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Mit einer Motion wollte die FDP-Fraktion die irreguläre Sekundärmigration stoppen und deren Ursachen bekämpfen. Sie bemängelte, dass die Dublin-Rückführung von Asylsuchenden, die sich zuvor bereits länger in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hatten, zurzeit nicht richtig funktioniere. Dabei verwies die Fraktion auf die Situation in Italien, aber auch auf zunehmend erschwerte Rückführungsbedingungen in andere Länder. Mit folgenden sechs Aufträgen wollte die Urheberin den Bundesrat zur Verbesserung der Situation anhalten: Erstens verlangte die FDP-Fraktion eine Änderung des Asylgesetzes, damit der Bund auf Asylgesuche von Personen, die sich zuvor in einem sicheren Drittland aufgehalten hatten, konsequent nicht mehr eintritt. Zweitens forderte sie eine Beschleunigung des Wegweisungsverfahrens, drittens eine Evaluation der Aktionspläne mit Deutschland und Österreich zur Bekämpfung der irregulären Sekundärmigration, viertens den Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit weiteren Drittstaaten, fünftens Anpassungen der Liste der sicheren Drittstaaten, in die eine Rückführung zulässig ist, sowie sechstens verstärkte Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Schlepperkriminalität. In seiner Stellungnahme hob der Bundesrat die laufenden Bemühungen hervor und zeigte sich bereit, die Forderungen zwei bis sechs auch in diesem Sinne anzunehmen. Die vorgeschlagene Änderung des Asylgesetzes beantragte er jedoch zur Ablehnung, da es eine solche verunmöglichen würde, in spezifischen Fällen – etwa bei humanitären Einzelfällen – das Asylgesuch zu prüfen, obwohl ein anderer Staat dafür zuständig wäre. Eine solche Formulierung würde der Dublin-III-Verordnung und dem Non-Refoulement-Prinzip – und somit zwingendem Völkerrecht – widersprechen, so der Bundesrat. Der Nationalrat, der die Motion im Rahmen der in der Herbstsession 2023 stattfindenden ausserordentlichen Session «Zuwanderung und Asyl» beriet, folgte indes einem Antrag Dettling (svp, SZ) und nahm die Motion in ihrer ursprünglichen Fassung, also inklusive der ersten Forderung, an. Erfolglos blieb ein Antrag von Céline Widmer (sp, ZH), die neben der ersten auch die zweite, vierte und fünfte Forderung der Motion ablehnen wollte. Für die vollständige Annahme der Motion sprachen sich die Fraktionen der SVP, der FDP und der Mitte aus, die beiden letzteren mit vereinzelten Ausnahmen.

Irreguläre Sekundärmigration stoppen und Ursachen bekämpfen (Mo. 23.3533)

Der Ständerat lehnte die Motion Streiff-Feller (evp, BE), die unter bestimmten Bedingungen eine einmalige Möglichkeit zur aufenthaltsrechtlichen Regularisierung für Personen aus dem altrechtlichen Verfahren forderte und die vom Nationalrat zuvor angenommen worden war, in der Herbstsession 2023 ab. Die kleine Kammer folgte dabei der Empfehlung der Mehrheit ihrer SPK, die rechtsstaatliche Bedenken äusserte und das Rechtsgleichheitsgebot verletzt sah, wenn einer bestimmten Personengruppe pauschal eine Aufenthaltsberechtigung erteilt würde. Zudem seien Ausnahmen von der bestehenden Regel wegen persönlicher Härtefälle bereits möglich. Eine linke Kommissionsminderheit hatte sich vergeblich für Annahme eingesetzt, wobei sie auf Kosteneinsparungen bei den Kantonen sowie auf Vorteile für die Integration der betroffenen Personen verwies.

Ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren (Mo. 21.3187)

A l'occasion des 175 ans de la première Constitution fédérale, diverses propositions fleurissent afin de réfléchir à l'organisation des droits politiques et au fonctionnement de notre démocratie. Toutes ne rencontrent pourtant pas du succès, à l'image d'une motion déposée par Natalie Imboden (vert-e-s, BE) et refusée par le Conseil national par 121 voix contre 67 (pas d'abstention). L'élue écologiste prônait la création d'un Conseil de l'avenir, dont le rôle aurait été de « réfléchir aux modalités d'une révision de la Constitution actuelle et d'élaborer un projet de Constitution du futur et durable ». Jugeant suffisantes les possibilités actuelles de modifier ou réviser la Constitution, le Conseil fédéral n'a pas soutenu l'objet.

175e anniversaire de la Constitution fédérale. Créer un conseil de l'avenir pour une constitution du futur durable (Mo. 22.3919)
Dossier: 175 Jahre Bundesverfassung

SVP-Nationalrat Michaël Buffat (svp, VD) verlangte in einer im März 2021 eingereichten Motion «keine Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs über Umwege». Mit seinem Vorstoss wollte er den Bundesrat damit beauftragen, der UNO mitzuteilen, dass die Schweiz jegliche Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs auf klimatisch bedingte Fluchtgründe ablehne. Im Asylgesetz werden Flüchtlinge als Personen definiert, die aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Nationalrat Buffat erklärte, dass diese Nachteile «an die Person an sich gebunden» seien, womit eine Anerkennung klimatisch bedingter Fluchtgründe nicht mit dem Flüchtlingsstatus in bestehenden völkerrechtlichen Verträgen und der Schweizer Rechtsprechung vereinbar sei.
Der Bundesrat hielt in seiner Stellungnahme fest, dass er die Schaffung eines Asylstatus für sogenannte «Klimamigranten» oder eine Ausweitung der Genfer Flüchtlingskonvention inklusive Änderung des Schweizer Asylrechts nicht befürworte. Diese Haltung vertrete der Bundesrat auch auf internationaler Ebene. Da eine derartige Anpassung der Flüchtlingskonvention aber nicht abzusehen sei, müsse man sich auch nicht proaktiv dazu positionieren. Die Schweiz setze sich im Rahmen verschiedener Initiativen für eine Verbesserung des Schutzes von Personen ein, die aufgrund von Naturkatastrophen oder den Folgen des Klimawandels ihre Heimatregion oder gar ihr Heimatland verlassen müssen. Auch im Präventionsbereich der Katastrophenverhinderung sei man aktiv, erklärte der Bundesrat. Aufgrund der fehlenden Dringlichkeit beantragte er die Ablehnung der Motion.

In der Frühjahrssession 2023 wies Motionär Buffat den Nationalrat darauf hin, dass der UNO-Migrationspakt den Klimawandel mehrfach als Migrationsgrund bezeichne. Daraus schloss er, dass ein politischer Wille bestehen müsse, den Inhalt des Flüchtlingsbegriffs auszuweiten. Er warnte, dass die Schweiz ihre humanitäre Tradition nur erhalten könne, wenn diese einigermassen realistisch bleibe. Die Schweiz müsse diese grundlegende Veränderung des Flüchtlingsbegriffs verhindern, weil, wie er befürchtete, der Klimawandel in Afrika – wo die Bevölkerung schnell wachse und der Trend zur Migration nach Europa stark sei – als Argument zur Rechtfertigung für Asylanträge verwendet werden könnte. Bundesrätin Baume-Schneider erklärte der grossen Kammer, dass die Schweiz über die rechtlichen Grundlagen verfüge, um den Schutz von Personen, deren Rückkehr nicht zumutbar sei, gewährleisten zu können. Da eine Revision der Flüchtlingsdefinition auf internationaler Ebene derzeit nicht aktuell sei, sehe der Bundesrat keinen Grund, die zuständigen UNO-Gremien über die Schweizer Position zu informieren. Die Regierung lehne die Motion daher ab. Auch die Mehrheit des Nationalrats sah keinen Handlungsbedarf und lehnte den Vorstoss mit 109 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gegen den Willen der SVP- und FDP-Fraktionen ab.

Keine Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs über Umwege

Marianne Streiff-Feller (evp, BE) verlangte mit einer Motion, die nach Ausscheiden der EVP-Nationalrätin aus dem Rat von ihrem Parteikollegen Niklaus-Samuel Gugger (evp, ZH) übernommen worden war, eine einmalige Änderung des Aufenthaltsrechts für Personen aus dem altrechtlichen Asylverfahren nach objektiven und nachvollziehbaren Kriterien. Die Motionärin argumentierte, dass Personen, die einen negativen Asylentscheid erhalten haben, oftmals nur erschwert oder gar nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren könnten. Zudem hätten die langen Bearbeitungszeiten im altrechtlichen Verfahren dazu geführt, dass sich besagte Personen bei Erhalt des abschlägigen Asylentscheids oftmals bereits in der Schweiz integriert hätten. Trotzdem könnten sie mit diesem Entscheid keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und müssten folglich von der Nothilfe leben. Diesen Personen solle nun eine einmalige Regularisierungsmöglichkeit geboten werden, falls sie den Willen zur Integration zeigen würden, nicht straffällig geworden seien und auch eine Landessprache auf Niveau A2 beherrschten. Durch diese Massnahme könnten betroffene Personen Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt erlangen, was insbesondere angesichts des Fachkräftemangels grosse Vorteile mit sich ziehe, so die Motionärin.
Der Bundesrat entgegnete, dass die Rückkehr in ihr Herkunftsland für Nothilfebeziehende grundsätzlich möglich und zumutbar sei. Des Weiteren bestehe bereits die Möglichkeit für Ausnahmen in persönlichen Härtefällen. Eine Regularisierung würde in diesem Fall jedoch eine Belohnung für Individuen darstellen, welche unter anderem trotz negativem Asylentscheid im Land verbleiben würden oder die Mitwirkungspflicht verletzt hätten. Solche Missbräuche sollten nicht geschützt werden und würden ein falsches Signal senden, schloss der Bundesrat seine ablehnende Stellungnahme.
In der Frühjahrssession 2023 nahm der Nationalrat die Motion mit 100 zu 81 Stimmen (5 Enthaltungen) an. Der Vorstoss konnte auf die Unterstützung der geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen zählen, wobei sich auch etwas mehr als die Hälfte der Mitglieder der Mitte-Fraktion für den Vorstoss aussprach. Zusätzlich pflichteten einige Mitglieder der FDP-Fraktion und mit EDU-Nationalrat Andreas Gafner (BE) auch ein Mitglied der SVP-Fraktion der Motion bei.

Ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren (Mo. 21.3187)

Wie bereits ihre Schwesterkommission zuvor, empfahl auch die SPK-NR ihrem Rat, einer Standesinitiative des Kantons Genf zum Stopp der Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, die gegen Menschenrechte verstossen mit 15 zu 7 Stimmen (bei 1 Enthaltung) keine Folge zu geben, wobei sich eine Kommissionsminderheit Klopfenstein Broggini (gp, GE) insbesondere in Anbetracht der momentanen Situation in Äthiopien für die Vorlage aussprach. Die Kommissionsmehrheit sah die momentane Wegweisungspraxis der Schweiz als angemessen an und betonte, dass weiterhin die Prüfung jedes Einzelfalls als Grundlage für den Asylentscheid diene. In der Frühjahrssession 2023 folgte der Nationalrat dem Antrag seiner SPK und beschloss mit 117 zu 70 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), der Standesinitiative keine Folge zu geben. Unterstützung erfuhr die Standesinitiative durch die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der Grünen sowie durch einige Mitglieder der Mitte-Fraktion.

Nein zu Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füssen getreten werden (Kt.Iv. 21.309)

Nachdem die SPK-SR der parlamentarischen Initiative der GP-Fraktion für die Einführung einer abstrakten Normenkontrolle von Notverordnungen keine Folge hatte geben wollen, schwenkte auch die SPK-NR um. Letztere hatte sich Ende Mai 2021 noch knapp für Folgegeben entschieden, lehnte die Idee im Januar 2023 jedoch mit 21 zu 3 Stimmen deutlich ab. In der Zwischenzeit hatte sich einiges getan: So war der Vorschlag einer juristischen Überprüfung von bundesrätlichen Notverordnung im Rahmen der Beratungen der Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisen sowohl vom Nationalrat als auch vom Ständerat deutlich abgelehnt worden. Dies war laut Kommissionsbericht denn auch der Grund für die Positionsänderungen innerhalb der SPK-NR.
In der Nationalratsdebatte in der Frühjahrssession 2023 versuchte Balthasar Glättli (gp, ZH) im Namen seiner Fraktion, dem Rat die parlamentarische Initiative doch noch schmackhaft zu machen: Sowohl der Bundesrat als auch das Parlament könnten – das habe die Covid-19-Krise gezeigt – Notverordnungen beschliessen, die sehr weitreichend in Grundrechte eingreifen würden. Da gegen solche Beschlüsse kein Referendum ergriffen werden könne, brauche es die dritte Gewalt und die Möglichkeit für Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, Notverordnungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Glättlis Aufruf zu «helfen, die Demokratie auch notstandsfest zu machen», verhallte aber praktisch ungehört. Die 31 Parlamentsmitglieder, die der Initiative hätten Folge geben wollen, stammten allesamt aus der geschlossen stimmenden Grünen-Fraktion – einzig unterstützt von Benjamin Fischer (svp, ZH) – und standen einer Mehrheit von 163 ablehnenden Parlamentsmitgliedern gegenüber.

Abstrakte Normenkontrolle von Notverordnungen (Pa.Iv. 20.430)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2022 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dem Titel «Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur» von Vertreterinnen und Vertretern der Grünen-, der GLP-, der FDP.Liberalen-, der SP- sowie der Mitte-Fraktion. Marionna Schlatter (gp, ZH) und Jon Pult (sp, GR) erläuterten den Initiativtext und setzten sich dafür ein, dass in der Bundesverfassung ein Grundrecht auf eine gesunde Umwelt festgeschrieben wird. Zudem solle in der BV auch eine Grundlage dafür geschaffen werde, dass die Natur zumindest teilweise eine Rechtspersönlichkeit erhält. Nur dadurch könne der ungenügende Schutz der Natur justiziabel gemacht werden. Anschliessend empfahl Yves Nidegger (svp, GE) im Namen der Mehrheit der RK-NR, den fünf Initiativen keine Folge zu geben. Zum einen sei die Bestimmung des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu unbestimmt, um dieses zu einem Verfassungsrecht zu erklären. Zum anderen sei die Forderung, die Natur zum Rechtssubjekt zu machen, in der Schweizer Rechtsordnung nicht vorgesehen, denn einem Rechtssubjekt stünden gemäss der hiesigen Rechtsordnung nicht nur Rechte zu, sondern oblägen auch gewisse Pflichten, die man der Natur nicht auferlegen könne. In der Abstimmung sprachen sich 87 Mitglieder des Nationalrates für Folgegeben aus, 101 votierten dagegen und 1 Person enthielt sich der Stimme. Gegen Folgegeben stimmten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie die fast geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte. Die fünf parlamentarischen Initiativen sind damit erledigt.

Fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen mit dem Titel "Recht auf gesunde Umwelt und Rechte der Natur"

Die überwiesene Motion Abate (fdp, TI) zur finanziellen Unterstützung von Kantonen mit Ausreisezentren an der Grenze wurde vom Parlament während den Beratungen zu einer entsprechende Änderung des AIG in der Wintersession 2022 als erfüllt abgeschrieben.

Aide financière aux cantons qui gèrent des centres de départ à la frontière suisse

Auf Antrag seiner staatspolitischen Kommission entschied der Ständerat stillschweigend, einer Standesinitiative des Kantons Genf zum Stopp der Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, die gegen Menschenrechte verstossen, keine Folge zu geben. Unter anderem argumentierte die SPK-SR, dass das Ziel des Vorstosses in der schweizerischen Asylpolitik bereits zur Genüge durchgesetzt werde. Somit wird als nächstes die SPK-NR über den Vorstoss beraten.

Nein zu Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füssen getreten werden (Kt.Iv. 21.309)

Ayant pour objectif de modifier le préambule de la Constitution fédérale, l'initiative parlementaire de Fabian Molina (ps, ZH) n'a pas été couronnée de succès lors de son passage devant le Conseil national. Par 113 voix contre 59, la chambre basse n'a pas souhaité donné suite à l'objet. 18 parlementaires se sont abstenu.e.s, dont 14 provenaient du camp socialiste, indiquant que la proposition du député Molina n'a pas fait l'unanimité au sein même de son parti. Les partis bourgeois l'ont en revanche rejetée en bloc.
Au nom d'une minorité de la commission des institutions politiques (CIP-CN), Céline Widmer (ps, ZH) a émis le souhait de discuter à nouveau de la formulation du préambule, plus de 20 ans après l'entrée en vigueur de la Constitution de 1999. Entre-temps, de nombreux cantons ont retiré la mention à Dieu de leur constitution, ce qui, selon la zurichoise, démontre que d'autres formulations sont possibles pour exprimer les notions de modestie et d'humilité que le préambule a pour vocation de transmettre. L'argument inverse a été brandi par Michaël Buffat (udc, VD), qui a souligné que de nombreux cantons ainsi que d'autres États font également mention d'une entité supérieure dans leur constitution. Au nom de la majorité de la commission, le député agrarien a mentionné les origines historiques du préambule, dont le but était notamment de rappeler qu'aucun roi ni parti ne détient le pouvoir suprême en Suisse. Selon lui, l'argument de la laïcité ne doit pas suffire pour effacer des symboles de l'histoire suisse, sans quoi on pourrait à l'avenir proposer de «supprimer la croix des armoiries fédérales». Des arguments suivis donc par une majorité des membres de la chambre du peuple.

La laïcité doit être inscrite dans la Constitution (Iv.pa. 21.419)

Im Juni 2022 publizierte gfs.bern die VOX-Nachabstimmungsanalyse zur Abstimmung vom 15. Mai 2022 über das Frontex-Referendum und verwies darin auf die sehr niedrige Stimmbeteiligung von nur 40 Prozent. Als Gründe für das geringe Interesse am Frontex-Referendum, dem Transplantations- und dem Filmgesetz nannten die Autorinnen und Autoren den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, die teilweise geringe persönliche Betroffenheit der Abstimmungsvorlagen und den Umstand, dass das politische Interesse gewisser Teile der Bevölkerung nach der Aufhebung der Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie nachgelassen habe. Insbesondere der Krieg in der Ukraine habe aber für die Annahme des Frontex-Ausbaus eine entscheidende Rolle gespielt. So sei die Vorlage durch den Krieg in der Wahrnehmung der Stimmbevölkerung von einer «europapolitischen» zu einer «sicherheitspolitischen» Grundsatzfrage geworden. Der Hauptgrund der Ja-Stimmenden für ihren Stimmentscheid sei deshalb die Stärkung der Grenzen gewesen, stellten die Autorinnen und Autoren der Studie fest. Danach folgten mit einigem Abstand die Einhaltung des Schengen-Abkommens und die Verhinderung von Menschenrechtsverstössen durch eine Teilnahme an Frontex im Sinne von «Verhinderung durch Mitsprache». Eine Verringerung der Zahl der Menschenrechtsverstösse stellte auch das mit grossem Abstand am häufigsten genannte Argument der Gegnerinnen und Gegner des Frontex-Ausbaus dar – sie erhofften sich umgekehrt wohl eher, mit einer Ablehnung ein europaweites Zeichen gegen die Menschenrechtsverstösse setzen zu können. Weitere Argumente stellten eine generelle Kritik an der Arbeit der Frontex-Agentur und an den Skandalen ihrer Mitarbeitenden dar.
Auffällig war laut Studie, dass keines der Pro-Argumente – obwohl sie alle mehrheitsfähig gewesen seien – für sich betrachtet eine vergleichbar hohe Unterstützung erhielt wie die Vorlage als Ganzes. Überdies gelangten die Autorinnen und Autoren zur Erkenntnis, dass die Frontex-Vorlage insgesamt als komplex eingeschätzt worden sei. So gaben rund ein Drittel der Befragten an, dass sie Verständnisschwierigkeiten beim Inhalt gehabt hätten.
Zum deutlichen Ja trug gemäss der Nachbefragung bei, dass die politische Allianz der Befürwortenden – von der GLP und der Mitte über die FDP bis zur SVP – geschlossen aufgetreten sei, während sich aufseiten der Gegnerschaft – vor allem innerhalb der SP – Unstimmigkeiten gezeigt hätten. Stimmende, die sich im politischen Spektrum ganz links positionieren, und solche, die den Institutionen der europäischen Sicherheitspolitik misstrauen, seien mehrheitlich gegen die Vorlage gewesen (23% Ja-Anteil), «gemässigte Linke» hätten aber eher für Annahme gestimmt (63% Ja-Anteil), so das Fazit der Analyse. Dies führte dazu, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Anhängerschaft von SP und Grünen den Nein-Parolen ihrer Parteien folgte. Die Studie zeigte auch, dass Personen, die den Schweizer Institutionen vertrauen, eher mit Ja stimmten, während das Vertrauen in die EU keine entscheidende Rolle für den Abstimmungsentscheid spielte. Ältere Personen stimmten zudem eher für den Ausbau der EU-Grenzschutzagentur als jüngere, wobei nur eine Altersgruppe (30-39 Jährige) die Vorlage mehrheitlich ablehnte.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Mitte Mai 2022 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung in der Volksabstimmung zum Frontex-Referendum die Beteiligung der Schweiz am Ausbau der EU-Agentur an. Mit einem Ja-Anteil von 71.5 Prozent und Ja-Mehrheiten in allen 26 Kantonen fiel das Resultat – bei einer tiefen Stimmbeteiligung von knapp 40 Prozent – sehr deutlich aus. Das klare Ergebnis hatte sich – wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit – schon im Vorfeld des Abstimmungssonntags abgezeichnet. Meinungsumfragen von Tamedia und der SRG ergaben Anfang Mai einen Zustimmungswert von 64 Prozent (Tamedia) beziehungsweise 69 Prozent (SRG) für die Frontex-Vorlage, die laut Umfrageinstituten thematisch wenig persönliche Betroffenheit bei den Stimmenden auslöste. Selbst unter Sympathisantinnen und Sympathisanten der SP fand sich – trotz der Nein-Parole der Partei – eine Mehrheit für Annahme der Vorlage und auch bei Personen, die mit den Grünen sympathisierten, wollte eine Mehrheit mit Ja abstimmen. Der Tages-Anzeiger kritisierte nach der Abstimmung die Parteileitungen der SP und der Grünen für ihre unklare Kommunikation. Denn eigentlich seien sie ja nicht gegen die Kooperation mit der EU an und für sich gewesen. Statt mit einer Nein-Parole zu versuchen, die parteiinternen Flügel zu befrieden, hätten sich die beiden Parteien für ein differenziertes Ja mit Kompensationsmassnahmen bei der Flüchtlingsaufnahme einsetzen sollen, so die Empfehlung der Zeitung.
Trotz der hohen Zustimmungsrate wurde das Resultat in den Medien vielfach mit einem kritischen Unterton versehen. So meinte Marie Juillard im Namen der siegreichen Operation Libero gegenüber Le Temps, dass es nach dem Ja nichts zu feiern gebe, denn schliesslich würden Menschen an den Schengengrenzen umkommen. Trotzdem zeigte man sich bei der Operation Libero mit dem Resultat zufrieden, welches die Unterstützung der Schweiz für die Kooperation mit Europa zeige. FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG) freute sich derweil über ein klares Ja zur Sicherheit der Schweiz in Zeiten des Ukraine-Kriegs. Ein Nein hätte der Europapolitik der Schweiz geschadet, resümierte Burkart. Sein Parteikollege Damien Cottier (fdp, NE) räumte hingegen ein, dass die Abwägung zwischen Sicherheit und Menschenrechten schwierig gewesen sei. Er drückte jedoch seine Hoffnung aus, dass die Schweiz ihre humanitären Werte den anderen europäischen Staaten vermitteln könne. François Pointet (glp, VD), Mitglied des Vorstands der Grünliberalen Schweiz, verstand das Abstimmungsresultat eher als Zeichen für den Bundesrat, die Blockade in den Beziehungen mit der EU aufzuheben und diese zu intensivieren. Ins gleiche Horn bliesen EU-Botschafter Petros Mavromichalis und der Europaabgeordnete Andreas Schwab, die das Ja als Vertrauensvotum für den Schengenraum und für den Mehrwert der Kooperation mit der EU auffassten. Für Bundesrat Maurer war indes klar, dass das Ja der Stimmbevölkerung ein Ja zur Sicherheit gewesen sei. Das Land werde Frontex stärker unterstützen und sich für die Grundrechte einsetzen, zitierte ihn La Liberté.
Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage, darunter die Schweizer Flüchtlingshilfe, die Grünen und die SP, forderten im Nachgang der Abstimmung, dass sich die Schweiz für mehr Transparenz und demokratische Kontrolle einsetzen müsse. Sibel Arslan (basta, BS) bemängelte, dass die Schweiz seit zehn Jahren im Frontex-Verwaltungsrat sitze, ohne sich für diese Anliegen einzusetzen. Ada Marra (sp, VD) kündigte an, dass auch die SP mehr Transparenz vom Bundesrat in Sachen Frontex verlangen werde. Die grüne Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) störte sich gegenüber 24heures hingegen daran, dass der Bundesrat die Abstimmung auf die Schengen-Frage reduziert habe, obwohl die Gegnerschaft der Vorlage nie aus dem Schengen-Abkommen habe aussteigen wollen. Sie monierte, dass die Auswirkungen eines Neins von den Befürwortenden der Vorlage übertrieben dargestellt worden seien. Auch La Liberté kritisierte den Bundesrat für dessen Rolle im Abstimmungskampf: Medienanfragen seien oft negativ beantwortet worden und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit habe sogar einen bereits genehmigten Artikel von Le Temps zensieren lassen.
Amnesty International verlangte vom Bundesrat, sich gegenüber Frontex für die Sicherheit von Geflüchteten einzusetzen, illegale Abschiebungen zu verurteilen und Mechanismen einzuführen, um Frontex zur Rechenschaft ziehen zu können, berichtete Le Temps. Daniel Graf, der das Referendum durch seine Stiftung für direkte Demokratie unterstützt und bei der Unterschriftensammlung mit seinem Netzwerk «wecollect» mitgewirkt hatte, sprach gegenüber dem Blick trotz der Niederlage von einem Erfolg. Die Schweizerinnen und Schweizer hätten als einzige Bevölkerung Europas zum Ausbau der Frontex-Agentur Stellung nehmen können.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Beteiligung: 39.98%
Ja: 1'523'005 (71.5%), (Stände 23)
Nein: 607'673 (28.5%), (Stände 0)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, Lega, Mitte, SVP (1*), Economiesuisse, Konferenz der Kantonsregierungen, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Schweizerischer Gewerbeverband, TravailSuisse, Operation Libero, Europäische Bewegung Schweiz, IG Agrarstandort Schweiz, Interpharma, Swissmem, Gastrosuisse, Schweizer Tourismus-Verband, Allianz Sicherheit Schweiz
- Nein: SP (4*), GPS, EDU (2*), GPS, PdA, SD, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, VPOD, Migrant Solidarity Network, Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, Flüchtlingsparlament Schweiz, Caritas, SolidaritéS, BastA!, Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz, Klimastreik Schweiz, Piratenpartei Ensemble à Gauche
- Stimmfreigabe: Schweizerische Flüchtlingshilfe, verschiedene SP-Kantonalparteien (AI, AR, GL, JU, SZ)
* Anzahl abweichende Kantonalsektionen in Klammern

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen den Ausbau des Schweizer Beitrags an die EU-Grenzschutzagentur Frontex wurde in der Westschweizer Öffentlichkeit schon im Januar 2022 lanciert, noch bevor das Referendum zustande gekommen war. In einem Meinungsbeitrag in Le Temps beschrieben Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) und eine Flüchtlingshelferin die Zustände auf dem Mittelmeer und in Libyen und wiesen vor allem auf die Menschenrechtsverletzungen durch Frontex hin. Wenige Tage darauf meldete sich FDP-Ständerat Damian Müller (fdp, LU) im gleichen Medium zu Wort und kritisierte seine Ratskollegin dafür, in ihrem Beitrag keine Alternativen anzubieten und stattdessen Frontex kategorisch abzulehnen. Er argumentierte überdies, dass fehlende Mittel für Frontex dazu führen könnten, dass es in Europa und der Schweiz zu einer Explosion «irregulärer Überfahrten» von Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten kommen würde. Der Frontex-Beitrag sei essentiell, um ein Mindestmass an Kontrolle der Migrationsströme sicherzustellen. Zudem brauche man darüber hinaus eine verstärkte Entwicklungshilfe in den Ursprungsländern der Flüchtenden in Kombination mit besseren Grenzkontrollen durch die Nachbarländer Libyens.

Die deutschsprachigen Medien griffen das Thema erst im Februar grossflächig auf, nachdem das Referendumskomitee am 20. Januar knapp 58'360 Unterschriften – davon 54'377 gültige – eingereicht hatte. Diskutiert wurde in den Medien insbesondere über mögliche interne Konflikte innerhalb der SP und der SVP. Bei der SP orteten die Medien einen Widerspruch zwischen der Ablehnung von Frontex und dem Wunsch nach Beibehaltung des Schengen-Abkommens, bei der SVP hingegen zwischen dem parteilichen Ziel einer restriktiven Migrationspolitik, und somit der Unterstützung von Frontex, bei gleichzeitiger Ablehnung aller Arten von EU-Verträgen. Der Blick sah die «Linke» gar in der «EU-Falle» sitzen, da die Schweiz bei einem Nein nicht nur aus dem Schengen-Dublin-System ausgeschlossen würde, sondern sich in diesem Fall auch die bilateralen Beziehungen mit der EU dramatisch verschlechtern würden. Dabei waren die Auswirkungen einer Ablehnung auf den Verbleib im Schengen-Raum jedoch umstritten. Gemäss EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter würde durch ein Nein zum Frontex-Ausbau ein Beendigungsverfahren für das Schengen-Abkommen ausgelöst, welches bei einer fehlenden Einigung nach sechs Monaten den Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin zur Folge hätte. Dieser Einschätzung widersprach jedoch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer in der NZZ. Demnach könne der Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin nicht gemäss der Guillotineklausel von 2004 vonstatten gehen, da die Schweiz seither rund 370 Rechtsakte der EU übernommen habe. Dies würde folglich einen umfassenden Austrittsvertrag nach dem Vorbild des Brexit-Vertrags vonnöten machen. Dieser Meinung schloss sich die SP (sowie auch die Grünen) an. Ergänzend präsentierte etwa SP-Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) einen Plan B in Form einer parlamentarischen Initiative, falls die Schweizer Stimmbevölkerung den Frontex-Ausbau tatsächlich ablehnen sollte. Darin schlug er vor, das Schweizer Kontingent der von der UNO anerkannten Flüchtlinge innerhalb der 90 Tage bis zum Schengen-Ausschluss auf 4'000 zu erhöhen, sozusagen als humanitäre flankierende Massnahme zum Frontex-Ausbau. Da die SP die Unterstützung an den Frontex-Ausbau an diese Bedingung gekoppelt hatte, könnte die Schweiz nach der Aushandlung dieser Erhöhung den Frontex-Beitrag dann trotzdem freigeben.
Die Nein-Parole beschloss die SP an ihrem Parteitag mit grosser Mehrheit, wenngleich einzelne Parteiexponentinnen und -exponenten wie Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) sich nur halbherzig anschliessen mochten. In den Befragungen im Vorfeld der Abstimmung zeichnete sich jedoch eine SP-interne Spaltung ab: Die Sympathisierenden der SP wollten der Vorlage gemäss einer Ende April durchgeführten Tamedia-Vorumfrage entgegen dem Kurs des Parteipräsidiums und des Parteitags mit fast 53 Prozent zustimmen. Ähnliches spielte sich bei den Grünen ab, bei denen 48 Prozent der Sympathisierenden trotz Nein-Parole der Partei eine Ja-Stimme in Aussicht stellten, wogegen 44 Prozent der Parteileitung zu folgen gedachten. Auch bei den traditionell SP-nahen Organisationen zeigten sich die Auswirkungen dieses inhaltlichen Dilemmas, wie CH Media berichtete. Obwohl das Sekretariat des Gewerkschaftsbundes seinem Vorstand und den Mitgliedern in einem internen Papier Stimmfreigabe vorgeschlagen hatte, da «ein Interessenkonflikt zwischen einer menschenwürdigen europäischen Flüchtlingspolitik und der Personenfreizügigkeit im Rahmen von Schengen» vorliege, beschloss der SGB-Vorstand die Nein-Parole. Hingegen entschied sich der Gewerkschaftsbund gemäss Mediensprecher Gaillard jedoch dagegen, den Abstimmungskampf des Referendumskomitees mitzufinanzieren. Auch andere NGOs wie die SFH, die traditionell die Anliegen der SP unterstützten, taten sich mit der Parolenfassung schwer. SFH-Direktorin Miriam Behrens befürchtete, dass die Schweiz bei einem Nein nicht mehr an der Verbesserung der europäischen Migrationspolitik mitwirken könnte. Andererseits könnte der Ausbau der EU-Agentur die Kontrolle der Mitgliedstaaten erschweren, in deren Kompetenzbereich die meisten Verstösse fielen. Amnesty International verzichtete darauf, sich am Abstimmungskampf zu beteiligen, da die im Referendum betroffenen Bestimmungen nicht die konkreten Bedingungen von Schutzsuchenden oder die Verteidigung der Menschenrechte beträfen.

Am anderen Ende des politischen Spektrums hatte die SVP ebenfalls mit der Beschlussfassung zu kämpfen. Obwohl die Vorlage zum Ausbau des Schweizer Beitrags an Frontex aus dem Departement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer stammte, lehnten sie mehrere einflussreiche SVP-Mitglieder von Anfang an ab, darunter Esther Friedli (svp, SG), Lukas Reimann (svp, SG), Marcel Dettling (svp, SZ)) und Marco Chiesa (svp, TI), oder wechselten nach der parlamentarischen Phase aus dem Ja- ins Nein-Lager (Céline Amaudruz (svp, GE) und Roger Köppel (svp, ZH)). Die Südostschweiz berichtete, dass sich die Parteibasis eine Nein-Parole wünsche, was eine unheilige Allianz mit der SP und den Grünen bedeuten würde. Die Vertreterinnen und Vertreter des Nein-Lagers innerhalb der SVP wollten die Gelder lieber an der eigenen Grenze investieren, als diese der Frontex, deren Nutzlosigkeit sich gezeigt habe, zur Verfügung zu stellen. Die Befürworterinnen und Befürworter setzten sich hingegen für mehr Grenzschutz an den EU-Aussengrenzen und weniger «illegale Migration» ein. Es lag daher an der neunköpfigen Parteileitung, eine Empfehlung auszuarbeiten, deren Mitglieder hatten in der Schlussabstimmung im Parlament aber unterschiedliche Positionen vertreten. Die Partei beschloss schliesslich Anfang April 2022 die Ja-Parole und folgte damit nicht zuletzt der Empfehlung ihres verantwortlichen Bundesrats Ueli Maurer.
Bei der Parolenfassung weniger schwer taten sich die Mitte und die FDP, deren Delegiertenversammlungen im Januar (Mitte) und Februar (FDP) klare Ja-Parolen ausgaben.

Mitte März trat erstmals das Referendumskomitee «No Frontex» an die Öffentlichkeit. Das Komitee lehnte nicht nur die Erhöhung des Beitrags, sondern die Grenzschutzagentur als Ganzes ab, weil diese «ohne jegliche demokratische Kontrolle der Mitgliedstaaten» agiere, berichtete die Tribune de Genève. Mitte April versuchten die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner mit Demonstrationen und anderen öffentlichen Anlässen, die Stimmbevölkerung für die Thematik zu sensibilisieren.

In der Folge äusserten sich aber auch zahlreiche Befürworterinnen und Befürworter öffentlich zu Wort. Während sich die Frontex-Gegnerinnen und -Gegner auf humanitäre Argumente stützten, wandten sich Wirtschaftsorganisationen mit ökonomischen Bedenken an die Öffentlichkeit. So gründete der Tourismussektor im April ein Ja-Komitee, da dieser bei einer Ablehnung der Vorlage den Ausschluss aus dem Schengen-Visa-Raum befürchtete. Dadurch bräuchten Touristen aus Fernmärkten ein separates Visum für einen Aufenthalt in der Schweiz, was die Attraktivität einer Schweiz-Reise drastisch senken würde, begründete STV-Direktor Philipp Niederberger die Ängste der Branche. Hotelleriesuisse rechnete mit Einbussen von bis zu CHF 188 Mio. pro Jahr und der Bundesrat erwartete jährliche Ausfälle von jährlich maximal CHF 500 Mio. Franken für den Schweizer Tourismus. Doch nicht nur wirtschaftliche Bedenken wurden vorgebracht, KKJPD-Präsident Fredy Fässler (sp, SG) warnte davor, bei einem Nein zum Frontex-Beitrag vom Sicherheitssystem der EU abgehängt zu werden, was für die Polizeiarbeit hochproblematisch wäre.

Ebenfalls im April, also knapp einen Monat vor der Abstimmung, wurde bekannt, dass OLAF – die Antibetrugsbehörde der EU – in einem geheimen Bericht mehrfache Verfehlungen durch Frontex-Verwaltungsräte festgestellt hatte. Die Frontex-Spitze um Direktor Fabrice Leggeri sei demnach in Mobbing und illegale Pushbacks – also in illegale Ausweisungen oder Rückschiebungen von Migrantinnen und Migranten unmittelbar vor oder nach dem Grenzübertritt, ohne dass diese die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen – verwickelt gewesen. Nach Veröffentlichung dieser Vorwürfe verweigerte der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments Frontex die Décharge. Auch der Vorsitzende des Frontex-Verwaltungsrats, Marko Gasperlin, gab in einem Blick-Interview zu Protokoll, dass in bestimmten Fällen «absolut falsch gehandelt» worden sei, auch wenn das Frontex-System im Grossen und Ganzen funktioniere. Zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin bat der umstrittene Frontex-Chef Fabrice Leggeri seinen Rücktritt an, der vom Verwaltungsrat gleichentags akzeptiert wurde. Leggeri wurde nicht nur für die zahlreichen nachgewiesenen Pushbacks verantwortlich gemacht, er wurde auch des Missmanagements und des Mobbings bezichtigt. Unklar war, wie sich diese Nachricht auf die Volksabstimmung auswirken würde. Einerseits bestätige der Rücktritt die Kritik an der Grenzagentur, andererseits sei er Zeugnis einer gewissen Reformbereitschaft, argumentierte der Tages-Anzeiger. Letzterer Interpretation schloss sich das EFD an. Eine Sprecherin erklärte, dass Frontex nun das angeschlagene Vertrauen zurückgewinnen könne und dass sich gezeigt habe, dass die Aufsichtsmechanismen funktionierten.

Eine Tamedia-Meinungsumfrage vom 4. Mai machte jeglichen Anflug von Spannung hinsichtlich des Ausgangs der Abstimmung zunichte, denn eine grosse Mehrheit der Befragten (64%) wollte ein Ja an der Urne einlegen. Auf eine deutliche Annahme der Vorlage am 15. Mai deuteten nicht nur die Meinungsumfragen, sondern auch die Auswertung der Zeitungs- und Inserateanalyse von Année Politique Suisse hin. Während das Ja-Lager in den untersuchten Printmedien rund 120 Inserate publizieren liess, fand quasi keine Gegenkampagne statt (ein einzelnes Kontra-Inserat während der ganzen Untersuchungsperiode). Die Pro-Inserate warnten vor allem davor, dass ein Nein die Sicherheit der Schweiz, die Reisefreiheit und die Schweizer Wirtschaft bedrohen würde. Einen direkten Zusammenhang zum oftmals genannten Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin machten nur 35 Prozent der Inserate, also deutlich weniger als drei Jahre zuvor beim Referendum zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

« Au nom de Dieu Tout-Puissant !
Le peuple et les cantons suisses,
conscients de leur responsabilité envers la Création [...] »

Ainsi commence la constitution fédérale de la Confédération suisse. Son préambule, qui date de la dernière révision totale du texte fondateur de l'État, en 1999, mentionne explicitement un «Dieu chrétien» ainsi que la «Création», selon le député Fabian Molina (ps, ZH). Considérant que ces références contreviennent à la neutralité de l'État en termes de confession, le socialiste propose de modifier ces trois lignes, en les remplaçant par «Le peuple et les cantons suisses, conscients de leur responsabilité envers l'environnement, [...]». Le zurichois invoque l'art. 15 Cst et l'art. 9 CEDH, qui garantissent la liberté de conscience et de croyance, pour mettre en avant l'ambivalence du préambule. De plus, il souligne que les relations entre l’Église et l’État relèvent de la compétence des cantons, en vertu de l'art. 72 Cst. Afin d'être compatible avec ces articles, il serait donc nécessaire d'introduire un préambule laïc. Cette requête avait déjà été formulée par la gauche lors de la révision totale de 1999, sans trouver cependant de majorité.
Un scénario similaire se dessine pour l'initiative parlementaire Molina. Elle n'a, en tout cas, pas trouvé grâce aux yeux de la commission des institutions politiques du Conseil national (CIP-CN). Par 14 voix contre 6 (2 abstentions), la commission a proposé de ne pas donner suite à l'objet, arguant que la formulation du préambule a déjà donné lieu à de vastes discussions lors de la révision de 1999. La formulation actuelle est donc le résultat d'un processus démocratique. En outre, la commission estime qu'une modification du préambule ne devrait pas intervenir dans le cadre d'une révision partielle de la constitution. Celui-ci n'a de toute façon pas force légale et donc aucune implication sur les droits et obligations des citoyennes et citoyens. Une minorité partage cependant l'avis du député Molina et estime qu'il y a d'autres moyens d'exprimer «l'humilité et la modestie» que le préambule a pour vocation de transmettre.
Dans la Sonntagszeitung, le journaliste Markus Somm a rappelé que la mention à «Dieu Tout-puissant», si elle peut paraître dépassée aujourd'hui, trouve ses racines dans la première constitution de 1848. Alors que les démocraties européennes étaient encore balbutiantes, la référence divine visait à établir le lien direct entre le peuple et les cantons suisses et le pouvoir, évitant de passer par un monarque qui hériterait son pouvoir de Dieu. L'objectif n'était donc pas de créer un état chrétien, mais bien d'affirmer le pouvoir du peuple et des cantons comme organes principaux de la Confédération, indique Somm. Conserver le préambule tel qu'il a été formulé à l'origine serait donc un moyen de souligner la souveraineté du peuple et des cantons. D'autres voix se sont cependant élevées dans la presse pour faire remarquer que le préambule ne collait plus avec l'air du temps: dans la Weltwoche, l'éditorialiste Urs Paul Engeler a plaidé en faveur de l'abandon des «fioritures» («Schwulst») de la préface, arguant qu'une formule telle que «le peuple et les cantons suisses se donnent la constitution suivante» suffirait.

La laïcité doit être inscrite dans la Constitution (Iv.pa. 21.419)

Un comité composé de neuf personnes a lancé une initiative demandant une révision totale de la Constitution. Il a jusqu'au 19 octobre 2023 pour rassembler les 100'000 signatures nécessaires afin que le projet aboutisse à une votation populaire. À la tête du comité se trouve l'argovien Pius Lischer, connu pour son combat en faveur du revenu de base inconditionnel (RBI). Le RBI est justement l'une des revendications des initiant.e.s, qui désirent l'inscrire dans la nouvelle Constitution. Parmi leurs autres propositions figure l'introduction d'une taxe sur les combustibles. Celle-ci devrait remplacer les impôts et cotisations obligatoires, qui seraient purement et simplement supprimés. Pour rappel, la Constitution actuelle date de 1999. La dernière révision totale a notamment permis d'instaurer un catalogue de droits fondamentaux complet, alors que ceux-ci étaient jusqu'alors garantis par le droit constitutionnel non-écrit, via la jurisprudence du Tribunal fédéral.

Initiative pour une révision totale de la Constitution

Mit 8 zu 0 Stimmen (4 Enthaltungen) beschloss die RK-SR im April 2022, einer Standesinitiative des Kantons Genf aus dem Jahre 2021, welche einen Stopp der Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, die gegen Menschenrechte verstossen, forderte, keine Folge zu geben. Die Standesinitiative positioniert sich insbesondere gegen Rückführungen von Asylsuchenden aus der Schweiz nach Äthiopien. Dies unter anderem, da internationale Organisationen die Lage in Äthiopien als sehr unsicher beurteilten, weshalb sie Zwangsausschaffungen in das Land verurteilten, so die Begründung zur Standesinitiative. Des Weiteren verstosse die Rückführung in Bürgerkriegsgebiete und in Staaten mit unklaren Rückführungsabkommen gegen die Grundsätze des Schweizer Asylgesetzes und solle daher verboten werden. Darüber hinaus forderte die Standesinitiative eine Überprüfung der Vereinbarung zwischen der Schweiz und Äthiopien, welche auf einem Kooperations- und Rückführungsabkommen der EU mit Äthiopien basiert.
Während die Rechtskommission des Ständerates die instabile politische Lage Äthiopiens anerkannte, erachtete sie die Standesinitiative als nicht genügend klar in ihrer Zielsetzung. So sei nicht ersichtlich, ob sich die Forderungen lediglich auf Rückführungen nach Äthiopien bezögen oder ob die Initiative alle Staaten, die Menschenrechte verletzen, miteinschliessen würden. Im Falle von Äthiopien empfand die Kommission keine Notwendigkeit, in die Gesetzgebung einzugreifen, da das SEM bestätigt habe, dass keine Individuen in Bürgerkriegsgebiete innerhalb Äthiopien zurückgeführt würden. Auch bei Rückführungen in andere Länder sah die RK-SR keinen Handlungsbedarf, da ansonsten rechtskräftige Asylentscheide nicht erfüllt werden könnten, was die Glaubwürdigkeit des Asylwesens beeinträchtigen könne. Auch wollte die Kommission von einer Überprüfung der Vereinbarung zwischen der Schweiz und Äthiopien absehen, da diese keine Gesetzesgrundlage für Rückführungen darstelle.

Nein zu Rückführungen von Asylsuchenden in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füssen getreten werden (Kt.Iv. 21.309)

Im Januar 2022 verkündete die Vereinigung Migrant Solidarity Network, die im Referendumskomitee federführend war, über 55'000 Unterschriften gegen die Beteiligung der Schweiz an der Weiterentwicklung von Frontex eingereicht zu haben. Das Komitee um das Migrant Solidarity Network, die Grünen, die JUSO und zahlreiche Aktivismus-Gruppierungen setzte sich damit gegen einen Ausbau der Schweizer Beteiligung an der EU-Grenzschutzagentur ein, der es schwere Menschenrechtsverletzungen vorwarf. Erleichtert wurde die Unterschriftensammlung einmal mehr dadurch, dass das Referendumskomitee die Unterschriften nicht selber bei den Gemeindem beglaubigen lassen musste und damit auch Unterschriften ohne Stimmrechtsbescheinigung einreichen konnte. Diese Aufgabe war in der Wintersession 2021 unter anderem auf Drängen von Thomas Minder (parteilos, SH) erneut der Bundeskanzlei übertragen worden. Ein Vertreter der Online-Sammelplattform «WeCollect», auf der das Frontex-Referendum beworben worden war, mutmasste in der Aargauer Zeitung, dass das Referendum ohne diese Erleichterung nicht zustandegekommen wäre. Durch die Ausnahmeregel habe das Komitee 100 statt nur 80 Tage lang Stimmen sammeln können – die letzten drei Wochen der Sammelfrist müssten normalerweise für die Beglaubigung der Unterschriften verwendet werden. Mitte März vermeldete die Schweizerische Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit insgesamt 54'377 gültigen Unterschriften – 35'832 davon hatte die Bundeskanzlei noch beglaubigen lassen müssen.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen

Eine überaus wichtige Neuerung im Themenbereich der sozialen Gruppen wurde 2021 für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Im September nahm die Stimmbevölkerung mit einem deutlichen Ja-Anteil von 64 Prozent die «Ehe für alle» an. Neben der Möglichkeit der Eheschliessung waren damit für gleichgeschlechtliche Paare weitere Ungleichheiten im Familienleben beseitigt worden: In Zukunft ist es auch ihnen möglich, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, zudem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende. Die Relevanz dieser Abstimmung widerspiegelt sich im Ergebnis der APS-Zeitungsanalyse 2021, die einen diesem Ereignis geschuldeten Höchststand an Artikeln zur Familienpolitik im Abstimmungsmonat aufzeigt (vgl. Abbildung 1 im Anhang). Kein anderes Thema im Bereich der sozialen Gruppen erzielte im beobachteten Jahr eine ähnlich hohe mediale Aufmerksamkeit.

Erstmals in der Geschichte der Schweizer Frauen- und Gleichstellungspolitik veröffentlichte der Bundesrat 2021 eine nationale Gleichstellungsstrategie, die jedoch von Frauenorganisationen und linken Parteien kritisiert wurde. Ferner gaben die Kommissionen einer parlamentarischen Initiative Folge, welche die befristete Finanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung durch eine dauerhafte, vom Bund unterstützte Lösung ersetzen will. Der 2022 vorzulegende Entwurf soll die Eltern bei der Finanzierung der Betreuungsplätze massgeblich entlasten und somit zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Gleichzeitig wurden im Berichtsjahr aber verschiedene Vorstösse mit ähnlichen, bereits konkreter ausformulierten Vorstellungen in Form einer parlamentarischen Initiative, einer Standesinitiative und einer Motion abgelehnt. Ebenfalls zur Verbesserung der Stellung der Frauen im Beruf beitragen soll die 2018 geschaffene Revision des Gleichstellungsgesetzes, mit der Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden zur Durchführung von Lohnanalysen verpflichtet worden waren. Erste, im August 2021 publizierte Analyseergebnisse von ausgewählten Unternehmen zeichneten ein positives Bild, das jedoch unter anderem wegen fehlender Repräsentativität in Zweifel gezogen wurde. Nach wie vor sind Unternehmen nicht verpflichtet, die Ergebnisse ihrer Lohnanalysen an den Bund zu übermitteln. Gegen eine entsprechende Regelung hatte sich der Ständerat im Juni erfolgreich gewehrt.

Nachdem im Vorjahr der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub in einer Volksabstimmung angenommen worden war, gingen die politischen Diskussionen rund um die Ausdehnung von Urlaubsmöglichkeiten für Eltern 2021 weiter. Eine Standesinitiative aus dem Kanton Jura und eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel stiessen im Parlament indes auf wenig Gehör. Der Nationalrat verabschiedete jedoch ein Kommissionspostulat, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Elternzeit aufzeigen soll. In den Räten setzte sich zudem mit Annahme einer Vorlage zum Adoptionsurlaub eine langjährige Forderung in der Minimalvariante durch: Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen Urlaub.

Auch das Thema der Gewalt gegen Frauen blieb 2021 auf der politischen Agenda, immer wieder angetrieben durch Zeitungsberichte über häusliche Gewalt und Femizide. Das Parlament überwies drei Motionen, welche die Bereitstellung eines 24-stündigen Beratungsangebots für von Gewalt betroffene Personen forderten, wozu sich die Schweiz 2017 im Rahmen der Ratifikation der Konvention von Istanbul verpflichtet hatte. Ein Zeichen gegen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche setzte der Nationalrat auch durch Befürwortung einer Motion, die das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern möchte. Der Ständerat äusserte sich bis Ende Jahr noch nicht zum Geschäft. Ebenfalls kam es zu breiten medialen Vorwürfen bezüglich Gewalt in Bundesasylzentren, woraufhin das SEM einen Bericht erarbeiten liess.

Nicht zuletzt wurde im Berichtsjahr mit verschiedensten Publikationen und Aktionen auf das 50-jährige Bestehen des Frauenstimm- und -wahlrechts Bezug genommen. Mit Corona-bedingter Verspätung fand im September die offizielle Feier des Bundes statt. Ende Oktober tagte zum zweiten Mal nach 1991 die Frauensession, die insgesamt 23 Forderungen zu unterschiedlichen Themen als Petitionen verabschiedete. Darüber hinaus wurde an diesen Anlässen auch über die Gewährung politischer Rechte an weitere Gruppen diskutiert, so etwa an Personen ohne Schweizer Pass, Minderjährige und Menschen mit einer Beeinträchtigung. Bezüglich Letzteren nahm der Ständerat im Herbst 2021 ein Postulat an, das den Bundesrat aufforderte, Massnahmen aufzuzeigen, damit auch Menschen mit einer geistigen Behinderung uneingeschränkt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können.

Wie die APS-Zeitungsanalyse 2021 zeigt, erhielten Fragen rund um die Familien- und Gleichstellungspolitik im Jahr 2021 im Gegensatz zu Fragen zur Asyl- und Migrationspolitik überaus starke mediale Aufmerksamkeit. Der Zeitvergleich macht überdies deutlich, dass die Berichterstattung im Bereich Asyl und Migration über die letzten Jahre konstant an Bedeutung eingebüsst hat.

Dieses fehlende Interesse der Medien ist ob der umstrittenen Gesetzesänderungen des Parlaments im Bereich Asylpolitik, welche die Grundrechte der Asylsuchenden einschränkten, bemerkenswert. So können Schweizer Behörden künftig mobile Geräte der Asylsuchenden verwenden, um beim Fehlen von Ausweispapieren Rückschlüsse auf die Identität einer Person zu gewinnen. Dieser Beschluss provozierte eine negative Reaktion des UNHCR. Zudem schuf das Parlament ein Reiseverbot für vorläufig aufgenommene Personen und entschied, dass Personen in Ausschaffungshaft zum Wegweisungsvollzug zur Durchführung eines Covid-19-Tests gezwungen werden können. Unterschiedliche Ansichten vertraten die beiden Räte in Bezug auf junge Asylbewerbende. So lehnte es der Ständerat ab, die Administrativhaft für Minderjährige abzuschaffen, nachdem sich der Nationalrat für diese Forderung im Vorjahr noch offen gezeigt hatte. Ebenso setzte sich der Nationalrat im Berichtsjahr durch Unterstützung einer Motion dafür ein, dass Personen mit abgewiesenem Asylentscheid ihre berufliche Ausbildung beenden dürfen, während sich der Ständerat nach der Beratung einer anderen Motion gegen diese Möglichkeit aussprach. Schliesslich wollte der Ständerat den Familiennachzug von Schutzbedürftigen erschweren, wogegen sich der Nationalrat aber erfolgreich sträubte. Im Sammelstadium scheiterte überdies eine Volksinitiative des ehemaligen Nationalrats Luzi Stamm, gemäss welcher Asylbewerbende in der Schweiz nur noch mit Sachleistungen hätten unterstützt werden sollen: Seine Volksinitiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich», die in erster Linie Flüchtlingen primär in der Nähe der Krisengebiete und nicht in der Schweiz helfen wollte, scheiterte an den direktdemokratischen Hürden.

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Im Zuge der 2020 und 2021 anhaltenden Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen der Behörden entstand eine ganze Reihe neuer politischer Organisationen, und manche ältere Gruppierungen gewannen neuen Schwung. Zu den Organisationen, die in der öffentlichen Debatte in der Folge eine teils prominente Rolle einzunehmen vermochten, gehörten die folgenden:

Der Verein «Freunde der Verfassung» wurde an Pfingsten 2020 auf dem Rütli gegründet, ein Jahr später zählte er rund 12'000 Mitglieder. Viele von diesen – auch die meisten Vorstandsmitglieder – waren davor kaum politisch aktiv. Der Verein sah durch die Covid-19-Massnahmen, aber auch durch andere Vorhaben der Behörden die verfassungsmässigen Grundrechte und die bürgerlichen Freiheiten verletzt. Um solche Vorhaben zu bekämpfen, nutzten die Freunde der Verfassung stark den direktdemokratischen Kanal, wobei sie eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln zahlreicher Unterschriften bewiesen. Nebst den Referenden gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision waren sie auch massgeblich an den Referenden gegen das E-ID-Gesetz, gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus (PMT) und gegen das Medienpaket beteiligt. Ausserdem wirkten sie bei der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen eine Impfpflicht (Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit») mit und gaben im Sommer 2021 bekannt, eine Volksinitiative zur Einführung der Gesetzesinitiative zu planen. Die Geldmittel für diese zahlreichen Kampagnen stammten «von Mitgliedern, aus Spenden und von einer Handvoll sehr besorgter Unternehmer, von denen keiner Blocher heisst», wie die Freunde der Verfassung sich in der NZZ zitieren liessen. Das Präsidium des Vereins teilten sich Marion Russek und Werner Boxler. In der medialen Öffentlichkeit stark in Erscheinung traten zudem Mediensprecher Michael Bubendorf, ein ehemaliges SVP-Mitglied, und Kampagnenleiter Sandro Meier, nach eigener Aussage ein «ehemaliger Links-Grün-Wähler». Verschiedene Medien sahen zudem den Solothurner Publizisten Christoph Pfluger als wichtige Figur bei den Freunden der Verfassung.

Der im Februar 2021 gegründete Verein «Mass-voll!» verstand sich als Jugendbewegung gegen die Behördenmassnahmen. Die jüngere Generation sei durch eine Covid-19-Infektion gesundheitlich am wenigsten gefährdet, doch gerade diese Generation werde in ihrer Entwicklung und Freiheit durch die Massnahmen besonders getroffen. Ähnlich wie die Freunde der Verfassung, aber oft in deutlich schärferem Ton prangerte Mass-voll die «Freiheitsberaubung und Überwachung der Bürger», «eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Nichtgeimpften» sowie eine zu grosse Machtkonzentration beim Bundesrat an, die dieser für «menschenverachtende» Massnahmen und die «Abschaffung der Grundrechte» missbrauche. Zur Verbreitung ihrer Positionen setzte Mass-voll stark auf die Sozialen Medien sowie auf Kundgebungen. Bekanntester Exponent war Co-Präsident Nicolas Rimoldi, der auch im Vorstand der Auns sitzt und bereits vor der Pandemie mit libertären Positionen innerhalb der FDP aufgefallen war. Neben ihm war zunächst Carla Wicki und ab Sommer 2021 Viola Rossi Co-Präsidentin. Andere leitende Mitglieder von Mass-voll waren gemäss NZZ für die SVP aktiv.

Das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» entstand im Herbst 2020 und hatte seine Basis in den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Im Herbst 2021 zählte es nach eigenen Angaben «deutlich über 1'000 eingeschriebene Unterstützer». Das Aktionsbündnis trat zum einen als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung, zum anderen auch in den Abstimmungskampagnen gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision. Es kritisierte die «Corona-Zwangsmassnahmen» als «unsinnig, schädlich und unverhältnismässig». Nach eigenen Angaben setzte sich das Aktionsbündnis «für die freie Diskussion und sachliche Aufklärung der Bevölkerung» ein und orientierte sich an «unabhängigen Informationsquellen über die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und dem Stand der nicht einer politischen Agenda unterworfenen Wissenschaft». Bekanntestes Gesicht des Aktionsbündnisses war der Schwyzer Unternehmer Josef Ender.

Das «Netzwerk Impfentscheid» war schon 2011 als Zusammenschluss impfkritischer Personen gegründet worden und hatte 2013 erfolglos mit einem Referendum gegen das Epidemiengesetz gekämpft. Die Covid-19-Pandemie verlieh dem Netzwerk gemäss NZZ «neuen Schub». Das Netzwerk sah sich als Stimme gegen die «Impfpropaganda» der Behörden und gegen eine aus seiner Sicht drohende Impfpflicht. Prominentester Exponent des als Verein organisierten Netzwerks war der Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch.

Die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» war schon vor der Covid-19-Pandemie vom ehemaligen Luzerner SVP-Politiker Richard Koller gegründet worden. Sie fand mit dem Kampf gegen Maskenpflicht, Impfen und Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens ein neues Tätigkeitsfeld. Am 1. Dezember 2020 startete die Freiheitliche Bewegung die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich gegen eine Impfpflcht richtet. Andere Forderungen der Bewegung betrafen den Erhalt des Bargelds oder die Möglichkeit für alle Gemeinden, autonom über die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu entscheiden. Die NZZ charakterisierte die Bewegung im März 2021 als «Sammelbecken für Menschen, die dem Staat grundsätzlich misstrauen und sich durch seine <Machenschaften> bedroht sehen».

Die «Freiheitstrychler» traten im Herbst 2020 erstmals in Erscheinung. An Protestkundgebungen gegen Covid-19-Massnahmen zogen sie mit ihren unüberhörbaren Trycheln und den weissen Hirtenhemden in der Folge viel Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Im Mai 2021 bestanden sie gemäss Medienberichten aus rund 100 Personen, die grossmehrheitlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Ihr Gründer, der Schwyzer Andy Benz, ist SVP-Mitglied.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Schutz des Bargelds in der Schweiz

In der Herbstsession 2021 beschäftigte sich die grosse Kammer als Zweitrat mit der Weiterentwicklung von Frontex und der Revision des AIG. Seit 2016 wurde die Grenz- und Küstenwache der EU in personeller und technischer Hinsicht systematisch aufgerüstet, um die Herausforderungen im Grenz- und Rückkehrbereich besser bewältigen zu können. Da es sich dabei um eine Schengen-Weiterentwicklung handelt, muss sich auch die Schweiz daran beteiligen, wobei die Beitragszahlungen gemäss dem geltenden Kostenschlüssel von CHF 14 Mio. pro Jahr bis 2027 auf CHF 61 Mio. pro Jahr steigen werden und sich der personelle Aufwand von 24 auf maximal 39 Personen erhöht. Während die zur Diskussion stehende Änderung des Asylgesetzes in der Kommission und im Rat nicht wirklich umstritten war, entspann sich eine grössere Debatte um die Übernahme der Frontex-Verordnung.
Dabei lagen dem Nationalrat zahlreiche Minderheitsanträge aus dem links-grünen Lager vor. So bat Alois Gmür (mitte, SZ) den Nationalrat im Namen der Mehrheit der SiK-NR, einen Minderheitsantrag Seiler Graf (sp, ZH), der die Zahl der alle zwei Jahre aufgenommenen Resettlement-Flüchtlinge in Verbindung mit der Vorlage von 1'500-2'000 auf 4'000 erhöhen wollte, abzulehnen. Eine derartige Erhöhung müsse vorgängig mit den Kantonen abgestimmt werden, argumentierte Gmür. Die Kommissionsmehrheit wehrte sich gegen eine solche Verknüpfung von Sicherheits- und Asylpolitik. Auch einen zweiten Minderheitsantrag von Fabian Molina (sp, ZH) empfahl die Kommissionsmehrheit zur Ablehnung. Fabian Molina hatte vorgeschlagen, dem Strafgesetzbuch einen Artikel hinzuzufügen, durch den Personen mit Geld- oder Freiheitsstrafen sanktioniert würden, wenn sie Asylsuchende mit Gewalt oder Gewaltandrohung daran hinderten, in einem Schengen-Staat ein Asylgesuch zu stellen. Kommissionssprecher Cattaneo (fdp, TI) argumentierte, dass das Strafgesetz diesen Tatbestand bereits regle. Nationalrätin Marti (sp, BL) forderte in einem dritten Minderheitsantrag die Sistierung des Geschäfts, zumal das EU-Parlament Frontex zahlreiche Grundrechtsverletzungen und mangelnde Transparenz vorwerfe und man erst nach Umsetzung der notwendigen Anpassungen über einen finanziellen Beitrag entscheiden solle. Eine weitere Kommissionsminderheit Fivaz (gp, NE) ging noch weiter als Marti und reichte einen Antrag auf Nichteintreten auf den Bundesbeschluss zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes ein. Fivaz kritisierte, dass die EU mit der Ausweitung der Frontex-Mittel im Begriff sei, eine «regelrechte Armee» aufzubauen.
Nationalrätin Priska Seiler Graf äusserte sich im Namen der SP-Fraktion dezidiert zu dieser Vorlage und machte klar, dass die SP Vorlagen zum Ausbau der «Festung Europa» nicht mehr zustimmen werde, wenn keine humanitären Ausgleichsmassnahmen vorgesehen seien. Sie kündigte an, ihre Fraktion werde bei einer Ablehnung des Minderheitenantrags zur Aufstockung des Resettlement-Kontingents geschlossen gegen die Vorlage stimmen. Überraschend ambivalent zeigte sich die SVP-Fraktion, welche bis anhin sämtliche Schengen-Vorlagen konsequent abgelehnt hatte. Die Vorlage sei für seine Fraktion «nicht ganz einfach», gab Pirmin Schwander (svp, SZ) unumwunden zu. Einerseits gehe es um einen Volksentscheid von 2005, den es zu achten gelte, andererseits um die Neutralitätsfrage und die humanitäre Tradition der Schweiz. Man habe schon 2005 gewusst, dass mit Frontex und Schengen die eigenständige Asyl- und Ausländerpolitik der Schweiz verloren gingen. Er liess verlauten, dass man die Änderung des AIG ablehne, sich bei der Frontex-Vorlage aber nicht einig geworden sei.
Bundesrat Ueli Maurer entgegnete den Kritikern und Kritikerinnen der Vorlage, dass die EU mit der Einsetzung von 40 Grundrechtsbeobachterinnen und -beobachtern auf die mangelhafte Rechtssicherheit der Asylbewerbenden reagiert und damit die Anliegen der Ratslinken weitgehend erfüllt habe. Der Ausbau diene auch der Einhaltung der Grundrechte und der Transparenz und nur durch eine Teilnahme an Frontex könne die Schweiz zur Qualitätssicherung und -verbesserung beitragen, weshalb auch eine Sistierung nichts bringe. Den Minderheitsantrag Seiler Graf lehne der Bundesrat ab, da es beim vorliegenden Geschäft um Schengen und Sicherheit und nicht um Dublin und Asylpolitik gehe – man solle nicht verschiedene Vorlagen vermischen. Er argumentierte, eine Ablehnung des Minderheitsantrags sei damit auch kein Nein zur Asylpolitik, denn zum Resettlement gäbe es eine allgemeine Zustimmung.
Schliesslich lehnte der Nationalrat den Sistierungsantrag Marti mit 116 zu 64 Stimmen ab und beschloss mit 155 zu 35 Stimmen, auf das Geschäft einzutreten, womit auch Fabien Fivaz mit seinem Minderheitsantrag scheiterte. Die Anpassung des Asylgesetzes, mit der die Art und Weise der Kooperation mit Frontex in einer eigenen AIG-Bestimmung festgelegt werden soll, wurde mit 136 zu 56 Stimmen gegen den Widerstand der SVP angenommen. Bei der Abstimmung über den Minderheitsantrag Seiler Graf zur Erhöhung des Resettlement-Kontingents setzten sich die Fraktionen der SVP, FDP und Mitte mit 106 Nein-Stimmen gegenüber 86-Ja Stimmen durch. Auch der Minderheitsantrag Molina blieb chancenlos und wurde mit 124 zu 68 Stimmen versenkt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Frontex-Vorlage mit 108 zu 75 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten hauptsächlich von der SP- und der Grünen-Fraktion, die Enthaltungen ausschliesslich von der SVP-Fraktion.
In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat die Änderung des Asylgesetzes mit 129 zu 55 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und der Ständerat einstimmig an. Bei der Annahme der Frontex-Vorlage wurde es im Nationalrat mit 88 zu 80 Stimmen (bei 28 Enthaltungen) unerwartet knapp. Grund dafür waren die vielen Enthaltungen der SVP-Fraktion. Im Ständerat fiel das Resultat mit 30 Ja- zu 14 Nein-Stimmen deutlicher aus.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex; BRG 20.064)
Dossier: Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex

Das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus gelangten in der Herbstsession 2021 mit der einstimmigen Unterstützung der SIK-NR in den Nationalrat. Kommissionssprecherin Graf-Litscher (sp, TG) sah in der vereinfachten polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen des Prümer Abkommens grosse Vorteile, weil dadurch bei Abfragen von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten ein automatisierter Abgleich mit anderen nationalen europäischen Datenbanken gleichzeitig möglich werde. Sie warnte zudem vor negativen Auswirkungen einer Nichtteilnahme der Schweiz und wies darauf hin, dass Kriminalität ein grenzübergreifendes Problem sei, welches eine internationale Zusammenarbeit notwendig mache. Ihr Kommissionskollege Pointet (glp, VD) erklärte, dass das Abkommen mit den USA die gleiche Thematik behandle und daher mit den gleichen Vorteilen einhergehe. Da alle Fraktionen die Verbesserung der internationalen Polizeizusammenarbeit begrüssten, stand den Vorlagen wie schon im Ständerat nichts im Weg. Alle drei Bundesbeschlüsse wurden von der grossen Kammer einstimmig angenommen.
In den Schlussabstimmungen wenige Tage später bestätigten die Räte die deutlichen Ergebnisse aus den Ratsdebatten. Das Abkommen mit den Vereinigten Staaten wurde vom Nationalrat mit 194 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) und vom Ständerat einstimmig angenommen. Das Abkommen zur Prümer Zusammenarbeit nahm der Nationalrat mit 191 zu 1 Stimme (bei 3 Enthaltungen) an, im Ständerat war das Ergebnis wiederum einstimmig. Zum Verpflichtungskredit war keine Schlussabstimmung nötig.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2021 den Vorschlag der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG) unverändert angenommen hatte, befasste sich in der Herbstsession 2021 der Ständerat mit dem Geschäft. Die Anpassung hatte zum Ziel, dass das SEM zur Feststellung der Identität von Asylsuchenden künftig auch deren mobile Datenträger nutzen darf, falls die Identität nicht anders festgestellt werden kann. Als Sprecher der vorberatenden SPK-SR erläuterte Marco Chiesa (svp, TI), dass die Identität bei 70 bis 80 Prozent der Asylsuchenden in der Schweiz nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne. Die Kommission anerkenne zwar das Recht auf Asyl, doch um die Fairness im Asylprozess zu bewahren, empfinde sie es als wichtig, durch die Identifizierung der betroffenen Person herauszufinden, ob Schutzbedarf bestehe oder nicht. Ausserdem habe ein Pilotprojekt des SEM vom November 2017 bis Mai 2018 den Nutzen dieser Massnahme bestätigt. Eine Minderheit um Hans Stöckli (sp, BE) wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Gestützt auf Erfahrungen aus Deutschland bezweifelte der Berner die Wirksamkeit der Massnahme – wie es im Übrigen auch der EDÖB tue. Zudem sei es höchst problematisch, dass im Asylverfahren – im Gegensatz zum Strafverfahren – für die Einforderung der mobilen Datenträger keine richterliche Anordnung vorgesehen sei. Darüber hinaus könnte die Weigerung, das Handy abzugeben, den betroffenen Personen zu deren Nachteil als Missachtung der Mitwirkungspflicht ausgelegt werden. Abschliessend kritisierte Stöckli den seiner Ansicht nach mangelhaften Datenschutz. Justizministerin Karin Keller-Sutter äusserte sich bezüglich der Zweifel über die Wirksamkeit der Massnahme verständnisvoll, entgegnete aber, dass der Bundesrat dem Parlament aus diesem Grund drei Jahre nach Inkrafttreten einen Evaluationsbericht vorlegen müsse. Sie betonte überdies, dass die mobilen Datenträger den Asylsuchenden nicht zwangsweise abgenommen werden dürfen. In der Folge trat der Ständerat mit 28 zu 12 Stimmen auf die Vorlage ein und nahm sie in der Gesamtabstimmung unverändert mit 30 zu 12 Stimmen an.
In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 68 Stimmen an. Der Ständerat hiess ihn mit 31 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Wie schon während der Beratungen sprachen sich die Grüne und die SP-Fraktion gegen die Gesetzesänderung aus. Am 20. Januar 2022 lief die Referendumsfrist ungenutzt aus.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Déposées en vue des festivités pour les 175 ans de la Constitution fédérale en 2023, les motions de Hans Stöckli (ps, BE) (Mo. 21.3227) et de Beat Flach (pvl, AG) (Mo. 21.3373) ont reçu l'approbation des deux conseils. Plus précisément, ce sont les points 1 et 3 des objets – dont le contenu est identique – qui ont été avalisés, chargeant les services du parlement de l'organisation de diverses activités à l'occasion de ce jubilé. Déjà approuvée par le Conseil des États durant la session d'été, la motion Stöckli a connu le même succès auprès du National en automne, tandis que la motion Flach a effectué le parcours inverse.

175 ans de Constitution fédérale (Mo. 21.3227, Mo. 21.3373)
Dossier: 175 Jahre Bundesverfassung

In der Sommersession 2021 wurden das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und ein Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus im Ständerat beraten. In der Beratung der SiK-SR im Vorfeld der Session hatten sämtliche Anträge breite Unterstützung gefunden und waren der kleinen Kammer einstimmig zur Annahme beantragt worden. Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) hob besonders die Vorteile hervor, welche der Schweiz aus dem Prümer Abkommen und dem Eurodac-Protokoll erwachsen würden. Dadurch könnten Schweizer Strafverfolgungsbehörden zukünftige Anfragen zu DNA-Profilen und Fingerabdrücken automatisiert bei allen beteiligten EU-Staaten vornehmen. Der bisherige Prozess via Interpol sei komplex, langwierig und biete keine Garantie für Erfolg, erläuterte Gmür-Schönenberger. Das PCSC-Abkommen mit den USA verfolge die gleichen Ziele wie das Prümer Abkommen, umfasse aber keinen Zugriff auf Fahrzeug- und Fahrzeughalterdaten. Da der Austausch über die gleiche Infrastruktur stattfinden solle, decke der Verpflichtungskredit über CHF 11 Mio. sämtliche Investitionskosten ab. Der Ständerat folgte dem Beispiel seiner Kommission und nahm alle drei Abkommen sowie den Verpflichtungskredit einstimmig an.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus