche springen müsse, so die NZZ.

nationalen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds aufstocken

20. Dezember 2019, 12:30 Uhr: Dieses Datum wird in die Schweizer Geschichtsbücher eingehen. Es definiert den Zeitpunkt, an dem erstmals ein konventionell genutztes Atomkraftwerk der Schweiz den Betrieb einstellt. Medien aus allen Landesteilen berichteten im Jahr 2019 über dieses historische Vorhaben, das ein neues Zeitalter in der Schweizer Energiepolitik einläutet – den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie.
So wurde erstens die Frage nach dem Rückbau der Anlage in Mühleberg (BE) behandelt. «Zwei Knöpfe» seien es, die betätigt werden müssten, um das Werk herunterzufahren, resümierte der Tages-Anzeiger. Dass der Rückbau aber eine viel kompliziertere Angelegenheit darstellt, versuchten die Medien auf verschiedenste Arten aufzuzeigen. Gemeinhin lässt sich der Rückbau in drei Etappen – nuklearer Rückbau, Dekontaminierung und konventioneller Rückbau – unterteilen, wobei das Gelände erst Ende 2030 von Radioaktivität befreit sein wird. Insgesamt werden gemäss Berechnungen etwa 5'000 Tonnen, beziehungsweise drei Prozent der gesamten Masse des Werks, an radioaktivem Material anfallen – darunter gut 100 Tonnen an hoch radioaktiven Abfällen (vor allem Brennstäbe).
Stark verknüpft mit dem Rückbau war zweitens die Frage der anfallenden Kosten. Gemäss Berechnungen der BKW belaufen sich die Gesamtkosten für den Rückbau der Anlage auf CHF 927 Mio. und jene für die Lagerung des Atommülls aus dem Werk auf CHF 1.427 Mrd. Um diese Geldmengen bereitzustellen, musste die Kraftwerkbetreiberin während der letzten Jahrzehnte – seit 1985 bzw. 2001 – Beiträge in zwei Fondstöpfe, den Stilllegungs- und den Entsorgungsfonds, leisten. Heiss diskutiert wurde dabei jüngst eine Anpassung des Realzinssatzes. Dessen Senkung würde bewirken, dass die einbezahlten Gelder mit einer tieferen Rendite angelegt würden, was zur Folge hätte, dass die zu leistenden Beiträge aller – damit unzufriedenen – AKW-Betreiberfirmen in der Schweiz höher ausfallen würden. Die Unsicherheit in der Kostenfrage zeigten indes auch die Korrekturen des Bundes: Während dieser bis im Jahr 2000 von Kosten im Umfang von CHF 13 Mrd. sprach, erhöhte er diese Zahl 2011 auf CHF 20.6 Mrd., bevor er sie zuletzt auf CHF 24 Mrd. korrigierte. Die tatsächlichen Kosten für den Rückbau können noch nicht beziffert werden. Ein Geologe sprach in der «Tribune de Genève» von einer Fehlermarge zwischen 60 und 70 Prozent für diese Berechnungen.
Als drittes grosses Themenfeld wurde in den Medien die Geschichte des AKWs Mühleberg und die Schweizer Atomgeschichte im Allgemeinen beleuchtet. Die Berner Zeitung titelte in diesem Zusammenhang im Frühling 2019: «Atomeuphorie mit einer kurzen Halbwertszeit». Es wurde etwa über die Tatsache berichtet, dass beim Spatenstich zum Bau des AKWs am 1. April 1967, wovon es notabene nicht einmal ein Pressebild gebe, noch eine Atomeuphorie geherrscht und der Bau niemanden gestört habe – «Atomkraftgegner gab es keine weit und breit». Dass sich die Zeiten seither grundlegend verändert haben, zeigte auch ein genanntes Beispiel aus den Anfängen des AKWs: Noch in der Testphase ereignete sich 1971 ein Grossbrand in der Anlage Mühleberg. «Heute würde so ein Vorfall eine wochenlange Aufregung auslösen, damals erhielt ich gerade mal zwei Medienanfragen», erzählte der damalige AKW-Leiter und ex-Kantonsrat Hans-Rudolf Lutz (SO, svp) gegenüber der Berner Zeitung. Erst mit der 68er-Bewegung und den Anti-Kaiseraugst-Aktionen seien kritische Atomstimmen in der Schweiz aufgekommen. Einen grossen Umbruch erlebte die Atomkraft zuletzt mit der Katastrophe von Fukushima im März 2011. Während im Februar 2011 das Berner Stimmvolk noch mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen den Bau eines Nachfolgewerks Mühleberg II goutierte, kommunizierte die BKW 2013, keine grossen Nachrüstungen mehr durchführen und die Anlage deshalb 2019 vom Netz nehmen zu wollen. Dieser Entscheid sei gemäss Suzanne Thoma, BKW-CEO im Interview mit dem «Blick», «zu hundert Prozent ein unternehmerischer Entscheid» gewesen.
National und international wird die Abschaltung für Aufsehen sorgen, wenn eines der ältesten Atomkraftwerke der Welt, das rund fünf Prozent des Schweizer Strombedarfs abdeckte, den Regelbetrieb für immer einstellen wird.

2013-2019: Abschaltung des AKW Mühleberg im Jahr 2019
Dossier: Geschichte des Atomkraftwerks Mühleberg

Verschiedene Medien berichteten über das Kernkraftwerk Mühleberg, welches in gut einem Jahr, am 20. Dezember 2019, als erstes kommerziell genutztes Kernkraftwerk der Schweiz vom Netz gehen wird. Es wird somit seit der Inbetriebnahme im Jahr 1972 eine Laufzeit von 47 Jahren aufweisen. Die Betreiberfirma BKW gab gegenüber den Medien an, die Kosten für die Abschaltung (CHF 927 Mio. für die Stilllegung und weitere CHF 1.427 Mrd. für die Entsorgung) selber stemmen zu können. Die NZZ berichtete, die BKW schule bestehende und mit dem Werk vertraute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Rückbau um und bereite für den «Tag X» eine Abschiedszeremonie vor.

2013-2019: Abschaltung des AKW Mühleberg im Jahr 2019
Dossier: Geschichte des Atomkraftwerks Mühleberg

Das immer wieder in den Schlagzeilen stehende und unter Beschuss geratende französische Atomkraftwerk Fessenheim (F), das rund 40 km von Basel entfernt seit 1970 in Betrieb steht, vermag oft das Interesse der Schweizer Medien und von Vertreterinnen und Vertretern aus der Schweizer, der deutschen und der französischen Politik zu wecken. Im Jahr 2012 hatte der damalige französische Präsident François Hollande verkündet, Ende 2016 die beiden Reaktoren in Fessenheim vom Netz zu nehmen. Aus diesem Vorhaben war jedoch vorerst nichts geworden. Im April 2017 hatte die französische Regierung in einem Dekret erklärt, die Stilllegung des Atommeilers an die Inbetriebnahme des neuen Reaktors in Flamanville (F) zu knüpfen; es sei daher frühstens mit einer Abschaltung im Jahr 2019 zu rechnen. Im Oktober 2018 wurde das Regierungsdekret aus dem Vorjahr jedoch vom obersten französischen Verwaltungsgericht sistiert – dies auf Antrag der Gemeinde Fessenheim und von Gewerkschaften, die Beschwerde gegen den Regierungsentscheid aus Paris eingelegt hatten. Eine Kehrtwende folgte im Folgemonat, als der französische Präsident Emmanuel Macron den Sommer 2020 als neuen Termin für die Schliessung des Atomkraftwerks nannte. Der Gesundheitsdirektor des Kantons Basel-Stadt, Lukas Engelberger (BS, cvp), zeigte sich in der Basellandschaftlichen Zeitung positiv gestimmt und glaubte, dass dies nun der endgültige Abschalttermin sei, da diese Ankündigung an keine Bedingungen geknüpft sei und die Anlage in jenem Jahr eine Laufzeit von 50 Jahren aufweisen werde. Die Ankündigung des französischen Präsidenten bezeichnete er als «sehr gute Neuigkeiten für die Sicherheit und Gesundheit für die Bevölkerung in der Region».

Abschalttermin AKW Fessenheim (F) voraussichtlich 2020
Dossier: Geschichte des AKW Fessenheim (F)

Das St. Galler Tagblatt sowie die Aargauer Zeitung berichteten über die Auflösung der einst in Bern sehr einflussreichen Atomenergie-Dachlobbyorganisation Aves, die zu Spitzenzeiten über 100 Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier als Mitglieder verzeichnete. Der stetige Niedergang der Macht war geprägt von der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 und dem vom Volk angenommenen Energiegesetz im Jahr 2017, das den Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz per Gesetz verbietet. Zuletzt war SVP-Präsident und Nationalrat Albert Rösti Präsident der Organisation. Weiterhin bestehen bleiben aber die Regionalgruppen, die sich womöglich neuen Schwerpunkten zuwenden wollen.

Atomlobby löst sich auf

In einem Bericht des ENSI zum 10'000-jährlichen Störfall erklärte Hans Wanner, Direktor des ENSI, dass unter realistischen Annahmen der (derzeit vom Inspektorat in der Praxis zwar angewandte, jedoch stark umstrittene und ungenau formulierte) Strahlungsgrenzwert von 100 mSv nicht überschritten und somit keine einzige Person im Falle eines solchen Störfalls einer Strahlendosis von 100 mSv ausgesetzt sei. Die durchschnittliche, tatsächlich austretende Strahlendosis bei einem solchen Auslegungsstörfall – beispielsweise einem Erdbeben, das durchschnittlich alle 10'000 Jahre stattfinde und kleinere Schäden an den Betriebsanlagen verursache, jedoch keine Kernschmelze zur Folge habe (also einem Gau, nicht aber einem Super-Gau) – betrage lediglich 0,3 mSv. Eine durchschnittliche Person in der Schweiz sei aber im Vergleich durch natürliche, medizinische und zivilisatorische Quellen einer zwanzigfachen Belastung von durchschnittlich 5,8 mSv ausgesetzt.
Angestossen worden war der Bericht u.a. von einem Gerichtsfall zwischen dem ENSI und verschiedenen Umweltorganisationen sowie Anwohnerinnen und Anwohnern rund um die Kernkraftwerke Beznau I und II. Berechnet wurden die vorliegenden Zahlen jedoch am Beispiel des Kernkraftwerks Gösgen für den regnerischen und stürmischen 11. Juni 2018. Das Inspektorat begründete diese Wahl damit, dass die Anlage Gösgen die am dichtesten besiedelte Umgebung (potenziell 95'000 Personen) aufweise und so das schlimmstmögliche Szenario (in diesem Fall 13 mSv für gewisse Anwohnerinnen und Anwohner) bei ungünstigen Wetterbedingungen aufzeigen könne.
Die Aargauer Zeitung berichtete von erstaunten Reaktionen auf den Bericht. Nationalrätin Irène Kälin (gp, AG) kritisierte beispielsweise, dass die Behörde nicht die älteste Anlage Beznau zur Berechnung herbeigezogen hatte und monierte zudem, der Bericht sei ein klarer Beweis dafür, dass das ENSI – angesichts der internationalen Behörden, die zu anderen Schlüssen gekommen seien – nicht unabhängig sei.
Der Bericht heizte gemäss St. Galler Tagblatt die Debatte um den Grenzwert weiter an. Ständerat und Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle (svp, TG) plädierte dafür, den Grenzwert nicht als ideologischen Zankapfel zu betrachten. Im Gegensatz dazu drohte Bastien Girod (gp, ZH), die Grünen würden gegen einen konkretisierten Dosisgrenzwert von 100 mSv eine Volksinitiative lancieren. Widerstand gegen einen 100-mSv-Grenzwert hatte sich aber auch schon von bürgerlicher Seite im Postulat Müller (Po.18.3175) bemerkbar gemacht.

Bericht des ENSI zum 10'000-jährlichen Störfall
Dossier: Widerstand Wiederinbetriebnahme Beznau 2018 - Änderungen Kernenergiebereich - Lex Beznau

Am 27. September kündigte Doris Leuthard dann ihren definitiven Rücktritt per Ende 2018 an und erfüllte damit den vielseitigen Wunsch einer Doppelvakanz – lediglich zwei Tage vor der Aargauerin hatte Johann Schneider-Ammann seinen Rücktritt ebenfalls auf Ende Jahr bekannt gegeben. Die CVP-Magistratin gab zu Protokoll, dass der Doppelrücktritt nicht abgesprochen gewesen sei. Schneider-Ammann habe eigentlich gesagt, dass er bis zum Ende der Legislatur bleiben werde, während sie schon lange gewusst habe, dass für sie Ende 2018, also nach über zwölf Jahren, Schluss sei. Weil aber die Spekulationen ins Kraut geschossen seien, habe sie beschlossen, ihren Rücktritt einen Tag früher als geplant zu verkünden. Leuthard erwähnte zudem, dass sie selber eine Doppelvakanz durchaus auch kritisch sehe, da eine solche immer auch mit Unsicherheiten und der Wahrscheinlichkeit personeller Wechsel in den Departementen versehen sei.
Ihre Rücktrittsverlesung vor dem Parlament verlief einigermassen emotional; unter Tränen sagte die Magistratin, dass sie die Arbeit sehr gerne gemacht habe und hoffe, dass man damit zufrieden sei. Die ehemalige Vorsteherin des Volkswirtschaftsdepartements (2006 bis 2010) – damals EVD, heute WBF – und aktuelle Vorsteherin des UVEK (zwischen 2010 und 2018) gab eine gewisse Amtsmüdigkeit zu. Die Arbeit im Bundesrat sei schwieriger geworden, was auch der zunehmenden Parteipolarisierung geschuldet sei. Man müsse in der Politik wieder vermehrt Lösungen suchen statt Probleme zu bewirtschaften. Viele Probleme könnten zudem nicht mehr aus einer rein schweizerischen Perspektive gelöst werden; ohne internationale Vernetzung könnten die Interessen der Schweiz gar nicht mehr vertreten werden. Auch den zunehmenden Druck der Parteien auf ihre jeweiligen Bundesrätinnen und Bundesräte beurteilte Leuthard als negative Entwicklung für das Regierungskollegium.
Die CVP-Magistratin erhielt viel Lob. So hoben die FDP und die SVP ihre Verdienste bei der Sicherstellung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur hervor, während die SP die Energiepolitik mit der eingeleiteten Energiewende lobte. In der Tat hatte sich die Aargauerin von einer Atombefürworterin (die Aargauer Zeitung erinnerte an ihren Übernamen «Atom-Doris») zur massgeblichen Treiberin des Atomausstiegs gewandelt – was ihr die BaZ in ihrer Rückschau freilich auch als Opportunismus vorwarf. In den Medien wurde auch vorgerechnet, dass Leuthard von 18 Volksabstimmungen, die sie jeweils als Departementschefin zu vertreten gehabt hatte, deren 16 gewonnen habe – einzig die Zweitwohnungsinitiative und das Referendum gegen die Autobahnvignette (Finanzierung des Nationalstrassennetzes) habe sie trotz ihres Kommunikationstalents und ihrer aussergewöhnlichen Dossierkenntnis nicht zu ihren Gunsten entscheiden können. Le Temps bezeichnete die abtretende Magistratin deshalb als «artiste de la démocratie directe». Der Blick feierte sie als «eine der erfolgreichsten Bundesrätinnen aller Zeiten» und im St. Galler Tagblatt wurde sie als «Ausnahmepolitikerin» gewürdigt, die sich als «Glücksfall für das Land» entpuppt habe: «Ihr politischer Instinkt gepaart mit Bodenhaftung und Charme» habe sie in der Bevölkerung sehr beliebt gemacht. Die NZZ erklärte ihren Abstimmungserfolg mit ihrem Instinkt für Mehrheitsfähigkeit; allerdings habe ihr auch der Mut für Neues gefehlt. Als Wermutstropfen in Leuthards Amtszeit wurde der Subventionsskandal der Postauto AG erörtert, der allerdings nicht an ihr haften bleiben dürfte, weil die politische Verantwortung eher bei der Finanzkontrolle liege – so die Aargauer Zeitung. Die Medien waren sich zudem nicht einig, ob das neue, noch von Leuthard initiierte Mediengesetz zu loben oder zu verwerfen sei. Den einen war das Papier zu SRG-freundlich und führe mittelfristig zu staatlicher Medienförderung, die anderen unterstützten den darin verpackten Vorwurf an die fehlende Innovationsfreudigkeit privater Medien.

Rücktritt von Doris Leuthard

Im Mai 2018 schlug die WAK-SR vor, als Gegenstück zur Unternehmenssteuerreform der AHV aus dem vollständigen Demografieprozent der Mehrwertsteuer, einer Erhöhung des Bundesbeitrags sowie der Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern neu zusätzlich ungefähr CHF 2 Mrd. jährlich zukommen zu lassen – was von den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Mai 2019 angenommen wurde. Diese Idee einer Zusatzfinanzierung für die AHV kam jedoch nicht von ungefähr, hatten doch seit 2017 zahlreiche Mitglieder der eidgenössischen Räte Vorstösse für eine einmalige oder regelmässige Zusatzfinanzierung für die AHV eingereicht.
Den Anfang machte die FK-NR im Oktober 2017. Nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung die Altersvorsorge 2020 kurz zuvor an der Urne abgelehnt hatte, beantragte die Kommission in einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 17.496), der AHV im Jahr 2018 den im Budget 2018 frei gewordenen Betrag von CHF 441.8 Mio., der zuvor für die AHV geplant gewesen war, ihr nun aufgrund der abgelehnten Altersvorsorge aber verwehrt werden sollte, zukommen zu lassen. Dieser Vorschlag fand jedoch in der FK-SR keine Mehrheit.
In der Folge waren insbesondere Forderungen, wonach die SNB eine Finanzzulage an die AHV leisten solle, prominent. Den ersten Schritt machte diesbezüglich Peter Keller (svp, NW; Ip. 18.3124) mit einer Interpellation. Da die SNB seit Januar 2015 einen Negativzins von 0.75 Prozent auf die Gelder, die bei ihr lagerten, kassiere und dadurch auf Kosten der Schweizer Sparenden sowie Rentnerinnen und Rentner 2015 bis 2017 fast CHF 5 Mrd. eingenommen habe, wollte er vom Bundesrat wissen, ob dieser ebenfalls der Meinung sei, dass die entsprechenden Gelder nach Beendigung der ausserordentlichen Massnahmen durch die SNB wieder der Schweizer Bevölkerung zurückgegeben werden sollten – etwa über die AHV. Der Bundesrat erklärte sich dabei mit der aktuellen Regelung, die eine Ausschüttung der Gewinne an die Bevölkerung ermögliche, aber auch die Unabhängigkeit der SNB gewährleiste, zufrieden. Ende 2018 folgte Alfred Heer (svp, ZH; Mo. 18.4327) mit einer Motion, die den Bundesrat beauftragen sollte, die Gewinnaufteilung der SNB so zu ändern, dass die von der Nationalbank erhobenen Negativzinsen vollständig auf Kosten des Bundes, dessen Auszahlungen entsprechend gekürzt werden sollten, an die AHV fliessen sollten. Da der Bund faktisch keine Schuldzinsen bezahle und stattdessen sogar ein Zinsüberschuss auf neuen Bundesobligationen erwirkt werde, sei er einer der Profiteure der Negativzinsen, argumentierte der Motionär. Thomas Matter (svp, ZH; Pa.Iv. 18.465) forderte in einer parlamentarischen Initiative – erfolglos –, dass die Nationalbank die Hälfte ihres Eigenkapitalzuwachses seit dem 31. Dezember 2007 einmalig an die AHV überweisen solle, sobald sich das internationale Finanzsystem und die Bilanzsumme der SNB normalisiert haben. Noch bevor sich der Nationalrat entschieden hatte, dem Vorstoss Matters keine Folge zu geben, wollte Maximilian Reimann (svp, AG; Pa.Iv. 19.481) ebenfalls mit einer parlamentarischen Initiative dafür sorgen, dass die Erträge aus Negativzinsen nicht als Reingewinn der SNB verbucht werden, sondern der AHV – sowie allenfalls den Pensionskassen und der dritten Säule – zugute kommen.
Doch nicht nur im Bereich der Nationalbank, auch in weiteren Bereichen sah die SVP Potenzial für eine Unterstützung der AHV. So reichte die SVP-Fraktion im September 2018 drei Motionen ein, mit denen die Rahmenkredite für die Entwicklungshilfe um CHF 1 Mrd. pro Jahr (Mo. 18.3755) respektive für den Asyl- und Flüchtlingsbereich vorgesehene Gelder um CHF 500 Mio. jährlich gekürzt (Mo. 18.3757) sowie die sogenannte Kohäsionsmilliarde für die EU gestrichen werden (Mo. 18.3756) und die frei werdenden Gelder der AHV zugeführt werden sollten. Mit entsprechenden Anträgen war sie zuvor im Nationalrat bei der Besprechung der STAF gescheitert. Die Motionen 18.3755 sowie 18.3756 fanden jedoch in der Herbstsession 2019 ausserhalb der SVP keinen Anklang und wurden entsprechend deutlich abgelehnt. Die Motion 18.3757 wurde bis zum Ende der Herbstsession 2019 noch nicht behandelt.
Einen weiteren Vorschlag für eine Zusatzfinanzierung für die AHV machte Luzi Stamm (svp, AG; Pa.Iv. 19.435) – und somit wiederum ein Mitglied der SVP-Fraktion – im Mai 2019 in einer parlamentarischen Initiative. Demnach sollen zukünftig aufgrund von fix installierten Überwachungsgeräten ausgestellte Bussen und Geldstrafen im Strassenverkehr in den AHV-Fonds fliessen. Dabei ging es ihm jedoch nicht in erster Linie um die Finanzierung der AHV, sondern vor allem um die Überwachungsgeräte. Durch eine solche Änderung würden diejenigen Stellen, die Überwachungsgeräte aufstellen, nicht direkt von diesen profitieren, wodurch sichergestellt werden könne, dass diese tatsächlich zur Sicherheit, nicht nur für den Profit installiert würden.
Im September 2018 reichte schliesslich mit Beat Flach (glp, AG; Po. 18.4009) auch ein Mitglied der Grünliberalen Fraktion ein Postulat ein, gemäss dem der Bundesrat die Höhe der Zusatzfinanzierung für die AHV und IV durch eine Legalisierung von Cannabis und eine Besteuerung analog zu Tabak berechnen sollte. Dieselbe Problematik nahm auch Fabian Molina (sp, ZH; Anfrage 19.1039) im Juni 2019 in seiner Anfrage an den Bundesrat auf.
Eine Unterstellung von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz sowie eine Erhöhung des Normalsatzes zugunsten der AHV forderte die Jugendsession 2017 in einer Petition (Pet. 18.2006).

Zusatzfinanzierung für die AHV

Die geplanten Teilrevisionen diverser Verordnungen im Kernenergiebereich sorgten in der Vernehmlassung für viel Aufruhr. Geplant waren einerseits Änderungen in den Kriterien zur Störfallanalyse und der dazugehörigen Ausserbetriebnahme und andererseits neue Regelungen zur Abklinglagerung von radioaktiven Abfällen. Für viel Zündstoff sorgte hierbei vor allem die erste Änderung – auch bekannt unter dem Namen «Lex Beznau».

Die Betreiberfirmen von Kernkraftwerken sind verpflichtet, deterministische Störfallanalysen durchzuführen. Störfälle werden dabei in drei Kategorien unterteilt: Schwerwiegende naturbedingte Fälle, die jedoch nur sehr selten eintreten, erhalten die Ziffer drei. Mit der Ziffer zwei versehen werden schwerwiegende naturbedingte Störfälle, die etwas häufiger vorkommen als jene in Kategorie drei. Leichtere und häufige naturbedingte Störfälle bekommen die Ziffer eins. Zudem erhalten die jeweiligen Störfälle maximale Dosisgrenzwerte – also Richtlinien, wie viel Radioaktivität bei einem Störfall maximal austreten dürfte – zugeteilt.
Unklar formuliert war bisher jedoch die Kategorisierung der in der Natur auftretenden Ereignisse, die durchschnittlich einmal alle 10'000 Jahre stattfinden. Gemäss Zeitungsberichten beziehe sich dies vor allem auf schwerere Erdbeben. Diese seltenen Erdbeben bildeten in Art. 123 Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung (StSV) den Übergang zwischen der Kategorie zwei, für die ein strenger Dosisgrenzwert von 1 mSv (Millisievert) pro Jahr gilt, und der Kategorie drei, für die ein viel höherer Grenzwert von 100 mSv pro Jahr gilt. Unklar war deshalb, zu welcher Kategorie und zu welchem Grenzwert die oben beschriebenen seltenen Erdbeben gehören. Dass hier eine rechtliche Unsicherheit bestand, erkannte die KNS bereits im Jahr 2012 und beantragte Klärungsbedarf. Mit einer Konkretisierung, dass für solche Ereignisse die einfacher einzuhaltende Kategorie drei gelten sollte, wollte der Bundesrat die bisherige Praxis in den Verordnungen verankern.
Anwohner rund um die Kernkraftwerke Beznau I und II sowie drei Umweltorganisationen hatten aber schon im Jahr 2015 beim ENSI ein Gesuch eingereicht mit dem Ziel, solche Ereignisse der Kategorie zwei und somit dem strengeren Dosisgrenzwert 1 mSv pro Jahr zuzuordnen. Bei einer solchen Zuordnung müssten beide Anlagen in Beznau bis zu einer allfälligen Nachrüstung vom Netz genommen werden, da sie diesen Grenzwert nicht einhalten könnten. Mittels einer Verfügung hatte das ENSI dieses Begehren jedoch abgelehnt und den Entscheid damit begründet, dass dies weder der bisherigen Praxis noch der ursprünglichen Regelungsabsicht des Bundesrates entspreche und womöglich sämtliche AKWs der Schweiz unmittelbar bei der Zuteilung zur Kategorie zwei vom Netz genommen werden müssten. Diese Verfügung war danach beim Bundesverwaltungsgericht angefochten worden. Zu erwarten ist auch ein allfälliger Weiterzug des noch ausstehenden Bundesverwaltungsgerichtsentscheids an das Bundesgericht.

In der Vernehmlassung, die bis Mitte April 2018 andauerte, meldeten sich sowohl Regierungen diverser Schweizer Kantone und Städte, als auch diverse Organisationen, Kommissionen, Parteien und Dachverbände aus der Schweiz und Deutschland, sowie viele Einzelpersonen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich zu Wort. So liess beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Aargau – also dem Kanton, wo sich die Anlagen Beznau I und II sowie Leibstadt befinden – verlauten, dass er die Präzisierungen in den Verordnungen als sinnvoll erachte. Ähnlich klang es in den Stellungnahmen der Kantone Basel-Land, Freiburg und Graubünden. In den Kantonen Luzern, Appenzell-Ausserrhoden und Zürich erachtete man die Präzisierungen als sinnvoll, äusserte aber Bedenken an der Herabsetzung der Schutzbestimmungen und betonte deshalb die Wichtigkeit des Postulats Müller (fdp, LU, Po. 18.3175). Klar oder mehrheitlich klar gegen die genannte Konkretisierung/Herabsetzung der Sicherheitsanforderungen von 1 mSv auf 100 mSv äusserten sich die Regierungen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Stadt, Genf, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Schwyz, Tessin, Uri, Waadt und Wallis – sowie Bern und Solothurn, die Standortkantone der anderen beiden Atomkraftwerke.
Nebst den Kantonsregierungen liessen auch diverse Parteien von sich hören. Aussergewöhnlich war hierbei der einstimmige Tenor unter diversen Parteien von links bis rechts betreffend die zeitliche Komponente. Sowohl die SP, die Grünen und die GLP als auch die FDP und die SVP störten sich am Zeitpunkt der Vernehmlassung. Die SP und die GLP forderten eine Sistierung des Vorhabens bis zum Gerichtsentscheid aus St. Gallen. Auch die Grünen kritisierten, dass der Bundesrat das gerichtliche Verfahren nicht abwarte, verlangten aber darüber hinaus einen generellen Verzicht auf die Revision. Die FDP erklärte, die Beschwerde sei kein Grund, um die Vernehmlassung zu verzögern, jedoch sei die Dringlichkeit dieser Verordnungsanpassung zu wenig ersichtlich. Die SVP schrieb in einer kurzen Stellungnahme, dass wohl erst durch das Gerichtsverfahren Anpassungen in Angriff genommen worden seien. Die KNS habe ja schon im Jahr 2012 bemerkt, dass ein gewisser Klärungsbedarf bestehe. Eine Ausnahme im Tenor bildete die BDP. In ihrer offiziellen Stellungnahme erwähnte sie die mögliche Problematik betreffend den Rechtsstreit nicht. Sowohl die SP als auch die Grünen äusserten sich generell ablehnend zu den Verordnungsänderungen, was sie auch deutlich kundtaten. «Wir lehnen die vorgelegten Verordnungsänderungen mit Nachdruck ab und kritisieren die vorgeschlagenen inhaltlichen Anpassungen sowie das gewählte Vorgehen scharf», schrieb etwa die SP. Die Grünen gingen einen Schritt weiter und beschuldigten den Bundesrat, mit dieser Lex Beznau die Grundlagen schaffen zu wollen, um die alten Anlagen in Beznau weiter in Betrieb halten zu können. Die FDP und die SVP zeigten sich mit den Änderungen grundsätzlich einverstanden. Gemäss FDP würden die Anpassungen selber keine Abstriche bei der Sicherheit mit sich bringen sondern nur die heutige Praxis auf Verordnungsebene präzisieren. Nicht offiziell zur Vorlage äusserte sich die CVP, was Martin Bäumle (glp, ZH) in einer Anspielung im Tages-Anzeiger als Unterstützung für ihre Energieministerin Doris Leuthard wertete.
Eine weitere brisante kritische Stellungnahme kam schliesslich von André Herrmann, dem ehemaligen Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz (KSR). Er warf dem Bundesrat vor, das Vorsorgeprinzip zu verletzen: Die Kommission empfehle, solchen Ereignissen einen Grenzwert von 20 bis 50 mSv zuzuordnen und nicht 100 mSv, wie dies der Bundesrat vorsah.

Revidierte Kernenergieverordnung / Lex Beznau
Dossier: Tätigkeitsberichte der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit KNS
Dossier: Widerstand Wiederinbetriebnahme Beznau 2018 - Änderungen Kernenergiebereich - Lex Beznau

Der Entscheid des Ensi, dem AKW Beznau 1 die Wiederbetriebsaufnahme zu erlauben, stiess in diversen Kreisen auf Widerstand und löste grosses Interesse in den Medien aus. Die Grünen drohten mit der Lancierung einer Volksinitiative mit dem Ziel, Beznau 1 innert einem Jahr nach Annahme stillzulegen. Um bei einer Zwangsabschaltung mögliche Schadenersatzforderungen seitens der Betreiberin Axpo auszuschliessen, würde der Initiativtext so formuliert werden, dass nur geringe bis keine Geldforderungen geltend gemacht werden könnten. Mangels Absprache unter den beteiligten AKW-Gegnern sah die Grüne Partei später vorerst von diesem Vorhaben ab. Anstelle der Volksinitiative reichte die Grüne-Fraktion eine Motion (18.3101) ein mit dem Ziel, beiden Blöcken von Beznau die Betriebsbewilligung zu entziehen. Zuvor hatte sie auch schon mit einer bereits eingereichten Motion (18.3010) «Keine Lex Beznau» versucht, einen vorläufigen Verzicht auf die geplanten Verordnungsänderungen im Kernenergiebereich und auf eine Abschwächung der zulässigen Strahlenschutzbestimmungen zu erreichen.
Kritik zu diesen geplanten Verordnungsänderungen kam auch seitens der SP. Diese reichte, nebst dem Startschuss zur Unterschriftensammlung für eine Petition «gegen die Aufweichung der AKW-Sicherheit», beim UVEK eine Aufsichtsbeschwerde mit dem Vermerk «Skandal» ein. Konkret richtete sich diese Beschwerde, wie auch schon die Motion Kälin «Keine Lex Beznau», gegen das Vorhaben des Bundesrates, die Anforderungen an die maximale Strahlenbelastung im Falle eines Erdbebens von einem Millisievert auf 100 Millisievert abzuschwächen. Dies sei skandalös, da betreffend diesen Wert derzeit beim Bundesverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren gegen das Ensi vorliege und dem AKW Beznau die Betriebsbewilligung im Falle eines Grenzwertes von 1 Millisievert entzogen werden müsste. In der Beschwerde forderte die SP deshalb, dass der Axpo die Betriebsbewilligung für Beznau 1 und 2 entzogen wird sowie dass die geplanten Änderungen in den Verordnungen bis zum Ende des Rechtsstreits aufgeschoben werden.
Für Stirnrunzeln sorgte das Vorhaben des Bundesrates auch im bürgerlichen Lager. So forderte Ständerat Damian Müller (fdp, LU) in einem eingereichten Postulat (18.3175) einen Prüfbericht im Bereich Strahlenschutz. Er sei zwar grundsätzlich nicht gegen den Betrieb der bestehenden AKW, solange sie sicher seien, gerade Letzteres bezweifle er angesichts der aussergewöhnlichen Änderung der Spielregeln während eines Rechtsverfahrens jedoch.
Des Weiteren meldeten sich auch aus dem Nachbarland Deutschland kritische Stimmen aus verschiedenen Parteien, unter anderem von den Grünen, der SPD und der CDU, zur erneuten Inbetriebnahme. Auch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Bundeslandes Baden-Württemberg kritisierte die geplanten Anpassungen der Strahlenschutzbestimmungen in einem Brief an die Schweizer Regierung.
Zuletzt äusserten auch die Kantone Zürich, Basel-Stadt, Waadt, Freiburg, Tessin, Appenzell-Innerrhoden, Schwyz sowie Bern ihre Bedenken. Die Schwyzer Regierung schrieb beispielsweise, man dürfe die Sicherheitsanforderungen nicht abschwächen, und der Berner Regierungsrat bezeichnete die Senkung des Sicherheitsniveaus als «nicht hinnehmbar».

Beznau darf wieder ans Netz
Dossier: Widerstand Wiederinbetriebnahme Beznau 2018 - Änderungen Kernenergiebereich - Lex Beznau

Als „Bundesrat des ökologischen Aufbruchs” bezeichnete die NZZ den ehemaligen Innenminister Alphons Egli, der am 5. August 2016 mit 91 Jahren verstarb. Zwar war Egli nur von 1983 bis 1986 im Amt, die grossen Umweltprobleme – die Explosion des Kernreaktors in Tschernobyl, der (mediale) Höhepunkt des so genannten Waldsterbens und das Unglück in Schweizerhalle – fielen allerdings alle in seine Amtsperiode und in seinen Aufgabenbereich, da Umweltthemen damals noch im EDI angesiedelt waren. Weil Egli rasch Massnahmen ergriff, wie etwa die Einführung von Katalysatoren oder die Reduktion von Tempolimiten auf Autobahnen, sei der Luzerner CVP-Bundesrat zu einer Galionsfigur des Umweltschutzes geworden.

Alphonse Egli

In der Verkehrspolitik wollten die Grünen ihre Position für weniger Mobilität verteidigen. Bereits im Januar kündigte Co-Präsidentin Regula Rytz an, ein Referendum zu unterstützen, sollte der Bau einer zweiten Gotthardröhre beschlossen werden. Das bis anhin von den Grünen besetzte VCS-Präsidium wollte man ebenfalls nicht kampflos der SP überlassen: neben der letztlich gewählten Evi Allemann (sp, BE) trat deshalb auch Aline Trede (gp, BE) an. Mitte April brachten die Grünen zudem die Idee eines Gelegenheits-Halbtax-Abonnements in die Diskussion um die Preise im öffentlichen Verkehr ein. Die „Bahnkarte 25“ soll für CHF 50 im Jahr die Bahnreisen um 25% verbilligen. Damit würden Anreize für Gelegenheitszugfahrer gesetzt, die vermehrt auf die Strasse ausweichen würden, gab Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen in einem Interview zu Protokoll. Eine ähnliche Idee war in Deutschland mit einigem Erfolg im Jahr 2002 eingeführt worden. Schliesslich forderten die Delegierten im November in einer Resolution, dass bis 2050 nur noch Autos auf Schweizer Strassen fahren dürfen, die mit grünem Strom fahren. Dies soll durch eine Erhöhung der Auto-Importsteuer und der Umwandlung von Parkplätzen in Standplätze mit Ladestationen erreicht werden. Darüber hinaus müsse möglichst rasch ein verursachergerechtes Mobility-Pricing eingeführt werden.

Verkehrspolitik
Dossier: Mobility-Pricing

Hinsichtlich ihrer Energiepolitik wurde der BDP vorgeworfen, ihre Positionen zu wechseln. Der Atomausstieg sei 2011 nur beschlossen worden, um den Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf zu retten. In der Zwischenzeit sei die Partei aber atomfreundlicher geworden, was nicht zuletzt auch damit zu tun habe, dass viele BDP-Exponenten mit der BKW verbandelt seien, der Besitzerin des AKW Mühleberg. Hans Grunder (BE), ehemaliger Parteipräsident der BDP, dementierte die Gerüchte. Die BDP und er selber würden hinter dem Atomausstieg stehen. Das schulde man den zukünftigen Generationen.

Energiepolitik

Unter der Führung des Bruders des verstorbenen Giuliano Bignasca, Attilio Bignasca, versuchte die Lega an ihre Wurzeln anzuknüpfen. Anfang der 1990er Jahre fuhren Legisthi aus Protest gegen das damals verhängte sommerliche Tempolimit im Schneckentempo auf der Autobahn von Airolo nach Chiasso. Diese „Karawane der Freiheit“ sollte am 26. Juli des Berichtjahrs von Attilio Bignasca erneut in Gang gesetzt werden. Diesmal wollte die Lega gegen die geplante Erhöhung der Gebühren für die Autobahnvignette auf CHF 100 die „Gerichtsvollzieher aus Bern“ aufscheuchen. Die Aktion wurde allerdings ein Flop, weil sich lediglich 20 Autos in die Karawane einreihten.

Karawane der Freiheit

Die Grünen feierten 2013 ihr 30-jähriges Bestehen. Die verschiedenen in den 1970er Jahren entstandenen kantonalen und kommunalen Ökologiebewegungen hatten sich 1983 zur Föderation der grünen Parteien zusammengeschlossen. In Biel wurde Ende April auf dieses Ereignis angestossen. Seit den eidgenössischen Wahlen 2011 standen die Grünen allerdings unter keinem guten Stern. Bereits damals mussten sie eine herbe Niederlage einstecken, 2012 und auch im Berichtjahr setzte sich dieser negative Trend auch bei den kantonalen Parlamentswahlen fort. Als ein Grund für die Formschwäche der GP wurde in der Presse der Verlust der Führerschaft in Umweltthemen diskutiert. Der Atomausstieg ist beschlossen, Raumplanung, Nachhaltigkeit oder Mobilität sind Themen, die auch von bürgerlichen Parteien bearbeitet werden. Regula Rytz (BE), Co-Präsidentin der Grünen Partei Schweiz begrüsste freilich in einem Interview am Anfang des Berichtjahrs diesen Trend: Themen, die früher belächelt worden seien, würden jetzt ernst genommen. Auf diesem Erfolg dürfe sich die GP aber nicht ausruhen, weil es zum Beispiel in der Atompolitik – die GP hatte eine Ausstiegsinitiative lanciert – noch viel zu tun gebe und noch immer Überzeugungsarbeit geleistet werden müsse. Der Partei wurde auch vorgeworfen, zu wenig pragmatisch und häufig zu ideologisch zu agieren. Eine ernsthafte Oppositionspolitik könne sie zudem erst betreiben, wenn sie sich von der SP emanzipiere, mit der sie zu häufig paktiere. Ein weiterer Grund für die Verluste der Grünen wurde zudem in der GLP ausgemacht, die als liberale Version der Grünen in der Mitte die Wählerschaft abgrabe. Trotz dieser Konkurrenz setzte sich Rytz für die Wahlen 2015 10% Wähleranteil zum Ziel.

30-jähriges Bestehen

Ein weiteres zentrales Thema in der Verkehrspolitik war die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels. Im Parlament wurden dazu verschiedene Vorschläge eingebracht und auch private Stimmen meldeten sich in der öffentlichen Diskussion zu Wort. Mit der Wahl der Variante „2. Röhre ohne Kapazitätserweiterung“ vollzog der Bundesrat eine Kehrtwende, von der viele Akteure überrascht wurden. Die bundesrätliche Absicht dürfte im Folgejahr bekämpft werden.

Diskussion bei der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels 2012
Dossier: Sanierung des Gotthard-Strassentunnels

Am 11. März fand in Mühleberg die dritte Manifestation „Menschenstrom gegen Atom“ statt. Tausend Menschen forderten friedlich die sofortige Abschaltung der AKW Mühlenberg und Beznau. Ebenfalls im März demonstrierten in der Bundeshauptstadt 4000 Physiotherapeuten für höhere Leistungstarife, welche seit vierzehn Jahren nicht mehr angepasst worden sind. Für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierten auch die St. Galler Volksschullehrer. Am 12. Dezember forderten 15'000 Lehrerinnen und Lehrer weniger Arbeitsaufwand für Lehrkräfte. In Bern fand unter dem Namen „Tanz dich frei“ in der Nacht auf den 4. Juni die grösste Jugenddemonstration seit 25 Jahren statt. Rund 10'000 Jugendliche nahmen am via Facebook organisierten, unbewilligten, aber tolerierten Anlass teil, um gegen die Trägheit des Berner Nachtlebens zu demonstrieren. Am 23. Juni fand in Bern ein Protestzug von rund 5000 Personen gegen die Verschärfung des Asylrechts statt. Der Anlass war eine Antwort auf die vom Nationalrat gutgeheissene Revision des Asylrechts, nach welcher Asylsuchende nur noch Not- statt Sozialhilfe beziehen können. Im August haben in Bern gegen 1000 Personen für die Rechte von Nicht-Heterosexuellen demonstriert.

Grossdemonstrationen in der Schweiz im Jahr 2012
Dossier: Grossdemonstrationen in der Schweiz

In der Umweltpolitik waren die Grünen lange Zeit Themenführer und die zunehmende Konkurrenz aller etablierten Parteien in diesem Bereich könnte eigentlich als Erfolg der GP gewertet werden. Allerdings müsse man darauf achten, dass die GP in ihren Kernthemen weiterhin als relevant und glaubwürdig wahrgenommen werde. Man wolle in Policies wie grüne Wirtschaft, Atomausstieg, Raumplanung und Verkehr die führende Partei bleiben, gaben die neuen Parteipräsidentinnen an der Delegiertenversammlung Anfang November in Bümpliz zu Protokoll.

Umweltpolitik

In Beantwortung eines Postulats der KVF-SR hatte der Bundesrat Ende 2010 seinen Grundlagenbericht zu den anstehenden Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten am Gotthard-Strassentunnel präsentiert. Während der Zeitplan (2020–2050) weitgehend unbestritten war, gaben die Frage nach dem Sinn und Zweck einer zweiten Tunnelröhre sowie deren Vereinbarkeit mit dem Alpenschutzartikel Anlass zu heftigen Diskussionen. Unterstützt von VCS, WWF und weiteren Umweltschutzorganisationen propagierte die Alpeninitiative die komplette und dauerhafte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, begleitet von einem Fahrverbot für überregional verkehrende Lastwagen zwischen Biasca und Erstfeld sowie einem Verladeshuttle für PKWs auf der alten Bahnstrecke zwischen Airolo und Göschenen. Der Bundesrat hielt im Bericht fest, den kostspieligen Bau einer zweiten Röhre, dessen Investitionskosten das Bundesamt für Strassen (Astra) auf CHF 2 Mrd. (bei jährlichen Unterhaltskosten CHF von 10 Mio.) schätzt, mit seinem Verlagerungskonzept (Güter durch den neuen Eisenbahn-Basistunnel, Personen durch den Eisenbahn-Scheiteltunnel) vermeiden zu wollen. Zudem wies die Regierung auch auf die möglichen verfassungsrechtlichen Konsequenzen einer zweiten Strassentunnelröhre in Bezug auf den Alpenschutzartikel hin. Wirtschaftskreise und mit ihnen viele bürgerliche Politiker aus den hauptsächlich vom Transitverkehr betroffenen Kantonen sahen bei einer richtungsgetrennten, einspurigen Verkehrsführung keinen Widerspruch zum Alpenschutzartikel und forderten den Bau einer zweiten Tunnelröhre (dessen Baukosten sie auf die Hälfte des vom Astra errechneten Betrags schätzten) vor Beginn der Sanierungsarbeiten. Im Verlauf des Berichtsjahrs tendierten die Tessiner, Urner und Bündner Regierungen verstärkt zur Option zweite Röhre. Dabei betonten die beiden Letzteren, am Alpenschutzartikel festhalten zu wollen. Die Bündner Regierung drohte für den Fall der Vollsperrung des Strassentunnels mit der Kontingentierung von Güterfahrten auf der A13 am San Bernardino. Das Gotthard-Komitee, die Interessengemeinschaft der 13 Kantone und der Wirtschaft entlang der Gotthard-Achse, vermochte im Sommer des Berichtsjahrs keinen Entscheid für oder gegen den Bau eines zweiten Strassentunnels zu fällen.

Postulat der KVF-SR zur Sanierung des Gotthard-Strassentunnels (09.3000)
Dossier: Sanierung des Gotthard-Strassentunnels