Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Stiftungen
  • Kirche, Religion

Akteure

Prozesse

136 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen

Nach gut zwei Jahren Covid-19-Pandemie war es dieses Jahr endlich wieder so weit: Die Schweiz durfte die Kultur wieder ohne Einschränkungen geniessen. Bereits am 16. Februar 2022 hob der Bundesrat den Grossteil der nationalen Massnahmen – auch diejenigen im Kulturbereich – auf, woraufhin es in der Kultur ein breites Aufatmen und Erwachen gab. Konzerte und Festivals, sowie Museen, Theater oder Kinos konnten wieder gänzlich ohne Einschränkungen besucht werden. Dies führte auch dazu, dass der Kulturbereich – nach zwei Jahren verstärkter Aufmerksamkeit durch Covid-19 – in den Medien etwas aus dem Fokus geriet, wie Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse zeigt.

Die Kulturpolitik der Schweiz war 2022 von drei grösseren Themen geprägt: der Abstimmung zur Revision des Filmförderungsgesetzes, dem neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele und der Frage, wie die Schweiz mit Nazi-Raubkunst umgehen soll.

Nachdem die Beratungen zur Revision des Filmförderungsgesetzes – Lex Netflix – nach langwierigen Diskussionen als letztes Geschäft der Kulturbotschaft 2021-2024 in der Herbstsession 2021 zu einem Abschluss gekommen war, ergriffen die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP Ende Januar 2022 erfolgreich das Referendum. Streaming-Anbietende wie Netflix oder Disney+ sollten mit diesem Gesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, vier Prozent des Umsatzes in das schweizerische Filmschaffen zu investieren oder für die Bewerbung Schweizer Filme einzusetzen. Zudem mussten die Plattformen 30 Prozent des Angebots mit europäischen Beiträgen füllen. Die bürgerlichen Jungparteien störten sich besonders an diesen beiden Punkten: Zum einen befürchteten sie, mit der Pflichtabgabe würde eine Erhöhung der Abo-Preise einhergehen, und zum anderen erachteten sie die Quote für europäische Filme und Serien als «bevormundend und eurozentristisch». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nahmen das Gesetz im Mai 2022 jedoch mit 58.1 Prozent Ja-Stimmen an. Der Abstimmungskampf war dann auch das einzige Ereignis des Jahres, welches im Bereich Kulturpolitik zu einem substantiellen Anstieg der medialen Berichterstattung führte (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Ohne grosse mediale Beachtung fanden in der Herbstsession 2022 die Beratungen um das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele nach gut zwei Jahren ein Ende. Ziel des Gesetzes soll es sein, Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt- und Sexualdarstellungen in Filmen und Videospielen zu schützen, etwa durch eine schweizweite Alterskennzeichnung und -kontrolle der Produkte. Die Verantwortung, diese Regelungen zu entwickeln, wurde den Branchenorganisationen überlassen, welche entsprechende Expertinnen und Experten hinzuziehen sollen.

Für hitzige mediale Debatten sorgte hingegen die Kunstsammlung von Emil Bührle, der gemäss Medien ein Nazisympathisant und Waffenlieferant im Zweiten Weltkrieg war. Als Teile seiner Sammlung im Sommer 2021 im Kunsthaus Zürich ausgestellt worden waren, waren darob hitzige Diskussionen entbrannt, insbesondere weil Bührle Nazi-Raubkunst besessen habe und die Provenienz bei einigen Werken der Sammlung nicht endgültig geklärt sei. Diese Debatte ging auch an Bundesbern nicht ohne Spuren vorbei. So nahmen die Räte eine Kommissionsmotion der WBK-NR an, welche die Schaffung einer Plattform für die Provenienzforschung von Kulturgütern forderte. Weiter hiessen sie eine Motion gut, mit der eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter geschaffen werden sollte. Offen liessen die Räte, ob eine solche Kommission auch für Raubkunst aus kolonialen Kontexten geschaffen werden soll.

Rund um die kirchen- und religionspolitische Fragen blieb es in der Bundespolitik im Jahr 2022 eher ruhig, jedoch weckte die katholische Kirche der Schweiz einige mediale Aufmerksamkeit, wie erneut in der APS-Zeitungsanalyse ersichtlich wird. Der Universität Zürich war im Frühling 2022 in Form eines Pilotprojekts ein Forschungsauftrag erteilt worden, mit dem die sexuellen Missbräuche innerhalb der Schweizer katholischen Kirche seit 1950 wissenschaftlich untersucht werden sollten. Dabei sollte ein Fokus auf die Strukturen gelegt werden, welche dabei geholfen hatten, die Missbräuche zu vertuschen. Zu diesem Zweck öffnete die katholische Kirche der Schweiz ihre Geheimarchive für die Forschenden.
Heftige Debatten rief auch der vom Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain eingeführte, für die Angestellten aller Ebenen der katholischen Kirche verbindliche Verhaltenskodex hervor, mit dem sexuellem Missbrauch vorgebeugt werden sollte. Einige Priester von Chur weigerten sich, den Kodex zu unterzeichnen, da einzelne Weisungen daraus der katholischen Lehre entgegenlaufen würden – so untersage er es etwa, sich negativ über die sexuelle Ausrichtung von Menschen auszusprechen.

Anfang 2022 verlängerte das SEM die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren, welche Anfang 2021 in einzelnen Regionen als Pilotprojekt eingeführt worden war. Zuvor hatte eine Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg eine positive Bilanz gezogen. Sollten die Ergebnisse auch nach diesem Jahr positiv ausfallen, strebt das SEM eine permanente Einführung des Angebots und einen Ausbau auf alle Bundesasylzentren an – sofern die Finanzierung dafür gesichert werden kann. Bereits 2018 war ein entsprechendes Pilotprojekt aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Eis gelegt worden.

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2022

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance. Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Wie bereits im Vorjahr verzeichnete der SIG 2022 erneut einen Anstieg an antisemitischen Vorfällen. Wie sein jährlicher Antisemitismusbericht zeigte, kam es 2022 zu insgesamt 910 gemeldeten oder beobachteten antisemitischen Übergriffen (2021: 859). Davon fanden 57 in der realen und 853 in der digitalen Welt statt. In der grossen Mehrheit der Fälle handelte es sich dabei um antisemitische Aussagen (96.3%), deutlich seltener waren Beschimpfungen (1.7%), Schmierereien (1.0%), Karikaturen (0.5%), Plakate/Banner (0.1%) oder Auftritte (0.1%). Zudem gab es gemäss CICAD-Bericht auch wieder einen physischen Übergriff (0.1%) sowie einen Angriff auf eine Synagoge in der Westschweiz. Wie bereits in den beiden Jahren zuvor handelte es sich dabei inhaltlich hauptsächlich um antisemitische Verschwörungstheorien (54.8%) und allgemeinen Antisemitismus, der die Verbreitung von antisemitischen Stereotypen beinhaltet (33.8%), während Israel-bezogener Antisemitismus (6,4%) oder eine Leugnung oder Banalisierung des Holocaust (5.0%) seltener vorkamen.

Gemäss Bericht fördern gewisse Trigger auf internationaler oder nationaler Ebene jeweils antisemitische Übergriffe, so auch im Jahr 2022. Im Untersuchungsjahr wurde der Antisemitismus vor allem durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg angetrieben, wobei die beiden Themen häufig inhaltlich verknüpft würden. Dabei komme der Antisemitismus gemäss Bericht aus einer eher neuen, generell «staats- und gesellschaftsfeindliche[n] Subkultur», welche sich aus dem Milieu der Coronagegnerinnen und -gegner entwickelt habe. Wie bereits in den Vorjahren nutzte diese Gruppierungen insbesondere soziale Medien als Kanal für die Verbreitung solcher antisemitischer Verschwörungstheorien oder für antisemitische Übergriffe. Im Vergleich zum Vorjahr sei es in diesem Jahr aber deutlich seltener zu Widerstand gegen antisemitische Posts gekommen, sogar bei offenem Antisemitismus. Dies könne gemäss SIG entweder daran liegen, dass Antisemitismus innerhalb dieser Gruppierungen mehrheitsfähig geworden sei oder dass diese Kreise ein sehr breit gefasstes Verständnis von Meinungsfreiheit hätten, wodurch auch Hassrede als Meinung akzeptiert werde. Gemäss CICAD-Bericht sei in der Westschweiz auch die Präsidentschaftswahl in Frankreich ein Trigger für Antisemitismus gewesen.

Wie bereits im Jahr zuvor enthielt der Bericht des SIG auch Empfehlungen an die Politik und definierte Handlungsfelder. Dazu gehörten insbesondere bessere rechtliche Möglichkeiten, Antisemitismus im Internet zu bekämpfen, sowie ein Verbot der Verwendung von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit. Drei Vorstösse zum Thema (Mo. 21.4354, Pa.Iv. 21.524, Pa.Iv. 21.525) veranlassten das BJ Ende 2022 zur Veröffentlichung eines Berichts zur Machbarkeit eines solchen Verbotes, welcher zum Schluss kam, dass dies durchaus möglich sei. Um diese und andere Punkte gezielt angehen zu können, forderte der SIG zudem eine nationale Strategie gegen Antisemitismus. Positiv wertete der SIG hingegen, dass der Bund nach der entsprechenden Kritik über die letzten Jahre das Budget zum Schutz jüdischer und muslimischer Gemeinschaften vorerst bis 2028 von CHF 500'000 auf CHF 2.5 Mio. pro Jahr erhöht habe.

Antisemitismus 2022

In der Herbstsession 2022 stimmte der Nationalrat nach Abänderung durch den Ständerat erneut über eine Motion Streiff-Feller (evp, BE) zur Erarbeitung eines Konzepts für ein Frauenmuseum ab. Während sich die Kommissionsmehrheit der WBK-NR in der Vorberatung für die Annahme des abgeänderten Vorstosses ausgesprochen hatte, stellte eine Minderheit Tuena (svp, ZH) die Notwendigkeit und den Nutzen des vom Ständerat vorgeschlagenen Netzwerks in Frage, da «diese Hürden [in Zeiten der Gleichberechtigung] eigentlich überwunden sein» sollten. Zudem störte sich der Minderheitensprecher an den hohen Mehrkosten des Vorstosses, zumal man im Moment mit Ausgaben zurückhaltend sein müsse. Bundesrat Berset äusserte in der parlamentarischen Debatte den Wunsch, die Geschichte der Frauen in der Schweiz lieber an vielen unterschiedlichen Orten zur Schau zu stellen statt in einer speziell dafür konzipierten Institution. Entgegen des Antrags des Bundesrats und der Kommissionsminderheit nahm der Nationalrat den Vorstoss mit 119 zu 68 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Einzig die geschlossen stimmende SVP-, eine knappe Minderheit der FDP.Liberalen- und ein Mitglied der Mitte-Fraktion lehnten die Motion in der grossen Kammer ab.

Ein nationales Frauenmuseum für die Geschichte der Frauen in der Schweiz (Mo. 19.3627)

In der Sommersession 2022 nahm auch der Ständerat eine Motion Streiff-Feller (evp, BE) an, die gefordert hatte, ein Konzept für ein Frauenmuseum zu erarbeiten. Dennoch blieb unklar, ob es nun bald ein solches «Haus der Frauengeschichte» geben wird, denn der Ständerat stimmte der Motion mit einer wesentlichen Änderung zu: Auf Antrag seiner einstimmigen WBK beschloss der Ständerat diskussionslos, die Motion so abzuändern, dass der Bundesrat durch deren Annahme verpflichtet wäre, zur Wahrung des kulturellen Erbes ein «Konzept für ein Netzwerk Dritter über die Geschichte der Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz» zu erarbeiten und dieses Netzwerk finanziell zu unterstützen. Die Schaffung eines solchen Netzwerkes im Unterschied zur Einrichtung eines nationalen Frauenmuseums erachtete die Kommission als nachhaltiger sowie «wesentlich dynamischer und zukunftsgerichteter». Die abgeänderte Motion geht somit zurück an den Nationalrat.

Ein nationales Frauenmuseum für die Geschichte der Frauen in der Schweiz (Mo. 19.3627)

Im Zuge der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen legte das Bistum Chur Anfang April 2022 einen neuen Verhaltenskodex vor. Dieser solle für alle Mitarbeitenden, Seelsorgenden und Führungspersonen inklusive dem Bischof Joseph Maria Bonnemain verbindlich sein und sei das «Herzstück der Prävention von spirituellem und sexuellem Missbrauch». Der Kodex beinhalte konkrete Richtlinien und Standards, wie mit der eigenen Machtposition umzugehen sei.
Damit könne der erste Schritt in Richtung «Kritisierbarkeit von Machtpositionen» sowie zur Transparenz innerhalb der katholischen Kirche getan werden, schrieb das Churer Bistum auf seiner Webseite. Der Kodex wurde von allen sieben bistümlichen Landeskirchen der Kantone Graubünden, Zürich, Schwyz, Uri, Nidwalden, Obwalden und Glarus sowie vom Churer Bischof Bonnemain selbst unterzeichnet.
Der Kodex wurde in der Folge innerhalb der katholischen Kirche heftig kritisiert. So wollten etwa 43 Geistliche des als konservativ geltenden Churer Priesterkreises den Kodex nicht unterschreiben. Zwar erachteten sie 95 Prozent des Inhalts als selbstverständlich und richtig, jedoch gebe es Passagen, bei denen der Kodex «mehrfach die Lehre und Disziplin der Katholischen Kirche» verletze, berichteten die Medien. Konkret ging es dabei etwa um den Umgang mit Homosexualität: Die Priester befürchteten, dass sie mit den diesbezüglichen Regeln des Kodex entgegen ihren Überzeugungen nicht mehr predigen dürften, dass Homosexualität nicht in Ordnung sei. Zudem müsse einer Person gemäss Kodex nach einem Outing unterstützend zur Seite gestanden werden, was die Kritiker ihrer Ansicht nach in einen Gewissenskonflikt zwischen ihrem Bischof und ihrem Verständnis der katholischen Glaubenslehre bringen würde. Die betroffenen Priester forderten darum den Bischof dazu auf, seine Unterschrift zurückzuziehen und die Umsetzung auf Eis zu legen. Weiter solle eine spezielle Kommission bestehend aus Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeitenden eingesetzt werden, welche den Kodex in Einklang mit der katholischen Lehre bringen solle.
Der Bischof lehnte diese Forderung jedoch ab. Er erachtete es als möglich, die kritisierten Passagen des Kodex so auszulegen, dass sie mit der Lehre einhergehen, berichteten die Medien. Auch zwei Gespräche zwischen den Kritikern und Bischof Bonnemain brachten keine Lösung in dieser Streitfrage, beide Parteien bestanden weiterhin auf ihren Forderungen. Dieser Widerstand könnte gemäss Medien durchaus Konsequenzen für die Priester haben, zumal eine Verweigerung der Unterschrift eine Kündigung nach sich ziehen könne. Dies sei gemäss Arbeitsrecht jedoch problematisch, erklärte Arbeitsrechtsspezialistin Isabelle Wildhaber gegenüber der NZZ: Da die Priester dem Grossteil des Kodex unter Vorbehalt zustimmten, würde eine Kündigung wohl das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzen.

Verhaltenskodex Bischofstum Chur

Die Universität Fribourg sowie die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) evaluierten zwischen 2020 und 2021 die Aktivitäten des Vereins «Qualitätssicherung der Muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen» (QuaMS) in dessen Auftrag.
Die Evaluatorinnen und Evaluatoren kamen zum Schluss, dass der Verein seit seiner Gründung 2017 bereits eine «herausragende Leistung» an den Tag gelegt habe – einerseits im Bezug auf die Entwicklung der Organisation selbst, andererseits in Erfüllung seines Hauptziels, der Bereitstellung und Qualitätssicherung der muslimischen Seelsorge in Zürich. Dabei habe eine zunehmende Anzahl von öffentlichen Institutionen die seelsorgerischen Dienste in Anspruch genommen. Der Verein bietet auch eine telefonische und Online-Seelsorge an, welche ebenfalls rege genutzt werde. Durch die von QuaMS angebotene Weiterbildung im Seelsorgebereich basiere das Angebot des Vereins ausserdem auf einer souveränen fachlichen Kompetenz.
Eine grosse Herausforderung bleibe aber die weitere Finanzierung des Vereins. Dabei zeigte die Studie, dass ohne diesen Verein eine Lücke entstehen würde, welche weder die reformierte, noch die katholische Landeskirche angemessen füllen könne. Die Konsequenz wären eine signifikante Benachteiligung von Musliminnen und Muslimen bei der gesellschaftlichen Teilhabe und eine Diskriminierung im Vergleich zu Christinnen und Christen, welche schweizweit guten Zugang zu einer christlichen Seelsorge haben.

Muslimische Seelsorge in Zürich

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen

2021 bestätigte den Trend der letzten beiden Jahre – so zeigte die APS-Zeitungsanalyse eine rückläufige Berichterstattung rund um die Themen Kultur, Sprache oder religiöse Fragen auf (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Diesbezüglich brachte das Jahr gar einen neuen Tiefstwert seit 2016, wobei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Religionen deutlich an medialer Präsenz eingebüsst hatten.

Wie auch im Jahr zuvor war die Kulturpolitik geprägt von der weltweiten Covid-19-Pandemie. Deren Auswirkungen auf den Kultursektor verdeutlichten etwa erste Zahlen des BFS im Rahmen der Kulturwirtschaftsstatistik für das Jahr 2020: Im Vergleich zu 2019 war die Beschäftigung im Kulturbereich um markante 5 Prozentpunkte gesunken, was in absoluten Zahlen 14'000 Erwerbspersonen entsprach. Vom Rückgang betroffen waren insbesondere Frauen, Personen mit einem Teilzeitpensum oder all jene, die zuvor weniger als 1 Jahr engagiert gewesen waren. Auch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft war der starke Rückgang an Beschäftigten im Kulturbereich beträchtlich. Entsprechend kam es im Parlament zu diversen Vorstössen, mit denen auf die prekäre Situation der Kulturschaffenden reagiert werden sollte. Zwei Vorstösse, welche im Zuge der Pandemie verstärkte Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film und für Buchhandlungen verlangten, fanden im Parlament jedoch keinen Anklang. Hingegen waren sich die Räte darüber einig, dass die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden auch unabhängig von der Pandemie verbessert werden müsse.

Neben diesen explizit auf die Pandemie zurückzuführenden Vorstössen bearbeitete das Parlament 2021 drei grosse Geschäfte im Kulturbereich. So fand die Beratung der Kulturbotschaft für die Jahre 2021-2024 nach langwierigen Diskussionen über das Filmförderungsgesetz durch Annahme des entsprechenden Entwurfs ein Ende. Eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts kam hingegen auch nach fast 5-jährigen Diskussionen noch zu keinem Abschluss. Zudem wurde der Entwurf des Bundesrats zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen beraten, mit dem unter anderem die Angleichung an eine geltende EU-Richtlinie angestrebt wird. Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühlings- und Sommersession mit dem Geschäft, der Ständerat wird sich wohl in der Frühlingssession 2022 damit auseinandersetzen.

Wie so oft prägte der Islam die Debatte in der Religionspolitik. Dieses Jahr lag das Augenmerk vermehrt auf der Rolle von Imamen und auf deren Einfluss auf die Gesellschaft. Die SiK-SR verlangte im März 2021 in einem Postulat, dass die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Die Kommission bezweckte damit eine bessere Kontrolle von Personen, die im Rahmen ihrer religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten». Ein im August 2021 vom Bundesrat publizierter Bericht über Professionalisierungsmöglichkeiten von islamischen religiösen Betreuungspersonen zeigte jedoch auf, dass der Einfluss von Imamen in Bezug auf Radikalisierungstendenzen in der Öffentlichkeit überschätzt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen legte der Bundesrat sodann zwölf Handlungsfelder fest, wobei insbesondere die Einbindung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Seelsorge diverser öffentlicher Institutionen, wie etwa Militär, Spitälern oder Asylzentren, als zentrale Massnahme definiert wurde. Diese soll dazu beitragen, dass islamische Betreuungspersonen besser in die Gesellschaft integriert werden und indirekt eine Professionalisierung erreicht wird.

Ein weiteres umstrittenes Thema stellte nach wie vor die politische Beteiligung der Schweizer Kirchen im Rahmen von Abstimmungskämpfen dar. So zog die nie zuvor dagewesene Beteiligung der Kirchen am im Vorjahr geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative Groll nach sich. Die Jungfreisinnigen hatten Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht, womit sie eine Klärung der Rolle der Kirchen bei Abstimmungen in Form eines Leiturteils erreichen wollten. Gemäss den Medien stufte auch die Bundeskanzlei in einer Stellungnahme an das Bundesgericht das Verhalten der Landeskirchen als «zumindest grenzwertig» ein und erachtete ein Gerichtsurteil diesbezüglich als angezeigt. Das Bundesgericht schrieb die Beschwerde jedoch als gegenstandslos ab, da das Einbringen der Kirche der Initiative nicht zum Erfolg verholfen habe, wodurch das nötige aktuelle Interesse nicht gegeben sei. Diese hitzig geführte politische Debatte widerspiegelte sich auch in der Anzahl an Zeitungsartikeln mit kirchlichem oder religiösem Bezug – Anfang Jahr, auf dem Höhepunkt der entsprechenden Diskussionen – wurde häufiger über das Thema «Kirchen» berichtet als im Rest des Jahres. Gering blieb hingegen das Medienecho, als die beiden grossen Landeskirchen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» ihre Positionen publik machten, zumal sie sich nicht aktiv am Abstimmungskampf beteiligten.

Die Sprachpolitik fand ebenso wie in den letzten Jahren keine grosse mediale Resonanz, legte im Vergleich zum Vorjahr aber leicht zu (vgl. Abbildung 2). Dies ist wohl auf die verstärkt geführte Debatte über eine gendergerechte Sprache zurückzuführen. So startete das Jahr mit einer gesellschaftlichen Debatte über den Entscheid des Dudens, das generische Maskulin aus seinem Nachschlagewerk zu verbannen. Im Sommer kam es zu einer zweiten Runde mit einer breiten Diskussion über das sogenannte Gendersternchen, nachdem die Bundeskanzlei dessen Gebrauch in Bundesdokumenten explizit untersagt hatte.

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Nach den ersten Beratungen des Entwurfs der RK-SR zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) waren zur Differenzbereinigung in der Herbst- und Wintersession 2021 noch zwei Differenzen offen.

Bei der ersten Differenz wollte der Nationalrat neu das Beschwerderecht im Rahmen von Stiftungen gesetzlich regeln und auf Personen ausweiten, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» an der Arbeit des Stiftungsrates haben. Der Ständerat folgte jedoch stillschweigend seiner Kommission, lehnte diesen Punkt ab und hielt somit an der Differenz fest. Der Artikel sei zu undeutlich formuliert, weshalb man eine Beschwerdeflut und somit eine Schwächung des Stiftungsstandorts Schweiz und der Rechtssicherheit fürchte, erklärte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Zudem sei die bereits bestehende Aufsicht über Stiftungen ausreichend und funktioniere gut. Doch auch der Nationalrat hielt in der Wintersession 2021 auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit und gegen eine Minderheit Vogt (svp, ZH) an der Differenz fest: Die Formulierung eines «berechtigte[n] Kontrollinteresse[s]» werde eine Beschwerdeflut verhindern, argumentierte Kommissionssprecherin Judith Bellaïche (glp, ZH). Erfolglos blieb auch eine Minderheit Dandrès (sp, GE), die den Beschwerdeweg noch weiter öffnen und die Bedingung eines «berechtigten Interesses» streichen wollte. In der Folge stimmten beide Räte einem Kompromissvorschlag zu: So hatte eine erfolgreiche Minderheit Sommaruga (sp, GE) im Ständerat vorgeschlagen, das Beschwerderecht begrenzter zu erweitern, als es der Nationalrat ursprünglich vorgesehen hatte. Konkret sollten Spenderinnen und Spender sowie ihnen nahestehende Personen, welche der Nationalrat einschliessen wollte, vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden. Der Ständerat folgte diesem Vorschlag mit 26 zu 17 Stimmen. Der Bundesrat, welcher sich ursprünglich gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte, erachtete diesen Kompromiss ebenfalls als machbare Lösung, wie Karin Keller-Sutter erläuterte. In der Folge stimmte auch der Nationalrat dieser Lösung stillschweigend zu, womit diese erste Differenz bereinigt war. Damit haben nun Begünstigte und Gläubiger einer Stiftung, sowie Stifter und Zustifter, ihnen nahestehende Personen und Stiftungsratsmitglieder ein Beschwerderecht. Dafür muss jedoch ein berechtigtes Kontrollinteresse daran, dass die Stiftung im Sinne des Stiftungszwecks handelt, nachgewiesen werden können.

Eine zweite Differenz hatte der Nationalrat bei der Frage, ob Stiftungen, die ihre Stifungsorgane entsprechend ihrer Aufgaben entlöhnen, steuerbefreit werden können, geschaffen. Die RK-SR wollte auch hier an der ablehnenden Haltung des Ständerats festhalten, da diese Forderung in der Vernehmlassung von 18 Kantonen strikt abgelehnt worden sei, wie Kommissionssprecher Rieder die Mehrheitsposition ausführte. Die Kommission befürchtete etwa, dass Stiftungsgelder so in Löhne statt in den tatsächlichen Stiftungszweck fliessen würden. Der Ständerat folgte stillschweigend seiner Rechtskommission, woraufhin aber auch der Nationalrat an seiner Version festhielt, um eine professionellere Stiftungsführung zu ermöglichen. Zudem gehe es eben um «angemessene» und nicht um «marktkonforme» Löhne, wie der Ständerat befürchtet hatte. Die Argumentation des Ständerates sei widersprüchlich, da er den zweckmässigen Einsatz der Gelder bei den Löhnen fürchte, aber gleichzeitig eine Beschwerdemöglichkeit für solche Fälle verhindern wolle, kritisierte Kommissionssprecherin Bellaïche den Schwesterrat. Nach einem weiteren Festhalten des Ständerats lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf diese Ergänzung, womit auch die letzte Differenz bereinigt werden konnte.

Das Geschäft war damit für die Schlussabstimmungen bereit, welche noch in der Wintersession 2021 stattfanden. Der Nationalrat nahm den Entwurf mit 141 zu 52 Stimmen an, wobei alle ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten. Der Ständerat nahm die Vorlage hingegen einstimmig mit 43 Stimmen an. Damit kamen die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Luginbühl und zu deren Umsetzung nach gut sieben Jahren zu einem Ende.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

In seinem Bericht zu den parlamentarischen Vorstössen im Jahre 2020 (BRG 21.006) beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion Jositsch (sp, ZH) zum Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt. Zu diesem Zweck war 2017 ein Aktionsplan mit 26 Massnahmen erarbeitet, verabschiedet und mit einer Impulsfinanzierung von CHF 5 Mio. unterstützt worden. 2019 war zudem die Verordnung über Massnahmen zur Unterstützung der Sicherheit von Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen (SR 311.039.6) in Kraft getreten. Damit seien die Forderungen der Motion erfüllt worden. Der Ständerat nahm den Antrag des Bundesrates in der Sommersession 2021 kommentarlos an.
Da bloss Abklärungen vorgenommen worden und noch keine konkrete Umsetzung erfolgt sei, beantragte die SiK-NR im Zweitrat hingegen, die Motion zu gegebenem Zeitpunkt nicht abzuschreiben. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und lehnte die Abschreibung ab. In der Differenzbereinigung im Herbst stimmte der Ständerat schliesslich dem Nationalrat zu, womit die Motion noch nicht abgeschrieben wurde.

Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt (Mo. 16.3945)

Der Nationalrat befasste sich sodann in der Herbstsession 2021 mit dem Entwurf der RK-SR zur parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen von 2014. Eintreten sowie die Forderung der vorberatenden RK-NR, dem Ständerat zu folgen und somit nur zwei der acht in der parlamentarischen Initiative vorgeschlagenen Änderungen umzusetzen, waren unbestritten. Damit könnten Stifterinnen und Stifter neu auch Änderungen bezüglich der Organisation ihrer Stiftung beantragen, zudem dürfe die Aufsichtsbehörde selbst sogenannte «unwesentliche Änderungen der Stiftungsurkunde» vornehmen, nachdem sie das oberste Stiftungsorgan angehört habe, wie Kommissionssprecherin Bellaïche (glp, ZH) erklärte. Diese beiden Punkte seien unbestritten gewesen, da sie der Realität gerecht würden und die Stiftungen entlasteten.

Zusätzlich schlug die RK-NR jedoch zwei neue Punkte vor. Einerseits sollten «Personen mit einem berechtigten Kontrollinteresse» Beschwerden bei der Aufsichtsbehörde einreichen können. Derzeitig könne das Beschwerderecht sogar Stifterinnen und Stiftern verwehrt werden, auch wenn die Stiftungsführung nicht rechtskonform handle. Da kein Gegenantrag gestellt wurde, hiess der Nationalrat diese Änderung in der Folge diskussionslos gut.
Mit der zweiten Änderung wollte die Kommissionsmehrheit ermöglichen, dass Stiftungen auch steuerbefreit werden können, wenn sie ihre Stiftungsorgane angemessen entschädigen. Damit solle gemäss Kommissionssprecherin eine Professionalisierung von Stiftungen und somit eine Stärkung des Stiftungsstandorts vorangetrieben werden. Eine Minderheit um Baptiste Hurni (sp, NE) wollte diesen Zusatz streichen, da er unter anderem bereits in der Vernehmlassung stark umstritten gewesen sei. Zudem sei mit der Formulierung einer «angemessene[n] Vergütung» nicht klar, ab wann eine Stiftung noch steuerbefreit werden könne. Kommissionssprecherin Bellaïche hielt dagegen, dass die derzeitige Gesetzgebung je nach Kanton variiere und durch diese Änderung eine grössere Rechtssicherheit geschaffen würde. Der Nationalrat sprach sich mit 121 zu 68 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für die Ergänzung aus. Einzig die Fraktionen der SP und der Grünen sowie die Mitglieder der EVP stimmten für den Minderheitsantrag.

In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf einstimmig mit 188 Stimmen (bei 1 Enthaltung) angenommen. Damit ging das Geschäft mit den zwei neu geschaffenen Differenzen zurück an den Ständerat.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Ende August 2021 trat schliesslich auch die RK-NR auf die parlamentarische Initiative Luginbühl (bdp, BE) zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen ein. Sie beantragte ihrem Rat, den Ständeratsbeschlüssen zu folgen, und nahm darüber hinaus zwei Punkte wieder in die Vorlage auf, welche zuvor von ihrer Schwesterkommission aus dem Entwurf gestrichen worden waren. Zum einen beantragte sie eine klarere gesetzliche Grundlage hinsichtlich beschwerdeberechtigter Personen bei der Aufsichtsbehörde (13 zu 3 Stimmen, 8 Enthaltungen). Dieses Anliegen war bereits im Rahmen der Ständeratsdebatte als Einzelantrag Reichmuth (mitte, SZ) eingebracht worden, jedoch erfolglos geblieben. Zum anderen sprach sich die Kommission für die Steuerbefreiung juristischer Personen mit öffentlichem, gemeinnützigem oder kulturellem Zweck aus, selbst dann, wenn diese ihre Mitarbeitenden finanziell entschädigen (9 zu 8 Stimmen, 6 Enthaltungen). Die Minderheit befürchtete, dass diese Regelung über das Stiftungsrecht hinausgehen könnte und entsprechend in dieser Form auch für andere Arten von Rechtsträgern Gültigkeit erlangen würde. Nichtsdestotrotz sprach sich die Kommission in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen für die Annahme der Vorlage aus.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Nach der Überweisung des von der RK-SR erarbeiteten Erlassentwurfs über die Stärkung der Rahmenbedingungen des Schweizer Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesens an den Bundesrat, zeigte sich dieser wohlwollend mit der ausgearbeiteten Vorlage und beantragte dem Parlament Eintreten und Zustimmung. Lediglich für die Optimierung der Stifterrechte betreffend Organisationsänderungen ermahnte er in seiner Stellungnahme, nicht nur die Eigeninteressen des Stifters, sondern grundsätzlich das bessere Funktionieren der Stiftung im Auge zu behalten.

Dass die parlamentarische Initiative von alt-Ständerat Werner Luginbühl (bdp, BE) kein einfaches Vorhaben sein würde, zeigte sich nicht nur in der Langwierigkeit der Behandlungen – wurde das Geschäft doch bereits 2014 eingereicht –, sondern auch in den einführenden Worten von Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS) zur Sommersession 2021. So habe das Anliegen von Anfang an nicht nur einen «harzigen Verlauf», sondern in beiden Räten auch einen «schweren Stand» gehabt, nicht zuletzt auch, weil die ursprünglichen acht Anpassungspunkte einen gewissen «Sprengstoff» in sich geborgen hätten. Die nun zur Beratung unterbreitete Vorlage sei eine punktuelle Anpassung in zwei der acht Punkte mit bewusstem Verzicht auf das Aufgreifen der verbleibenden sechs und entspreche dem kleinsten gemeinsamen Nenner der beiden Räte. So erhoffe man sich, die Vorlage voran- und schliesslich zu einem konkreten Abschluss bringen zu können. Dies insbesondere auch, um der grossen Bedeutung der Stiftungen für die Schweiz Rechnung zu tragen. So seien beispielsweise nicht etwa – entgegen der landläufigen Meinung – der Bund, die Kantone oder die Gemeinden die bedeutendsten Kulturförderer, sondern unzählige Schweizer Stiftungen, die über ihre finanziellen Zustüpfe den Sektor aufrechterhielten. Im Ständerat schien diese Argumentation zu fruchten, beschloss man doch Eintreten ohne Gegenantrag.
Im Hinblick auf die Detailberatungen war ein Änderungsantrag Reichmuth (mitte, SZ), gemäss Offenlegung seiner Interessenbindung Stiftungspräsident der «Winterhilfe Kanton Schwyz», eingegangen, der die neuerliche Aufnahme des Kontrollinteresses bei der Stiftungsaufsichtsbeschwerde, das im Zuge der Vorbehandlungen aus dem Entwurf gestrichen worden war, forderte. Dieses soll gemäss Reichmuth «den Schutz des Stifterwillens sicherstellen und damit auch die Übereinstimmung der Verwaltung der Stiftung mit dem Gesetz und den Statuten». Die gängige Praxis zeige, dass die Beschwerde als Rechtsmittel in der heutigen Form die rechtskonforme Stiftungsführung nur ungenügend gewährleiste, nicht zuletzt auch, weil die Rechtsprechung zu uneinheitlich und die Beschwerdelegitimation zu restriktiv bzw. einseitig seien. So könne beispielsweise ein Destinatär bedenkenlos eine Stiftungsbeschwerde einreichen, während einem Stifter oder Stiftungsratsmitglied bei einem nicht rechtskonformen Verhalten der Stiftung die Hände gebunden seien. Kommissionssprecher Rieder begründete die Streichung des Artikels mit definitorischen Gründen: Tatsächlich liege ein wesentliches Problem dieses Zusatzes in einer fehlenden Legaldefinition des Begriffs «berechtigtes Kontrollinteresse», was mitunter zu einer Häufung von Beschwerden führen könne, welche die Stiftung selbst als Beschwerdegegenstand fokussieren könnte, womit einer Popularbeschwerde Tür und Tor geöffnet würde. Des Weiteren unterstützte Thomas Hefti (fdp, GL) die Kommissionsposition, indem er argumentierte, dass Stiftungen im Unterschied zu anderen Institutionen bereits von Rechts wegen einer staatlichen bzw. öffentlichen Aufsicht unterstünden und somit auch auf Unregelmässigkeiten kontrolliert würden. Daniel Fässler (mitte, AI) unterstützte das Anliegen, ging aber grundsätzlich nicht davon aus, dass der Antrag durchkommen würde. Daher schlug er zuhanden des Zweitrats vor, konkrete Beispiele für die Legaldefinition anzuführen. Wie die abschliessende Abstimmung zeigte, würde sich Fässler diesbezüglich wohl auf das Einlenken des Nationalrates verlassen müssen, da man sich im Ständerat mit 32 zu 6 Stimmen gegen den Antrag stellte.
Sämtliche anderen Ziffern der Vorlage wurden diskussionslos jeweils gemäss dem Kommissionsantrag angenommen und auch in der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf ohne Gegenstimme mit 39 Stimmen bei einer Enthaltung an.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Mit Blick auf das 50-jährige Bestehen des Frauenstimmrechts forderte Marianne Streiff-Feller (evp, BE) den Bundesrat in einer Motion dazu auf, ein Konzept für ein Frauenmuseum ausarbeiten zu lassen. Schon vor Erlangen des Frauenstimmrechts seien Frauen in der Wirtschaft sowie politisch und kulturell erfolgreich tätig gewesen, ihre Errungenschaften würden aber nicht ausreichend gewürdigt. In der Ausführung dieses Projektes sollen sowohl die vielfältige Geschichte der Frauen als auch die Veränderung der Rollenverständnisse in der Schweiz dargestellt werden. Ebenso sollte ein solches «Haus der Frauen» den Blick in die Zukunft richten und etwa fragen, wohin die Schweiz gehen müsste, um eine vollständig gleichberechtigte Gesellschaft zu werden.
Der Bundesrat anerkannte die Wichtigkeit der Gleichstellung von Frauen und Männern und wies auf verschiedene bestehende oder geplante Ausstellungen zu Schweizer Frauen im Bereich der Kirche und Kultur sowie auf eine anlässlich des nahenden 50-jährigen Bestehens des Frauenstimmrechts geplante Sonderausstellung im Schweizerischen Nationalmuseum hin. Für eine Revision des Museums- und Sammlungsgesetzes, die zur Erfüllung des Anliegens der Motionärin nötig wäre, zeigte er sich indessen nicht bereit.
Anders urteilte der Nationalrat in der Sommersession 2021 nach einem Votum der EVP-Nationalrätin. Diese zeigte sich mit der Antwort des Bundesrates nicht zufrieden. Die in der Stellungnahme erwähnten Projekte würden der Rolle der Frauen in der Kirche nicht gerecht – nicht etwa das Wirken von Frauen in Klöstern werde dadurch sichtbar, sondern lediglich deren Kleider. Gleichzeitig rühmte sie die Ausstellung des Nationalmuseums anlässlich des Frauenstimmrechts-Jubiläums, wollte jedoch nicht einsehen, weshalb die dort gezeigte Geschichte nur temporär als Sonderausstellung sichtbar sein sollte. Mit 94 zu 81 Stimmen (7 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion als Erstrat an. Zum Erfolg verhalfen ihr die geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, GLP und der Grünen sowie eine grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion.

Ein nationales Frauenmuseum für die Geschichte der Frauen in der Schweiz (Mo. 19.3627)

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Im Jahr 2021 verzeichnete der Antisemitismusbericht einen deutlichen Anstieg an antisemitischen Vorfällen. So kam es insgesamt zu 859 gemeldeten oder beobachteten Fällen von Antisemitismus – dies beinhaltete Übergriffe in der realen, aber auch der digitalen Welt, wobei letztere mit 806 Fällen deutlich die Mehrheit bildeten. In der Mehrheit der Fälle – nämlich in 95.5 Prozent der Fälle – handelte es sich um antisemitische Aussagen, die restlichen 4.5 Prozent der Fälle setzten sich aus Beschimpfungen (2.0%), Karikaturen (1.2%), Schmierereien (0.8%), Auftritten (0.3%) und Sachbeschädigungen (0.1%) zusammen. In der Westschweiz kam es gar zu zwei körperlichen Angriffen auf jüdische Menschen, wie der CICAD-Bericht zeigte. Dabei kam es im Jahr 2021 aufgrund von Strafanzeigen durch den SIG und der GRA zu insgesamt sechs Verurteilungen gegen rechtsextreme und antisemitische Personen. Inhaltlich standen antisemitische Verschwörungstheorien (48.4%) und Fälle des allgemeinen Antisemitismus, also die Verbreitung von antisemitischen Stereotypen (38.5%) im Zentrum. Dazu kam noch Israel-bezogener Antisemitismus (8.6%) und Leugnung oder Banalisierung des Holocaust (4.5%).

Gemäss Bericht können jeweils sogenannte «Trigger» ausgemacht werden, die zu einer Häufung von antisemitischen Vorfällen führen. Für das Jahr 2021 hätten etwa Diskussionen um ein Schweizer Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus oder die Eskalation des Israel-Palästina-Konflikts solche Trigger dargestellt und insbesondere zu einem deutlichen Anstieg des Israel-bezogenen Antisemitismus in der Schweiz geführt. Doch der mit Abstand grösste Trigger sei wie bereits im Vorjahr die Covid-19-Pandemie gewesen, die über das ganze Jahr hinweg zu Verschwörungstheorien geführt habe. Jedoch seien die antisemitischen Verschwörungstheorien bei den Schweizer Gegnerinnen und -gegnern der Corona-Massnahmen nach wie vor nicht mehrheitsfähig. Zugenommen hätten zudem die Vergleiche der Massnahmen gegen Covid-19, insbesondere des Covid-Zertifikats, mit dem Holocaust. Obwohl der SIG diesen Vergleich als «absolut abstossend» erachte, fliessen diese Fälle jedoch nicht als Antisemitismusfälle in die Statistiken ein, da sie gemäss der verwendeten IHRA-Antisemitismusdefinition nicht automatisch antisemitisch seien – auch wenn sie wegen einer Verharmlosung des Holocaust und dessen Folgen gefährlich seien.

Der Bericht schloss mit diversen Empfehlungen und identifizierte fünf Handlungsfelder, um einer weiteren Zunahme von Antisemitismus entgegenzuwirken. So solle der Bund etwa für eine bessere Datenlage sorgen oder soziale Medien sollten vermehrt in die Verantwortung gezogen werden, damit antisemitische Aussagen auf ihren Plattformen durch gute Moderation besser erkannt und gelöscht werden könnten. Der SIG führte gemäss Bericht auch eigene Präventionsmassnahmen durch, etwa Schulbegegnungen und Aufklärung rund um das Judentum. Zudem startete 2021 ein Pilotprojekt mit der Schweizer Armee, um für Diversität und Inklusion zu sensibilisieren.

Auch in den Medien wurde der Antisemitismus thematisiert. So berichteten die Medien etwa, dass der SIG Strafanzeige gegen die PNOS eingereicht hatte. Diese hatte in ihrem Parteimagazin Teile der «Protokolle der Weisen von Zion», einer der gemäss SIG am weitesten verbreiteten antisemitischen Hetzschriften weltweit, veröffentlicht. Nachdem im März 2021 antisemitische Aussagen und Symbole an der Synagoge in Biel angebracht worden waren, forderten der SIG sowie Mitglieder des Berner Kantonsrats gemäss Medien, dass der Kanton Bern seine Bemühungen zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft erhöhe. In den vergangenen zwei Jahren habe sich gezeigt, dass die CHF 500'000, welche der Bund für Sicherheitsmassnahmen für bedrohte Minderheiten gesprochen hatte, nicht ausreichten. Das Budget sei in den letzten beiden Jahren jeweils ausgeschöpft worden, wobei nicht alle Anträge hätten genehmigt werden können – für 2022 seien insgesamt Anfragen in der Höhe von CHF 1 Mio. eingegangen.

Antisemitismus 2021

Bereits kurz vor dem Abstimmungssonntag im November 2020 zur Konzernverantwortungsinitiative reichten die Jungfreisinnigen in fünf Kantonen (AG, BE, SG, TG, ZH) eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Landeskirchen und deren aktive Beteiligung am Abstimmungskampf zu Gunsten der Initiative ein. Als die Kantonsregierungen nicht darauf eintraten, da diese Frage auf nationaler Ebene geregelt werde, richtete die Jungpartei ihre Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beschuldigte die Kirchen, gegen Artikel 34 der Bundesverfassung – welcher Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit vorschreibt – verstossen zu haben, und verlangten, dass sich die Religionsgemeinschaften in zukünftigen Abstimmungskämpfen neutral verhalten müssten. In einer Stellungnahme an das Bundesgericht, welche in den Medien teilweise veröffentlicht wurde, teilte die Bundeskanzlei (BK) die Vorwürfe der Jungpartei und stellte fest, dass das Engagement der katholischen und reformierten Landeskirchen im Zuge des Abstimmungskampfes zur KVI «zumindest grenzwertig» gewesen sei, insbesondere da Gegenargumente keinen Eingang in ihre Argumentation gefunden hätten. Die Kirche sei eine öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft, welche einen staatlichen Auftrag wahrnehme. Dafür erhalte sie gewisse Privilegien, wie etwa das Recht, Steuern erheben zu dürfen, was sie dazu verpflichte, sich an Grundrechte wie die Gewährung der Abstimmungsfreiheit zu halten. Inwiefern die Kirchen im Rahmen ihrer Werbung für die KVI gegen diese Vorgaben verstossen hätten, sei zu klären.

Im März 2021 schrieb das Bundesgericht die fünf Stimmrechtsbeschwerden der Jungfreisinnigen als gegenstandslos ab. Das aktuelle Interesse, welches nötig sei, um ein solches Leiturteil zu fällen, sei nicht gegeben, da die Initiative am Ständemehr gescheitert sei. Das Bundesgericht stimmte jedoch zu, dass ein Interesse bestehen könnte, in diesem Feld Klarheit zu schaffen – jedoch sei dies nur möglich, wenn sich die kirchlichen Interventionen im Abstimmungskampf auf das Ergebnis auswirken würden. Während die Jungfreisinnigen das Urteil bedauerten und weiterhin auf ihrer Forderung nach Neutralität der Kirchen bestanden, begrüsste das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung», dem über 700 Kirchgemeinden und Pfarreien angehörten, das Ergebnis. Es sei selbstverständlich, dass sich die Kirche in einer Demokratie zu politischen Fragen äussere und an öffentlichen Debatten teilnehme. Gleichzeitig seien sich die Kirchen auch bewusst, dass eine Aufarbeitung angezeigt sei – eine solche versprachen in der Folge Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sowie Rita Famos, die neue Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

Kirchenposition zur KVI

Die Anfangs August 2020 veröffentlichten Vernehmlassungsergebnisse des RK-SR-Vorentwurfs zur Stärkung der Rahmenbedingungen eines wirksamen und liberalen Schweizer Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesens zeigten, dass die Vorlage nur zögerlich aufgenommen wurde. In den insgesamt 67 eingegangenen Stellungnahmen (26 Kantone, 6 politische Parteien, 32 Organisationen und 4 weitere Teilnehmende) wurden lediglich die Vereinfachung von Änderungen in der Stiftungsurkunde sowie die Optimierung der Stifterrechte betreffend Organisationsänderungen grösstenteils befürwortet. Bei den weiterführenden Änderungen im zivilrechtlichen Bestimmungsbereich der Vorlage waren sich die Teilnehmenden weitestgehend uneinig. So befürworteten zwar zwei Drittel klarere Regelungen der Stiftungsaufsichtsbeschwerde, forderten aber deutliche Verbesserungen bei der Beschwerdelegitimation. Hinsichtlich der Haftungsbeschränkungen für ehrenamtliche Organmitglieder zeigten sich ebenfalls rund zwei Drittel der Stellungnahmen kritisch bzw. negativ, weil es falsch sei, die Haftungsbeschränkung von der Art und Höhe der Entschädigung abhängig zu machen. Bei den Änderungen der steuerrechtlichen Bestimmungen stellten sich insbesondere die Kantone quer. Die angedachten Anpassungen im Sinne einer regelmässigen Publikation von Daten steuerbefreiter Organisationen, der steuerlichen Privilegierung für Nachlasszuwendungen und des Spendenvortrags auf spätere Veranlagungsperioden sowie der Honorierung strategischer Leitungsorgane verstiessen ihrer Ansicht nach gegen zentrale fiskalpolitische und fiskalrechtliche Grundsätze.
Diese Vorbehalte vor Augen entschied sich die Kommission, die Vorlage erheblich zu reduzieren und im Wesentlichen die beiden mehrheitlich befürworteten Änderungen der zivilrechtlichen Bestimmungen weiterzuverfolgen. So nahm die RK-SR an ihrer Sitzung im Februar 2021 den angepassten Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuches und den dazugehörigen Bericht mit 12 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung an und überwies die Vorlage zur Stellungnahme an den Bundesrat und zur Beratung an den Ständerat.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance. Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Im Antisemitismusbericht für das Jahr 2020 verzeichnete der SIG insgesamt 532 klar antisemitische Vorfälle (grenzwertige Fälle: 126). 47 der Vorfälle fanden in der «realen» Welt statt, die restlichen 485 Vorfälle wurden online verzeichnet. Am verbreitetsten waren antisemitische Aussagen (92.3%), Schmierereien (2.8%), Karikaturen (2.4%) und Beschimpfungen (2.3%). Im Vergleich zum Vorjahr nahmen sowohl der Anteil antisemitischer Verschwörungstheorien (2020: 46.7%, 2019: 36.5%) als auch der allgemeine Antisemitismus, welcher die Verbreitung von stereotypischen Bildern über die jüdische Gemeinschaft umfasst (2020: 36.9%, 2019: 29%) und Leugnungen oder Banalisierungen des Holocaust (2020: 4.7%, 2019: 3.5%) zu. Israel-bezogener Antisemitismus wurde dagegen weniger erfasst (2020: 11.7%, 2019: 31.0%), was der SIG darauf zurückführte, dass auf Grund der Covid-19-Pandemie der Fokus in den Medien weniger auf dem Nahostkonflikt gelegen habe.

Da in den sozialen Medien teilweise unter echtem Namen strafrechtliche Aussagen gemacht wurden, reichte der SIG insgesamt fünf Strafanzeigen ein. Einem spezifischen Milieu könnten die Täterinnen und Täter derweil gemäss Bericht nicht zugeteilt werden – von rechts- bis linksextremen Personen, radikalen Tierschützerinnen und -schützern, Islamgläubigen oder eben auch von Personen aus der «Mitte der Gesellschaft» sei es im Netz zu Antisemitismus gekommen.

Genauer untersuchte der SIG die Verschwörungstheorien, von denen während der Covid-19-Pandemie eine Vielzahl entstanden war – wie etwa, dass jüdische Personen das Virus absichtlich in die Welt gesetzt hätten. Jedoch seien diese Meinungen gemäss Bericht innerhalb der Gruppierungen der Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen nicht mehrheitsfähig. Zudem wehrte sich der SIG gegen die Instrumentalisierung und Verharmlosung des Holocaust durch Mitglieder dieser Gruppierungen, als sie beispielsweise Parallelen zwischen den Massnahmen gegen die Pandemie und dem Holocaust zogen.

Neben dem SIG-Bericht veröffentlichte die ZHAW in Zusammenarbeit mit der GRA eine Studie zur Wahrnehmung von Antisemitismus in der Schweiz durch Jüdinnen und Juden. Gemäss der Befragung von 487 Jüdinnen und Juden sei ein Grossteil der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz mit Antisemitismus konfrontiert: 50 Prozent gaben an, in den letzten fünf Jahren Antisemitismus erfahren zu haben, 75 Prozent nahmen Antisemitismus in der Schweiz als ein zunehmendes Problem wahr. Die Studie kam weiter zum Schluss, dass die Angriffe mehrheitlich online stattfinden und Antisemitismus aus der «Mitte der Gesellschaft» komme. Insbesondere streng-orthodoxe Jüdinnen und Juden seien regelmässig Opfer von Angriffen. Diese Angst wirke sich konkret auf das Leben der jüdischen Menschen in der Schweiz aus, indem beispielsweise ein Drittel der Befragten aus Angst vor Übergriffen auf dem Hinweg jüdische Veranstaltungen meiden würden.
Der SIG betonte, dass er von einer grossen Dunkelziffer ausginge, da für den eigenen Bericht beispielsweise nicht das gesamte Internet nach Antisemitismus durchsucht werden könne und nicht alle betroffenen Personen nach einem antisemitischen Angriff eine Anzeige erstatten würden. Die Studie der ZHAW konnte hier etwas Licht auf die Dunkelziffer werfen. So gaben etwa 75 Prozent der Befragten an, dass sie Übergriffe wie Belästigungen oder Beleidigungen vielfach nicht melden würden. Bei Sachbeschädigungen oder physischer Gewalt liege die Meldequote dagegen bei 71.4 Prozent, respektive 63.6 Prozent. Dirk Baier, Leiter der ZHAW-Studie, hielt in der Medienmitteilung zur Studie fest, dass es zentral sei, dass der Bund die Sicherheitssorgen wahrnehme und in einen Dialog mit den jüdischen Gemeinschaften trete, um entsprechende Lösungen für deren Sicherheit zu suchen.

Antisemitismus 2020

«Un nouveau chapitre s'ouvre pour ‹Le Temps›», titelte das französischsprachige Traditionsblatt Anfang November 2020 und vermeldete den Verkauf von «Le Temps» an die Stiftung Aventinus. François Longchamp, Präsident des Stiftungsrates und früherer Genfer Staatsrat (fdp), gab bekannt, das Blatt als unabhängige Qualitätszeitung weiterführen zu wollen. Die Redaktion von «Le Temps» zieht damit zurück nach Genf und somit an den Standort, den sie nach der Übernahme der Aktienanteile von Tamedia durch Ringier im Jahr 2014 Richtung Lausanne verlassen hatte. Ringier kommentierte den Verkauf an die Stiftung damit, dass man künftig auf publizistische Kernprodukte fokussieren wolle. Darüber hinaus sichere ein Verkauf der Zeitung langfristig deren Überleben und den Erhalt von über 100 Arbeitsplätzen. 2017 hatte Ringier bereits das kurz zuvor mit «Le Temps» fusionierte Nachrichtenmagazin «L'Hébdo» aufgegeben; dieses war damals aufgrund anhaltend roter Zahlen eingestellt worden. Die Stiftung Aventinus, Käuferin von «Le Temps», war im Oktober 2019 mit dem Zweck gegründet worden, unabhängige und diversifizierte Qualitätsmedien zu erhalten. Dass eine Tageszeitung von einer Stiftung übernommen wird, ist eine Premiere in der Schweiz.

Le Temps

Der Covid-19 bedingte Entscheid des Bundesrates, die Situation in der Schweiz ab Mitte März 2020 als eine «ausserordentliche Lage» gemäss dem Epidemiengesetz einzustufen, hatte auch zur Folge, dass Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen ab diesem Zeitpunkt verboten worden waren. Nationalrat Addor (svp, VS) störte sich weniger am Verbot selbst, als vielmehr am Umstand, dass die in den Folgewochen angekündigten Lockerungsmassnahmen für beispielsweise Museen, Bibliotheken oder Sporttrainings bereist ab dem 11. Mai greifen würden, religiöse Veranstaltungen aber nicht vor dem 8. Juni wieder durchgeführt werden könnten. Daher wollte er am 6. Mai 2020 den Bundesrat mit der sofortigen Aufhebung des Verbotes von Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen beauftragen. Für gläubige Schweizerinnen und Schweizer sei das Praktizieren ihrer Religion ein wesentlicher Lebensbestandteil; für Katholikinnen und Katholiken gar eine Pflicht. Das Festhalten an diesem Verbot – gerade über die bevorstehenden grossen christlichen Festtage wie Auffahrt und Pfingsten – werde als ein unverhältnismässiger Angriff auf die Religionsfreiheit und eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Aktivitäten wahrgenommen.
Der Bundesrat beantragte am 1. Juli die Motion mit einer einfachen Begründung zur Ablehnung: Am 20. Mai habe sich der Bundesrat aufgrund der positiven Entwicklung der epidemiologischen Lage dann doch entschieden gehabt, die ursprünglich für den Juni vorgesehene Verbotsaufhebung auf den 28. Mai vorzuverlegen. So gesehen dürften Religionsgemeinschaften seit über einem Monat wieder Zusammenkünfte abhalten, womit das Anliegen des Motionärs bereits erfüllt sei. In der Folge zog Addor seinen Vorstoss ziemlich genau zwei Monate nach Einreichung bereits wieder zurück.

Die Freiheit, Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen durchzuführen, sofort wiederherstellen (Mo. 20.3332)

Mitte Januar 2020 verkündeten diverse Medien, dass Dr. h.c. Heinrich Weiss, Gründer des Museums für Musikautomaten, am 9. Januar 2020 in seinem 100. Lebensjahr verstorben war.
Bereits in den 1960er-Jahren hatte Heinrich Weiss – auch bekannt als der Erfinder des Barcodes – mit dem Sammeln von Schweizer Musikdosen und anderen mechanischen Musikinstrumenten begonnen und 1979 gar eigens hierfür ein privates Museum in Seewen (SO) eröffnet, das rasch weit über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangte. Zur langfristigen Sicherung der Sammlung und des Museums gründete er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen 1981 die «Dr. h.c. H. Weiss-Stauffacher-Stiftung».
Ab dem 1. Juli 1990 wurde das Museum für Musikautomaten als ein Museum des Bundes geführt, da es durch eine Schenkung, die mit der Annahme eines Bundesratsbeschlusses bestätigt worden war, an die Schweizerische Eidgenossenschaft überging. In den frühen 1990er-Jahren leitete Weiss die Einrichtung noch selbst und zeigte sich für die Realisierung eines im Frühjahr 2000 von Bundesrätin Ruth Dreifuss eingeweihten Erweiterungsbaus verantwortlich.
Das Bundesamt für Kultur (BAK) führte in einer Mitteilung an, dass das Museum für Musikautomaten heute dem BAK angegliedert sei und ergänzend weiterhin den Zusatz «Sammlung Dr. h.c. Heinrich Weiss» in seinem Namen trage.

Heinrich Weiss - Gründer des Museums für Musikautomaten verstorben

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) wurde mit dem Inkrafttreten seiner neuen Verfassung per 1. Januar 2020 zu «Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz» (EKS) umbenannt und damit «vom Kirchenbund zur Kirche» umfunktioniert, wie die EKS in der entsprechenden Medienmitteilung erklärte. Die EKS sei dadurch aber nicht als «Super-Kirche», sondern nach wie vor als Kirchengemeinschaft zu verstehen. Durch die vorgenommenen Änderungen solle dem Protestantismus eine starke gemeinsame Stimme verliehen werden.

Evangelischer Kirchenbund

Nachdem der Ständerat in der Herbstsession 2019 der Ausarbeitung einer Vorlage zur parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) eine zweijährige Fristverlängerung gewährt hatte, schickte die RK-SR Ende November 2019 den Vorentwurf zur Stärkung der Rahmenbedingungen eines wirksamen und liberalen Schweizer Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesens in die Vernehmlassung. Um die weltweite Bedeutung und die günstigen Bedingungen des Schweizer Stiftungsrechts aufrechterhalten zu können, bedürfe es vereinzelter Korrekturen, die mit den acht vorgeschlagenen Massnahmen der parlamentarischen Initiative angegangen werden könnten und daher auch in dieser Form in die Kommissionsvorlage aufgenommen worden seien, so der entsprechende Kommissionsbericht. Die Massnahmen orientierten sich an realen Bedürfnissen und seien sowohl angemessen als auch verwertbar und setzten sich u.a. mit der Aufsicht und der Haftung von Stiftungsratsmitgliedern auseinander, ohne dabei eine Einschränkung der bewährten Rechtsgrundlagen zu provozieren oder mit internationalen Verpflichtungen sowie europäischem Recht zu kollidieren.
Das zentrale Element der Vorlage stellen die vorgeschlagenen Steueranreize dar, wobei die Kommission in ihrem Vorentwurf mehrere Varianten in Betracht zog, mit denen die steuerliche Bevorzugung von Zuwendungen aus Nachlässen und die Spendenvorträge auf spätere Veranlagungsperioden ermöglicht werden sollen. Die Hauptvariante ermöglicht einen Spendenabzug für die zwei folgenden Steuerperioden, während die Variante 1 keine zeitliche Begrenzung vorsieht. Die Variante 2 sieht weder für einmalig erhöhte Abzüge noch für einen Spendenvortrag Regularien vor. Diese Erneuerungen hätten zwar naturgemäss sowohl für den Bund als auch für die Kantone Mindereinnahmen zur Folge, die Kommission ging aber davon aus, dass die positiven gesellschaftlichen Effekte, die aus den Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke entstehen, diese Mindereinnahmen weit überkompensieren würden. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 13. März 2020.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Ohne weitere Umschweife wurde der parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE), mit der die Stärkung der Rahmenbedingungen eines wirksamen und liberalen Schweizer Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesens angestrebt wird, in der Herbstsession 2019 vom Ständerat eine Fristverlängerung von 2 Jahren bis 2021 gewährt.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Im Sommer 2019 verlagerte eine am Institut für Religionsrecht der Universität Freiburg verfasste Studie den religionspolitischen Fokus vom nationalen auf die kantonalen Parlamente. Max Ammann und Prof. René Pahud de Mortanges untersuchten für den Zeitraum von 2010 bis 2018 eingereichte Vorstösse zu religionspolitischen Themen in 15 repräsentativ ausgewählten Kantonen.
Insgesamt konnten die Autoren 140 parlamentarische Vorstösse ausfindig machen (Höchstwert: 20 im Kt. Bern; Tiefstwert: 0 im Kt. Graubünden), die insgesamt 16 verschiedenen Parteien zugeordnet werden konnten. Über zwei Drittel der eingereichten Vorstösse kamen von den vier Bundesratsparteien SVP, SP, FDP und CVP, wobei die SVP mit 48 Vorstössen – also rund einem Drittel aller Vorstösse – mit Abstand die aktivste Partei war und selbst die beiden zweitklassierten Parteien SP und CVP (je 20 Vorstösse) zusammengenommen noch übertraf. Hinsichtlich der Religionsgemeinschaften fokussierten die Vorstösse in erster Linie den Islam (ca. 60%) und das Christentum (ca. 30%), während das Judentum den Autoren zufolge in der kantonalen Politik praktisch inexistent sei. Mit 33 von insgesamt 81 islamspezifischen Vorstössen (CVP 9; FDP und SP je 6) und zehn von insgesamt 42 Einreichungen zum Christentum (SP 7; FDP 5; CVP 3) dominierte die SVP die Religionsdebatte nachweislich, wobei sie in der Islamdebatte einen deutlich grössen Unterschied zu den anderen Parteien aufwies, was gemäss den Studienverantwortlichen durchaus ihrem Parteiprogramm entspreche.
Innerhalb der Vorstösse, die das Christentum betrafen, benannten die Forscher die Kirchenfinanzierung und die Kirchensteuern, die religiöse Neutralität, kirchliche Feiertage und den Religionsunterricht als Kernthemen. Lediglich in einzelnen Kantonen zur Diskussion standen hingegen Themen wie Kirchenglocken, Freikirchen oder die Aberkennung des öffentlich-rechtlichen Status der römisch-katholischen Kirche. Letzteres Anliegen sei gemäss den Autoren der einzige Vorstoss gewesen, der offen die Privilegien einer christlichen Kirche angreife. Zusammenfassend zeige die Analyse auf, dass den christlichen Kirchen zunehmend ein «säkularer Wind» seitens der Politik entgegenwehe und ihre rechtliche und gesellschaftliche Stellung mit den eingereichten Vorstössen meistens unter Druck gesetzt werde.
Dennoch stelle der Islam in der politischen Arena noch immer die umstrittenste Religionsgemeinschaft dar, obwohl die Musliminnen und Muslime lediglich fünf Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung ausmachten und zudem eine sehr disperse Gemeinschaft seien. Die mit dem Islam verknüpften Schlüsselthemen fokussierten Vermummungsverbote und Kleidervorschriften, die öffentliche Anerkennung, islamische Institutionen im Allgemeinen, die Wertedebatte – insbesondere hinsichtlich der Scharia – sowie die Radikalisierungs- und Terrorgefahr. Ammann und Pahud de Mortanges kamen zum Schluss, dass ein Grossteil der eingereichten Vorstösse sehr islamkritisch gewesen sei und dass die Legislativmitglieder offensichtlich grosse Vorbehalte gegenüber der – in der Schweiz – vergleichsweise neuen Religion und ihrer Anhängerschaft hätten. Die Debatte finde hierbei auf den zwei Ebenen der institutionellen und der gesellschaftlich-kulturellen Einbindung statt.
Hinsichtlich der möglichen Auswirkungen religionspolitischer Vorstösse auf das Religionsverfassungsrecht werden gemäss der Autorenschaft zwei politische Agenden ersichtlich: Zum einen übe ein offensiver politischer Ansatz Druck auf die anerkannten Kirchen aus und tendiere somit zu einem Abbau ihrer institutionellen Privilegien, was sich früher oder später auf ihren rechtlichen Status auswirken könne. Zum anderen bestehe gerade gegenüber neueren, nicht-christlichen Religionsgemeinschaften und besonders dem Islam ein tendenziell defensiverer und auf Erhalt bedachter politischer Ansatz, obwohl die Politik aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben möglichst zu einer Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften angehalten wäre. Allerdings sei der Wille hierzu und die damit einhergehende Einräumung ähnlicher Privilegien und Rechte, wie sie den christlichen Volkskirchen zugesprochen werden, gegenwärtig nur wenig ersichtlich.

Rolle der SVP in der Religionsdebatte

Im Sommer 2019 gingen die Frauen in der Schweiz auf die Strasse, um ihr Recht auf Gleichstellung einzufordern. So auch die Kirchenfrauen, die einem Aufruf des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) gefolgt waren und sich im Juni den Massen am Frauenstreik anschlossen. Bereits im Frühjahr hatte Vroni Peterhans, Vizepräsidentin der rund 130'000 Frauen vertretenden Organisation gegenüber den Medien verlauten lassen, dass die Kirchenfrauen Präsenz markieren werden. Pinke Punkte mit der Aufschrift «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.», selbstgebastelte pinke Mitren und insbesondere pinke Stiefel sollten symbolisch aufzeigen, dass «die Kirchenfrauen aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten wollen [...], einem Sumpf von sexuellem Missbrauch und Ungleichbehandlung der Geschlechter», wie Peterhans vom St. Galler Tagblatt zitiert wurde. Unterstützung erhielt der SKF unter anderem von der «IG feministische Theologinnen der Schweiz und Liechtensteins» und den Evangelischen Frauen der Schweiz (EFS).
Peterhans zeigte sich insbesondere von der Reformunfähigkeit und der von der Männerdominanz geprägten Hierarchie der Kirche enttäuscht. Daher fordere man in erster Linie eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die sich in der Öffnung sämtlicher Ämter für die Frauen, mehr Mitbestimmung und weniger Hierarchie zeige. EFS-Präsidentin Dorothea Forster teilte diese Anliegen und begründete die Solidaritätsbekundungen der evangelischen Frauen darin, dass auch die Frauen in den protestantischen Leitungsgremien untervertreten seien, obwohl sie das Pfarramt bereits seit 50 Jahren ausüben dürften. Auch die Luzerner Theologin Jacqueline Keune kritisierte in der NZZ, dass Frauen alleine aufgrund ihres Geschlechtes abgewertet und ausgeschlossen würden. Gerade progressivere Frauen sähen – als einen möglichen Weg mit dieser fortlaufenden Kränkung umzugehen –, lediglich noch den Austritt aus der Kirche, was aber kaum zweckdienlich sein könne, da man so erst recht den Verfechtern eines konservativen Kirchenbildes die Deutungshoheit überliesse. Peterhans erläuterte, dass die Frauen die Kirche trotz ihrer Fehler gern hätten, da sie ihnen eine emotionale Heimat biete, gerade deshalb wollten sie sich am Streik beteiligen.
So werden sich die Kirchenfrauen zum einen am Streik selbst beteiligen, zum anderen aber auch am darauf folgenden Wochenende vor und in den Kirchen auf sich aufmerksam machen. Ginge es nach Peterhans, würden die Frauen gar einen Monat lang streiken, um aufzuzeigen, wie wichtig sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes sind und wie viel unbezahlte Arbeit sie in den Gemeinden leisten. So sei die Zahl der Pastoralassistentinnen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aber obwohl sie die gleiche Ausbildung absolvierten wie die Priester, hätten sie immer noch weniger Befugnisse als diese. So dürften sie beispielsweise die Gottesdienste gestalten, Kinder taufen und Ehen schliessen, nicht aber alle Sakramente – wie die Eucharistie, die Beichte oder die Krankensalbung – spenden. Man wolle niemanden verletzen oder Unschuldige bestrafen, aber dort wo es möglich sei, sollen die Frauen streiken. Im Weiteren wolle man das Anliegen auch bei den Schweizer Bischöfen deponieren, da die Reformbestrebungen schliesslich auch darauf abzielen würden, dass Frauen zu Diakoninnen, Priesterinnen und Bischöfinnen geweiht werden könnten. Um dieses Ziel erreichen zu können, müsse man zunächst menschen- aber auch männerfreundliche Strukturen – beispielsweise die Abschaffung des Pflichtzölibats – schaffen, damit die bestehenden Machtstrukturen aufgebrochen würden, denn aus der Politik und der Wirtschaft wisse man, dass eine formale Gleichstellung alleine nicht ausreiche. Gemäss der Aargauer Zeitung gebe es erste Anzeichen dafür, dass diese Anliegen auch von den Männern unterstützt werden. So begrüsse es etwa Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SKB), wenn der Papst grünes Licht für die Weihe von Diakoninnen geben würde, da diese die Vorstufe des Priesteramtes darstellt. Dem medialen Echo zufolge komme dies aber für den Papst auch weiterhin nicht in Frage.
Zwei Tage nach dem Grossereignis zeigten sich die Organisatorinnen äusserst erfreut oder gar überwältigt von ihrem Erfolg. In seiner Medienmitteilung verkündete der Frauenbund, dass unzählige Kirchenfrauen und -männer dem Aufruf gefolgt und am Frauenstreik für die Anliegen eingetreten seien. Zudem habe der Streik auch im Wesentlichen dazu beigetragen, dass man sich sowohl innerhalb der Schweiz, als auch über die Landesgrenzen hinweg stark habe vernetzen können. Im Weiteren habe die Schweizer Bischofskonferenz Gesprächsbereitschaft bekundet und bereits einen Gesprächstermin festgelegt. Wie die Basellandschaftliche Zeitung Anfang August aber berichtete, sei das Gespräch für die Kirchenfrauen nicht nur positiv verlaufen. Auch wenn Hansruedi Huber, Medienverantwortlicher des Bistums Basel, angab, dass das Gespräch mit Bischof Gmür das gegenseitige Verständnis gefördert habe, fiel das Urteil von Elke Kreiselmeyer, Leiterin der katholischen Pfarrei St.Stephan Therwil/Biel-Benken, eher nüchtern aus: «Ein Erfolg war das für uns Frauen nicht», zitierte die Zeitung. Das Bistum habe zugesichert, dass man den Fokus neu auf kulturelle Veränderungen legen und entsprechend gezielte Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Gleichstellung fördern wolle. Zudem würden die Berufsbezeichnungen dahingehend angepasst, dass der Zusatz «Laie» und «Assistent» gestrichen werden, damit die Unterscheidung von Geistlichen und Theologen entfalle. Auch wolle man die Frage des Zölibats auf nationaler Ebene besprechen, da sich das Bistum sowohl verheiratete Priester als auch Frauen am Altar vorstellen könne. Für Kreiselmeyer aber wäre es tatsächlich dann ein echter Erfolg gewesen, wenn die Kirche anerkannt hätte, dass Frauen das Recht haben, ihre Rolle zu definieren und der wissenschaftliche Nachweis, dass die Situation der Frauen kein biblisches Fundament habe, auch anerkannt worden wäre. Dennoch sei das Gespräch nicht gänzlich wirkungslos gewesen, zumal man mit Felix Gmür jemanden habe, der zuhöre und grundsätzlich immer zu Gesprächen bereit sei. Es gebe aber weiterhin noch viel zu tun.

Kirchenfrauen am Frauenstreik