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Jahresrückblick 2021: Aussenpolitik

Nach dem Jahr 2020, das auch im Bereich der Aussenpolitik mehrheitlich von der Covid-19-Pandemie dominiert worden war, kehrten 2021 wieder andere Themen ins Scheinwerferlicht zurück. Allen voran gewannen die Beziehungen zur EU aufgrund unvorhergesehener Ereignisse an Salienz. Die Zeitungsanalyse 2021 von Année Politique Suisse unterstreicht diese Entwicklung eindrücklich: Zeitungsartikel zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa machten im vergangenen Kalenderjahr rund die Hälfte aller Artikel im Themenbereich Aussenpolitik aus (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang).

Hauptgrund für die Prominenz der bilateralen Beziehungen in den Medien dürfte das Ende der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU im Mai 2021 gewesen sein. Zwar widerspiegelte der mediale Tonfall nach dem Treffen zwischen Bundespräsident Parmelin und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende April die Hoffnung, dass sich die Verhandlungen in eine weitere Runde würden retten können, doch die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft zeigten die verhärteten Fronten in der Diskussion in der Schweiz auf. Auch das Parlament übte Ende April/Anfang Mai zunehmend Druck auf den Bundesrat aus, endlich neue Ansätze in die seit längerem blockierten Verhandlungen zu bringen. Ein Abbruch der Verhandlungen schien für den Bundesrat schliesslich angesichts der bestehenden Differenzen unvermeidlich, wobei die einseitige Entscheidung von der EU überhaupt nicht begrüsst wurde. Verschiedene politische und zivilgesellschaftliche Akteure wie die SP und die Operation Libero drängten nach dem Verhandlungsabbruch auf neue Lösungsansätze, der polarisierendste zielte gar auf einen EU-Beitritt ab. Eine in der Folge rasch ergriffene Massnahme betraf die seit 2019 blockierte zweite Kohäsionsmilliarde, die auf Initiative des Bundesrats in der Herbstsession von beiden Räten freigegeben wurde. Nachdem dieser zweite Schweizer Beitrag aufgrund der Nichtverlängerung der Börsenäquivalenz 2019 blockiert worden war, erhoffte sich der Bundesrat von der Freigabe nun die Assoziierung an Horizon Europe.

Die Verschlechterung der Beziehungen zur EU hatte sich zu Beginn des Jahres noch nicht unbedingt abgezeichnet. Im März hatte der Bundesrat die Botschaft zur Prümer Zusammenarbeit und dem Eurodac-Protokoll veröffentlicht und damit die Grundlage für eine vertiefte Kooperation mit der EU in Sachen Kriminalitätsbekämpfung gelegt. Diese waren in den beiden Räten unbestritten und wurden einstimmig angenommen. Auch ein weiteres Geschäft im Rahmen der Schengen-Weiterentwicklung, die Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen, fand im Ständerat eine grosse Mehrheit. Etwas umstrittener gestalteten sich die Ratsdebatten über die Schweizer Beteiligung an der Weiterentwicklung von Frontex und über eine dafür nötige Revision des AIG. Da die Räte und die vorberatenden Kommissionen der EU-Migrationspolitik kritisch gegenüberstanden, brachten sie Ausgleichsmassnahmen in die Vorlage ein, um der humanitären Tradition der Schweiz gerecht zu werden. In der Folge wurde vor allem über deren Ausgestaltung diskutiert und weniger über den Frontex-Beitrag, der personelle und finanzielle Mittel umfasste und aufgrund der drohenden Beendigung der Schengen-Assoziierung bei einer Nichtübernahme unbestritten schien.

Deutlich positiver als die EU-Politik liest sich die Bilanz der Schweiz im Hinblick auf die Kooperation mit einzelnen europäischen Staaten. Die bilateralen Beziehungen zum Vereinigten Königreich im Nachgang des Brexit nahmen 2021 weiter Form an. Im Januar nahm der Ständerat als Zweitrat eine Motion Cottier (fdp, NR) an, die eine vertiefte Handelsbeziehung im Rahmen der «Mind the Gap-Strategie» des Bundesrats verlangte. Zudem veröffentlichte der Bundesrat im Juni die Botschaft zum Abkommen mit dem Vereinigten Königreich über die Mobilität von Dienstleistungserbringenden, durch das die Schweiz einen vereinfachten Zugang zum britischen Arbeitsmarkt erhalten soll. Dieses nahm die kleine Kammer in der Wintersession einstimmig an. Auch die Nutzung des französischen Satellitensystems «Composante Spatiale Optique» wurde von beiden Räten ohne grösseren Widerstand angenommen.

Auch in der Aussenwirtschaftspolitik ereignete sich im vergangenen Jahr einiges, angefangen mit der Abstimmung über das Freihandelsabkommen mit Indonesien, welches die Schweizer Bevölkerung im März mit 51.6 Prozent Ja-Stimmen knapper als erwartet annahm. Deshalb werteten auch die unterlegenen Gegner und Gegnerinnen des Abkommens dieses Resultat als Erfolg, insbesondere im Hinblick auf das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, welches gemäss geltender Gesetzgebung automatisch dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll. Erwähnenswert war im Kontext des Aussenhandels auch die Anpassung des Embargogesetzes, durch die das Einfuhrverbot von Feuerwaffen, Waffenbestandteilen, Munition und weiteren Gütern aus Russland und der Ukraine fortgeführt werden konnte und die es dem Bundesrat erlaubt, in vergleichbaren Situationen nicht mehr die Bundesverfassung für ein Embargo bemühen zu müssen.

Deutlich weniger Veränderungen als in anderen Jahren gab es bei den Beziehungen zu internationalen Organisationen. Hervorzuheben ist hier die Sistierung des UNO-Migrationspakts durch den Ständerat, welcher die Ergebnisse der Subkommissionen der aussenpolitischen Kommissionen zum Thema «Soft Law» abwarten wollte. Ebenfalls von Bedeutung waren die Bewilligung der von der WAK-SR geforderten ständigen parlamentarischen Delegation bei der OECD durch die beiden Räte in der Herbstsession und die Ratifikation der ILO-Übereinkommen 170 und 174.

Einen Bedeutungsaufschwung erlebten die bilateralen Beziehungen der Schweiz mit China, was sich in einer Vielzahl an parlamentarischen Vorstössen äusserte. Auslöser für die rege Tätigkeit des Parlaments war die mit Spannung erwartete Publikation der Schweizer China-Strategie im März. Diese wurde unter anderem für ihren unklaren Umgang mit den chinesischen Menschenrechtsverletzungen kritisiert, weshalb die aussenpolitischen Kommissionen der Räte selbst aktiv wurden. Bereits vor Veröffentlichung der China-Strategie hatte die APK-NR in der Frühjahrssession einen Bericht zur Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs eingefordert – mit diesem sollte die China-Strategie beurteilt werden. Auch die Situation der tibetischen Exilgemeinschaft in der Schweiz, die laut APK-NR unter der zunehmenden Einflussnahme Chinas leidet, wurde in der Frühjahrssession thematisiert. Kurz darauf engagierte sich die APK-NR auch in diesem Themenfeld: Mittels Motion forderte sie einen stärkeren Fokus der Schweiz auf die Förderung der Menschenrechte in China, der auch in der Schweizer China-Strategie zum Ausdruck kommen sollte. Die Motion wurde vom Nationalrat zwar befürwortet, aber vom Ständerat abgelehnt. Die APK-NR war es auch, die den Bundesrat im Sommer mit einem Postulat ins Schwitzen brachte, das die Prüfung von vertieften Beziehungen mit Taiwan – unter anderem auf politischer Ebene – forderte, was ganz und gar nicht zur Ein-China-Politik der Schweiz passte und vom Bundesrat daher abgelehnt wurde. Anders sah dies der Nationalrat, der das Postulat überwies. Etwas allgemeiner ging die APK-SR vor, die in einer von ihrem Rats bereits unterstützten Motion eine Institutionalisierung des zwischenstaatlichen Austauschs und der Koordination von Schweizer Akteuren mit China verlangte, um die politische Kohärenz der China-Politik sicherzustellen.

Zu kleineren Ausschlägen in der APS-Zeitungsanalyse 2021 führten zudem die Guten Dienste der Schweiz (vgl. Abbildung 1). Im Juni fand in Genf das viel beachtete Treffen zwischen US-Präsident Biden und dem russischen Präsidenten Putin statt, das von den Bundesräten Cassis und Parmelin genutzt wurde, um die Bedeutung des internationalen Genfs als Standort für interdisziplinäre Kooperation hervorzuheben. Im August verstärkte sich die Berichterstattung in diesem Themenbereich aufgrund der durch die Machtübernahme der Taliban ausgelösten Krise in Afghanistan. In deren Wirren evakuierte die Schweiz ihr DEZA-Kooperationsbüro in Kabul und vergab den lokalen Mitarbeitenden der Schweizer Aussenstellen insgesamt 230 humanitäre Visa. Im Bereich der Menschenrechte hatte der Bundesrat noch vor diesen beiden Grossereignissen die Leitlinien Menschenrechte 2021-2024 publiziert.

Die vorübergehenden Lockerungen der globalen Corona-Massnahmen machte sich im EDA vor allem anhand der Auslandreisen von Aussenminister Cassis bemerkbar. Nach einem mageren 2020 schien der EDA-Vorsteher 2021 einiges nachzuholen und reiste in mehrere Länder, die im Fokus der Schweizer MENA-Strategie standen, darunter Algerien, Mali, Senegal, Gambia, Irak, Oman, Libanon, Libyen und Saudi-Arabien. Von besonderer Bedeutung war der Staatsbesuch in der Ukraine, den Cassis zum Anlass nahm, um den Vorbereitungsprozess für die Ukraine-Reformkonferenz 2022 einzuläuten.

Jahresrückblick 2021: Aussenpolitik
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen

Eine überaus wichtige Neuerung im Themenbereich der sozialen Gruppen wurde 2021 für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Im September nahm die Stimmbevölkerung mit einem deutlichen Ja-Anteil von 64 Prozent die «Ehe für alle» an. Neben der Möglichkeit der Eheschliessung waren damit für gleichgeschlechtliche Paare weitere Ungleichheiten im Familienleben beseitigt worden: In Zukunft ist es auch ihnen möglich, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, zudem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende. Die Relevanz dieser Abstimmung widerspiegelt sich im Ergebnis der APS-Zeitungsanalyse 2021, die einen diesem Ereignis geschuldeten Höchststand an Artikeln zur Familienpolitik im Abstimmungsmonat aufzeigt (vgl. Abbildung 1 im Anhang). Kein anderes Thema im Bereich der sozialen Gruppen erzielte im beobachteten Jahr eine ähnlich hohe mediale Aufmerksamkeit.

Erstmals in der Geschichte der Schweizer Frauen- und Gleichstellungspolitik veröffentlichte der Bundesrat 2021 eine nationale Gleichstellungsstrategie, die jedoch von Frauenorganisationen und linken Parteien kritisiert wurde. Ferner gaben die Kommissionen einer parlamentarischen Initiative Folge, welche die befristete Finanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung durch eine dauerhafte, vom Bund unterstützte Lösung ersetzen will. Der 2022 vorzulegende Entwurf soll die Eltern bei der Finanzierung der Betreuungsplätze massgeblich entlasten und somit zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Gleichzeitig wurden im Berichtsjahr aber verschiedene Vorstösse mit ähnlichen, bereits konkreter ausformulierten Vorstellungen in Form einer parlamentarischen Initiative, einer Standesinitiative und einer Motion abgelehnt. Ebenfalls zur Verbesserung der Stellung der Frauen im Beruf beitragen soll die 2018 geschaffene Revision des Gleichstellungsgesetzes, mit der Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden zur Durchführung von Lohnanalysen verpflichtet worden waren. Erste, im August 2021 publizierte Analyseergebnisse von ausgewählten Unternehmen zeichneten ein positives Bild, das jedoch unter anderem wegen fehlender Repräsentativität in Zweifel gezogen wurde. Nach wie vor sind Unternehmen nicht verpflichtet, die Ergebnisse ihrer Lohnanalysen an den Bund zu übermitteln. Gegen eine entsprechende Regelung hatte sich der Ständerat im Juni erfolgreich gewehrt.

Nachdem im Vorjahr der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub in einer Volksabstimmung angenommen worden war, gingen die politischen Diskussionen rund um die Ausdehnung von Urlaubsmöglichkeiten für Eltern 2021 weiter. Eine Standesinitiative aus dem Kanton Jura und eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel stiessen im Parlament indes auf wenig Gehör. Der Nationalrat verabschiedete jedoch ein Kommissionspostulat, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Elternzeit aufzeigen soll. In den Räten setzte sich zudem mit Annahme einer Vorlage zum Adoptionsurlaub eine langjährige Forderung in der Minimalvariante durch: Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen Urlaub.

Auch das Thema der Gewalt gegen Frauen blieb 2021 auf der politischen Agenda, immer wieder angetrieben durch Zeitungsberichte über häusliche Gewalt und Femizide. Das Parlament überwies drei Motionen, welche die Bereitstellung eines 24-stündigen Beratungsangebots für von Gewalt betroffene Personen forderten, wozu sich die Schweiz 2017 im Rahmen der Ratifikation der Konvention von Istanbul verpflichtet hatte. Ein Zeichen gegen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche setzte der Nationalrat auch durch Befürwortung einer Motion, die das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern möchte. Der Ständerat äusserte sich bis Ende Jahr noch nicht zum Geschäft. Ebenfalls kam es zu breiten medialen Vorwürfen bezüglich Gewalt in Bundesasylzentren, woraufhin das SEM einen Bericht erarbeiten liess.

Nicht zuletzt wurde im Berichtsjahr mit verschiedensten Publikationen und Aktionen auf das 50-jährige Bestehen des Frauenstimm- und -wahlrechts Bezug genommen. Mit Corona-bedingter Verspätung fand im September die offizielle Feier des Bundes statt. Ende Oktober tagte zum zweiten Mal nach 1991 die Frauensession, die insgesamt 23 Forderungen zu unterschiedlichen Themen als Petitionen verabschiedete. Darüber hinaus wurde an diesen Anlässen auch über die Gewährung politischer Rechte an weitere Gruppen diskutiert, so etwa an Personen ohne Schweizer Pass, Minderjährige und Menschen mit einer Beeinträchtigung. Bezüglich Letzteren nahm der Ständerat im Herbst 2021 ein Postulat an, das den Bundesrat aufforderte, Massnahmen aufzuzeigen, damit auch Menschen mit einer geistigen Behinderung uneingeschränkt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können.

Wie die APS-Zeitungsanalyse 2021 zeigt, erhielten Fragen rund um die Familien- und Gleichstellungspolitik im Jahr 2021 im Gegensatz zu Fragen zur Asyl- und Migrationspolitik überaus starke mediale Aufmerksamkeit. Der Zeitvergleich macht überdies deutlich, dass die Berichterstattung im Bereich Asyl und Migration über die letzten Jahre konstant an Bedeutung eingebüsst hat.

Dieses fehlende Interesse der Medien ist ob der umstrittenen Gesetzesänderungen des Parlaments im Bereich Asylpolitik, welche die Grundrechte der Asylsuchenden einschränkten, bemerkenswert. So können Schweizer Behörden künftig mobile Geräte der Asylsuchenden verwenden, um beim Fehlen von Ausweispapieren Rückschlüsse auf die Identität einer Person zu gewinnen. Dieser Beschluss provozierte eine negative Reaktion des UNHCR. Zudem schuf das Parlament ein Reiseverbot für vorläufig aufgenommene Personen und entschied, dass Personen in Ausschaffungshaft zum Wegweisungsvollzug zur Durchführung eines Covid-19-Tests gezwungen werden können. Unterschiedliche Ansichten vertraten die beiden Räte in Bezug auf junge Asylbewerbende. So lehnte es der Ständerat ab, die Administrativhaft für Minderjährige abzuschaffen, nachdem sich der Nationalrat für diese Forderung im Vorjahr noch offen gezeigt hatte. Ebenso setzte sich der Nationalrat im Berichtsjahr durch Unterstützung einer Motion dafür ein, dass Personen mit abgewiesenem Asylentscheid ihre berufliche Ausbildung beenden dürfen, während sich der Ständerat nach der Beratung einer anderen Motion gegen diese Möglichkeit aussprach. Schliesslich wollte der Ständerat den Familiennachzug von Schutzbedürftigen erschweren, wogegen sich der Nationalrat aber erfolgreich sträubte. Im Sammelstadium scheiterte überdies eine Volksinitiative des ehemaligen Nationalrats Luzi Stamm, gemäss welcher Asylbewerbende in der Schweiz nur noch mit Sachleistungen hätten unterstützt werden sollen: Seine Volksinitiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich», die in erster Linie Flüchtlingen primär in der Nähe der Krisengebiete und nicht in der Schweiz helfen wollte, scheiterte an den direktdemokratischen Hürden.

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Der Ständerat stimmte den sechs gleichlautenden Motionen zur Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe in der Wintersession 2021 stillschweigend zu, nachdem diese bereits vom Nationalrat und von der KVF-SR einstimmig befürwortet worden waren.

Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe (Mo. 21.3063; Mo. 21.3064; Mo. 21.3065; Mo. 21.3066; Mo. 21.3067; Mo. 21.3068)
Dossier: Notrufe

Ende April 2021 lagen die Vorschläge für eine Teilrevision der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) sowie für eine Totalrevision der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEIeS) vor und der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung dazu, um bald eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting starten zu können. Die Vorlagen sehen vor, dass die Kantone nach wie vor selber entscheiden können, ob und mit welchem System sie E-Voting-Versuche durchführen möchten. Der Bund bleibt verantwortlich für den rechtlichen Rahmen und die Bewilligungen der Systeme und Versuche. Pro Kanton dürfen maximal 30 Prozent und schweizweit höchstens 10 Prozent der Stimmberechtigten die digitale Stimmabgabe nutzen, von der zudem vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie Stimmberechtigte mit Behinderung profitieren sollen. Die revidierten Verordnungen regeln überdies, auf welche Weise die E-Voting-Systeme laufend überprüft werden sollen. Dabei werden unabhängige Expertinnen und Experten, aber auch Hackerinnen und Hacker im Rahmen von «Bug-Bounty-Programmen» die Systeme laufend auf Mängel überprüfen.

Die Antworten der Vernehmlassung mussten bis Mitte August 2021 eingereicht werden und Anfang Dezember 2021 lag der entsprechende Ergebnisbericht mit insgesamt 67 Stellungnahmen vor. Die grosse Mehrheit von 48 Stellungnehmenden unterstützte die Vorlagen mit kleinen Anpassungsvorschlägen; darunter 21 Kantone, die FDP, die Mitte, zahlreiche Behindertenorganisationen, der Gemeindeverband und die Auslandschweizerorganisation. Grundlegende Vorbehalte äusserten elf Vernehmlassungsteilnehmende; darunter die Kantone Freiburg, Neuenburg und Wallis, unter den Parteien die SP und die EDU und bei den Organisationen unter anderem die Economiesuisse. Die Vorbehalte betrafen den Umstand, dass momentan lediglich das System der Post bestehe, was den Kantonen kaum Handlungsspielraum gewähre. Der Bund müsse hier mehr Verantwortung übernehmen, forderten etwa die Kantone Freiburg und Wallis, die zusammen mit Neuenburg auch eine finanzielle Unterstützung durch den Bund für die Umsetzung der Versuche forderten. Auch die SP verlangte eine staatliche Lösung und prioritäre Zugänge für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Gänzlich und ausschliesslich auf Letztere wollte die EDU E-Voting beschränken. Economiesuisse forderte vor einem Neustart eine umfassende öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von E-Voting, um zuerst der herrschenden Skepsis in der Bevölkerung zu begegnen und entsprechend Vertrauen zu schaffen. Auf mehrheitliche Ablehnung stiessen die Vorschläge bei acht Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern: beim Kanton Schwyz, den Grünen, der SVP und der Piratenpartei und unter den Organisationen unter anderem beim Verein «E-Voting Moratorium», der 2019 eine Initiative für ein solches Moratorium lanciert hatte, die allerdings 2020 an der Unterschriftenhürde gescheitert war. Der Kanton Schwyz befürchtete, dass Manipulationen nie ausgeschlossen werden könnten und vor allem kleine Kantone finanziell an ihre Grenzen kommen würden. Die drei Parteien und der Verein «E-Voting-Moratorium» betonten die Bedeutung des Vertrauens der Stimmberechtigten bei Wahlen und Abstimmungen, das aufgrund von nie wirklich behebbaren Sicherheitsproblemen unnötig aufs Spiel gesetzt würde. Sie forderten zudem tiefere maximale Teilnehmendenzahlen für die Zulassung von E-Voting. Die Grünen und die Piratenpartei kritisieren überdies, dass andere Digitalisierungsprojekte (z.B. E-Collecting oder elektronische Vernehmlassungen) aufgrund der starken Konzentration auf E-Voting unnötig gebremst würden. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet hatten unter anderem der Kanton Jura und der Arbeitgeberverband.

Mitte Dezember 2021 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis. Die Vorlagen sollen finalisiert werden, wobei die Regierung eine finanzielle Beteiligung des Bundes als sinnvoll erachtete. Als wichtig bezeichnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung auch die Idee der Entwicklung eines Systems aus öffentlicher Hand und die Vermeidung einer einseitigen Priorisierung von E-Voting bei Digitalisierungsprojekten. Er wolle diese Punkte längerfristig weiterverfolgen.

Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting
Dossier: Vote électronique

In der Wintersession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion der APK-NR zur Förderung der Menschenrechte in China im Rahmen der Schweizer China-Strategie. Matthias Michel (fdp, ZG) äusserte sich im Rat im Namen der APK-SR, welche die Motion im Vorfeld der Session mit 6 zu 4 Stimmen abgelehnt hatte. Michel erklärte, dass die Kommission das übergeordnete Ziel der Menschenrechtsförderung unterstütze und die chinesische Auffassung der Menschenrechte klar jener der internationalen Wertegemeinschaft widerspreche. Eine Kommissionsmehrheit sei jedoch zum Schluss gekommen, dass der Bundesrat bereits gemäss den Umsetzungsvorschlägen der Motion handle, womit diese als erfüllt angesehen werden könne. Da die Motion darüber hinausgehe und dadurch in den Kompetenzbereich des Bundesrats eingreifen würde, sei sie nicht zielführend und müsse abgelehnt werden. Carlo Sommaruga (sp, GE), der für die Kommissionsminderheit sprach, kritisierte den Bundesrat dafür, in der Vergangenheit wirtschaftliche Interessen stärker gewichtet zu haben als Fragen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Sommaruga insistierte, dass diesbezüglich Handlungsbedarf bestehe, beispielsweise indem man den Menschenrechtsdialog im Rahmen der Olympischen Winterspiele wiederaufnimmt und bei einer Weigerung Chinas symbolische Massnahmen ergreift. Auch die Annahme der Motion sei eine solche symbolische Geste, die China vermitteln würde, dass das Schweizer Parlament die Menschenrechte nicht einfach ruhen lasse, argumentierte Sommaruga. Der anwesende Bundesrat Cassis verkündete, dass der Menschenrechtsdialog als eines der wichtigsten bilateralen Menschenrechtsinstrumente demnächst wiederaufgenommen werde und zudem eine Bilanz über die vergangenen 30 Jahre Menschenrechtsdialog gezogen werden solle. Die restlichen Forderungen der Motion befand auch der Aussenminister für bereits erfüllt, weshalb er deren Ablehnung beantragte. Die kleine Kammer folgte der Empfehlung ihrer Kommission und lehnte den Vorstoss mit 29 zu 11 Stimmen (bei 1 Enthaltung) deutlich ab.

Motion zur Förderung der Menschenrechte in China
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Le contre-projet indirect à l'initiative populaire «Pour des multinationales responsables» entre en vigueur en janvier 2022. Par conséquent, les entreprises helvétiques devront évaluer les risques de leurs activités sur l'environnement et la population à l'étranger. Alors que le Conseil fédéral s'est félicité d'être en phase avec les dernières mesures introduites dans l'Union européenne (UE), la coalition d'ONG qui a étudié l'application du contre-projet a haussé la voix dans la presse pour critiquer une législation «alibi». D'après cette coalition, la multitude d'exceptions a vidé le projet de sa substantifique moelle. La conseillère nationale Corina Gredig (pvl, ZH) a d'ailleurs interpellé le Conseil fédéral sur l'entrée en vigueur et également sur les développements législatifs dans les pays de l'UE.

Initiative populaire «Entreprises responsables – pour protéger l’être humain et l’environnement»
Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative
Dossier: Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen»

Ende November 2021 kündete das EDA an, dass Aussenminister Cassis zur Weiterführung des strategischen Dialogs mit China seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi in Anji in der Provinz Zhejiang treffen werde. Der strategische Dialog sei auf Aussenministerebene 2017 etabliert worden und finde jährlich alternierend in China und der Schweiz statt, wobei der geplante Besuch das erste physische Treffen der beiden Aussenminister seit Beginn der Covid-19-Pandemie sei. Hauptziel des Treffens sei die Vorstellung der neuen Schweizer China-Strategie und die Etablierung eines konstruktiven Dialogs, der auch kritische Fragen beinhalten soll, unter anderem Fragen zur Einhaltung der Menschenrechte. Darüber hinaus wolle Bundesrat Cassis auch die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen und die Rolle Chinas bei der Bekämpfung des Klimawandels thematisieren. Wie Le Temps berichtete, durften keine Medienschaffenden die Reise begleiten.
Aus dem geplanten Treffen wurde schliesslich aber nur ein Telefonat, da der Bundesratsjet eine technische Panne hatte und die Schweizer Delegation auf halbem Weg umkehren musste. Bundesrat Cassis teilte im Anschluss an das Telefonat auf Twitter mit, dass sich das Gespräch um die Bedeutung des Multilateralismus, die Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs und die Verantwortung Chinas als Gastgeber der Olympischen Spiele für die Rechte der Athletinnen und Athleten gedreht habe.

Weiterführung des strategischen Dialogs mit China
Dossier: Aussenpolitische Strategie in den bilateralen Beziehungen mit China

Mitte November 2021 kündigte das EDA an, Bundesrat Cassis werde in den nächsten Tagen nach Slowenien, Saudi-Arabien und Libyen reisen. In Slowenien – welches zu dem Zeitpunkt den Vorsitz im Rat der EU innehatte – unterhielt sich Cassis mit dem slowenischen Aussenminister Logar vornehmlich über die Europapolitik der Schweiz. Wie bereits bei seinem Arbeitsbesuch in Brüssel hob Cassis hervor, dass die Schweiz einen strukturierten politischen Dialog mit der EU aufnehmen wolle. Aussenminister Cassis erwähnte auch die Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde, zu deren Empfängern auch Slowenien gehört. Ausserdem sprach er das Engagement der Schweiz im Westbalkan zur Förderung von Stabilität, Sicherheit und Demokratie an und lud Slowenien zur Ukraine-Reformkonferenz 2022 ein. Sein slowenisches Pendant betonte die Wichtigkeit, die Partnerschaft mit der Schweiz im Rahmen des slowenischen Vorsitzes weiter auszubauen.
Der Dialog mit dem saudischen Aussenminister Prinz Faisal bin Farhan bin Abdullah bis Faisal Al Saud und dem saudischen Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten, Adel Aljubeir, umfasste das Schweizer Schutzmachtmandat, die Stabilität und Sicherheit in der Region, die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die nachhaltige Entwicklung und nicht zuletzt die Menschenrechte. Cassis betonte, dass sich die Schweiz im Rahmen der Umsetzung der MENA-Strategie 2021-2024 für mehr politische Stabilität und Sicherheit einsetze, unter anderem indem sie seit 2018 die Interessen Saudi-Arabiens im Iran und umgekehrt vertritt. Mit Bezug auf den Jemen-Krieg forderte der Aussenminister die saudische Delegation auf, den Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zu unterstützen, sowie das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Im Bereich der ökonomischen Kooperation lobte Cassis die wirtschaftlichen und sozialen Reformen, die Saudi-Arabien in seiner «Vision 2030» umgesetzt hatte. Diese böten neben einem grossen Potenzial für die Schweizer Wirtschaft auch die Möglichkeit, einen konstruktiven Dialog über Menschenrechte, die Todesstrafe und die Meinungsfreiheit zu führen. Die Schweizer Delegation interessierte sich auch für die Stellung der Frau in der saudischen Gesellschaft und Wirtschaft. Daher traf sich der EDA-Vorsteher ebenfalls mit Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und Sport, um sich ein Bild über die Situation der Frauen in Saudi-Arabien zu machen.
Den Abschluss der Reise bildete der Staatsbesuch in Libyen, wo sich Cassis mit Premierminister Abdelhamid Dabeiba, dem Vorsitzenden des Präsidialrats Mohamed Menfi und der Aussenministerin Najla Mangoush zu Gesprächen traf. Dabei betonte er, dass die Schweiz im Hinblick auf die Wahlen vom Dezember die vom «Libyschen Politischen Dialogforum» festgelegte Roadmap für den Wahlprozess unterstütze. Auch die Schwerpunkte der MENA-Strategie für Libyen – Migration, Entwicklung der Menschenrechte und die humanitäre Lage im Land — wurden angesprochen. Innerhalb des UNO-Friedensprozesses für Libyen bemühe sich die Schweiz um eine nachhaltige Stabilisierung und Aussöhnung des Landes, so Cassis. Schliesslich berieten die beiden Gesprächsparteien auch über die Wiedereröffnung der Schweizer Botschaft, die 2014 aufgrund der Kampfhandlungen in Libyen aufgegeben worden war.

Bundesrat Cassis Dienstreise nach Slowenien, Saudi-Arabien und Libyen
Dossier: Staatsbesuche im Ausland 2021

Anfang November 2021 begrüsste Bundesrat Cassis anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl seine Eminenz Kardinal Parolin, den Staatssekretär des Vatikans. Das Jubliäum, welches aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr hatte verschoben werden müssen, bot auch Anlass, um verschiedene bilaterale und multinationale Themen zu diskutieren. So tauschten sich die beiden Delegationen über ihr gemeinsames Engagement und ihre Zusammenarbeit zur Festigung des Friedens und dem Schutz der Menschenwürde aus und unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung zur Förderung von Frieden und Menschenrechten in der Welt. Darin wurden die Abschaffung der Todesstrafe, der Minderheitenschutz und der interreligiöse Dialog besonders hervorgehoben. Nebst den bilateralen Gesprächen traf sich der Vertreter des Vatikans auch mit Bundespräsident Parmelin und stattete der Universität Freiburg einen Besuch ab, wo eine öffentliche Konferenz zur Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen der beiden Staaten abgehalten wurde.
Kurz zuvor, im Oktober 2021, hatte der Bundesrat überdies beschlossen, beim Heiligen Stuhl in Rom eine Schweizer Botschaft einzurichten, um die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder zu vertiefen.

Schweiz und der Heilige Stuhl feiern 100 Jahre Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen

Der Nationalrat stimmte in der Sommersession 2021 als Erstrat einstimmig der Anpassung des Bundesgerichtsgesetzes und weiterer Verfahrensgesetze zu, sodass auch gütliche Einigungen zwischen der Schweiz und der beschwerdeführenden Partei vor dem EGMR zu einer Revision des angefochtenen Bundesgerichtsurteils und einer sogenannten Restitutio in integrum führen können. Bisher war dies nur nach einer Verurteilung der Schweiz durch den EGMR möglich. In der darauffolgenden Herbstsession passierte der völlig unbestrittene Entwurf, der auf eine parlamentarische Initiative Nidegger (svp, GE) zurückging, auch den Zweitrat oppositionslos und wurde in den Schlussabstimmungen einstimmig angenommen.

EMRK, Strafregister, Restitutio in integrum. Bundesgerichtsgesetz anpassen (Pa.Iv. 16.461)
Dossier: Revision des Bundesgerichtsgesetzes

Nach dem Bundesrat und dem Nationalrat sprach sich in der Herbstsession 2021 auch der Ständerat stillschweigend für eine automatische Ausstellung eines IV-Ausweises für bestimmte Personengruppen aus, nachdem zuvor auch die SGK-SR die Annahme der Motion befürwortet hatte. Gemäss Kommission könne die Umsetzung auf Weisungsebene erfolgen und bedürfe somit keiner Gesetzesänderung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anspruchsberechtigten über einen entsprechenden Ausweis verfügen – bisher hätten die Betroffenen gemäss dem Motionär häufig gar nichts von ihrem Anspruch gewusst.

Automatische Ausstellung eines Ausweises für den Bezug einer Hilflosenentschädigung

In der Herbstsession 2021 folgte der Ständerat stillschweigend dem Erstrat und seiner SGK-SR in der Frage der Ergänzungen der IV-Verfügungen in leichter Sprache. Die Kommission hatte Annahme der Motion empfohlen, um zukünftig Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Versicherten und den IV-Stellen zu verhindern. Als positiv hob die Kommission zudem hervor, dass die Mitarbeitenden der IV-Stellen bereits in entsprechenden Formulierungen geschult würden.

IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen

Die APK-NR forderte im Juni 2021 die Modernisierung des Freihandelsabkommens mit China. Der Bundesrat solle die Aufnahme eines Kapitels zur Einhaltung der internationalen Standards im Bereich Menschen- und Arbeitsrechte aushandeln. Die Kommission begründete den Antrag damit, dass in der China-Strategie 2021-2024 die Modernisierung des FHA vorgesehen sei und angesichts der Anschuldigungen gegen die chinesische Regierung Kriterien zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte nötig seien. Man habe solche Kriterien auch in neuere Abkommen mit anderen Staaten aufgenommen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, unter anderem weil der 2017 aufgenommene exploratorische Prozess mit China zur Überarbeitung des Abkommens keine Einigung hinsichtlich der zu vertiefenden Themen ergeben habe und seither stagniere. Die Aufnahme des geforderten Kapitels erachte man als nicht realistisch, stattdessen wolle man sich auf die Stärkung der aktuellen Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung fokussieren. Die Schweiz werde die Problematik der Menschenrechte und der Arbeitsstandards beim nächsten Treffen im Rahmen des Arbeits- und Beschäftigungsdialogs mit China ansprechen und bringe diese bereits über den gemischten Ausschuss des Freihandelsabkommens und «über alle anderen geeigneten Kanäle» ein.
In der Herbstsession 2021 beschäftigte sich der Nationalrat mit der Motion, die ihm von seiner aussenpolitischen Kommission mit 13 zu 12 Stimmen nur knapp zur Annahme empfohlen worden war. Kommissionssprecher Walder (gp, GE) bezeichnete das eigentlich noch neue FHA aus dem Jahr 2013 als «sehr unvollständig» in Bezug auf Standards, die sonst für moderne Wirtschaftsabkommen wie das FHA mit Indonesien gälten. Walder appellierte im Namen der Kommission, den Menschenrechten mehr Gewicht zu verleihen und das Kapitel in Auftrag zu geben, alles andere wäre «unverständlich und heutzutage sogar unanständig». Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) wies hingegen darauf hin, dass der Versuch, die Menschenrechte ins Freihandelsabkommen zu implementieren, einer de facto Kündigung des Abkommens gleichkäme. Eine starke Kommissionsminderheit Wehrli (fdp, VD) setzte sich gegen das Motionsanliegen, aber nicht gegen den Schutz der Bevölkerung und willkürlich verhafteter Personen ein, wie ihr Sprecher Wehrli versicherte. Er bezeichnete die Motion als «aus gesetzgeberischer Sicht» unnötig, weil die damit verbundenen Ziele schon in der China-Strategie enthalten seien und der Bundesrat schon über die dafür nötigen Instrumente verfüge. Bundesrat Parmelin machte deutlich, dass es keine Modernisierung des FHA geben werde, wenn die Schweiz diese vom Kapitel zu den Menschen- und Arbeitsrechten abhängig mache. Parmelin hielt es für unrealistisch über ein Freihandelsabkommen verbindliche Bestimmungen in diesen Bereichen einzuführen. Der Nationalrat lehnte die Motion mit 102 zu 84 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab.

Modernisierung des Freihandelsabkommens mit China
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China
Freihandelsabkommen

In Erfüllung vier gleichlautender Postulate erschien im September 2021 ein Bericht des Bundesrates, der die Möglichkeiten der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen auswies und die Politik der Schweiz in diesem Bereich mit dem internationalen Umfeld verglich. In seinem Bericht legte der Bundesrat dar, dass die Mehrheit der europäischen Länder im Unterschied zur Schweiz mindestens eine Gebärdensprache rechtlich anerkennt. In der Schweiz kennen ausschliesslich die Kantone Zürich und Genf eine solche Anerkennung. Fünf Varianten einer möglichen rechtlichen Anerkennung prüfte der Bundesrat im Rahmen seines Berichts: Eine Anerkennung als Landessprache oder als (Teil-)Amtssprache, eine Anerkennung im Rahmen der Europarats-Abkommen, im Rahmen der Sprachenfreiheit oder eine Anerkennung als Fördersprache.
Eine Anerkennung im Rahmen internationaler Abkommen hätte indes rein deklaratorische Natur, solange keine zusätzlichen Rechtsansprüche definiert werden, so der Bundesrat. Dieselbe Wirkung hätte eine Anerkennung der Gebärdensprache als Landes- oder Teilamtssprache in der Verfassung, darüber hinaus bedürfte diese Art von Anerkennung der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung und der Kantone. Auch die explizite Erwähnung in der Verfassung, dass die Sprachenfreiheit auch die Gebärdensprache umfasse, müsste die gleichen politischen Hürden überwinden. Eine Anerkennung als Fördersprache liesse sich gemäss bundesrätlichem Bericht als einzige Variante ohne Revision der Bundesverfassung umsetzen. Der Bundesrat betonte jedoch, dass die rechtliche Anerkennung für ihn keine zwingende Voraussetzung sei, um die soziale Teilhabe von Menschen mit Gehörbeeinträchtigung weiter zu verbessern. Er habe das EDI beauftragt, den Dialog mit den verantwortlichen Stellen und Organisationen zu intensivieren und Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen.

Möglichkeiten der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen (Po. 19.3668)

Die Standesinitiative des Kantons Genf, welche ein schweizerisch-chinesisches Abkommen über die Erlaubnis von Nachforschungen chinesischer Behörden in der Schweiz kritisierte und den Schutz von chinesischen Staatsangehörigen in der Schweiz forderte, kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat. Dieser gab der Vorlage stillschweigend keine Folge. Die SPK-NR hatte dem Rat im Vorfeld in ihrem Bericht mit 16 zu 8 Stimmen ebendies beantragt. Zwar befürwortete die Kommission das Initiativanliegen grundsätzlich, sie erachtete den Inhalt jedoch als zu symbolisch. Die rechtsstaatlichen Prinzipien der Schweiz würden die Überwachung chinesischer Minderheiten bereits verbieten und auch die freie Meinungsäusserung sei zur Genüge geschützt. Eine allfällige Verlängerung des Administrativabkommens mit den chinesischen Migrationsbehörden liege zudem in der Verantwortung des Bundesrats, wobei die Aussenpolitischen Kommissionen bis anhin nicht über derartige Pläne informiert worden seien, schloss die Kommission ihre Erwägungen.

Schweizerisch-chinesische Beziehungen: demokratieunwürdige Abkommen
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Afin de lutter, dans le commerce de l'or, contre la violation des droits de l'homme et la destruction de l'environnement, Fabian Molina (ps, ZH) a demandé au Conseil fédéral d'obliger l'industrie aurifère helvétique de déclarer l'origine de l'or importé, et notamment le pays d'extraction. Le Conseil fédéral s'est opposé à la motion. Il a indiqué que des travaux, entrepris à la suite du rapport sur le postulat 15.3877, envisageaient déjà des solutions pour renforcer la transparence dans le commerce de l'or. La motion a été retirée.

Obligation de déclarer l'origine de l'or (Mo. 19.4165)

A la suite de l'approbation de l'échange automatique de renseignements (EAR) en 2019, Lukas Reimann (udc, SG) a demandé l'abandon de ces échanges avec les pays qui violent manifestement les droits de l'homme.
Le Conseil fédéral s'est fortement opposé à la motion. Premièrement, il a souligné que les Etats partenaires devaient respecter les prescriptions de protection des données. Deuxièmement, il a indiqué qu'un mécanisme garantissait une protection individuelle en cas de risque de préjudice déraisonnable. Troisièmement, il a précisé que le Parlement avait déjà introduit un mécanisme de contrôle. Finalement, il a rappelé que la Suisse pouvait suspendre ou résilier un accord EAR en cas de circonstances exceptionnelles.
Lors du vote en chambre, la motion a été balayée par 131 voix contre 53 et 1 abstention. Seuls les députés et députées UDC (et une exception au PVL) ont voté en faveur de la motion. Le groupe UDC s'était déjà opposé à l'EAR.

Suspendre l'échange automatique de renseignements avec les pays qui violent manifestement les droits de l'homme (Mo. 19.4584)

Carlo Sommaruga (sp, GE) verlangte im Juni 2021 in einer Motion, keine Abkommen im Bereich der Polizeikooperation mit Ländern abzuschliessen, die die Menschenrechte schwerwiegend verletzen. Sommaruga wollte damit sicherstellen, dass der Bundesrat und das Fedpol bei der Ausübung ihrer neuen Kompetenzen zum Abschluss von Abkommen im Bereich der Polizeikooperation und von Vereinbarungen über operative, technische oder administrative Inhalte mit ausländischen Polizeibehörden die verfassungsrechtliche Pflicht zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte angemessen umsetzen. Sommaruga nannte exemplarisch ein Abkommen mit China, einem Staat der Menschenrechte schwer verletze und chinesische Staatsangehörige in der Schweiz überwache, welches aufgrund öffentlicher Entrüstung nicht erneuert worden sei. In seiner Stellungnahme berichtigte der Bundesrat, dass es sich bei dem von ihm genannten Abkommen nicht um ein polizeiliches Kooperationsabkommen, sondern um eine technische Vereinbarung gehandelt habe. Der Bundesrat achte bei Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit nicht nur auf die «operationellen Bedürfnisse der Polizei», sondern auch auf die Menschenrechtslage im Vertragsstaat. Polizeiliche Kooperationsverträge dürften zudem nie genutzt werden, um Informationen zu erhalten, die nicht auf dem Rechtshilfeweg beschafft werden könnten. Probleme hinsichtlich der Menschenrechte habe es in der Vergangenheit aber auch noch nie gegeben, meinte der Bundesrat. Daher beantragte er die Ablehnung der Motion.

In der Herbstsession 2021 versuchte Motionär Sommaruga seine Ratskolleginnen und -kollegen von seinem Anliegen zu überzeugen. Er argumentierte, dass sich seine Motion nicht nur auf Abkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit beziehe, sondern auch auf andere Abkommen technischer Natur mit Drittstaaten. Dabei gehe es aber nur um jene Staaten, die «schwerwiegende» Menschenrechtsverletzungen begingen. Sommaruga bemängelte, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme nicht auf die Achtung der Menschenrechte im Rahmen von «technischen Abkommen polizeilicher Natur» eingegangen sei. Wenn die Schweiz mit der Polizeistruktur eines Drittstaates zusammenarbeite, der die Menschenrechte schwer verletzt, so würde man diese Menschenrechtsverletzungen legitimieren, beklagte der Motionär. Bundesrätin Karin Keller-Sutter erklärte den Ratsmitgliedern, dass es sich bei Polizeikooperationsabkommen um eine Rechtsgrundlage für die gemeinsame Bekämpfung verschiedener Formen von Kriminalität handle. Abkommen wie jenes mit China, welches Sommaruga in der Motionsbegründung erwähnt hatte, hätten also nichts mit polizeilicher Zusammenarbeit zu tun, sondern seien Vereinbarungen auf Verwaltungsebene zur Einhaltung des Asylgesetzes. Der Ständerat folgte dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion mit 24 zu 13 Stimmen ab.

Keine Abkommen im Bereich der Polizeikooperation mit Ländern, die die Menschenrechte schwerwiegend verletzen

In der Herbstsession 2021 beriet der Nationalrat die Motion der APK-NR zur Förderung der Menschenrechte in China. Kommissionssprecher Fischer (glp, LU) betonte die Wichtigkeit eines «Whole-of-Government-Ansatzes» hinsichtlich der Menschenrechte. Schweizer Firmen, die in China produzieren, würden im korrekten Umgang mit menschenrechtlichen Problemen vor grosse Herausforderungen gestellt, weshalb eine bessere Beratung notwendig sei. Zudem habe der Menschenrechtsdialog mit China in den vergangenen dreissig Jahren laut Wissenschaft und Menschenrechtsorganisationen wenig Wirkung gezeigt. Fischer griff auch der Kritik der Kommissionsminderheit Portmann (fdp, ZH) vor, welche die Ablehnung der Motion forderte, und machte deutlich, dass die Motion nicht nur als Handlungsaufforderung an den Bundesrat zu verstehen sei, sondern auch als Rückendeckung für das bisherige Engagement. Nationalrat Walder (gp, GE) kritisierte insbesondere, dass die Schweiz die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen nie an die Achtung der Menschenrechte habe knüpfen wollen. Er warf der Kommissionsminderheit vor, wirtschaftliche Möglichkeiten über menschenrechtliche Interessen zu stellen. Minderheitssprecher Portmann verteidigte sich gegen diesen Vorwurf und argumentierte, dass die Forderungen der Motion durch die kritische China-Strategie der Schweiz bereits erfüllt worden seien. Darin sei nicht nur die Stärkung der China-spezifischen Kompetenzen auf allen Gebieten vorgesehen, sondern auch die personelle Aufstockung der Aussenstellen. China müsse mit keinem anderen Land einen solch kritischen Dialog führen wie mit der Schweiz, behauptete Portmann. Dennoch müsse man auch einsehen, dass China ein wichtiger globaler Akteur sei und dem Land die Zukunft gehöre. Er schlug daher vor, dem Bundesrat Zeit zu geben, damit dieser die Erfolge der neuen China-Strategie aufzeigen könne, bevor neue Verschärfungen und Stolpersteine eingeführt werden. Bundesrat Cassis war ebenfalls der Ansicht, dass die China-Strategie das Motionsanliegen bereits erfülle. So würden die Menschenrechte seit März 2021 in allen bilateralen und multilateralen Beziehungen mit China thematisiert; die chinesische Zivilgesellschaft werde bereits unterstützt und am 14. September 2021, also dem Tag der Ratsdebatte, fände auch das erste Schweizer Forum für Wirtschaft und Menschenrechte statt. Er gab auch zu Bedenken, dass eine personelle Aufstockung in den Schweizer Vertretungen in China nicht automatisch zu einer besseren Arbeitsleistung führe und nicht zielführend sei, stattdessen müsse man Qualität über Quantität stellen. Die personelle Aufstockung sei die einzige nicht erfüllte Forderung der Motion, alle anderen Punkte seien bereits angegangen worden. In der Folge beantragte Cassis die Ablehnung des Vorstosses. Die grosse Kammer nahm die Motion mit 106 zu 81 Stimmen (bei 1 Enthaltung) jedoch an. Nur die Fraktionen der SVP und der FDP.Liberale stimmten gegen den Vorstoss ihrer aussenpolitischen Kommission.

Motion zur Förderung der Menschenrechte in China
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Die APK-NR verlangte in einer Motion im Juni 2021 einen verstärkten Fokus der Schweiz auf die Förderung der Menschenrechte in China in der China-Strategie des Bundes. Laut Kommission sei der institutionalisierte Menschenrechtsdialog mit China nicht wirkungsvoll genug, nicht zuletzt, weil er von China seit Jahren ausgesetzt werde. Chinesische Akteure aus der Zivilgesellschaft hätten mehr Einfluss auf den innerchinesischen Diskurs als externe Parteien, weshalb deren Handeln gestärkt werden solle. Zudem hielt die Kommission fest, dass in China tätige Schweizer Firmen ein Kompetenzmanko im Bereich der Menschenrechte aufwiesen, welches es zu beseitigen gelte. Die Kommission forderte deswegen Konkretisierungen hinsichtlich des bilateralen Menschenrechtsdialogs mit China, der von einer konsequenten Thematisierung der Menschenrechtsanliegen bei allen bilateralen und multilateralen Treffen und Gesprächen abgelöst werden solle. Zudem müsse man in schweizerischen Vertretungen in China die Fachkompetenz im Bereich der Menschenrechte mittels personeller Ressourcen ausbauen. Ebenjene Vertretungen sollten zudem ihre Unterstützung für chinesische zivilgesellschaftliche Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten ausbauen, auf ihren Kommunikationskanälen auf die universellen Menschenrechte hinweisen und eine Beratungsstelle für Schweizer Firmen einrichten, damit diese bei sämtlichen Aspekten der Wertschöpfungskette in China die Menschenrechtskonformität besser wahren könnten. Eine Kommissionsminderheit Portmann (fdp, ZH) lehnte die Motion ab.
Der Bundesrat beantragte die Motion ebenfalls zur Ablehnung und begründete seine Haltung damit, dass er in der China-Strategie die Thematisierung der Menschenrechte auf verschiedenen Kanälen bereits vorgesehen habe. Auch die Stärkung von China-spezifischen Kompetenzen, unter anderem in den Auslandsvertretungen, sei in der Strategie enthalten. Man setze sich im Rahmen der Leitlinien «Menschenrechte 2021-24» für den Schutz von Personen in China ein, welche sich für Menschenrechte engagieren. Schliesslich erklärte der Bundesrat in seiner Stellungnahme, dass Schweizer Unternehmen in China bereits durch Schweizer Vertretungen sowie durch das SECO und das EDA auf die menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung hingewiesen würden.

Motion zur Förderung der Menschenrechte in China
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Auf Antrag ihrer zuständigen Kommission verlängerte der Nationalrat in den Jahren 2019 und 2021 oppositionslos die Behandlungsfrist für zwei parlamentarische Initiativen aus der Feder von Karl Vogler (csp, OW), die einen Paradigmenwechsel bei Artikel 420 ZGB verlangten. Die RK-NR hatte die Fristverlängerung damit begründet, dass zum gegebenen Zeitpunkt eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet werde, die auch die Stellung von verbeiständeten Personen nahestehender Personen regeln werde. Die Kommission wolle diese Gesetzesvorlage abwarten, bevor sie sich einem eigenen Erlassentwurf in Erfüllung der beiden parlamentarischen Initiativen widme.

Parlamentarische Initiativen verlangen weniger administrativen Aufwand für als Beiständin oder Beistand eingesetzte nahestehende Personen (Pa.Iv. 16.428; Pa.Iv. 16.429)

In Erfüllung eines Postulats von Damian Müller (fdp, LU), welches verlangte, dass der Bundesrat eine allfällige Anpassung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 überprüfe, veröffentlichte der Bundesrat im Juni 2021 einen entsprechenden Bericht. Im Auftrag des Bundesrates erstellten Professor Alberto Achermann (Universität Bern) und Professorin Astrid Epiney (Universität Fribourg) ein unabhängiges rechtliches Gutachten, welches als Diskussionsbasis für eine Begleitgruppe diente. Diese setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des BVGer, der Kantone, Gemeinden und Städten, der UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sowie aus Mitarbeitenden der Bundesverwaltung zusammen. Basierend auf dem Rechtsgutachten und den Erkenntnissen der Begleitgruppe kamen der Bundesrat, das EJPD sowie das SEM laut einer gemeinsamen Medienmitteilung zum Schluss, dass eine Anpassung der Flüchtlingskonvention nicht angebracht sei. Der Bundesrat erachte die Flüchtlingskonvention weiterhin als zentrales Mittel für den internationalen Schutz von Geflüchteten. Der Flüchtlingsbegriff sei dabei so konzipiert, dass er konsequenten Schutz biete, und gleichzeitig so eng definiert, dass nur jenen Personen Schutz zukomme, welche effektiv am eigenen Leben gefährdet und verfolgt werden.
Konkret hatte der Postulant vier Teilbereiche der Flüchtlingskonvention festgelegt, die seiner Ansicht nach nicht mehr zeitgemäss seien, und deren Aktualität und Bedeutung im entsprechenden Bericht demnach beleuchtet wurden:
Der erste Bereich thematisierte die Forderung, dass wirtschaftliche Gründe, Dienstverweigerung und Nachfluchtgründe explizit als Fluchtgründe in der Flüchtlingskonvention ausgeschlossen werden. Bezüglich der wirtschaftlichen Fluchtgründe stellte der Bericht etwa fest, dass weder die Konvention noch das Schweizer Asylwesen allein wirtschaftliche Gründe als ausreichende Flüchtlingseigenschaft gelten lassen würden. So definiere die Flüchtlingskonvention gezielt, welche Gründe zum Flüchtlingsstatus führen – namentlich seien das: Verfolgung oder die begründete Furcht davor auf Grund von Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugungen. Der Bundesrat führte ergänzend an, dass die Schweiz insbesondere mit der Einführung der beschleunigten Asylverfahren Mittel geschaffen habe, die eine schnelle Identifikation von «begründeten» und «unbegründeten» Asylgesuchen ermöglichten. Die Behandlung der «unbegründeten» Asylgesuche habe dabei höchste Priorität, was auch mit der Asylpraxis im europäischen Raum übereinstimme.
Im zweiten Teil forderte Müller eine Verankerung gewisser Integrationsanforderungen in der Flüchtlingskonvention sowie Konsequenzen bei deren Nicht-Erfüllung. Die Flüchtlingskonvention halte fest, dass für ein potentielles Beenden des Flüchtlingsstatus nur die Frage wichtig sei, was den betroffenen Personen bei einer Rückkehr ins Heimatland bevorstehen könnte – die Frage der Integration im Aufnahmestaat dürfte hierbei keine Rolle spielen, so die Schlussfolgerung im Bericht. Im Schweizer AIG spiele die Integration aber durchaus eine Rolle, so werde sie beispielsweise bei der Erteilung, der Verlängerung oder des Widerrufs des jeweiligen Status einer Person, insbesondere bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung oder Staatsbürgerschaft, mit einbezogen. Laut dem Bundesrat sei es aber auch hier zentral, dass eine ungenügende Integration nicht ausreiche, um einer Person den nötigen Schutz vor Verfolgung im Herkunftsstaat zu verwehren, dazu würden nur schwerste Verbrechen berechtigen. Und auch wenn eine Person den Flüchtlingsstatus verlieren würde, gelte das «Non-Refoulement-Prinzip», wonach es verboten sei, Personen in unsichere Staaten zurückzuweisen.
Der dritte Bereich drehte sich um ein allfälliges Verbot der freien Wahl des Asylstaates, womit der Postulant konkret die Sekundärmigration verhindern wollte. Prinzipiell habe die Flüchtlingskonvention keine Regelung, welche festlegt, wer für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist – in Europa sei dafür jedoch das Dublin-System eingeführt worden, argumentierte der Bundesrat in seinem Bericht. Weiter kenne die Schweiz die Regelung, dass Personen für das Asylverfahren in sichere Drittstaaten zurückgeschickt werden können, wenn sie sich nachweislich zuvor dort aufgehalten hatten. Aus diesen Gründen kam der Bundesrat zum Schluss, dass bereits heute keine freie Wahl des Asyllandes bestünde, was eine entsprechende Anpassung in der Flüchtlingskonvention obsolet mache.
Zuletzt wollte das Postulat den Umgang mit Gefährderinnen und Gefährdern abgeklärt haben. Am 13. Juni 2021 hatten Stimmbürgerschaft und Stände in einer Abstimmung die genaue Definition des Begriffs des terroristischen «Gefährders» bzw. der «Gefährderin» angenommen. Solchen Personen dürfte Asyl verwehrt oder wieder entzogen werden. Dabei seien auch Rückschiebungen «mittels diplomatischer Zusicherungen» des Ziellandes möglich, wobei aber das «Non-Refoulement-Prinzip» eingehalten werden müsse. Aus diesem Grund erachtete es der Bundesrat als zielführend, entsprechende Massnahmen zum Umgang mit Gefährderinnen und Gefährdern durch nationale Massnahmen zu regeln und auch in diesem Punkt von einer Revision der Flüchtlingskonvention abzusehen.
Mit diesem Bericht erachtete der Bundesrat das Anliegen des Postulats Müller als erfüllt und beantragte dessen Abschreibung. Diesem Antrag folgte der Ständerat in der Sommersession 2022 und schrieb das Geschäft stillschweigend und diskussionslos ab.

Adaptation de la Convention de 1951 relative au statut des réfugiés

Mit insgesamt sechs gleichlautenden Motionen forderten Nationalrätinnen und Nationalräte aller sechs Fraktionen die Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe (Mo. 21.3063; Mo. 21.3064; Mo. 21.3065; Mo. 21.3066; Mo. 21.3067; Mo. 21.3068). Die Motionen forderten insbesondere ein barrierefreies Angebot für Menschen mit Behinderungen. Eine Möglichkeit liege dabei in der «Erweiterung der bestehenden Notrufplattform auf neue Technologien», vor allem im Mobiltelefonbereich. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motionen, die in eine ähnliche Richtung ziele wie die Motion 21.3000 der KVF-SR, welche er ebenfalls zur Annahme empfohlen habe. Der Nationalrat folgte dieser Empfehlung und stimmte den Motionen in der Sommersession 2021 stillschweigend zu.

Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe (Mo. 21.3063; Mo. 21.3064; Mo. 21.3065; Mo. 21.3066; Mo. 21.3067; Mo. 21.3068)
Dossier: Notrufe

Im Juni 2021 präsentierte der Bundesrat den ersten Staatenbericht der Schweiz zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Mit der Ratifikation der Istanbul-Konvention, einem Übereinkommen des Europarats, hatte sich der Bund im Jahr 2017 verpflichtet, sich gegen jegliche Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen einzusetzen. In seinem ersten, beinahe 140 Seiten umfassenden Bericht legte der Bundesrat dar, welche Aktionen zur Prävention und Bekämpfung solcher Gewalt sowie im Rahmen des Opferschutzes seit Inkrafttreten der Konvention von Bund und Kantonen bereits unternommen worden sind. Der Bundesrat war der Ansicht, dass die rechtlichen Bestimmungen «den Anforderungen der Konvention insgesamt zu genügen [vermögen]», und zeigte gleichzeitig auf, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten der Konvention in diesem Bereich nicht untätig geblieben war. So verwies er auf das im Vorjahr in Kraft getretene Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, das Opfer von Stalking und häuslicher Gewalt besser schützen soll. Eine entsprechende Bestimmung im ZGB zum Kontakt- und Rayonverbot soll per 2022 rechtskräftig werden. Weiter wies der Bundesrat auf die laufenden Arbeiten zur Revision des Sexualstrafrechts hin: Im Februar 2021 war ein entsprechender Entwurf in die Vernehmlassung geschickt worden, der unter anderem den Tatbestand der Vergewaltigung neu definieren soll. Gemäss Entwurf soll dieser auch gelten, wenn keine Drohung oder Gewaltausübung von Seiten des Täters oder der Täterin vorliegt («Nein-heisst-Nein»-Lösung). Mit der Neudefinition des Tatbestands der Vergewaltigung soll auch eine geschlechtsneutrale Formulierung für Opfer von Vergewaltigungen eingeführt werden.
Laut dem Staatenbericht hat die Ratifikation der Istanbul-Konvention «eine neue Dynamik ausgelöst». Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sei ins politische Scheinwerferlicht gerückt. So sei etwa im Rahmen der Legislaturplanung 2019–2023 die Erarbeitung eines nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Konvention verabschiedet worden – als zu integrierende Massnahme in die im April 2021 beschlossene Gleichstellungsstrategie 2030. Auch einige Städte und Kantone hätten die Bekämpfung von Gewalt in ihre Legislaturziele aufgenommen oder Aktionspläne verfasst. Auf allen föderalen Ebenen sei eine starke Zunahme an parlamentarischen Vorstössen zum Thema verzeichnet worden. Ferner sei ein grosses Netzwerk aus vielen Nichtregierungsorganisationen entstanden – das «Netzwerk Istanbul Konvention» – , das sich für die Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz einsetze.
Benanntes Netzwerk war es denn auch, das im Juni 2021 einen 100-seitigen Alternativbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention publizierte, dem in weiteren 250 Seiten Schattenberichte mit Forderungen von verschiedenen NGOs folgten. Im Alternativbericht bemängelte das Netzwerk etwa die zurückhaltende Rolle des Bundes. «Föderalismus führt zu Willkür für Gefährdete und Gewaltbetroffene», so die Ansicht des Netzwerks. Wenn ein zu grosser Teil der Kompetenz den Kantonen überlassen werde, führe dies zu extrem unterschiedlichen Angeboten bezüglich Prävention, Opferschutz und gar bei der Strafverfolgung. Generell würden auf allen föderalen Stufen zu wenig finanzielle Mittel bereitgestellt. Nicht zuletzt forderte das Netzwerk einen stärkeren Einbezug der Zivilgesellschaft bei der Erarbeitung von Gesetzen, Massnahmen und Aktionsplänen. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Erarbeitung der Gleichstellungsstrategie, die lediglich «unter minimalem Einbezug eines exklusiven Kreises an Akteur_innen erarbeitet» worden sei. Ferner betonte das breit gefächerte Netzwerk die Notwendigkeit, Massnahmen auf spezifische Gruppen abzustimmen, so unter anderem auf Menschen mit Behinderung, Personen mit Transidentität, Asylsuchende oder Kinder. In einem ausführlichen, in der SonntagsZeitung publizierten Artikel bekräftigte die Geschäftsführerin von Kinderschutz Schweiz, Regula Bernhard Hug, in letzterem Zusammenhang die Forderung nach verstärkter Unterstützung für sogenannte Zeugenkinder, also für Kinder, die miterleben, wie sich die Eltern oder Erziehungsberechtigten Gewalt antun.
Unter den zahlreichen im Alternativbericht geäusserten politischen Forderungen befanden sich auch solche, die zum gegebenen Zeitpunkt bereits im Parlament zur Diskussion standen, so etwa die Forderung zur Einführung der «Erst Ja heisst Ja»-Regel – auch diskutiert im Rahmen der hängigen Sexualstrafrechtsrevision –, Massnahmen zur Bekämpfung von Minderjährigenehen oder die Einführung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung. Zu ein paar weiteren, im Bericht ebenfalls enthaltenen Forderungen wurden nur wenig später ebenfalls Vorstösse lanciert, etwa zur Forderung nach nationalen Präventionskampagnen, nach Sicherung des Aufenthaltsstatus von ausländischen Opfern von häuslicher Gewalt oder derjenigen nach einem Verbot von Konversionshandlungen (Pa.Iv. 21.483; Pa.Iv. 21.496; Pa.Iv. 21.497).
Der Staatenbericht der Schweiz wird nun von einer unabhängigen internationalen Expertengruppe evaluiert, die daraufhin der Schweiz bis Ende 2022 Empfehlungen für weitere zu treffende Massnahmen abgeben wird.

Erster Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (2021)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

In der Sommersession 2021 beschäftigte sich die kleine Kammer mit einer Standesinitiative des Kantons Genf zu den «schweizerisch-chinesischen Beziehungen». Im Vorfeld der Session hatte die SPK-SR mit 10 zu 3 Stimmen die Ablehnung der Initiative beantragt, da sie die technische Vereinbarung mit den chinesischen Migrationsbehörden für unproblematisch befand und diese zudem im Dezember 2020 ohne geplante Verlängerung ausgelaufen sei. Die Kommission hielt in ihrem Bericht fest, dass das fragliche Abkommen in keiner Weise die Überwachung von Personen durch chinesische Beamtinnen und Beamte in der Schweiz erlaube. Darüber hinaus würden nur Personen befragt, denen bei der Rückkehr nach China keine Verfolgung drohe, weshalb der Schutz der Opfer von politischer Verfolgung gesichert sei. Kommissionssprecher Caroni (fdp, AR) legte im Ständerat zudem dar, dass die Schweiz über sechzig derartige Vereinbarungen abgeschlossen habe und diese auch nicht geheim seien, sondern «ungeschickterweise» nicht in der Amtlichen Sammlung aufgeführt werden. Da die Hauptforderung der Standesinitiative die Nichtverlängerung der Vereinbarung war, erachtete Caroni diese als erfüllt.
Auch in den Augen der Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) war die Initiative bereits erfüllt. Sie zeigte sich jedoch über die andauernde Überwachung chinesischer Minderheiten durch chinesische Sicherheitsbeamtinnen und -beamte besorgt und forderte, dass sich die SIK-SR ebenfalls mit dieser Problematik befassen müsse. Der Ständerat gab der Standesinitiative keine Folge.

Schweizerisch-chinesische Beziehungen: demokratieunwürdige Abkommen
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China