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  • Keller-Sutter, Karin (fdp, plr) BR EJPD / CF DFJP

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Das im März 2018 eingereichte Postulat Feri (sp, AG) forderte vom Bundesrat einen Bericht zur «Umsetzung des Verfassungsauftrages zur Gleichstellung von Frau und Mann». Es gebe Kantone, welche zu wenig für die Gleichstellung unternähmen, obwohl diese längst in der Verfassung verankert sei und die Schweiz 1997 das «Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau» (Cedaw) der UNO ratifiziert habe, so Feri. Sie wollte deshalb vom Bundesrat erstens wissen, welche Kantone «in welcher Art und Weise, mit welchen Projekten [und] mit welchen Mitteln» gegen noch immer vorherrschende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern vorgehe; zweitens, wie die Umsetzung des «Verfassungsauftrags zur Gleichstellung von Frau und Mann» beaufsichtigt werde und welche Sanktionierungsmöglichkeiten es gegenüber Kantonen gebe, welche diesen Auftrag missachten; und drittens, welche Möglichkeiten es gebe, «gegen eine mangelhafte oder fehlende Umsetzung des Verfassungsauftrags zur Gleichstellung von Frau und Mann» rechtlich «respektive klageweise» vorzugehen.
Der Bundesrat liess im Mai 2018 verlauten, dass der Bund bezüglich Gleichstellung der Geschlechter einen regelmässigen Austausch mit den Kantonen pflege und man etwa mit der SKG über eine entsprechende Plattform verfüge, wo dieser Austausch ermöglicht werde. Auch müssten Kantone «über Stellen mit den notwendigen Fachkenntnissen, Kompetenzen und Ressourcen verfügen», damit die im Cedaw verankerten Aufgaben erfüllt werden können. Diesbezüglich habe die Schweiz bereits 2016 vom zuständigen UNO-Ausschuss die Empfehlung erhalten, Gleichstellungsfachstellen sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene zu stärken. Ein dazugehöriger Bericht sei wie von diesem Ausschuss gefordert bereits in Entstehung. Ein weiterer Bericht würde wegen der vielen Überschneidungen gemäss Bundesrat keinen Mehrwert bringen, weshalb er das Postulat zur Ablehnung empfahl.
Im Mai 2020 wurde das Postulat in der grossen Kammer behandelt. Hier betonte Karin Keller-Sutter, dass eine Mehrheit im Saal sicherlich mit Feris Ausführungen einig sei. Sie verwies aber auf den bereits in der schriftlichen Antwort erwähnten Bericht, welchen die Schweiz im Dezember 2018 bei der UNO eingereicht habe und Ende 2020 bereits zum wiederholten Male aktualisieren werde. Dieser Bericht nehme die Anliegen des Postulats bereits auf weshalb dieses abzulehnen sei. Der Rat folgte den Empfehlungen der Bundesrätin und lehnte das Postulat mit 83 zu 106 Stimmen (0 Enthaltungen) ab. Die links-grünen Parteien unterlagen in der Abstimmung einer weitestgehend geschlossenen Mehrheit der bürgerlich-konservativen Fraktionen der SVP und FDP, auch die Mitte-Parteien stimmten dagegen.

Umsetzung des Verfassungsauftrages zur Gleichstellung von Frau und Mann (Po. 18.3120)

In der Wintersession 2019 schickte der Ständerat die Revision des Bundesgerichtsgesetzes zurück an den Nationalrat; allerdings nicht, weil er Differenzen geschaffen hätte, sondern weil er einstimmig nicht darauf eintreten wollte. Seine Rechtskommission (RK-SR) hatte mit 11 zu 1 Stimmen Nichteintreten beantragt. Ihr Sprecher Beat Rieder (cvp, VS) begründete den Antrag ziemlich ausführlich. Die ursprüngliche Idee der Revision sei eine Entlastung des Bundesgerichts von einfachen Fällen gewesen, ohne dass dabei der Rechtsschutz eingeschränkt werden sollte. Das «Zauberkunststück» – das BGer ohne Einschränkung des Rechtsschutzes zu entlasten und wo nötig die höchstrichterliche Rechtsprechung auszuweiten – sei aber weder dem Nationalrat noch dem Bundesgericht selber gelungen, weshalb die RK-SR der Meinung sei, man solle die Übung jetzt abbrechen. Auch beim Kernkonflikt der Vorlage, der subsidiären Verfassungsbeschwerde, gebe es keinen tragbaren Kompromiss. Zwar würden mit einer ersatzlosen Streichung dieses Instruments viele Beschwerden wegfallen, was für eine Entlastung sorgen würde, in den Augen des Bundes- und des Nationalrates sei damit aber der Rechtsschutz nicht mehr genügend gewährt. Auch mit Nichteintreten würden nötige Änderungen nicht umgesetzt – Rieder erwähnte etwa die Einführung einer beschränkten Beschwerdemöglichkeit gegen bisher endgültige Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts, verschiedene Verfahrensvereinfachungen oder die Erhöhung der Obergrenzen der Gerichtsgebühren –, diese würden aber wohl punktuell eingeführt werden müssen. Justizministerin Karin Keller-Sutter betonte, dass eine Ablehnung der Vorlage die Arbeit des Bundesgerichts nicht beeinflusse, dass aber auch mit Annahme der vom Nationalrat veränderten Vorlage keine Probleme geschaffen würden. Die Regierung könne mit beiden Varianten leben und respektiere den Antrag der ständerätlichen Rechtskommission. Dieser wurde schliesslich stillschweigend angenommen.

Revision des Bundesgerichtsgesetzes (BRG 18.051)
Dossier: Revision des Bundesgerichtsgesetzes

Die Entlastung des Bundesgerichtes von Bagatellfällen war in den letzten Jahren Gegenstand verschiedener Vorstösse (Po. 13.3694; Mo. 14.3667; Mo. 17.3353 und 17.3354 sowie Mo. 17.3357) gewesen, welche der Bundesrat nun in seinen Vorschlag für eine Revision des Bundesgerichtsgesetzes aufnahm. Dabei ging es darum, die bei einer Evaluation des Bundesgerichtsgesetzes gefundenen Unzulänglichkeiten auszumerzen. Revidiert werden sollten dabei erstens die Ausnahmefälle, bei denen es bisher nicht möglich war, das Bundesgericht als Letztinstanz anzurufen. Neu soll dies nur noch für den Asylbereich gelten, für wichtige Fälle in allen anderen Bereichen soll das Bundesgericht eine Restkompetenz erhalten. Um das oberste Gericht jedoch gegen Überlastung zu schützen, sollen Beschränkungen eingebaut werden: So sollen etwa Bussen bis CHF 5'000 beim Bundesgericht nicht mehr anfechtbar sein, zudem sollen Geschädigte, die nicht unter das Opferhilfegesetz fallen, gegen Urteile von zweitinstanzlichen Gerichten beim Bundesgericht nicht mehr Beschwerde führen dürfen. Zweitens stand die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, also die Beschwerde gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanzen, zur Diskussion.
Der bundesrätliche Vorschlag wurde im Nationalrat in der Frühjahrssession debattiert. Das Geschäft war einigermassen umstritten, was daran lag, dass man gleichzeitig den Rechtsschutz ausbauen, die Verfahren vereinfachen und das Bundesgericht entlasten wollte, was potenziell zielinkongruent ist. Dass die Prioritäten zwischen den Parteien verschieden verteilt waren, zeigte sich bereits in der Eintretensdebatte, in der die Fraktionssprecherinnen und -sprecher darlegten, dass sie entweder vordringlich das Bundesgericht entlasten oder aber eben den Rechtsschutz ausbauen wollten. Die Ratslinke anerkannte zwar, dass das oberste Gericht eine hohe Geschäftslast zu tragen habe, dies dürfe aber nicht durch Abstriche beim Zugang zu den Gerichten wettgemacht werden. Stattdessen müsse dieser Problematik durch eine Aufstockung der Ressourcen begegnet werden. Die Ratsrechte machte sich dafür stark, dass Bagatellfälle vom obersten Gericht möglichst ferngehalten werden müssten, wobei naturgemäss umstritten war, ab welcher Schadenssumme ein Bagatellfall vorliegt. Die neue Justizministerin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass es nicht so sehr nur um die Zahl der Bagatellfälle gehe, sondern vor allem auch um die Zahl der Fälle, die mit einer Beschwerde auch vor Bundesgericht kaum eine Chance hätten. Hier generiere das oberste Gericht aus juristischer Perspektive keinen Mehrwert, verbrauche aber viele Ressourcen. Eintreten wurde in der Folge mit 108 zu 76 Stimmen beschlossen. Die geschlossene SVP- und die grüne Fraktion hätten das Gesetz nicht behandeln wollen. Die Grünen bemängelten, dass vor allem im Ausländer-, Asyl- und Einbürgerungsrecht der Zugang zu stark eingeschränkt würde. Der SVP hingegen gingen die Einschränkungen zu wenig weit. Eine Entlastung des Bundesgerichts werde so nicht erreicht, argumentierten ihre Mitglieder.
In der Detailberatung ging es zum einen um die Höhe der Bussenhürde, die noch zu einer Beschwerde beim Bundesgericht berechtigen soll. Die Mehrheit der RK-NR schlug in Abweichung zum bundesrätlichen Vorschlag eine minimale Bussenhöhe von CHF 500 vor. Eine Minderheit Flach (glp, AG) wollte den bundesrätlichen Vorschlag von CHF 5'000 übernehmen und eine Minderheit Nidegger (svp, GE) beantragte, bei der bestehenden Regel zu bleiben und gar keine Hürde festzulegen. Beide Minderheitsanträge unterlagen dem Antrag der Kommissionsmehrheit. Erfolg hatte ein Antrag Wasserfallen (sp, BE), der in Zivilsachen eine Senkung der Streitwertgrenze anstrebte. In Zivilsachen kann bisher nur in Anliegen mit einem Streitwert über CHF 30'000 (bei arbeits- und mietrechtlichen Fällen bei CHF 15'000) Beschwerde geführt werden. Der Antrag der Berner Genossin, diesen Wert auf CHF 3'000 zu senken, fand gegen die Empfehlung der Kommission und der Justizministerin Anklang bei einer Ratsmehrheit von 116 gegen 71 Stimmen. Schliesslich ging es in der Detailberatung auch um den Ausnahmekatalog, mit dem geregelt werden soll, wann eine Beschwerde ans Bundesgericht nicht zulässig sein soll. Dass sich diese Einschränkungen insbesondere auf das Ausländer-, Asyl- und Einbürgerungsrecht bezogen, stiess bei der Ratslinken auf Widerstand. Mit den Minderheitsanträgen, mit denen diese Ausnahmen rückgängig gemacht werden sollten, biss Links-Grün bei der bürgerlichen Mehrheit jedoch durchgängig auf Granit.
Die «piece de résistence», wie sich Christa Markwalder (fdp, BE) ausdrückte, stellte schliesslich der von der Berner Freisinnigen angeführte Minderheitsantrag dar, die subsidiäre Verfassungsbeschwerde aufzuheben. Dieses Instrument habe sich nicht bewährt, da von 429 Beschwerden gerade mal acht gutgeheissen worden seien. Dies sei nun in der Tat eine unnötige Belastung des Bundesgerichts. Die Streichung des Instruments würde freilich den Rechtsschutz nicht abbauen, sondern er würde lediglich anders ausgestaltet. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde werde nämlich durch den neuen Art. 89 ersetzt, der Beschwerden zulasse, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stelle oder ein besonders bedeutender Fall vorliege – von Beat Flach als «Populärbeschwerde» bezeichnet. Die Kommissionsmehrheit und die Ratslinke waren hier anderer Ansicht: Der Schutz verfassungsmässiger Rechte, folglich der Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür, müsse in einem Rechtsstaat gewährleistet bleiben und dazu bedürfe es eben der subsidiären Verfassungsbeschwerde. Die acht gutgeheissenen Fälle zeigten ja offensichtlich, dass es vorkomme, dass der Staat willkürlich handle, hob etwa Matthias Aebischer (sp, BE) hervor. Karl Vogler (csp, OW) wies hingegen darauf hin, dass der Bundesrat ursprünglich die Streichung vorgesehen habe, dies nach der Kritik in der Vernehmlassung aber wieder rückgängig gemacht habe. Das Ziel der Revision müsse es aber doch sein, das Bundesgericht zu entlasten. Karin Keller-Sutter zeigte sich zwar für beide Möglichkeiten offen – beide Seiten hätten gute juristische Argumente vorgebracht, erklärte sie. Der Bundesrat habe sich aber letztlich aufgrund der politischen Rückmeldungen für ein Beibehalten der Verfassungsbeschwerde ausgesprochen. Mit 132 zu 46 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgte der Nationalrat in diesem Punkt schliesslich der Kommissionsmehrheit. Die Nein-Stimmen stammten aus der geschlossenen CVP-Fraktion und einer Mehrheit der BDP- und der FDP-Fraktion. Nicht das Bundesgericht solle entscheiden, wann ein Fall wichtig sei und wann nicht; stattdessen solle die Chance für eine Beschwerde allen offen gelassen werde, fasste Matthias Aebischer die Mehrheitsstimmung im Ratssaal zusammen. Mit 108 zu 76 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Entwurf an den Ständerat weitergereicht. Die Grünen und die SVP sprachen sich auch nach den Änderungen in der Detailberatung gegen den Entwurf aus.
Der oberste Bundesrichter Ulrich Meyer zeigte sich in der Presse enttäuscht über den Entscheid der Volkskammer. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde generiere Leerläufe, weil damit Hunderte von aussichtslosen Beschwerden eingereicht würden. Die meisten Beschwerden würden sich nämlich darauf beziehen, dass ein Gericht den Sachverhalt nicht richtig festgestellt habe. Das Bundesgericht könne aber lediglich die Korrektheit eines Verfahrens prüfen. Meyer appellierte an den Ständerat, die Institution Bundesgericht zu retten.

Revision des Bundesgerichtsgesetzes (BRG 18.051)
Dossier: Revision des Bundesgerichtsgesetzes