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Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen

Über den Themenbereich «Sozialversicherungen» berichteten die Medien im Jahr 2020 deutlich weniger als in den Vorjahren (ersichtlich in Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2020). Jedoch war die Berichterstattung zu Beginn des Jahres noch vergleichsweise stark (vgl. Abbildung 1); zu diesem Zeitpunkt dominierte die Frage nach den Überbrückungsleistungen und damit nach der Schaffung einer neuen Sozialversicherung. Diese Frage wurde bis zum Ende der Sommersession 2020 geklärt, als das Parlament die Vorlage in der Einigungskonferenz und somit noch vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, die Corona-bedingt auf Ende September hatte verschoben werden müssen, bereinigte. Das von Mitgliedern der SVP angestrebte fakultative Referendum kam nicht zustande. Neu erhalten somit Ausgesteuerte ab 60 Jahren ÜL, wenn sie mindestens 20 Jahre, fünf davon ab dem Alter von 50 Jahren, in die AHV einbezahlt haben, ihr Erwerbseinkommen mindestens 75 Prozent des AHV-Höchstbeitrags betrug und ihr Reinvermögen unterhalb der EL-Vermögensschwelle liegt.

Nach diesem Anfangsinteresse an den Sozialversicherungen geriet die Thematik aufgrund der Corona-Pandemie stark in den Hintergrund. Zwar wurden die Kurzarbeitsentschädigung sowie der Erwerbsersatz als zwei der drei Hauptmassnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie (neben den Corona-Krediten) wichtiger als jemals zuvor, dies widerspiegelte sich jedoch nicht in der entsprechenden medialen Berichterstattung (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus wirkte sich Corona auch stark auf die Debatte im Krankenversicherungsbereich sowie bezüglich der finanziellen Lage des AHV-Ausgleichsfonds und der Pensionskassen aus.

Besonders viele Neuerungen gab es im Jahr 2020 bei der Arbeitslosenversicherung (ALV). Noch vor Ausbruch der Pandemie bereinigte das Parlament die Vorlage zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz und sah darin unter anderem vor, dass der Bundesrat bei schwieriger Konjunktur die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung (KAE) verlängern kann. Aufgrund des Abbruchs der Frühjahrssession konnte die Schlussabstimmung zum Gesetz erst in der Sommersession durchgeführt werden. Als der Bundesrat während der ersten Corona-Welle entschied, zur Abfederung der Pandemie unter anderem auf Kurzarbeitsentschädigungen zu setzen, stützte er sich in seiner Verordnung somit noch auf die bisherigen Gesetzesbestimmungen. Von diesen bundesrätlichen Corona-Massnahmen zur ALV fiel insbesondere die Ausdehnung des Zugangs zu KAE auf zusätzliche Kategorien von Erwerbstätigen, etwa auf nicht kündbare Temporärangestellte, Lehrlinge oder arbeitgeberähnliche Angestellte ins Gewicht. Damit die ALV die Massnahmen finanzieren konnte – bei Überschuldung der ALV tritt ihre Schuldenbremse in Kraft, wodurch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge im Folgejahr erhöht werden müssen –, sprach das Parlament auf Antrag des Bundesrates in der ersten Nachmeldung zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 eine Zusatzfinanzierung von CHF 6 Mrd. und erhöhte diese im Nachtrag IIa um weitere CHF 14.2 Mrd. Diese Zusatzfinanzierung bedurfte jedoch einer Änderung des AVIG, welche National- und Ständerat in der Herbstsession 2020 guthiessen.
Neben den KAE setzte der Bundesrat zur Bewältigung der Pandemie auch auf Erwerbsersatz, dessen Einsatz er ebenfalls in einer Verordnung regelte. Neu sollten nicht nur Dienstleistende der Schweizer Armee und Mütter nach der Geburt in den Genuss von EO kommen, sondern temporär und unter gewissen Bedingungen auch Selbständigerwerbende, sofern ihr Betrieb vom Bund geschlossen wurde, sie sich in ärztlich verordnete Quarantäne begeben mussten oder wegen Betreuungsaufgaben ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten. Betreuungsaufgaben wegen Schulschliessungen konnten überdies auch Angestellte geltend machen. Für diese Massnahme genehmigte das Parlament einen Nachtragskredit über CHF 4 Mrd., zumal auch der EO-Fonds nur flüssige Mittel von CHF 1 Mrd. aufwies.

Diskutiert wurde im Bereich der Krankenversicherungen vor allem darüber, wer die hohen Corona-Kosten im Gesundheitswesen übernehmen soll: Zwar wurden für die Krankenkassen für das Jahr 2020 wegen Corona tiefere Kosten erwartet, zumal zeitweise alle nicht dringlichen Behandlungen untersagt worden waren, teuer würden hingegen ebendiese Ausfälle von Behandlungen für die Spitäler werden.
Unabhängig von der Corona-Pandemie waren Bundesrat und Parlament im Krankenversicherungsbereich sehr aktiv, insbesondere bei den Massnahmen zur Kostendämpfung, von denen sie sich eine Eindämmung des Prämienanstiegs erhofften. Das erste Massnahmenpaket teilte die SGK-NR vor der ersten Ratsbehandlung im Mai 2020 in zwei Teile auf: In einem ersten Schritt sollten im Teilpaket 1a die weniger umstrittenen Aspekte behandelt werden, wobei sich bei den Behandlungen rasch zeigte, dass es im Gesundheitsbereich beinahe keine unumstrittenen Aspekte gibt. Entsprechend begann der Nationalrat noch vor Abschluss dieses Teilpakets mit der Behandlung des Teilpakets 1b mit den als umstrittener eingeschätzten Massnahmen. Gleichzeitig führte der Bundesrat zwischen August und November 2020 auch eine Vernehmlassung zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung durch, dessen Hauptmassnahme die Einführung einer Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der OKP darstellt. Da auch die von der CVP in der Zwischenzeit erfolgreich eingereichte eidgenössische Initiative «Für tiefere Prämien» eine Kostenbremse im Gesundheitswesen forderte, schlug der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur CVP-Initiative vor.
Auch der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP stellte der Bundesrat mit der Vorlage zu den individuellen Prämienverbilligungen einen indirekten Gegenvorschlag zur Seite. Darin beantragte er als Reaktion auf die stetige Senkung der IPV-Beiträge durch die Kantone, die entsprechenden Kantonsbeiträge an die kantonalen Bruttokosten sowie an die verbleibende Prämienbelastung zu knüpfen. Auch diesen Gegenvorschlag schickte er in der Folge in die Vernehmlassung. Mit der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten, dem Bundesgesetzes über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung standen auch zwei auf parlamentarischen Initiativen basierende Gesetzesvorlagen kurz vor oder am Anfang der parlamentarischen Beratung, während bei der Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS) 2020 keine Fortschritte erzielt werden konnten. Abgeschlossen wurde hingegen die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden in der Sommersession 2020, mit welcher die bisher zeitlich befristete Zulassungsbeschränkung der Leistungserbringenden permanent geregelt wurde. In der Wintersession 2020 einigten sich die Räte auch auf neue Regelungen zur Vergütung des Pflegematerials.

Der Themenbereich Altersvorsorge erhielt im Jahr 2020 von den Medien deutlich weniger Aufmerksamkeit als in den Vorjahren. Dies hing sicherlich einerseits damit zusammen, dass anders als in den Jahren 2017 (Altersvorsorge 2020) und 2019 (STAF) keine eidgenössische Abstimmung zu diesem Thema stattfand. Andererseits überdeckte auch in diesem Themenbereich die Corona-Berichterstattung verschiedene, durchaus berichtenswerte Ereignisse. So machte der Bundesrat bezüglich der Reform der beruflichen Vorsorge einen Schritt vorwärts. Nachdem der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund im Juli 2019 ihren Kompromissvorschlag für die BVG-Revision präsentiert hatten, wurden bald von allen Seiten Kritik und Alternativvorschläge laut, insbesondere bezüglich des Rentenzuschlags im Umlageverfahren. Dennoch entschied sich der Bundesrat Ende November 2020 in der Botschaft zum neu als «BVG 21» betitelten Geschäft, am Kompromiss der Sozialpartner festzuhalten.
Wenige Aktivitäten gab es bezüglich der Revision der AHV. Zwar begann die SGK-SR im August 2020 die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), diese dauerte jedoch aufgrund vertiefter Abklärungen so lange, dass die Vorlage im Jahr 2020 noch nicht im Plenum beraten werden konnte.
Für zwei Volksinitiativen zur Altersvorsorge – für die Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» sowie für die Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)» – verstrichen die Sammelfristen im Jahr 2020 unbenutzt. Zudem wurde im Februar 2020 die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» durch den Gewerkschaftsbund lanciert. Einiges zu reden wird zukünftig auch ein Urteil des EGMR geben, der die Schweiz wegen unzulässiger Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern rügte: Das Gericht kritisierte, dass ein verwitweter Vater nur eine Rente erhält, bis seine Kinder volljährig sind, während verwitwete Mütter ein Leben lang eine Rente erhalten.
Doch auch das Thema «Altersvorsorge» blieb von der Corona-Pandemie nicht unberührt. So verloren sowohl der AHV-Ausgleichsfonds als auch die Pensionskassen durch den Corona-bedingten Aktiensturz viel Geld. Die OAK BV berichtete im Mai 2020, dass der Deckungsgrad der Pensionskassen durchschnittlich um 6 Prozent auf 105.6 Prozent gefallen war, vermeldete dann aber im Laufe des Jahres wieder steigende Zahlen: Ende September 2020 lag der durchschnittliche Deckungsgrad bereits wieder bei 110.2 Prozent. Auch das BSV erwartete mittelfristig nur geringe Folgen durch die Pandemie – es nutzte für seine Prognose gemäss NZZ aber auch positivere Wirtschaftsprognosen als die restliche Bundesverwaltung. Ein grosses, nicht nur Corona-bedingtes Problem im Rahmen des BVG löste der Bundesrat Anfang Juli, als er der Auffangeinrichtung BVG erlaubte, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie anzulegen. Da Freizügigkeitsguthaben nicht mit Negativzinsen belastet werden dürfen, war eine sichere Anlage der Gelder aufgrund der Negativzinsen zuvor kaum möglich gewesen.

Schliesslich schloss das Parlament in der Sommersession 2020 auch die Weiterentwicklung der IV erfolgreich ab. Mit der Vorlage hatte der Bundesrat beabsichtigt, die bisher noch unzureichende Wiedereingliederung bei Kindern, Jugendlichen und Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern. Entgegen anfänglicher Entscheide des Nationalrats, die Kinderrenten zu senken und die Kinderrenten in «Zulage für Eltern» oder «Zusatzrente für Eltern» umzubenennen, entschied sich das Parlament zum Schluss, auf beide Massnahmen zu verzichten.

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Im Februar 2021 berichtete die Compenswiss, dass der AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds trotz starker Corona-bedingter Turbulenzen auf den Finanzmärkten im Jahr 2020 eine Nettorendite von 5.2 Prozent erzielt hatte. Diese lag damit zwar deutlich unter derjenigen des Vorjahrs von 10.2 Prozent, jedoch hatte der Fonds Ende März 2020 nach dem Einbruch an den Finanzmärkten noch einen Verlust von -10 Prozent aufgewiesen. Im Frühjahr hatte die Compenswiss darum das Liquiditätsniveau des Fonds erhöht, um ihre Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen zu können.
Anders als die AHV musste die IV 2020 ein negatives Umlageergebnis von CHF -431 Mio. hinnehmen, wie die Compenswiss im April 2021 bekannt gab. Diesen Verlust vermochte auch das positive Anlageergebnis von CHF 164 Mio. nicht zu kompensieren, womit das IV-Betriebsergebnis bei CHF -267 Mio. zu liegen kam. Folglich konnte die Schuld bei der AHV, für welche die IV im Jahr 2020 überdies CHF 51 Mio. an Zinsen bezahlen musste, im Jahr 2020 nicht weiter abgebaut werden und lag weiterhin bei CHF 10.3 Mrd.
Gemäss der im Mai 2021 erschienenen IV-Statistik richtete die IV im Jahr 2020 Leistungen an 450'000 Personen und Geldleistungen über CHF 6.6 Mrd. aus.

Jahresergebnis 2020 der IV
Dossier: Jahresergebnisse der IV

Der in Erfüllung eines Postulats der SPK-NR erschienene Bericht zur gesamthaften Prüfung der Problematik der Sans-Papiers evaluierte in erster Linie die Auswirkungen der geltenden Sozialversicherungspflicht für die schätzungsweise 76'000 in der Schweiz lebenden Sans-Papiers. Für Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus gilt in der Schweiz die Pflicht, sich bestimmten Sozialversicherungen anzuschliessen, und das Recht, entsprechende daraus erwachsende Leistungen zu beziehen. Da zum Anschluss an die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die AHV, die IV, die Erwerbsersatzordnung und die Familienzulagen in der Regel kein Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts erbracht werden muss, können sich Sans-Papiers diesen Versicherungen anschliessen – dies im Unterschied zur Sozialhilfe, zu den Ergänzungsleistungen und zur Arbeitslosenversicherung. In seinem Bericht kam der Bundesrat zum Schluss, dass ein Ausschluss von Sans-Papiers von den Sozialversicherungen verschiedenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere im Rahmen des UNO-Pakts I, der Kinderrechtskonvention und der EMRK, zuwiderlaufen würde. Auch mit den in der Bundesverfassung festgehaltenen Sozialzielen wäre ein solcher Ausschluss nicht vereinbar. Nicht zuletzt befürchtete der Bundesrat bei einem Sozialversicherungsausschluss eine Umwälzung der Kosten auf die Kantone und Gemeinden via die Nothilfe sowie einen stärkeren finanziellen Anreiz für Arbeitgebende zur Beschäftigung von Sans-Papiers, da sie für diese keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten hätten. Aus diesen Gründen und nach Prüfung möglicher Alternativen möchte der Bundesrat an der bisherigen Praxis festhalten. Ebenso lehnte der Bundesrat in seinem Bericht Teilregularisierungen oder kollektive Regularisierungen dieser Personengruppe ab. Auch hier verwies er auf die geltenden Bestimmungen, die den föderalen Einheiten ausreichend Spielraum für die Bewilligung von Härtefällen lassen würden.

Pour un examen global de la problématique des sans-papiers (Po. 18.3381)

Le Conseil national a rejeté, pendant la session d'hiver 2020, un postulat Streiff-Feller sur le délit de solidarité . Des initiatives similaires avaient déjà échoué auparavant. S'appuyant sur deux affaires récentes, celle d'une femme vaudoise ayant sous-loué un appartement à un requérant d'asile débouté ainsi que sur le procès du pasteur Norbert Valley qui avait mis à disposition sa cure, elle demande un examen sur la nécessité d'adapter la LEI afin que de tels actes désintéressés ne soient plus punissables.

Fournir en toute transparence un logement à un demandeur d'asile débouté ne doit pas être assimilé à un crime (Po. 20.4015)
Dossier: Kriminalisierung der Solidarität

Fabian Molina (ps, ZH) a déposé une motion pour que le secteur de l'or en Suisse remplisse son obligation de diligence en faveur de l'homme et de l'environnement. Le Conseil fédéral s'est opposé à la motion. Il a précisé que les recommandations du rapport sur le postulat 15.3877 étaient en cours d'examen. La motion a été classée, faute d'être examinée dans un délai de deux années.

Le secteur de l'or en Suisse doit remplir son obligation de diligence en faveur de l'homme et de l'environnement (Mo. 18.4357

Zwar hatte der Ständerat bezüglich des Voranschlags 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 nur wenige Differenzen geschaffen, dennoch mussten beide Räte den Entwurf im Differenzbereinigungsverfahren noch je zweimal beraten, bis eine Einigung erzielt werden konnte.
Bereits in der ersten Runde bereinigte der Nationalrat die Differenzen zu den Sollwerten zum öffentlichen Verkehr sowie zur Zentralen Ausgleichsstelle ZAS, indem er wie vom Ständerat vorgeschlagen auf diese verzichtete. Auch die Meinungsverschiedenheiten bei den Direktzahlungen in der Landwirtschaft konnten in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens behoben werden; hier pflichtete der Nationalrat dem Ständerat gegen den Willen einer Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR) bei und verzichtete auf den Sömmerungsbeitrag an die nachhaltige Schafalpung.
Im Gegenzug zeigte sich der Ständerat in der nächsten Runde mit den höheren Beiträgen für den Kinderschutz einverstanden, nachdem der Nationalrat zuvor an seiner Position festgehalten hatte. Bezüglich der Frage der Umwelttechnologie nahm der Nationalrat in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens einen Kompromissvorschlag an, wonach der Betrag statt auf CHF 7 Mio. auf CHF 5 Mio. aufgestockt werden sollte, wie die FK-SR zuvor erfolglos vorgeschlagen hatte. Eine Erhöhung sei jedoch sinnvoll, da in diesem Bereich die Mittel fehlten, um die zahlreichen Gesuche zur Weiterentwicklung von Umwelttechnologien weiterzuverfolgen, betonte Kommissionssprecher Fischer (glp, LU). Entgegen einer Minderheit Knecht (svp, AG), welche auf dem bundesrätlichen Vorschlag bestand, willigte der Ständerat ein und bereinigte diese Differenz. Ohne Minderheit und somit stillschweigend pflichtete der Nationalrat dem ständerätlichen Vorschlag auf Streichung der CHF 20 Mio. für Härtefälle bei den Geschäftsmieten bei, nachdem das Parlament das neue Geschäftsmietegesetz in der Zwischenzeit versenkt hatte.
Eine weitere Runde dauerte es zur Bereinigung der Fragen im Bildungsbereich. Hier hatten sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat an ihren Positionen festgehalten, solange die BFI-Botschaft noch nicht bereinigt war. Nach deren Abschluss übernahmen die Räte die entsprechenden Entscheidungen in den Voranschlag; der Nationalrat verzichtete beim Finanzierungsbeitrag an den ETH-Bereich und bei Forschungseinrichtungen von nationaler Bedeutung auf die Aufstockung, hielt aber bei den Innovations- und Projektbeiträgen daran fest, was der Ständerat in der Folge bestätigte. In derselben Runde konnte auch die Frage bezüglich der Finanzierung der Regionalflugplätze in den Finanzplanjahren bereinigt werden, nachdem der Nationalrat anstelle seiner Kommission einer Minderheit Gmür (cvp, NR) gefolgt war, welche dem Ständerat und somit der Erhöhung des Kredits beipflichten wollte. Zuvor hatte Gmür die volkswirtschaftliche und sicherheitstechnische Relevanz dieser Flugplätze betont und seine Sympathien für die zusätzlichen Gelder bekundet. Es gehe aber nicht nur darum, die Finanzierung dieser Flugplätze im Voranschlagsjahr zu sichern, sondern auch in den darauffolgenden Jahren, begründete er seinen Antrag.
Als letzte Differenz überdauerte schliesslich die Frage der Finanzierung der internationalen Mobilität in der Bildung die vorangehenden Beratungen. Der Nationalrat blieb bei seiner Entscheidung, die für die Finanzplanjahre für die Vollassoziierung an Erasmus plus erwarteten Kosten bereits in den Finanzplan aufzunehmen, während der Ständerat darauf beharrte, auf einen entsprechenden Finanzbeschluss des Bundesrates zu warten. Ohne grosse Überzeugung empfahl Kommissionssprecher Hegglin (cvp, ZG) dem Ständerat in der letzten Behandlungsrunde des Differenzbereinigungsverfahrens, die entsprechenden Beträge im Finanzplan gutzuheissen. Das sei weder ein Ausgabenbeschluss noch als Präjudiz zu verstehen; sobald der Bundesrat eine entsprechende Botschaft vorgelegt habe, könne man die definitiven Beträge festlegen. Stillschweigend räumte der Ständerat in der Folge auch diese Differenz aus.

Dies war jedoch noch nicht das Ende des Differenzbereinigungsverfahrens, da der Bundesrat Mitte Dezember und damit noch während der Beratung des Voranschlags 2021 in Übereinstimmung mit dem geänderten Covid-19-Gesetz eine vierte Nachmeldung zum Voranschlag vorgelegt und darin den Betrag für die kantonalen Härtefallmassnahmen für Unternehmen von CHF 680 Mio. um CHF 1.25 Mrd. auf CHF 1.9 Mrd. erhöht hatte. Obwohl dieser Budgetposten bereits bereinigt gewesen war, nahmen National- und Ständerat in den letzten Runden des Differenzbereinigungsverfahrens dessen Beratung nach einem Rückkommensbeschluss beider Finanzkommissionen wieder auf. Der Bundesrat beabsichtigte die zusätzlichen Mittel in zwei Tranchen à je CHF 750 Mio., wobei die erste Tranche zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von den Kantonen finanziert wird, zur Verfügung zu stellen. Die zweite Tranche, die der Bund alleine leistet, soll vorerst «quasi in Reserve behalten» (Fischer: glp, LU) werden. Die FK-NR beantragte zwar mit 22 zu 1 Stimmen deutlich die Annahme der Aufstockung, Fischer betonte aber, dass es diesbezüglich zu ausführlichen Diskussionen gekommen sei. Alternativ müsse man auch über A-Fonds-perdu-Beiträge sowie über eine Wiedereröffnung des Covid-19-Solidarbürgschaftsprogramms nachdenken. Stillschweigend hiessen sowohl National- als auch Ständerat die zusätzlichen Unterstützungsgelder gut und machten damit das eingangs der Session angenommene Notbudget obsolet.

Voranschlag 2021 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2022-2024 (BRG 20.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2021: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Mögliche Massnahmen zur Reduktion des Covid-19-bedingten Defizits

Der Bund müsse den Kantonen umgehend die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, damit diese im Rahmen des Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel 2017–2020 die benötigten Ressourcen für einen effektiven Kampf gegen den Menschenhandel aufbauen können, so die Forderung einer Motion Streiff-Feller (evp, BE), die in der Wintersession 2020 vom Nationalrat angenommen wurde. Der NAP sehe unter anderem eine verstärkte Strafverfolgung vor, damit die Abschreckung glaubwürdig werde und sich die Ausbeutung von Menschen nicht mehr lohne. Diese Strafverfolgung sei jedoch komplex und ressourcenintensiv, weshalb sie gerade Kantone mit einem kleinen Polizeikorps nicht ohne Unterstützung des Bundes effektiv betreiben könnten, begründete die Motionärin ihren Vorstoss. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt, weil die Kantone bereits die Möglichkeit hätten, den Bund um personelle, materielle, fachliche oder technische Unterstützung für die Strafverfolgung in Menschenhandelsfällen zu ersuchen, unterlag damit im Nationalrat jedoch mit 108 zu 76 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Damit geht die Motion an den Ständerat.

Ressourcen für einen effektiven Kampf gegen den Menschenhandel (Mo. 19.3265)

Im Juni 2020 veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft zum Sozialversicherungsabkommen mit Bosnien Herzegowina, welches als Teil einer Reihe von Abkommen mit den Nachfolgestaaten der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien das ursprüngliche Abkommen mit dem ehemaligen Jugoslawien ersetzen soll. Laut Botschaft entspreche das Abkommen inhaltlich den anderen von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen und erfülle die internationalen Standards zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Es bezwecke die Koordinierung der AHV, IV und der Unfallversicherung der Vertragsstaaten, um allfällige Nachteile und Diskriminierungen von Staatsbürgern zu vermeiden. Demgemäss garantiere es die Gleichbehandlung der Versicherten und die Auszahlung von Renten ins Ausland. Zudem seien Bestimmungen zur Bekämpfung von Missbrauch und Betrug in den Abkommenstext integriert worden, da gemäss der Stellungnahme des Bundesrats zur SVP-Motion «Aufkündigung von Sozialversicherungsabkommen» (Mo. 09.3887) Abkommen mit den Balkanstaaten nur erneuert oder neu abgeschlossen werden können, wenn ein funktionierendes System zur Aufklärung von Betrugsvorfällen vorliegt. Auf eine Vernehmlassung wurde verzichtet, da die Eidgenössische Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, welche die interessierten Kreise umfassend abbildet, das Abkommen ohne Einwände gutgeheissen hatte.

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2020 mit dem Geschäft, wobei sich einzig die SVP gegen das Abkommen stellte. So reichte eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) einen Antrag auf Nichteintreten ein. Aeschi störte sich vor allem am angeblichen Missverhältnis zwischen Einzahlenden und Bezügerinnen und Bezügern. So lebten lediglich 815 Schweizerinnen und Schweizer in Bosnien und Herzegowina, jedoch 29'000 Personen aus Bosnien und Herzegowina in der Schweiz. Er befürchtete einen «einseitigen Finanztransfer», wobei die Schweiz bezahle und dies zu Lasten der nicht ausfinanzierten Schweizer Sozialversicherungssysteme. Philippe Nantermod (fdp, VS), Sprecher der SGK-NR, stellte jedoch klar, dass die zusätzlichen Kosten auf weniger als CHF 100'000 geschätzt würden. Alain Berset appellierte an den Nationalrat, das Abkommen anzunehmen. Die Modernisierung dieses Übereinkommens sei notwendig, da es im Interesse der Schweiz sei, mit den Ländern, mit denen sie in Kontakt steht, stabile Beziehungen zu pflegen.
Der Nichteintretensantrag der SVP-Fraktion hatte im Rat keine Chance und wurde mit 137 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) abgelehnt. Mit dem gleichen Ergebnis wurde das Sozialversicherungsabkommen in der Folge angenommen, wobei die SVP in beiden Fällen die Minderheit bildete, mit Ausnahme von Alfred Heer (svp, ZH), der sich zweimal der Stimme enthielt.

Abkommen mit Bosnien Herzegowina zur Sozialen Sicherheit (BRG 20.047)
Dossier: Sozialversicherungsabkommen der Schweiz
Dossier: Sozialversicherungsabkommen mit den Nachfolgestaaten der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien

En novembre 2020, l'initiative pour des multinationales responsables a été refusée de justesse par la majorité des cantons mais acceptée par 51.7 pour cent de la population. Cette initiative était soutenue par une vaste alliance de la société civile, qui a de peu manqué d'infliger une défaite cuisante aux milieux de l'économie et aux autorités politiques majoritairement opposés à l'initiative. 114 ONG défendaient le texte. Parmi elles se trouvaient notamment le WWF, Caritas, Greenpeace, Pro Natura, Terre des Hommes et Helvetas. Operation Libero, Amnesty International et les milieux religieux figuraient également parmi les partisans.
Alors qu'une alliance d'une telle ampleur avait rarement vu le jour en Suisse, ce phénomène a été observé à deux reprises dernièrement, la révision de la loi sur la chasse refusée en votation le 27 septembre 2020 ayant également été combattue par de nombreuses ONG. Si cette alliance venait à se reproduire régulièrement, cela pourrait modifier les rapports de force dans la sphère politique suisse. Comme le souligne la NZZ, ces ONG sont, en effet, non seulement organisées de manière professionnelle et rigoureuse, mais disposent surtout d'importants moyens financiers, ce qui était jusqu'alors plutôt l'apanage des milieux économiques. D'après les estimations, les deux camps ont dépensé chacun plus de CHF 10 millions au cours de la campagne, faisant de celle-ci la plus chère de tous les temps. Cette nouvelle puissance financière soulève néanmoins des questions sur la provenance des fonds. Les ONG reçoivent notamment de l'argent de la Confédération ainsi que des dons exonérés d'impôts. La Weltwoche mettait en avant ce qui pourrait s'apparenter à une subvention des ONG par le contribuable. Selon l'hebdomadaire zurichois, Terre des Hommes aurait par exemple reçu CHF 2.43 millions de la DDC l'an passé. Cette somme se monterait à CHF 6.34 millions pour Swissaid, qui soutenait également l'initiative. Et le montant obtenu par Helvetas de la part des pouvoirs publics serait de presque CHF 100 millions. Ces subventions ne sont pas problématiques en tant que telles mais peuvent le devenir si elles sont utilisées dans des campagnes politiques. Valentin Vogt, le président de l'UPS, réclamait dans la NZZ plus de transparence quant à la provenance et l'utilisation des moyens financiers dont disposent les ONG.
Alexandra Karle, directrice de la section suisse d'Amnesty International, défendait dans une tribune publiée dans le Tages Anzeiger la légitimité des ONG à s'engager dans des campagnes politiques. Elle rejetait le reproche d'«utilisation détournée» de l'argent public et soulignait la nécessité de lier le travail sur le terrain à des actions politiques conséquentes, prenant pour exemple l'engagement d'Amnesty International. Tout en aidant les victimes de violations des droits humains à cause de l'exploitation du pétrole au Nigeria ou dans les mines de Cobalt au Congo, l'ONG s'implique pour que les multinationales soient soumises à des lois les obligeant à respecter ces droits. Alexandra Karle rappelle également que les ONG telles qu'Amnesty International se financent principalement grâce aux contributions de leurs membres et aux dons.
L'importance politique grandissante des ONG s'observe également au Parlement, avec de nombreux.euses élu.e.s ayant des rôles importants au sein de celles-ci. S'il semble certain que ces organisations occupent désormais une place importante dans le paysage politique suisse, la Weltwoche conclut son analyse en soulignant que leur montée en puissance n'est pas qu'une question d'argent ou de représentation, mais surtout le fruit de campagnes très bien menées, en particulier celle de l'initiative pour des multinationales responsables.

ONG, toujours plus puissantes

Im Zuge des Abstimmungskampfes zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI), welche Schweizer Firmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden im Ausland in die Pflicht nehmen wollte, kam es zu einer nie zuvor dagewesenen Beteiligung der grossen Landeskirchen. Die römisch-katholische sowie die evangelisch-protestantische Kirche bekundeten in einem gemeinsamen Statement ihre Unterstützung für die KVI, da es um grundlegende Fragen der Umsetzung von Menschenrechten und Naturschutz gehe, welche zwei zentrale Anliegen der Bibel vertreten würden: «Nächstenliebe und Bewahrung der Schöpfung». Insgesamt waren über 700 Kirchgemeinden und Pfarreien in der ganzen Schweiz Teil des Komitees «Kirchen für Konzernverantwortung». Der Aktivismus der Kirche ging aber weit darüber hinaus – es wurden Predigten zum Thema gehalten und Flyer nach Gottesdiensten verteilt, zudem hielten wichtige Persönlichkeiten der Landeskirchen öffentliche Statements. Am prominentesten waren vermutlich die grossen Banner, welche von verschiedensten Kirchtürmen hingen und für das Volksbegehren warben.
Dieses aktive Mitwirken im Abstimmungskampf führte zu vielen roten Köpfen – innerhalb und ausserhalb der Kirchenmauern. Geschürt wurde die emotionale Debatte insbesondere durch ein stark kritisiertes Statement des Redaktionschefs der katholischen Online-Plattform «Kath.ch» bei dem er einen heiklen Bezug zum Holocaust gezogen hatte. Daraufhin meldeten sich aus der Öffentlichkeit kritische Stimmen in Form zweier offener Briefe – einer an die reformierte Kirche von 50 Berner Grossrätinnen und Grossräten, und einer an die katholische Kirche von 35 Christinnen. Sie forderten jeweils, dass die Kirche damit aufhören müsse, sich so klar politisch zu positionieren und die Menschen implizit in «gute» und «weniger gute» Christinnen und Christen, abhängig von ihrer Position zur KVI, einzuteilen. Es sei die Aufgabe der Kirche, allen Personen – egal welcher politischen Gesinnung – Obhut zu bieten. Die lautstarke Unterstützung einer linken Volksinitiative sei jedoch für viele bürgerlich gesinnte Kirchengängerinnen und Kirchengänger irritierend und stossend. Das Bistum Chur äusserte Kritik an den Bannern, die der Würde der Gotteshäuser nicht gerecht würden.
Ein weiterer grosser Kritikpunkt an beiden Landeskirchen betraf die Transparenz der Finanzierung dieser Kampagne, wobei die Kirchen beteuerten, dass für den Abstimmungskampf gesammelte Spenden und nicht – wie die Kritikerinnen und Kritiker behaupteten – Steuergelder verwendet worden seien.
Positive Stimmen hielten schliesslich dagegen, dass die Kirchen den staatlichen Auftrag hätten, sich mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen und die Positionierung des Staates aktiv mitzugestalten. Darunter falle auch, dass sie sich für eine gerechtere Welt einsetzten, was die aktive Beteiligung der Kirche im Zuge der KVI nicht nur richtig, sondern gar zwingend nötig gemacht habe. Ausserdem habe es sich hierbei nicht um einen parteipolitischen Kampf gehandelt – wie viele kritische Stimmen unterstellten –, stattdessen hätten die Kirchen lediglich ihr «urpolitisches» evangelisches Wissen in die politische Debatte eingebracht.

Kirchenposition zur KVI

Le thriller politique induit par l'initiative populaire «Entreprises responsables – Pour protéger l'être humain et l'environnement» est finalement arrivé à son terme. Déposé à la Chancellerie en octobre 2017, débattu au sein du Parlement de novembre 2017 à juin 2020, et après une campagne longue d'une année, les urnes ont délivré leur verdict: l'initiative pour des multinationales responsables a été adoptée par 50.7 pourcent de la population helvétique, mais rejetée par 12 5/2 cantons. Etant donné que la double majorité est nécessaire à l'adoption d'une initiative populaire, l'initiative pour des multinationales responsables n'a pas passé la rampe. Le contre-projet indirect, élaboré par le Conseil des Etats, entre donc en vigueur. Au final, cette initiative populaire a dicté l'agenda politique helvétique, entraîné une intense et incisive campagne, occupé la scène médiatique helvétique et internationale, mis sous le feu des projecteurs de nombreuses multinationales comme Glencore, Syngenta ou Nestlé, et rouvert la boîte de Pandore de la double majorité et du poids des cantons dans le fédéralisme helvétique.

Lancée par une large coalition d'une centaine d'organisations civiles de défense des droits humains et de protection de l'environnement, l'initiative populaire avait pour objectif d'imposer un mécanisme de responsabilité légale aux multinationales dont le siège est en Suisse. Ce mécanisme légal concernait les violations des droits humains et de normes environnementales internationales. En outre, non seulement l'entreprise sise en Suisse était concernée par ce mécanisme, mais également les entreprises qu'elle contrôle, et les entreprises qui sont économiquement dépendantes d'elle. Dès lors, ce mécanisme légal impactait des filiales et des fournisseurs des multinationales dont le siège est en Suisse. Selon l'initiative, les entreprises devaient faire preuve d'une diligence raisonnable. Premièrement, elles devaient analyser et identifier les risques que son activité faisait porter aux droits humains et à l'environnement. Deuxièmement, elles étaient chargées de prendre des mesures appropriées pour prévenir ces risques. Et troisièmement, elles devaient rendre compte des mesures prises de manière transparente. En résumé, les entreprises devaient prouver qu'elles avaient fait preuve de toute la diligence possible afin d'éviter des sanctions.

Au Parlement, l'initiative sur les multinationales responsables a nourri de longs débats. D'abord, le Conseil fédéral, le Conseil des Etats et le Conseil national se sont accordés pour reconnaître l'importance de protéger les droits humains et de l'environnement, mais ont considéré que les mécanismes légaux imposés étaient trop contraignants, inefficaces et dommageables à l'économie helvétique. Ils ont ainsi préconisé un rejet de l'initiative populaire. Par contre, si la stratégie envisagée était celle du contre-projet indirect, les trois institutions politiques n'ont pas réussi à s'accorder sur la teneur de ce contre-projet indirect. Alors que la proposition du Conseil national optait pour un mécanisme qui ne concernait que les entreprises qui réalisent un chiffre d'affaires annuel supérieur à CHF 80 millions et emploient plus de 500 personnes, le Conseil des Etats a proposé de restreindre le mécanisme légal uniquement aux sociétés d'intérêts publics et aux grands instituts financiers dans les domaines du «minerais de conflit» et du «travail d'enfants». La version du Conseil national aurait entraîné un retrait de l'initiative populaire. Néanmoins, en conférence de conciliation, le Parlement a finalement pris le risque d'opter pour le contre-projet indirect du Conseil des Etats, et donc de donner à la population helvétique le dernier mot.

La campagne qui a accompagné cette initiative populaire a été inédite sous plusieurs aspects. Premièrement, elle s'est distinguée par sa longueur. En effet, le camp du oui a commencé sa campagne dès le début de l'année 2020, avant même que les débats parlementaires soient clos. Deuxièmement, elle a été boostée par une professionnalisation du camp favorable à l'initiative, avec notamment l'engagement de nombreuses ONG et de dons d'argent supplémentaire. Troisièmement, elle s'est caractérisée par son intensité. Les articles de presse dédiés à l'initiative ont représenté jusqu'à 16 pourcent des articles de presse dans les dernières semaines de la campagne. En outre, plus de 700 annonces publicitaires ont été recensées dans la presse helvétique. Il s'agit de la 8ème campagne la plus intense dans les journaux helvétiques depuis 2013. Mis à part les journaux, énormément de drapeaux orange – couleur choisie par les initiants et initiantes – ont fleuri aux balcons et fenêtres des Helvètes. Quatrièmement, elle a été marquée par des «fake news» et des attaques personnelles. Par exemple, dans la presse helvétique, la moitié des articles dédiés à l'initiative traitaient soit des acteurs politiques, soit de la campagne elle-même. Une forme d'«américanisation» de la politique helvétique s'est donc confirmée. Cinquièmement, elle s'est distinguée par la multitude d'acteurs engagés. L'engagement des églises en est un exemple marquant. Si les débats au Parlement ont pris la forme d'un clivage gauche-droite typique, les débats lors de la campagne ont mis évidence un effacement des clivages entre partis. La thématique des droits humains a notamment touché les partis conservateurs, comme l'UDC et le PDC, qui bien qu'ils se soient positionnés en opposition à l'initiative ont connu des divergences internes. De plus, le comité bourgeois en faveur de l'initiative, composé de politicien-ne-s de l'UDC, du PLR, du PDC, du PBD, du PEV et du PVL, incarne ces divergences.

Les stratégies de campagne des deux camps sont également à mettre en exergue. D'un côté, le camp du oui a misé sur une longue campagne, une omniprésence visuelle – avec notamment les drapeaux orange – et une communication directe par l'intermédiaire de tous-ménages. Ces caractéristiques sont probablement le fruit de l'engagement des ONG dans la campagne. Comme angle de communication, le camp du oui a mis en avant l'évidence de ces mécanismes légaux et les droits humains. A l'opposé, le camp du non a opté pour une campagne courte mais très intense. Elle a également décidé de mener une campagne ciblée, en choisissant de mener spécifiquement campagne dans certains cantons pivots. Du point de vue du message communiqué, le camp du non a misé essentiellement sur l'argument de la menace pour l'économie helvétique, en insistant sur l'impact sur les PME. Au final, la stratégie des opposant-e-s à l'initiative a payé. En effet, alors que les sondages prédisaient encore une victoire «facile» pour les initiant-e-s quelques mois avant la votation, la balance s'est progressivement inversée. Mais surtout, le choix de miser sur certains cantons, au lieu de convaincre la totalité de la population a été un coup de maître de la campagne du non. Pour être précis, l'initiative a été soutenue par les cantons latins (à l'exception du Valais) et par les centres urbains comme Berne ou Zürich. A l'opposé, elle a été rejetée par les cantons ruraux alémaniques. Le rejet d'une initiative alors qu'une majorité de la population est acquise est un scénario presque inédit. Il ne s'agit que de la deuxième occurrence dans l'histoire helvétique – 1955, lorsque l'initiative «concernant la protection des locataires et consommateurs» a été soumise au vote, 15 des 22 cantons étaient contre, le peuple à 50.2 pourcent aurait dit «oui».


Votation du 29 novembre 2020

Participation: 47.02%
Oui: 1'299'173 (50.73%) / Cantons: 8 1/2
Non: 1'261'673 (49.27%) / Cantons: 12 5/2

Consignes de vote:
- Oui: PS, Verts, BDP, PVL, PEV, UDF, JDC Associations environnementales, Organisations des droits de l'homme et d'aides aux développements, Conférence des évêques suisses
- Non: UDC (1*), PLR, PDC (2*), EconomieSuisse, Union Patronale Suisse, USAM
*entre parenthèses: nombre de sections cantonales divergentes

Initiative populaire «Entreprises responsables – pour protéger l’être humain et l’environnement»
Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative
Dossier: Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen»

Die drei grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, SAV, SGV sowie der SBV fassten gemeinsam die Nein-Parole zur viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November 2020 abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten sie oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen.
Die Wirtschaft, so liess der neue Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder in einer gemeinsamen Medienmitteilung verlauten, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, jedoch würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. SAV-Präsident Valentin Vogt betonte, dass die Initiative in Anbetracht der gegenwärtigen Corona-Situation gefährlich sei: Die Schweizer Wirtschaft dürfe in einer derartigen Krise nicht auch noch Eigentore riskieren. SGV-Präsident Regazzi befürchtete bei Annahme der Initiative einen Domino-Effekt: Was anfänglich nur auf die Grosskonzerne abziele, treffe letztendlich auch die KMU, denn die Forderungen der Initiative würde beispielsweise auch für Lieferanten gelten. Nicht nur grosse, sondern auch kleine Unternehmen müssten sich deshalb vorsorglich rechtlich absichern. Die KMU sah Regazzi denn bei einer Annahme besonders betroffen, da Unternehmen mit einer kleinen Rechtsabteilung bei einem Zwischenfall nicht in der Lage wären, sich rechtlich zu wehren. Das«Wirtschaftsbashing» der Initianten müsse deshalb aufhören.
Schliesslich kam auch der Bauernverbandspräsident Markus Ritter zu Wort. Er sprach von einer ungerechten Beweislastumkehr und hob hervor, dass auch die Schweizer Landwirtschaft stark von Partnerunternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor abhängig sei. Indirekt würde also auch die Schweizer Bauernschaft von der Initiative getroffen.
Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung.

Dachverbände der Wirtschaft sagen «Nein» zur KVI

Mit einem Postulat forderte die APK-NR vom Bundesrat einen Bericht zur Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs zwischen der Schweiz und China. Dieser Bericht solle konkret Auskunft über den Stand des Menschenrechtsidalogs, über die Umsetzung durch den Bundesrat, über seine Erfolge und die zukünftig geplanten Schritte geben. Mit der Einreichung des Postulats – und eines zweiten Postulats der APK-NR (Po. 20.4333) – gab die Kommission den Forderungen einer Petition der «Gesellschaft für bedrohte Völker» Folge. Der Bundesrat zeigte sich bereit, die geforderte Analyse in der China-Strategie 2021-2024 und im Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik 2019-2022 fortzusetzen. Daher beantragte er die Annahme des Postulats.

Bericht über die Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsidalogs zwischen der Schweiz und China (Po. 20.4334)
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Im August 2020 machte die NZZ am Sonntag ein bisher geheimes Abkommen mit China publik, gegen das sich in der Folge Widerstand in der Schweizer Politik regte. Aufgrund des Abkommens wurde die Anwesenheit chinesischer Sicherheitsbeamtinnen und -beamter in der Schweiz durch den Bundesrat geduldet; und dies ohne dass das Abkommen vorgängig dem Parlament zur Konsultation vorgelegen hatte. Gemäss Tages-Anzeiger erlaube das Abkommen die Ermittlung der Nationalität und Identität chinesischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger durch die chinesischen Sicherheitsbehörden in der Schweiz, sofern sich Erstere illegal im Land aufhielten. Das 2015 abgeschlossene Abkommen sei gemäss NZZ am Sonntag derart geheim gewesen, dass selbst Mitglieder der aussenpolitischen Kommissionen keine Kenntnisse davon gehabt hätten. Mitglieder des Nationalrats von links bis rechts empörten sich nach Bekanntwerden über diese Praxis und verlangten teilweise die Kündigung des Abkommens. Staatssekretär Gattiker verteidigte das Vorgehen des SEM, da solche Abkommen Standard und für die Schweiz unverzichtbar seien. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten kämen nur auf Einladung in die Schweiz, zudem habe man seit Inkrafttreten des Abkommens nur 43 Personen nach China zurückgeschafft. Nachdem Gattiker im August 2020 der APK-NR Rede und Antwort gestanden hatte, erklärte Tiana Moser (glp, ZH), dass zwar gewisse Vorbehalte ausgeräumt worden seien, die Debatte über die Verlängerung des Abkommens aber noch nicht abgeschlossen sei.

Im November 2020 reichte dann der Kanton Genf eine Standesinitiative ein, die sich gegen das «demokratieunwürdige Abkommen mit China» richtete. Gestützt auf die Verfassung, die EMRK und den UNO-Pakt II zu den bürgerlichen und politischen Rechten forderte der Kanton von der Bundesversammlung Massnahmen, um Minderheiten wie die uigurische Gemeinschaft in der Schweiz vor Überwachung und Einschüchterung durch den chinesischen Staat zu schützen. Zudem müsse in der Schweiz auch die freie Meinungsäusserung in Bezug auf die Lage in Xinjiang und Ost-Turkestan sowie die Menschenrechtslage in China garantiert werden. Die chinesischen Beamtinnen und Beamten hätten durch das Abkommen – ohne einen offiziellen Status zu besitzen – während zwei Wochen die Möglichkeit gehabt, Nachforschungen und Befragungen über chinesische Staatsangehörige anzustellen, so der in der Initiative formulierte Vorwurf. Zudem hätten diese Beamtinnen und Beamten oft chinesische Bürgerinnen und Bürger identifiziert, worauf deren Rückschaffung nach China veranlasst worden sei. Diese Praxis käme laut Initiativtext einer «Verletzung der Schweizer Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft» gleich, da dadurch bestimmte Minderheiten ungestraft unterdrückt und überwacht würden. Der Kanton Genf forderte, dass die Verlängerung dieses Abkommens an konkrete Bedingungen geknüpft werden müsse, um die humanistische Tradition der Schweiz zu schützen.

Schweizerisch-chinesische Beziehungen: demokratieunwürdige Abkommen
Dossier: Menschenrechtspolitik Schweiz-China

Mittels Motion forderte die SVP-Fraktion die Einführung einer Sicherheitshaft für Dschihad-Rückkehrer und -Rückkehrerinnen. Personen, die im Verdacht stehen, eine verbotene Organisation nach Art. 74 NDG unterstützt zu haben, sollten bei ihrer Einreise in die Schweiz bis zum Abschluss der entsprechenden Verfahren in Haft genommen werden, ausser von der Person gehe erwiesenermassen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, so das Ansinnen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, weil eine Präventivhaft für Gefährder und Gefährderinnen EMRK-widrig wäre; diese Massnahme habe das Parlament aus diesem Grund bei den Beratungen der PMT-Vorlage schliesslich verworfen, so Justizministerin Karin Keller-Sutter. In der Sondersession im Oktober 2020 nahm der Nationalrat den Vorstoss dennoch mit 96 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung an.

Sicherheitshaft für Dschihad-Rückkehrer (Mo. 19.3034)

Im Oktober 2020 rügte der EGMR die Schweiz für die Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen. Zuvor hatte ein Witwer aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2012 an den EGMR weitergezogen, der ihm das Recht auf eine Hinterbliebenenrente nach dem Erreichen der Volljährigkeit durch seine jüngste Tochter verneint hatte. Er argumentierte, dass er gegenüber verwitweten Frauen benachteiligt werde, da diese auch nach Volljährigkeit ihrer Kinder und teilweise gar, ohne Kinder zu haben, eine Witwenrente erhielten. Mit knapp 60 Jahren habe aber auch er – genauso wie Witwen – keine Chance mehr auf einen beruflichen Wiedereinstieg.
Seinen Vorwurf, wonach dies der Gleichstellung von Frauen und Männern widerspreche, bestätigte der EGMR. Zwar sei eine Ungleichbehandlung bei sehr guten Gründen möglich, ein solcher liege hier aber nicht vor. Somit verstosse das geltende Gesetz gegen die Menschenrechtskonvention. Das Bundesgericht hatte 2012 auf das entsprechende 1948 durch das Parlament erlassene Gesetz verwiesen. Unklar war zu diesem Zeitpunkt noch, ob die Schweiz das Urteil an die Grosse Kammer des EGMR weiterziehen wird oder nicht. Damit das Urteil rechtskräftig werden würde, müsste der Kläger am Bundesgericht eine Revision des Schweizer Urteils verlangen, erklärte humanrights.ch. Zu einer Gesetzesänderung könnte es aber auch so kommen, wurden doch im Nachgang des Entscheids verschiedene Postulate (Po. 20.4449), Motionen (Mo. 20.4445; Mo. 20.4693) und parlamentarische Initiativen (Pa.Iv. 21.416; Pa.Iv. 21.511, Pa.Iv. 21.512) eingereicht.
Auch die Presse diskutierte insbesondere über die Folgen dieses Urteils, wobei sie sich vor allem fragte, ob die Rente der Witwer derjenigen der Witwen angepasst werden solle oder umgekehrt. Dabei offenbarten die Medien unterschiedliche Präferenzen. Einige wiesen darauf hin, dass eine Verwitwung gemäss einem Bericht des Bundesrates heute weniger gravierende Auswirkungen habe als eine Scheidung oder Trennung. Zudem wurde auf die hohen Kosten einer Ausweitung der Witwerrente verwiesen. Andererseits wurde argumentiert, dass Witwenrenten aufgrund der höheren Lebenserwartung sehr viel häufiger seien als Witwerrenten, weshalb sich die Mehrkosten durch eine grosszügigere Regelung für die Witwer in Grenzen halten würden. Neben den inhaltlichen Fragen wurde in der Berichterstattung auch über fremde Richter und über die abgelehnte Selbstbestimmungsinitiative diskutiert.

Urteil des EGMR zur Witwerrente (2020)

Im Oktober 2020 publizierte der Bundesrat erstmals eine aussenpolitische Strategie für den Mittleren Osten und Nordafrika, die den Rahmen für sämtliche Aktivitäten der Schweiz in der MENA-Region von 2021 bis 2024 bilden soll. Grund für die erstmalige Erarbeitung einer eigenen geografischen Strategie für diese Region sei unter anderem die geografische Nähe, die wichtige Rolle der Schweiz bei der Friedensförderung und der Guten Dienste und die Schlüsselrolle für die Sicherheit der Schweiz hinsichtlich terroristischer Anschläge und steigenden Migrationsdrucks, erklärte der Bundesrat. Auch in der Strategie der Internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 gelte sie als eine der vier Schwerpunktregionen.
Die geografische Teilstrategie stehe wie die übergeordnete Aussenpolitische Strategie 2020-2023 im Zeichen des Whole-of-Government-Ansatzes, mithilfe dessen alle Departemente, die Bundeskanzlei und das Aussennetz der Schweiz an einer kohärenten Umsetzung der Aussenpolitik beteiligt werden sollen. Die Strategie unterscheidet zwischen thematischen Schwerpunkten – Frieden, Sicherheit und Menschenrechte; Migration und Schutz von Menschen in Not; nachhaltige Entwicklung; Wirtschaft, Finanzen und Wissenschaft; Digitalisierung und neue Technologien – und geografischen Schwerpunkten – Nordafrika; Naher Osten; Arabische Halbinsel und Iran. Für jede Teilregion wurden die drei wichtigsten Themenbereiche der Schweiz definiert und zudem für jedes Land individuell die aussenpolitischen Prioritäten festgelegt.

Der Bundesrat erläuterte im Strategiepapier, dass sich die Schweiz in Nordafrika vor allem auf ihr Engagement für eine gute Regierungsführung, eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und eine sichere Migration fokussieren werde. Durch die Schaffung nachhaltiger Perspektiven in den Herkunftsländern und den Abschluss neuer Migrationsabkommen soll irreguläre Migration verhindert werden. Die Förderung des Mitspracherechts der Bevölkerung und Initiativen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven stünden in dieser Region daher im Mittelpunkt, so der Bundesrat. Im Nahen Osten wolle sich die Schweiz weiterhin an der Suche nach einer politischen Lösung für die Konflikte in Syrien, Israel und Palästina beteiligen. Zudem versuche man in diesen Ländern die Berufsbildung zu fördern und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern. Mit Israel sollen darüber hinaus Partnerschaften im Bereich Fintech und Medtech abgeschlossen werden. Auf der arabischen Halbinsel und im Iran ist die Schweiz bereits aufgrund des Schutzmachtmandats der USA in Iran und zwischen Iran und Saudi-Arabien sehr aktiv. Zukünftig soll der bilaterale Dialog zwischen den Staaten der Region, auch im Hinblick auf den seit Jahren andauernden Jemen-Krieg, intensiviert werden, um die Sicherheit und Stabilität der Region zu stärken. Auch neue Wirtschafts- und Finanzkooperationen sollen umgesetzt werden, da sich viele Staaten in der Region aufgrund der volatilen Erdölpreise um eine Diversifizierung ihrer Wirtschaft bemühten, stellte der Bundesrat im Bericht fest. Da diese Staaten auch allesamt vom Klimawandel betroffen seien, nicht zuletzt wegen Wasserknappheit, legten sie sehr viel Wert auf einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und auf nachhaltige Energieträger. Für Schweizer Unternehmen, die sich auf entsprechende Technologien spezialisiert haben, böte die geplante Energiewende vielfältige Expansionsmöglichkeiten.

Aussenpolitische Strategie für den Mittleren Osten und Nordafrika
Dossier: Aussenpolitische Strategien

Im September 2018 hatte Beat Flach (glp, AG) ein Postulat eingereicht, mit dem er eine Legalisierung von Cannabis und eine Besteuerung entsprechend derjenigen von Tabakprodukten zur Finanzierung der AHV und der IV prüfen lassen wollte. Zudem sollten die Auswirkungen der Legalisierung auf die Wirtschaft und die Landwirtschaft sowie auf die Qualität der Cannabisprodukte untersucht werden.
Der Bundesrat verwies auf verschiedene Pilotprojekte und auf zwei bereits angenommene entsprechende Vorstösse (Po. 17.4076; Mo. 18.3148), deren Ergebnisse er abwarten wolle. Entsprechend beantragte er die Ablehnung des Postulats.
Zwei Jahre nach der Einreichung wurde der Vorstoss im September 2020 unbehandelt abgeschrieben.

Cannabis legalisieren und Steuersubstrat zugunsten der AHV und IV generieren (Po. 18.4009)

Christian Lohr (cvp, TG) störte sich daran, dass Personen, die Hilflosenentschädigung (HE) erhalten, im Gegensatz zu Personen, die IV beziehen, nicht automatisch einen IV-Ausweis erhalten. Explizit solle zukünftig für Kinder mit HE, Erwachsene mit HE, aber ohne IV-Rente sowie für AHV-Rentnerinnen und Rentner mit HE automatisch ein IV-Ausweis ausgestellt werden. Dies soll Kindern mit nicht sichtbaren Behinderungen deren Nachweis ermöglichen und Betroffenen erlauben, von Vergünstigungen durch private Institutionen zu profitieren. Auf Antrag sei dies zwar bereits möglich, davon wüssten die Betroffen jedoch häufig nichts, erklärte der Motionär. Stillschweigend nahm der Nationalrat die Motion in der Herbstsession 2020 an, nachdem Gesundheitsminister Berset bereits in der Frühjahrssession desselben Jahres als Antwort auf eine Frage Roth (sp, SO; Frage 20.5059) entsprechende Abklärungen durch die Verwaltung in Aussicht gestellt hatte.

Automatische Ausstellung eines Ausweises für den Bezug einer Hilflosenentschädigung

Gabriela Suter (sp, AG) störte sich an den veralteten Codizes bei der Klassifikation von IV-Gebrechen aus den sechziger Jahren und verlangte deren Ersetzung durch eine neue, international anerkannte Codierung (ICD-Codes). Aufgrund der alten Codierung seien keine verlässlichen Aussagen über die Diagnosen, ihre historischen Entwicklungen und ihre Anteile an allen Gebrechen möglich, wodurch zum Beispiel auch die Eingliederungsmassnahmen nicht evaluiert werden könnten. In der Herbstsession 2020 nahm der Nationalrat das Postulat stillschweigend an, nachdem sich auch der Bundesrat für eine Annahme ausgesprochen hatte.

Differenzierte Codierung von IV-Gebrechen

Obschon das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) äusserst umstritten war – insbesondere die Definition des Gefährders bzw. der Gefährderin, die Präventivhaft, die schliesslich keinen Eingang ins Gesetz gefunden hatte, und die Anwendbarkeit der Massnahmen auf Minderjährige hatten für heftige Diskussionen gesorgt –, resultierten aus der ersten parlamentarischen Beratungsrunde keine inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Räten. In die Differenzbereinigung musste das Geschäft nur, weil der Nationalrat noch einige sprachliche Anpassungen am französischen Text vorgenommen hatte, die der Ständerat in der Herbstsession 2020 allesamt stillschweigend guthiess. Der Mangel an Differenzen ging jedoch überhaupt nicht mit einem Mangel an Kontroverse einher. In den Schlussabstimmungen brachte das links-grün-grünliberale Lager seinen Unmut über das seiner Ansicht nach grundrechtsmissachtende Gesetz zum Ausdruck, indem es ihm (von drei Abweichlern im Ständerat abgesehen) einhellig eine Abfuhr erteilte. Bedingt durch die bürgerlichen Ratsmehrheiten wurde die Vorlage dennoch komfortabel angenommen, im Ständerat mit 33 zu 11 und im Nationalrat mit 112 zu 84 Stimmen.
Die gegen Ende geräuscharme parlamentarische Debatte wurde in den Medien von einigen Warnschüssen des gegnerischen Lagers begleitet. Die Jungen Grünen empörten sich bereits im Sommer, dass das Parlament ein Gesetz verabschiede, das dreifach gegen geltendes Recht verstosse, nämlich gegen die UNO-Kinderrechtskonvention, die schweizerische Bundesverfassung und das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten. Der Gesetzestext, der die Massnahmen bereits für Kinder ab zwölf Jahren vorsehe, sei «inakzeptabel». Um Druck auszuüben, wollten sie den Expertenausschuss der UNO, der die Umsetzung der Kinderrechtskonvention überwacht, auf die Angelegenheit aufmerksam machen, erklärten sie gegenüber «Le Temps». Die WOZ sah im Parlamentsbeschluss vor allem ein Produkt der Angst vor Terroristinnen und Terroristen, deren Geschäft im Schüren von Angst bestehe und die es offenbar geschafft hätten, das Handeln der Parlamentsmehrheit zu bestimmen. In einem offenen Brief, aus dem «La Liberté» zitierte, brachten 63 Rechtsprofessorinnen und -professoren ihre Bedenken zum Ausdruck, dass das Gesetz der Willkür Tür und Tor öffne und die Rechtsstaatlichkeit untergrabe. Mit den vorgesehenen Massnahmen, die nur auf Indizien gestützt verhängt würden, und zwar ohne dass eine Straftat vorliege, gebe man sich der Illusion hin, etwas gegen den Terrorismus zu tun, was aber ein Trugschluss sei, erklärte Nadja Capus, eine der unterzeichnenden Professorinnen. Wie dieselbe Zeitung weiter berichtete, machte auch die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz mobil gegen das Gesetz. Handkehrum überlegte die NZZ, ob durch die neuen präventiv-polizeilichen Massnahmen Taten wie die Mitte September von einem der Bundesanwaltschaft bekannten Islamisten verübte Messerattacke von Morges verhindert werden könnten.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Herbstsession 2020 nahmen beide Räte den Tätigkeitsbericht der Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF) für 2019 zur Kenntnis. Wie schon in den Jahren zuvor lag der Schwerpunkt der Delegationstätigkeit auf der Wahrung der demokratischen Grundsätze, der Rechtsstaatlichkeit und der guten Regierungsführung im frankophonen Raum. Diese Anliegen vertrat die Delegation auch 2019 im Rahmen ihres offiziellen Mandats auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene. So brachte sie ihre Expertise beispielsweise an der 45. APF-Jahrestagung ein, die im Berichtsjahr vom 4.–9. Juli unter dem Motto «Parlements et renforcement de la démocratie» in Abidjan (CIV) stattfand, oder tauschte sich zwischen dem 13. und 16. November im jurassischen Delsberg mit Vertretungen der Assemblée régionale Europe (ARE) aus.
Auf internationaler Ebene setzte die Delegation ihre thematischen Schwerpunkte – wie auch schon im Jahr zuvor – beim grenzüberschreitenden Frauen- und Kinderhandel, bei den Lebensmittelverlusten und der Lebensmittelverschwendung, bei der Abschaffung der Todesstrafe, beim Schutz persönlicher Daten sowie der gemeinsamen Finanzierung des Fernsehsenders TV5 Monde an. 2019 kam ergänzend das Engagement für die Selbstbestimmung der Völker und für die Volksrechte hinzu, was insbesondere im Rahmen der Regionalversammlung in Delsberg zur Sprache gekommen war. Delegationsintern wurden die Beziehungen zwischen China und Afrika sowie die Prävention von gewalttätigem Extremismus und Radikalisierung thematisch fokussiert.
2019 standen für die APF auch einige Änderungen an. Nach der Eröffnung der 51. Legislatur fand im Dezember die konstituierende Sitzung der Delegation statt, die sich für die nächsten vier Jahre neu zusammensetzen würde. Unter anderem übernahm neu Laurent Wehrli (fdp, VD) das Delegationspräsidium von Jean-Pierre Grin (svp, VD). Erfreulicherweise konnte die Schweizer Delegation das Präsidium der Kommission für Bildung, Kommunikation und Kultur (CECAC) halten, auch hier wurde das Amt mit Legislaturwechsel von Ständerat Didier Berberat (sp, NE) an Ständerat Christian Levrat (sp, FR) übergeben. Eine wesentliche Änderung hinsichtlich der internationalen Mandate der Delegation zeigte sich in einer Ausweitung der Personalkompetenzen: Beide Räte gewährten noch im Dezember 2020 einen Kredit zur Entsendung eines Parlamentsdienstmitarbeitenden für das Generalsekretariat der APF.
Der Bericht schliesst mit dem neuerlichen Verweis auf die politische Bedeutung des frankophonen Afrikas für die Organisation. Dies aufgrund dreier Faktoren: Erstens deuteten Trends auf einen besonders starken und voraussichtlich anhaltenden Bevölkerungswachstum auf dem Kontinent hin, zweitens dürfte aufgrund der Entwicklungen im Bildungsbereich der Anteil an Französischsprechenden zunehmen und drittens diene die OIF im Vorfeld von UNO-Verhandlungen oft als Dialogplattform, was sowohl die Organisation selbst als auch den afrikanischen Kontinent auf das internationale Parkett hieve. Im Weiteren werde die Delegation 2020 ihre Arbeiten zu Lebensmittelverlusten und -verschwendung abschliessen und sich nach anderen möglichen Handlungsbereichen erkunden. Schliesslich bereite sich die Delegation auf das voraussichtlich am 3. und 4. September 2020 in Genf stattfindende jährliche Treffen des APF-Parlamentariernetzwerks für die Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria vor.


Bericht über die Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (2019)
Dossier: Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF)

Im Dezember 2019 wurde der Bericht der 50. Legislatur über die Tätigkeiten der durch die Aussenpolitischen Kommissionen eingesetzten nicht ständigen Delegationen veröffentlicht. Die APK-NR und die APK-SR entsenden laut Bericht jedes Jahr je eine nicht ständige Delegation ins Ausland, um die Beziehungen mit Legislativen und Exekutiven anderer Länder zu pflegen. Dabei gehen die Delegationen auf ihren Informationsreisen jeweils spezifischen Themenschwerpunkten nach. So beschäftigte sich die Delegation der APK-NR bei ihren Reisen nach Belgien und Luxemburg (2016), sowie Österreich und Ungarn (2017) mit den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU und dem Thema Migration. 2018 und 2019 standen im Rahmen der Reisen nach China, Kasachstan und Griechenland hingegen die Belt and Road Initiative und erneut die Migration im Vordergrund. Die Delegation der APK-SR legte auf ihrer Reise in die Türkei (2016) einen Fokus auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit, während sich die Reisen in die Elfenbeinküste (2017), Australien, Neuseeland und Singapur (2018) der Aussenwirtschaftspolitik widmeten. 2019 befasste sich auch diese Delegation mit den schweizerisch-europäischen Beziehungen, als sie Österreich besuchte.
Die beiden Räte nahmen in der Herbstsession 2020 Kenntnis vom Bericht.

Tätigkeiten der durch die Aussenpolitischen Kommissionen eingesetzten nicht ständigen Delegationen
Dossier: Tätigkeiten der durch die APK eingesetzten nicht ständigen Delegationen

Ein allgemeines Anliegen an die Sozialversicherungen formulierte Philippe Nantermod (fdp, VS) im September 2018 mit seiner Motion «Rechtssicherheit stärken und Vertragsumdeutungen vermeiden». Er störte sich daran, dass Dienstleisterinnen und Dienstleister, die über Plattformen Verträge abschliessen, also zum Beispiel Uber-Fahrerinnen und -Fahrer, zu wenig stark vor Umklassierungen ihrer Erwerbstätigkeit geschützt seien. So sei es für die Sozialversicherungen relevant, ob Personen von den Ausgleichskassen als selbständig oder unselbständig erwerbstätig eingestuft werden, weil selbständig Erwerbende beispielsweise nicht obligatorisch bei der beruflichen Vorsorge oder der ALV versichert sind und sich ihre AHV/IV/EO-Beiträge anders berechnen als bei Unselbständigen. Durch Sozialleistungen der Unternehmen, wie Weiterbildungsangebote oder Versicherungen gegen bestimmte soziale Risiken, könne es zu einer Umklassierung zu einer unselbständigen Tätigkeit kommen, betonte Nantermod. Neu soll deshalb der Wille der Parteien bei der Wahl der Vertragsart, zum Beispiel des Arbeitsvertrags oder des Auftragsverhältnisses, für ihre Rechtsverhältnisse gestärkt und Umklassierungen dadurch verhindert werden. Der Bundesrat habe die Problematik aufgrund der Postulate Derder (fdp, VD; Po. 15.3854) und Reynard (sp, VS; Po. 17.3222) zwar erkannt und sei im Rahmen des Postulats der FDP.Liberalen-Fraktion (Po. 17.4087) dabei, Abklärungen vorzunehmen, es bedürfe jedoch kurzfristiger Lösungen, betonte Nantermod. Genau diese Abklärungen wollte der Bundesrat jedoch abwarten und empfahl daher die Motion zur Ablehnung. Diesem Antrag folgte der Nationalrat jedoch nicht und stimmte der Motion in der Herbstsession 2020 mit 121 zu 69 Stimmen zu. Abgelehnt wurde der Vorstoss von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie von einem Mitglied der Mitte-Fraktion.

Rechtssicherheit stärken und Vertragsumdeutungen vermeiden (Mo. 18.3753)

Im weiteren Verlauf der durch die Corona-Krise bedingten ausserordentlichen Lage verfeinerte der Bundesrat die sozialversicherungspolitischen Massnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie.

Bezüglich der Massnahmen der ALV gab die Regierung Ende März 2020 eine Reihe von Erleichterungen bekannt. So sollte vorerst auf einen Nachweis von Arbeitsbemühungen durch Stellensuchende verzichtet, telefonische erste Beratungs- und Kontrollgespräch der ALV ermöglicht, zur Verhinderung der Aussteuerung von Arbeitssuchenden während der ausserordentlichen Lage maximal 120 zusätzliche Taggelder bewilligt und die Rahmenfrist für den Leistungsbezug wenn nötig um zwei Jahre verlängert werden.
Auch die Anmeldung und der Bezug von KAE wurden Ende März erleichtert: Die Frist zur Voranmeldung wurde aufgehoben und die Bewilligungsdauer von KAE wurde von drei auf sechs Monate erhöht. Anfang April erweiterte der Bundesrat den Zugang zu KAE zudem auf Arbeitnehmende auf Abruf mit einem schwankenden Beschäftigungsgrad, solange diese länger als sechs Monate im entsprechenden Unternehmen angestellt waren. Damit erhoffte er sich, 200'000 Personen vor der Kündigung zu bewahren. Zudem wurden Zwischenbeschäftigungen bei den KAE ab diesem Zeitpunkt nicht mehr angerechnet, wodurch einerseits der administrative Aufwand für die Vollzugsorgane gesenkt und andererseits offene Stellen in der Landwirtschaft, im Gesundheitsbereich und in der Logistik besetzt werden sollten. Auch das Abrechnungsverfahren für KAE wurde vereinfacht – dieses kann während der ausserordentlichen Lage summarisch statt individuell vorgenommen werden –, damit die Anträge von mehr als 118'000 Unternehmen mit rund 1.34 Mio. Beschäftigten (Stand: 5.4.2020) verarbeitet werden konnten. Schliesslich wurde auch die maximale Bezugsdauer von vier Monaten bei einem Arbeitsausfall von über 85 Prozent aufgehoben.
Mitte Mai kündigte der Bundesrat wieder einen schrittweisen Ausstieg aus den ALV-Massnahmen an, welcher mit den Lockerungsetappen zur Öffnung der Wirtschaft koordiniert sei. Ende Mai liefen die KAE-Bezugsmöglichkeiten für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung, mitarbeitende Ehegatten und Lernende aus, zudem wurde die Voranmeldefrist wieder eingeführt, zumal die Auswirkungen der Massnahmen nun für die Unternehmen wieder abschätzbar seien, wie der Bundesrat begründete. Weitere Verschärfungen nahm die Regierung Anfang Juli vor, als sie beispielsweise die Karenzfrist von einem Tag und die Berücksichtigung von Überstunden wieder einführte. Gleichzeitig verlängerte sie aber auch die Höchstbezugsdauer von KAE von 12 auf 18 Monate.
Weitere grosse Änderungen nahm der Bundesrat in diesem Bereich Mitte August vor, als er die Covid-19-Verordnung zur ALV änderte. Neu sollte diese bis maximal Ende 2022 gültig sein, sofern das Covid-19-Gesetz verabschiedet würde – ansonsten träte die Verordnung per sofort ausser Kraft. Da gemäss Bundesrat aufgrund der wirtschaftlichen Öffnung keine Ausnahmeregelungen mehr nötig seien und man grösstenteils zum ursprünglichen System von KAE und Arbeitslosenentschädigungen zurückkehren könne, bestand die Verordnung nur noch aus fünf Paragraphen: Durch die zusätzlichen Taggelder musste auch die Rahmenfrist für den Leistungsbezug um bis maximal sechs Monate verlängert werden. Ab September sollte der Arbeitsausfall bei Kurzarbeitsentschädigungen wie vor den Corona-bedingten Erleichterungen nur noch während maximal vier Abrechnungsperioden über 85 Prozent liegen dürfen. Um aber die Sondersituation während der ausserordentlichen Lage zu berücksichtigen, werden die entsprechenden Abrechnungsperioden zwischen dem 1. März und dem 31. August nicht angerechnet. Für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sollte Zeit, welche sie für die Ausbildung von Lernenden aufwendeten, als Arbeitsausfall im Sinne von KAE angerechnet werden können. Damit sollte die Ausbildung der Jugendlichen sichergestellt werden, die zu diesem Zeitpunkt ja bereits nicht mehr für KAE angemeldet werden konnten. Damit die Vollzugsstellen die entsprechenden Anträge noch vor Ende des Jahres im ordentlichen Verfahren behandeln können, sollte das summarische Verfahren bis längstens Ende 2020 weitergeführt werden.

Neben den Leistungen der ALV beschäftigte sich der Bundesrat während der ausserordentlichen Lage auch mit der Finanzierung der ALV. Mitte Mai 2020 beantragte er im Nachtrag IIa zum Voranschlag 2020 eine Zusatzfinanzierung für die ALV über CHF 14.2 Mrd., da die bis zu diesem Zeitpunkt ausbezahlten KAE für 1.94 Mio. Arbeitnehmende an 190'000 Unternehmen zu sehr hohen, nicht budgetierten Ausgaben geführt hätten. Um nun zu verhindern, dass die Schuldenbremse der ALV aufgrund dieser hohen ungedeckten Ausgaben und damit eine Steigerung der Lohnprozente für das Jahr 2021 um mindestens 0.3 Prozent ausgelöst wird, sei dieser Nachtragskredit nötig, betonte der Bundesrat. Die Zusatzfinanzierung bedurfte überdies einer rechtlichen Grundlage, welche durch eine dringliche, befristete Änderung des AVIG geschaffen werden sollte. Nach einer verkürzten Vernehmlassung legte der Bundesrat im August 2020 die Änderung dem Parlament vor, welches diese in der Herbstsession ohne grossen Widerstand guthiess.

Neben der Kurzarbeit setzte der Bundesrat auch weiterhin auf Erwerbsersatz für Selbständigerwerbende, kündigte aber bereits Ende April eine sukzessive Aufhebung der Massnahmen an. Dennoch solle auch der Anspruch der Selbständigerwerbenden, deren Betriebe Ende April oder Anfang Mai wieder öffnen konnten, bis zum 16. Mai verlängert werden, zumal diese kaum ab dem ersten Tag ihre Dienstleistungen vollständig erbringen könnten. Ihre Situation sei vergleichbar mit derjenigen der indirekt von Corona betroffenen Selbständigerwerbenden, deren Anspruch ebenfalls bis zum 16. Mai andauerte. Über den Mai hinaus Anspruch hätten weiterhin Personen in Quarantäne sowie Personen, deren Kinder nicht von Dritten betreut werden können. Mitte Juni, im Rahmen der Aufhebung der ausserordentlichen Lage, passte der Bundesrat die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall an und präzisierte die geltenden Fristen: Anspruch auf EO könne somit nur noch bis zum 16. September geltend gemacht werden, anschliessend fänden auch keine rückwirkenden Neuberechnungen aufgrund von aktuelleren Steuerverfügungen mehr statt. Anfang September entschied der Bundesrat, direkt und indirekt von Corona betroffene Selbständigerwerbende erneut für Erwerbsersatzleistungen zuzulassen, obwohl deren Zugang erst Mitte Mai ausgelaufen war, da viele Betriebe ihre Tätigkeit noch nicht wieder vollständig aufgenommen hätten. Er dehnte den Anspruch gar auf in eigener Firma angestellte Personen im Veranstaltungsbereich in Härtefallsituation aus. Mitte September und somit kurz vor dem kommunizierten Stichtag für Anmeldungen für Erwerbsausfall verlängerte der Bundesrat die Geltungsdauer der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erneut, jedoch nur für Personen in Quarantäne, für Eltern, deren Kinder nicht von Dritten betreut werden können, sowie für Selbständigerwerbende, deren Betriebe schliessen mussten oder deren Veranstaltungen verboten worden waren.

Zusätzlich nahm der Bundesrat auch in weiteren Sozialversicherungsbereichen Änderungen vor. Besonders relevant waren seine Massnahmen im BVG: Ende März veranlasste er, dass Arbeitgebende zur Bezahlung ihrer BVG-Beiträge auf ihre Arbeitgeberbeitragsreserven zurückgreifen dürfen. Für die Arbeitnehmenden hatte dies keine Auswirkungen, es entlastete jedoch die Arbeitgebenden. Die grosse Anpassung folgte sodann im Juli 2020, als der Bundesrat ein dringliches Geschäft (BRG 20.056) einreichte, mit dem die Auffangeinrichtung BVG ihre Gelder zinsfrei bei der Bundestresorie anlegen können sollte. Damit sollte verhindert werden, dass sich die Situation der Auffangeinrichtung aufgrund der Negativzinsen weiter verschlechterte.
Ende April entschied der Bundesrat zudem, zeitlich begrenzt auf die Erhebung von Verzugszinsen auf Beitragszahlungen von verschiedenen Sozialversicherungen (AHV/IV/EO/ALV) zu verzichten und somit Unternehmen und Selbständige zu entlasten. Diese Regelung sollte rückwirkend ab dem 21. März und bis zum 30. Juni 2020 gelten.
Bezüglich des KVG entschied sich die Regierung Mitte Juni schliesslich, die Kosten der Coronatests zu übernehmen. Um bei einer Zunahme der Fallzahlen schnell reagieren zu können, sei ein «engmaschiges Monitoring» nötig. Um zu verhindern, dass Personen, bei denen die Kosten über die OKP abgerechnet werden und die ihre Franchise noch nicht ausgeschöpft hatten oder den Selbstbehalt fürchteten, auf einen Test verzichteten, sollte der Bund für die Kosten aufkommen. Einige Kantone hatten die entsprechenden Kosten bereits zuvor übernommen.

Corona-Massnahmen in den Sozialversicherungen: Kurzarbeit und Erwerbsersatz
Dossier: Hauptmassnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen