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In der Herbstsession 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes auseinander. Dabei wurden zwar auch einzelne neue Bestimmungen diskutiert, hauptsächlich stand aber die Gültigkeitsdauer des Covid-19-Gesetzes insgesamt sowie einzelner Regelungen im Mittelpunkt des Interesses.
Eine Minderheit Glarner (svp, AG) wehrte sich gegen Eintreten. Der Minderheitensprecher kritisierte ausführlich die bisherigen Corona-Massnahmen, insbesondere die Zertifikatspflicht, und beschuldigte Bundesrat und Parlament unter anderem, «Tausende Existenzen vernichtet» zu haben. Neben dieser «Drangsalierung der Bevölkerung und der Wirtschaft» kritisierte er etwa auch den Einfluss, den die WHO auf die Gesetzgebung des Bundes nehme. Da man inzwischen «nicht einmal mehr ganz so sicher [sei], ob es sich im Sinne der WHO wirklich um eine echte Pandemie gehandelt» habe, solle der Nationalrat nicht auf die Gesetzesänderung eintreten. Dieser Antrag fand jedoch nur bei einer Mehrheit der SVP-Fraktion Zustimmung und wurde mit 130 zu 43 (bei 3 Enthaltungen) abgelehnt. Die Sprechenden der übrigen Fraktionen wiesen darauf hin, dass man nicht wisse, wie sich die Covid-19-Pandemie in Zukunft entwickeln werde, und man daher mit einer Verlängerung des Gesetzes sicherstellen wolle, dass man auch in den nächsten zwei Wintern noch über die nötigen Instrumente zur Bekämpfung der Pandemie verfüge. Bundesrat Berset verwies darauf, dass man sich zur Zeit in einer Übergangsphase befinde, die Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit erfordere – wofür verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes wichtig seien. Dabei schlug die Regierung vor, nur einen Teil der bisherigen Massnahmen zu verlängern, nicht aber die meisten Unterstützungsmassnahmen. Abschliessend liess es sich der Gesundheitsminister ob der Vorwürfe des Minderheitensprechers nicht nehmen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass keine dieser Regelungen etwas mit der WHO zu tun hätten.

Bei der Detailberatung standen nicht nur die Fragen zur Verlängerung von Massnahmen an, der Bundesrat beabsichtigte auch, die Kantone stärker in die Verantwortung zu nehmen. So sollten diese zukünftig ab 2023 für die Organisation der Covid-19-Tests verantwortlich sein: Sie sollten das Angebot gewährleisten und die Kosten übernehmen. Nach der Rückkehr in die normale Lage gemäss Epidemiengesetz könne der Bund die entsprechenden Kosten nicht mehr ewig übernehmen, stattdessen müssten die Kantone ihre Verantwortung wieder wahrnehmen, forderte der Gesundheitsminister und mit ihm eine Minderheit Aeschi (svp, ZG). Die Kommissionsmehrheit wollte die Organisation der Tests jedoch weiterhin beim Bund belassen, um einen «Flickenteppich von verschiedenen Massnahmen» zu verhindern, wie es Kommissionssprecher Hess (mitte, BE) formulierte. Mit 136 zu 55 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit, die SVP-Fraktion und eine Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion stimmten dem Bundesrat zu.
Stattdessen schlug die Kommissionsmehrheit eine andere Neuregelung hinsichtlich kantonaler Belange vor. So habe man im Dezember 2021 bereits die Finanzierung der Vorhalteleistungen durch die Kantone – also die Bereitstellung der Spitalkapazitäten – geregelt, nun müsse der Bund auch bezüglich der Finanzierung der Vorhalteleistungen bei ausserkantonalen Patientinnen und Patienten Regeln schaffen. Eine Minderheit Hess, vertreten durch Ruth Humbel (mitte, AG), befürchtete jedoch, dass solche Bundesregelungen Forderungen nach Abgeltung durch den Bund nach sich ziehen würden, und empfahl diese zur Ablehnung. Mit 112 zu 78 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit, einzig die SVP- und eine Mehrheit der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Minderheitsantrag aus.

Abändern wollte der Bundesrat auch die Massnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Arbeitnehmender. Hier wollte die Regierung die Pflicht zur Lohnfortzahlung, falls behördliche Massnahmen keine Weiterarbeit erlaubten, durch eine Pflicht, den Betroffenen Homeoffice oder gleichwertige Ersatzarbeit anzubieten, ersetzen. Eine Minderheit Flavia Wasserfallen (sp, BE) beantragte die Beibehaltung der bisherigen Formulierung. «Wenn der Bund Massnahmen anordnet, muss auch Erwerbsersatz an die Arbeitgebenden ausbezahlt werden», betonte die Minderheitensprecherin. Mit 109 zu 81 Stimmen folgte der Nationalrat der Regierung, die Minderheitsposition unterstützten die Fraktionen der SP, GLP und Grünen.
Zudem wollte der Bundesrat die Regelungen zum Proximity Tracing im Epidemiengesetz durch Regelungen zu einem sogenannten Presence-Tracing ergänzen. Damit sollten Teilnehmende von Veranstaltungen freiwillig «ihre Anwesenheit ohne Angabe von Personendaten» erfassen können. Eine Minderheit Glarner wollte die Regelungen zum Proximity und Presence Tracing streichen, da Ersteres «ein Riesenflop» gewesen sei. Besonders energisch kritisierte der Minderheitensprecher überdies eine bereits bestehende Regelung, wonach der Bundesrat völkerrechtliche Vereinbarungen unter anderem zur «Harmonisierung der Massnahmen zur Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten» eingehen könne. Dadurch würde die Schweiz «gezwungen sein, Massnahmen des Auslands zu übernehmen». Mit 141 zu 50 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit. Eine Mehrheit der SVP-Fraktion sprach sich für den Minderheitenantrag aus.

In der Folge diskutierte der Nationalrat über die Verlängerungen des Gesetzes und einzelner Massnahmen. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Geltungsdauer des Gesetzes vom 31. Dezember 2022 auf den 30. Juni 2024 zu verlängern, um die Instrumente gegen die Pandemie für die nächsten zwei Winter zu sichern. Diesbezüglich lagen zwei Minderheitsanträge vor, wobei eine Minderheit I Glarner das Gesetz bis Ende März 2023, eine Minderheit II Dobler (fdp, SG) bis Ende Juni 2023 in Kraft belassen wollte. Eine allfällige Ausbreitung der Krankheit sei spätestens im Frühling vorbei, weshalb das Gesetz maximal bis Ende März 2023 verlängert werden solle – wenn überhaupt –, forderte Andreas Glarner. Auch Marcel Dobler wollte das Gesetz «nur so lange wie nötig verlängern und nicht auf Vorrat», bei einem Ende im März 2023 müsste über eine allfällige Verlängerung aber genau während der Grippesaison beraten werden, gab er zu Bedenken. Kommissionssprecher Lorenz Hess warnte vor weiteren «Hauruckübungen» bei einem frühzeitigen Auslaufen des Gesetzes. Mit einer Verlängerung bis 2024 sei man «für den Fall eines Falles bereit». Die Mehrheit setzte sich gegen die Minderheit Glarner durch (mit 109 zu 75 Stimmen bei 3 Enthaltungen), die zuvor der Minderheit Dobler vorgezogen worden war. Der Minderheitsposition von Andreas Glarner folgten Mehrheiten der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion und ein Mitglied der Mitte-Fraktion.

Eine Mehrheit der SPK-NR hatte zudem einen Antrag zur fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes eingereicht. Sie wollte die Regelung zur Stimmabgabe in Abwesenheit bei Quarantäne oder Isolation ebenfalls bis Ende Juni 2024 verlängern, was der Bundesrat nicht vorgesehen hatte. Falls erneut eine Pflicht zur Quarantäne und Isolation ausgerufen würde, sollten die Nationalratsmitglieder in der Lage sein, wenn nötig digital abzustimmen. Eine Minderheit Buffat (svp, VD) der SPK-NR sprach sich jedoch gegen diese Verlängerung aus. Mit 142 zu 49 Stimmen folgte der Nationalrat gegen den Willen der SVP-Fraktion der Kommissionsmehrheit. Darüber hinaus verlängerte der Nationalrat mit 141 zu 48 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) entgegen einer Minderheit Aeschi die Regelung zum Covid-19-Zertifikat, lehnte aber mit 125 zu 66 Stimmen einen Minderheitsantrag von Flavia Wasserfallen ab, wonach zusätzlich auch die Massnahmen bezüglich EO, ALV, KAE sowie Kultur- und Härtefallhilfen bis Ende Juni 2024 gültig bleiben sollten.

Schliesslich entschied sich der Nationalrat mit 140 zu 48 Stimmen, das Gesetz erneut dringlich zu erklären, und sprach sich damit gegen einen Minderheitsantrag Aeschi aus. Nach drei Jahren «im ausserordentlichen Modus» und einen Tag nach einer weiteren Dringlicherklärung eines Gesetzes solle man zu einer «durchdachten Gesetzgebung» zurückkehren, hatte Thomas Aeschi vergeblich argumentiert. Gesundheitsminister Berset plädierte jedoch dafür, die Regelungen ohne Unterbruch ab dem 1. Januar 2023 zu verlängern. Mit 140 zu 47 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Nationalrat den Entwurf der fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes in der Gesamtabstimmung an. Eine Mehrheit der SVP-Fraktion sprach sich für Ablehnung aus.

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Frühjahrssession 2022 debattierte der Nationalrat über die Vorlage seiner SPK-NR, mit der die Handlungsfähigkeit des Parlamentes in Krisensituationen verbessert werden sollte und die zahlreiche entsprechende Vorstösse aufnahm. Kommissionssprecher Gregor Rutz (svp, ZH) erinnerte an die Ursprünge ebendieser Vorstösse: Die Corona-Pandemie habe nicht nur zum abrupten Abbruch einer Session, sondern auch zur Handlungsunfähigkeit des Parlaments geführt. Die Tätigkeit der Kommissionen sei eingeschränkt, die Organisation einer ausserordentliche Session sei schwierig gewesen und das Parlament habe eine gewisse Ohnmacht gegenüber den Notverordnungen des Bundesrats verspürt. Um für zukünftige Krisen gewappnet zu sein, sei eine Subkommission mit der Ausarbeitung einer Vorlage betraut worden. Diese sei sich jedoch einig gewesen, dass die bestehenden rechtlichen Instrumente dem Parlament eigentlich auch in Krisenzeiten genügend Handlungsspielraum verschaffen würden. Allerdings seien die Strukturen teilweise träge und es fehle an Ressourcen. Hier setzte die Vorlage an, die in drei Blöcken behandelt wurde. Der erste Block zielte auf Vereinfachungen der Organisation von Sessionen und Kommissionssitzungen und insbesondere auch auf die Ermöglichung von hybriden Sitzungen ab; der zweite Block sah die Bildung einer schlagkräftigeren Verwaltungskommission anstelle der bisherigen Verwaltungsdelegation vor und im dritten Block waren Vorschläge für effizientere parlamentarische Instrumente vorgesehen. Eintreten war unbestritten.

Konkret schlug die SPK-NR im ersten Block neue Regelungen für die Einberufung von ausserordentlichen Sessionen vor. Bisher konnte ein Viertel der Mitglieder eines Rats oder der Bundesrat solche ausserplanmässigen Sitzungen einberufen. Neu soll dies auch eine parlamentarische Kommission dürfen, wenn sie dringenden Handlungsbedarf sieht. Eine ausserordentliche Session soll darüber hinaus auch verlangt werden können, wenn der Bundesrat Notverordnungen erlässt, die sich direkt auf die Verfassung stützen. In ausserordentlichen Situationen, in denen die physische Präsenz von Parlamentsmitgliedern verunmöglicht wird – gemeint waren neben Pandemien etwa auch Naturkatastrophen in bestimmten Regionen, höhere Gewalt oder behördliche Anordnungen in Form von Quarantäne –, kann die Ratsmehrheit die Möglichkeit einer virtuellen Teilnahme an den Ratsdebatten beschliessen. Explizit ausgeschlossen wurde eine virtuelle Teilnahme während des Normalbetriebs. Vorgeschlagen wurde des Weiteren, dass eine aufgrund einer Krisensituation nötige Änderung des Tagungsortes neu keinen Parlamentsbeschluss mehr benötigt, sondern von einer Koordinationskonferenz bestimmt werden kann. Ebenfalls in Block 1 wurden die Zusammenkünfte der Kommissionen in Krisenzeiten neu geregelt: In dringlichen Fällen soll neu eine ausserordentliche Kommissionssitzung mittels eines Mehrheitsbeschlusses im Zirkularverfahren beschlossen werden können. Eine virtuelle Sitzung soll dann ermöglicht werden, wenn das Kommissionspräsidium und die Kommissionsmehrheit einer solchen zustimmen. Hybride Sitzungen, also die virtuelle Teilnahme einzelner Mitglieder, sind aber nur dann vorzusehen, wenn eine Stellvertretung rechtlich nicht möglich ist.
Die Minderheitenvorschläge gegen einzelne Teile dieser Vorschläge in Block 1 wurden allesamt abgelehnt. So verlangte etwa Pirmin Schwander (svp, SZ) die ausdrückliche Nennung des Parlamentsgebäudes in Bern als normalen Tagungsort, Samira Marti (sp, BL) wollte die Anzahl zur Einberufung einer ausserordentlichen Kommissionssitzung nötiger Personen auf ein Drittel der Kommissionsmitglieder senken und verschiedene Minderheiten wollten die Möglichkeit virtueller Teilnahmen an Kommissionssitzungen entweder ganz streichen (Minderheit Addor, svp, VS) oder ausweiten (Minderheit Cottier, fdp, NE).

Auch im zweiten Block wurden sämtliche Minderheitsanträge abgelehnt. Dass eine neue, eigenständige Verwaltungskommission anstelle der bisherigen Verwaltungsdelegation geschaffen werden soll, war freilich unbestritten. Die Anträge der Minderheiten zielten vielmehr auf deren Zusammensetzung ab. Die bisherige Verwaltungsdelegation setzt sich aus den je sechs Mitgliedern der Ratspräsidien beider Räte zusammen. Neu sollten lediglich noch die beiden Ratspräsidentinnen oder -präsidenten und je vier erfahrene Mitglieder beider Kammern, welche für vier Jahre in die Verwaltungskommission gewählt werden, in der zu schaffenden Kommission Einsitz nehmen. Weil damit auch eine Entflechtung mit den Büros angestrebt wird, sollten Mitglieder des Büros, also vor allem die Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten, nicht gleichzeitig in der Verwaltungskommission sitzen dürfen. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) bekämpfte diesen Passus erfolglos und eine Minderheit Moret (fdp, VD) wollte auch die Vizepräsidentinnen oder -präsidenten der beiden Räte in die Kommission aufnehmen – ebenso ohne Erfolg. Aufgabe der Verwaltungskommission soll auch die Oberaufsicht über die Parlamentsverwaltung sein, konkret also die Bestimmung der Kommissionssekretäre und des Generalsekretärs der Bundesversammlung. Ein Minderheitsantrag Pfister wollte die Wahl der Generalsekretärin oder des Generalsekretärs neu der Bundesversammlung übertragen, was von der Mehrheit aber wohl aus Angst vor einer «Verpolitisierung des Amtes», wie Kommissionssprecher Gregor Rutz (svp, ZH) warnte, ebenfalls abgelehnt wurde.

Der dritte Block zielte auf Effizienzsteigerungen bei der Nutzung parlamentarischer Instrumente ab. Damit von Kommissionen verfasste dringliche Bundesgesetze oder Notverordnungen von der Bundesversammlung rasch behandelt werden könnten, brauche es kürzere Fristen für die Stellungnahme des Bundesrats – so der Vorschlag der SPK-NR. Diese sollen in Krisenzeiten spätestens in der nächsten ordentlichen oder ausserordentlichen Session vorliegen. Neu sollen zudem zwei gleichlautende eingereichte Kommissionsmotionen den Bundesrat im Normalbetrieb dazu verpflichten, bis zur nächsten anstehenden Session eine Stellungnahme zu verfassen. Eine Minderheit Binder-Keller (mitte, AG) und der Bundesrat wehrten sich erfolglos gegen dieses Ansinnen. Da eine Stellungnahme Zeit brauche, würde deren Qualität leiden, wenn sie rasch erfolgen müsse – so die Begründung. Insbesondere im Normalbetrieb sei für eine solche Regelung kein Mehrwert ersichtlich. Darüber hinaus sollten Kommissionsmotionen, die Änderungen von bundesrätlichen Notverordnungen verlangen, innerhalb von sechs Monaten statt wie bisher bei angenommenen Motionen innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden müssen. Weil dies kürzere Fristen nach sich ziehe und damit ein Vernehmlassungsverfahren nicht immer möglich sei, müssten in Krisenzeiten Kantonsregierungen und besonders betroffene Akteure konsultiert werden. Zudem muss der Bundesrat künftig von sich aus die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultieren, wenn er Notverordnungen erlassen will. Neben der Minderheit Binder-Keller lagen zwei Anträge vor, mit denen eine abstrakte Normenkontrolle für solche Notverordnungen verlangt wurden. Während die Minderheit Glättli (gp, ZH) eine juristische Beurteilung über allfällige Grundrechtsverletzungen von Notverordnungen, die durch das Parlament oder den Bundesrat beschlossen werden, verlangte, sah die Minderheit Addor lediglich eine Kontrolle der bundesrätlichen Notrechtsbeschlüsse vor. Auch in Block 3 folgten komfortable Mehrheiten allen Anträgen der Kommission und lehnten damit auch diese Minderheitsanträge ab.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat den Entwurf mit 183 zu 1 Stimme gut, die entsprechende Verordnung wurde mir 170 zu 1 Stimme (1 Enthaltung) und das Geschäftsreglement des Nationalrats mit 171 zu 1 Stimme (keine Enthaltungen) angenommen. Weil Letzteres lediglich der Zustimmung der grossen Kammer bedurfte, wurde es tags darauf bereits der Schlussabstimmung zugeführt, wo es mit 157 zu 28 Stimmen (5 Enthaltungen) angenommen wurde. Gegenstimmen und Enthaltungen stammten allesamt von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Kontrolle von Notrecht und Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern (Pa.Iv. 20.437, Pa.Iv 20.438))
Dossier: Parlament in Krisensituationen

In der Herbstsession 2021 beriet der Nationalrat über die Einsetzung einer ständigen parlamentarischen OECD-Delegation im Rahmen der Verordnung der Bundesversammlung über die Pflege der internationalen Beziehungen des Parlamentes. Eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) beantragte, nicht auf die parlamentarische Initiative der WAK-SR einzutreten. Nationalrat Aeschi argumentierte, dass die OECD ein parlamentarisches Netzwerk unterhalte, welches aber kein Parlament sei und damit keine Entscheidungsbefugnisse besitze. Da es sich nur um ein Informationsgremium handle, lehne die SVP-Fraktion das Anliegen unter anderem aus Kostengründen ab. WAK-Kommissionssprecherin Gigon (gp, VD) sah den Moment gekommen, um die Verbindungen zur OECD zu stärken, damit die Schweiz sich «ernsthaft» an den laufenden Steuerreformen und der Bewältigung künftiger Herausforderungen beteiligen könne. SP-Fraktionssprecher Bendahan (sp, VD) sah in der Vorlage keinen einzigen Nachteil. Unabhängig davon, ob man prinzipiell für oder gegen die OECD sei, führe die ständige Vertretung unweigerlich zu einer verbesserten Vertretung der Schweizer Interessen, argumentierte er. Den kritischen Stimmen, die sich an den Kosten einer solchen Delegation störten, entgegnete er, dass der Schweiz auch Kosten erwachsen würden, wenn sie nicht am OECD-Entscheidfindungsprozess teilnehme, die dadurch gefällten Beschlüsse aber dennoch umsetzen müsse. Markus Ritter (mitte, SG) unterstützte die Initiative im Namen der Mitte-Fraktion und betonte die Bedeutung der dadurch geschaffenen personellen Kontinuität. Dies sei angesichts der anspruchsvollen Aufgaben in den Gremien angemessen. Eine Minderheit der Fraktion stimme gegen die Vorlage, weil man durchaus an der Wirksamkeit der parlamentarischen Versammlung zweifeln könne, erklärte FDP-Sprecher Lüscher (fdp, GE). Trotzdem empfahl die FDP die Annahme der Vorlage, nicht zuletzt weil man damit eine symbolische Geste zugunsten der zuletzt als geschwächt dargestellten internationalen Beziehungen der Schweiz machen könne. Zudem lehne die FDP die Politik des leeren Stuhls ab und sei der Ansicht, dass man Soft Law am besten an der Quelle beeinflussen müsse, weil man sich bei einer Nicht-Teilnahme nicht über die Ergebnisse beschweren könne. Der Nichteintretensantrag Aeschi wurde in der Folge mit 121 zu 56 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) deutlich abgelehnt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 120 zu 52 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) ebenso deutlich gegen den Widerstand der SVP-Fraktion und einer kleinen Minderheit der FDP.Liberalen an.
Die Schlussabstimmungen boten keine Überraschungen mehr. Der Nationalrat sprach sich mit 138 zu 58 Stimmen für die Verordnung aus, der Ständerat mit 36 zu 6 Stimmen (bei 1 Enthaltung).

Einsatz einer ständigen parlamentarischen OECD-Delegation

Auch im Jahr 2020 wurde der Begriff der «Vorstossflut» bemüht – er war bereits in früheren Jahren im Rahmen von jeweils erfolglosen parlamentarischen Bestrebungen, etwas gegen die wachsende Arbeitsbelastung für das Parlament aufgrund einer immer grösseren Zahl an Vorstössen, parlamentarischen Initiativen und Standesinitiativen zu unternehmen, verwendet worden.

In der Tat zeichnete sich 2020 durch die höchste Zahl an Vorstössen und parlamentarischen Initiativen seit Bestehen des Bundesstaates aus. Nicht weniger als 3'049 oder 12.4 Ideen pro Parlamentsmitglied wurden in diesem Jahr neu vorgebracht. Die Zahlen des bisherigen Rekordjahrs 2019 (2'527) wurden damit noch einmal um rund 20 Prozent überboten. Dabei wurden neue Höchstzahlen an Fragen für die Fragestunde (1'113; 2019: 704), an Interpellationen (878; 2019: 855) und an Postulaten (259; 2019: 235) erreicht. Aber auch die 601 eingereichten Motionen (2019: 552) und die 107 parlamentarischen Initiativen (2019: 111) waren in ihrer Zahl überdurchschnittlich (vgl. «Vorstösse und Arbeitsbelastung 2020»).
Die Aargauer Zeitung vermutete die Corona-Pandemie als Ursache für die rekordhohe parlamentarische Aktivität. Eine von der Zeitung während der Sommersession 2020 durchgeführte Auswertung zeigte, dass bis dahin rund 500 neue Vorstösse Schlüsselwörter zu Covid (z.B. Pandemie, Kurzarbeit) aufwiesen. Kaum ein Politikfeld sei von der Krise nicht betroffen, was entsprechend Möglichkeiten für unterschiedlichste Vorstösse biete, so die Aargauer Zeitung. Der Blick zählte in der Sondersession im Mai und der Sommersession eine rekordhohe Anzahl von 807 Vorstössen, was zumindest teilweise auch auf den Abbruch der Frühlingssession zurückzuführen sei, bei der keine Gelegenheit mehr bestanden habe, Vorstösse einzureichen. Der Blick stellte dabei insbesondere die Kostenfrage ins Zentrum, zumal sich zahlreiche Bundesangestellte dieser Vorstösse annehmen und sie etwa auch übersetzen müssten. Mit der Kostenfrage konfrontiert, gab Fabian Molina (sp, ZH), der laut Blick in den beiden Sessionen am meisten Vorstösse verfasst habe, zu Protokoll, dass Demokratie nicht gratis sei. Thomas Aeschi (svp, ZG), vom Blick auf den Widerspruch der hohen Zahl an SVP-Vorstössen und der Forderung der Partei, bei der Verwaltung zu sparen, hingewiesen, begründete die Vorstösse seiner Partei damit, dass parlamentarischer Druck nötig sei, weil die Verwaltung «Politik im Elfenbeinturm, weit weg vom Volk» betreibe.
Ein Blick auf das gesamte Jahr zeigt zudem, dass auch die Kantone in die nationale Gesetzgebung eingreifen wollten wie nie zuvor: So wurden im Jahr 2020 mehr als doppelt so viele Standesinitiativen (45, 2019: 22) eingereicht wie im Durchschnitt seit 2000 (22). Noch nie gab es in einem Jahr zudem so viele neue Wahlgeschäfte (34; 2019: 32). Die Zahl der 2020 neu eingereichten Geschäfte des Bundesrats (82; 2019: 75) und der Petitionen (29; 2019: 35) lagen hingegen im langjährigen Durchschnitt.

Trotz des Abbruchs der Frühjahrssession war das Parlament 2020 nicht untätig. Es erledigte 254 Postulate (2019: 278), 523 Motionen (2019: 451), 94 parlamentarische Initiativen (2019: 124), 21 Standesinitiativen (2019: 24), 30 Wahlgeschäfte (2019: 33) und 24 Petitionen (2019: 25). Die 101 darüber hinaus erledigten Bundesratsgeschäfte bedeuteten zudem einen neuen Allzeitrekord (2019: 77). Unter dieser Zahl befindet sich aber auch eine ganze Reihe dringlicher Covid-19-Geschäfte, deren Behandlung jeweils innerhalb einer Session abgeschlossen wird. Eine grosse Last hatte freilich auch die Verwaltung zu tragen: Nicht weniger als 77 Anfragen (2019: 90), 1'113 Fragen für die Fragestunde (2019: 704) und 692 Interpellationen (2019: 875) wurden beantwortet.

Von den 523 im Jahr 2020 erledigten Motionen wurde rund ein Fünftel angenommen. Die Erfolgsquote von 21.8 Prozent war damit leicht niedriger als im Vorjahr (24.8%), lag aber noch immer über dem Durchschnitt seit 2000 (20.6%). Die Erfolgsquote könnte freilich höher liegen, waren doch rund ein Viertel der 409 nicht angenommenen Motionen vom Erstrat noch gutgeheissen worden. Überdurchschnittlich hoch war 2020 auch der Anteil an abgeschriebenen Motionen: Mehr als ein Drittel der 523 erledigten Motionen wurden abgeschrieben (202; 38.6%). Bei den Postulaten war die Erfolgsrate im Jahre 2020 mit 55.1 Prozent nicht nur höher als im Vorjahr (53.2%), sondern lag auch deutlich über dem langjährigen Schnitt. Seit 2000 wurden nämlich weniger als die Hälfte der Postulate pro Jahr angenommen (47.5% Erfolgsquote). Von den 114 im Jahr 2020 nicht angenommenen Postulate, wurden mehr als die Hälfte (69) abgeschrieben.

Arbeitsbelastung 2020
Dossier: Geschäftsstatistik der Bundesversammlung

«Die Schweizer Demokratie machte eine Pause» fasste die WoZ rückblickend die Ereignisse um den 15. März 2020 zusammen, als Covid-19 auch das Parlament erfasste und dieses zu einem Abbruch der Frühlingssession veranlasste. Dabei zeigt die Chronologie der Ereignisse nicht nur exemplarisch, wie unvermittelt die Pandemie auch über die Schweiz hereinbrach, sondern sie regte auch Diskussionen über die Krisenresistenz der Legislative an.
Zwar waren zu Beginn der Frühjahrssession am 2. März schon dunkle Wolken am Horizont zu sehen und entsprechend hatte die Verwaltungsdelegation schon vor der Session beschlossen, keine Besucher zuzulassen. Halten sich an einem Sessionstag normalerweise mehr als tausend Personen im Bundeshaus auf, wurde – neben den mit einem Badge ausgerüsteten Interessenvertreterinnen und -vertretern – nur noch fest akkreditierten Medienschaffenden ein Aufenthalt in den Räumlichkeiten gewährt, was in der WoZ einen geharnischten Kommentar nach sich zog: Das Parlament schliesse lieber die Presse aus statt die Lobbys. Neben dem Besuchsverbot galt – wie überall – auch im Bundeshaus die Empfehlung, keine Hände zu schütteln. Allerdings war die ebenfalls empfohlene Distanz von zwei Metern in den engen Ratssälen nicht einzuhalten.
Für einen medial breit kommentierten «Eklat» (Tages-Anzeiger) sorgte dann am ersten Sessionstag Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), die als Einzige mit einer Schutzmaske den Ratssaal betrat und deshalb von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret aus dem Saal gewiesen wurde – das Tragen von Masken ist in den Ratssälen nicht erlaubt. Sie wolle sich vor Ansteckungen schützen und hätte eine Absage der Session begrüsst, gab die SVP-Politikerin zu Protokoll, die dann ihren Platz immerhin für die Abstimmungen wieder einnehmen durfte, die Debatten aber im Fraktionszimmer verfolgen musste. Die «Maskerade» (Blick) wurde als «Kindergarten» (Min Li Marti, sp, ZH) oder als «coup médiatique» (Le Temps) der SVP gewertet, die damit Angst bewirtschafte. Die SVP sei jetzt plötzlich «für Verhüllung und Maulkörbe», kommentierte der Blick lapidar. Einige SVP-Ratsmitglieder verteidigten freilich die Aktion Martullo-Blochers. So berichtete etwa Alfred Heer (svp, ZH), dass er als Europaratsmitglied nicht nach Strassburg dürfte, wenn er sich in den letzten 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten hätte. Hier in Bern sei er freilich nicht nach seinen Auslandreisen gefragt worden.
Zu Beginn der zweiten Woche war es erneut die SVP, die auf die vor allem im Nachbarland Italien stark ansteigenden Corona-Ansteckungen reagieren wollte. Mit einem Ordnungsantrag (20.9004) verlangte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) einen Sessionsunterbruch. Das BAG habe neben dem «Social Distancing» auch ein Fernbleiben von öffentlichen Veranstaltungen vor allem für Risikogruppen empfohlen. Nicht nur sei im Parlament das Einhalten des Abstands nicht möglich, es gäbe auch zahlreiche Risikogruppen, so die Begründung für den Ordnungsantrag. «Analog zur Begrenzungsinitiative wäre es richtig gewesen, zu kontrollieren, wer überhaupt ins Land kommt», kritisierte Aeschi in seiner Begründung die vorangegangenen Entscheidungen des Bundesrats. Der Sprecher des Büros, Andreas Aebi (svp, BE), empfahl eine mit 10 zu 1 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossene Ablehnung des Antrags. Man müsse sich auf Fakten stützen und solle keine Ängste schüren. Es würde als schlechtes Beispiel gewertet werden, wenn sich das Parlament «aus der Verantwortung stehlen würde». Mit 155 zu 13 Stimmen (8 Enthaltungen) wurde der Antrag deutlich abgelehnt. In der Presse wurden der Antrag der SVP und vor allem das Votum Aeschis zur eigenen Initiative als «taktisches Spielchen» (Blick) kritisiert. Mit Schüren von Angst wolle die Partei Stimmung für ihre Begrenzungsinitiative machen, vermutete etwa Roger Nordmann (sp, VD). Es wäre der SVP wohl auch gelegen gekommen, wenn mit einem Abbruch die Beratungen zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, welche vielerseits als Massnahme gegen die Begrenzungsinitiative verstanden wird, auf Eis gelegt worden wären, vermutete der Blick weiter.
Freilich wurde für die zweite Woche der Zugang zum Bundeshaus noch einmal eingeschränkt. Mitgliedern des diplomatischen Corps und ehemaligen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wurde der Zutritt verwehrt. Darüber hinaus galt die dringende Empfehlung, zu Hause zu bleiben, wenn man sich krank fühlte. Den Fraktionen wurden zudem grössere Räume für ihre Sitzungen zur Verfügung gestellt.
Den am darauffolgenden Freitag vor der dritten Sessionswoche gefällten Entscheid der Verwaltungsdelegation, die Session nicht abzubrechen – schliesslich sei das Parlament Arbeitsort und nicht «Veranstaltung» – machten dann jedoch die sich überstürzenden Ereignisse obsolet. So wurden sich die Fraktionen noch am Sonntag vor der dritten Sessionswoche einig, dass der Abbruch der dritten Sessionswoche in Anbetracht der sich rapide verschlechternden Situation – tags zuvor waren in der Schweiz 1'563 Neuinfektionen verzeichnet worden – für die Gesundheit der Parlamentsmitglieder, die einer Risikogruppe angehörten, das Beste sei. Politische Geschäfte könnten jetzt warten, gab Andrea Gmür (cvp, LU), Präsidentin der Mitte-Fraktion, der Aargauer Zeitung zu Protokoll, «wir Politikerinnen und Politiker werden nun zuerst zu Hause benötigt».
Das Parlament sei nun also doch noch zur «Einsicht» gekommen, urteilte die NZZ. Mit der Fortführung der Session hätte man ein fragwürdiges Signal an die Bevölkerung gesendet. Zwar käme es nun zwar bei einigen Geschäften zu Verzögerungen, aber es sei «nicht anzunehmen, dass Menschenleben gefährdet sind, weil National- und Ständerat ihre Entscheide erst später fällen». Freilich wurde auch Kritik am Sessionsabbruch laut. Gerade in einer Krisensituation müsse das Parlament handlungsfähig sein und entscheiden können, gab etwa Claude Longchamp in der Aargauer Zeitung zu Protokoll. Auch die nun wohl fehlende Meinungsbildung für die geplanten Abstimmungen im Mai (Begrenzungsinitiative, Jagdgesetz und Erhöhung der Kinderabzüge) wurde angemahnt. Das sei einer Musterdemokratie, als die sich die Schweiz verstehe, unwürdig, so ein weiterer Kommentar in der Aargauer Zeitung; man habe fast «den Eindruck, gewisse Nationalräte seien froh, die Verantwortung an den Bundesrat delegieren zu können. Diese Haltung ist inakzeptabel». Als Folge wurden auch die Forderungen nach einer Digitalisierung des Ratsbetriebs oder der direkten Demokratie lauter.
Zudem wurden für die für Anfang Mai anstehende Sondersession alternative Standorte gesucht. Diese solle wenn immer möglich durchgeführt werden, allerdings nicht im Bundeshaus, gaben die Ratsbüros bekannt. Diese – wie auch vor allem die Finanzkommission – tagten dann in der Tat relativ schnell wieder; vor allem virtuell. Der Abbruch der Session sei nötig gewesen, weil die Hygienemassnahmen nicht hatten eingehalten werden können, die Handlungsfähigkeit des Parlaments sei dank der Arbeit der Kommissionen aber immer gewährt gewesen, verteidigte denn auch Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) den Entscheid. Einig waren sich Presse und Politiker immerhin darin, dass man über die Krisenresistenz des Parlaments nachdenken müsse.

Keine dritte Sitzungswoche der Frühlingssession der Bundesversammlung

Weil der Ständerat auf die Vorlage der SPK-NR, welche diese auf der Basis der parlamentarischen Initiative Aeschi (svp, ZG) ausgearbeitet hatte, nicht eintreten wollte, musste die grosse Kammer entscheiden, ob sie an ihrem bereits gefassten Eintretensentscheid festhalten oder aber der Entscheidung des Ständerats folgen und die Idee der Einführung eines Verordnungsvetos endgültig versenken wollte. Letzteres empfahl eine links-grüne Kommissionsminderheit. Deren Sprecherin Nadine Masshardt (sp, BE) betonte, es sei kein Zufall, dass der Ständerat die Vorlage deutlich ablehne, weil auch die Kantone in der Vernehmlassung signalisiert hätten, dass sie keinen Handlungsbedarf sehen, dafür aber Mehraufwand und Rechtsunsicherheit befürchteten. Erneut wies die Sprecherin auch auf die Gefahr hin, dass man mit einem Verordnungsveto die Gewaltentrennung ritze. In die gleiche Kerbe schlug Bundeskanzler Walter Thurnherr, der den Standpunkt des Bundesrats vertrat. Die Regierung weise zudem noch einmal darauf hin, dass es genügend alternative Instrumente gebe, um auf Verordnungen Einfluss zu nehmen, betonte er. Mit einer Motion könne man zum Beispiel die Änderung ganz spezifischer Punkte in einer Verordnung erwirken. Das sei letztlich nicht nur effizienter, sondern auch rascher als mit einem Veto alles zu blockieren. Anders sah dies die Kommissionsmehrheit, die durch Matthias Jauslin (fdp, AG) und Jean-Luc Addor (svp, VS) vertreten wurde. Hauptargument für ein Festhalten am ursprünglichen Entschluss sei, dass der Bundesrat bei Verordnungen eben nicht immer den Willen des Parlaments umsetze. Es brauche ein Instrument, mit dem sichergestellt werde, dass Verordnungen mit der ursprünglichen Meinung des Gesetzgebers übereinstimmten. Es seien wohl auch nicht die Kantone, die gegen ein Veto seien, sondern vielmehr die Kantonsregierungen, so Addor. Die 16 zu 7-Mehrheit der SPK-NR sei der Meinung, dass sich der Ständerat der wichtigen Frage nicht einfach entziehen dürfe.
Die Mehrheit des Nationalrats folgte der Kommissionsmehrheit. Mit 99 zu 83 Stimmen und 6 Enthaltungen wurde Festhalten am Eintretensentscheid beschlossen. Gespalten zeigten sich die Mitte- und die FDP-Fraktion. Die SVP und die Grünliberalen stimmten geschlossen für Festhalten und Links-Grün wollte die Vorlage erfolglos versenken. Damit geht das Geschäft noch einmal zurück in die kleine Kammer.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Die SPK-SR befand die Vorschläge der vom Nationalrat gutgeheissenen parlamentarischen Initiative von Thomas Aeschi (svp, ZG) zur Einführung eines Verordnungsvetos als zu kompliziert. Für ein paar wenige Verordnungen, die Probleme verursachten, würde ein «monstre administratif» geschaffen, begründete Kommissionssprecher Raphaël Comte (fdp, NE) die Empfehlung der SPK-SR, nicht auf die Vorlage einzutreten. Dabei sei in der Kommission nicht nur die Frage der Gewaltentrennung noch einmal – wie bereits bei der Diskussion um Folge geben – erörtert, sondern auch die Stimme der Kantone angehört worden. Die Kantone seien sehr skeptisch gegenüber der Idee eines Vetos, insbesondere deshalb, weil es zu Verzögerungen bei der Umsetzung von Verordnungen führen könne. Die Gefahr eines «Schwebezustandes» wurde denn auch vom neuen Ständeratsmitglied und Präsidenten der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Benedikt Würth (cvp, SG) ausgeführt. Eine Minderheit der Kommission, angeführt von Peter Föhn (svp, SZ), verteidigte das allfällige neue Parlamentsrecht mit der Begründung, dass es eben nur in Notfällen angewendet und vor allem eine präventive Wirkung entfalten würde. Einen Befürworter fand das Verordnungsveto auch in Pirmin Bischof (cvp, SO): Der Kanton Solothurn habe vor rund 30 Jahren ein solches Instrument eingeführt und es verhindere dort durchaus, «dass Verwaltung und Regierung abheben». Eine Sichtweise, der der zweite Vertreter des Kantons Solothurn, Roberto Zanetti (sp, SO), allerdings dezidiert widersprach: Es könne schon sein, dass die Regierung deshalb nicht abhebe, es bestehe aber im Gegenzug eben durchaus die Gefahr, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dies aufgrund dieses Instruments täten. Im Schlussvotum wies Bundeskanzler Thurnherr neben den erwähnten Argumenten darauf hin, dass das Parlament bereits heute über Instrumente verfüge, um Verordnungen zu ändern. Mit 31 zu 7 Stimmen (keine Enthaltung) folgte die kleine Kammer ihrer Kommission in der Herbstsession 2019 und entschied sich, auf die Vorlage nicht einzutreten – trotz der langen und grossen Vorarbeit, wie von den Vertretern der Kommissionsminderheit während der Debatte immer wieder betont worden war.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Bevor der Nationalrat in der Sommersession über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Aeschi (svp, ZG) zur Einführung eines Verordnungsvetos debattierte, hatte sich der Bundesrat in die Diskussion eingebracht. In ihrer Stellungnahme beantragte die Regierung, nicht auf das Geschäft einzutreten. Sie machte dabei geltend, dass dem Parlament bereits wirksame Instrumente (Motion, parlamentarische Initiative, Konsultationsrechte) zur Verfügung stünden, um Einfluss auf die Verordungsgebung des Bundesrats zu nehmen. Ein Veto würde hingegen nicht nur zu Verzögerungen führen, sondern sei – weil es die Gewaltenteilung verletze – auch verfassungswidrig. Im Falle eines Eintretens verlangte der Bundesrat Ausnahmen etwa im Falle völkerrechtlicher Verpflichtungen, für Verordnungen rein technischen Inhalts oder für Verordnungen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit. Zudem seien Verordnungen auszunehmen, die bei dringlichen Bundesgesetzen erlassen werden müssen. In seiner Stellungnahme äusserte sich der Bundesrat zudem zu den verschiedenen Anträgen der von der SPK-NR ausgearbeiteten Vorlage.

Der Entwurf der SPK-NR sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates innerhalb von 15 Tagen nach deren Veröffentlichung gegen Verordnungen des Bundesrats ein Veto einlegen kann. Nach höchsten 60 Tagen muss die verantwortliche Kommission über den Antrag befinden. Lehnt sie diesen ab, ist er erledigt; stimmt sie ihm zu, wird er von den Räten in der nachfolgenden ordentlichen Session behandelt. Diese entscheiden dann, ob eine Verordnung der Ansicht des Gesetzgebers widerspricht und folglich neu verfasst werden muss oder nicht. Ziel sei es, dem Eindruck zu begegnen, dass die Umsetzung von vom Parlament beschlossenen Gesetzen durch die bundesrätlichen Verordnungen nicht immer dem Willen des Gesetzgebers entsprächen. Das Veto hätte so also auch präventive Wirkung, warb Kommissionssprecher Matthias Jauslin (fdp, AG) in der Eintretensdebatte für die Vorlage.
Diese Eintretensdebatte wurde ziemlich ausführlich geführt und machte die Kontrahentinnen und Kontrahenten sichtbar, die sich insbesondere am zentralen Element der Gewaltenteilung rieben. Die vom Bundesrat unterstützte, gegen Eintreten optierende Minderheit, bestehend aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der GP sowie aus Minderheiten der CVP- und der FDP-Fraktion, erachtete das Veto gegen Verordnungen als Instrument, mit dem die Teilung der Gewalten je nach Lesart «geritzt» oder gar «verletzt» werde. Die gesetzgebende Gewalt dürfe sich nicht in die technische Arbeit der vollziehenden Gewalt einmischen, wurde argumentiert. Angelo Barrile (sp, ZH) warnte mit Blick auf die Vernehmlassungsantworten, in denen sich die «Lobbys» für ein Verordnungsveto ausgesprochen hätten, dass der Einfluss von Interessenorganisationen mit dem neuen Instrument auch auf die Umsetzung von Gesetzen ausgedehnt würde. Die Minderheit verwies zudem auf das «Verzögerungs- und Blockadepotenzial» des Verordnungsvetos, so etwa Nadine Masshardt (sp, BE). Das Veto lade zudem dazu ein, politisch zu taktieren, und erteile keinen Auftrag, weil man mit ihm Verordnungen nur ablehnen oder gutheissen könne, monierte Marianne Streiff-Feller (evp, BE) für die Minderheit der CVP-Fraktion. Und Balthasar Glättli (gp, ZH) wies darauf hin, dass das Parlament mit der parlamentarischen Initiative ja ein viel stärkeres Instrument habe, selber Gesetze zu verfassen. Die Mehrheit beharrte hingegen darauf, dass der Bundesrat sich mit Verordnungen immer wieder dem Willen des Souveräns widersetze. Wirklich stossende Abweichungen der Gesetzgebung durch Verordnungen müssten darum sozusagen mittels «Notbremse» verhindert werden können, so Beat Flach (glp, AG) für die GLP-Fraktion. Es handle sich um ein staatsrechtliches Experiment, auf das man sich einlassen und das man diskutieren solle. Es gehe nicht um die Frage, ob dieser Vorstoss verfassungskonform sei oder nicht – nahm Gregor Rutz (svp, ZH) für die SVP-Fraktion Stellung –, sondern um den Schutz der Verfassung selber. Man habe zwar kein Verfassungsgericht, aber die Kontrolle gegen ein Gesetz könne mittels Referendum wahrgenommen werden. Dies sei nun aber bei Verordnungen eben nicht möglich. Heute stamme ein Drittel aller Regelungen aus Verordnungen und lediglich 12 Prozent aus Gesetzen. Deshalb sei ein Korrekturinstrument dringend. Für die FDP-Fraktion ergriff schliesslich Kurt Fluri (fdp, SO) das Wort: Es sei wichtig, zu sehen, dass das Veto kassatorisch sei. Es gehe eben gerade nicht darum, neue Regelungen zu diskutieren oder anzustossen – was mit den parlamentarischen Anstossinstrumenten mitunter Jahre dauere –, sondern einzig darum, den Bundesrat aufzufordern, Gesetze im Sinne des Parlaments und nicht «seinen eigenen Willen» umzusetzen. Fluri ging zudem auf die Erfahrungen in seinem Kanton Solothurn ein, der ein Verordnungsveto kennt. In den 30 Jahren zwischen 1988 und 2018 sei lediglich gegen 77 von 1115 Verordnungen ein Veto eingelegt worden, acht dieser beanstandeten Verordnungen seien von der Regierung zurückgezogen und etwa jede fünfte korrigiert worden. Es könne – zumindest im Kanton Solothurn – nicht von systematischer Blockade gesprochen werden. Bundeskanzler Walter Thurnherr äusserte sich am Schluss der Eintretensdebatte im Namen des Bundesrats und warnte vor der Vermischung der Gewalten und einem unverhältnismässigen Aufwand. Zudem fehle aus Sicht der Regierung die verfassungsmässige Grundlage für das neue Instrument. Mit 115 zu 64 Stimmen wurde dann – aufgrund der Positionen der einzelnen Fraktionen eher wenig überraschend – Eintreten beschlossen.
Bei der Detailberatung wurden alle Vorschläge des Bundesrates für zusätzliche Ausnahmen abgelehnt.Auch ein Minderheitsantrag der SVP, wonach nicht die Kommissionsmehrheit das letzte Wort haben soll, sondern ein Minderheitsantrag auch im Rat diskutiert werden sollte, fand keine Mehrheit. Es soll also die Kommission beziehungsweise deren Mehrheit sein, die entscheidet, ob über einen Antrag auf ein Veto abgestimmt wird oder nicht. Das gleiche Schicksal der Ablehnung ereilte ein Minderheitsantrag der SP, mit dem die Erläuterungen zu den Verordnungen im Bundesblatt hätten veröffentlicht werden sollen. Alle weiteren Minderheitsanträge, mit denen Ausnahmen geschaffen werden sollten, lehnte die Ratsmehrheit ab. Mit ein Grund dafür war wohl das von Kommissionssprecher Jauslin vorgebrachte Argument, dass hier ein neues Instrument geschaffen werde und man zuerst Erfahrungen sammeln müsse, um dann vielleicht später in einzelnen Bereichen Ausnahmen zu schaffen. In der Gesamtabstimmung erhielt die unveränderte Vorlage der SPK-NR 113 Stimmen. Die 67 Gegenstimmen stammten von allen anwesenden GP- (11) und SP-Mitgliedern (40) sowie von 10 Mitgliedern der FDP- und 6 der CVP-Fraktion. Sechs der acht Grünliberalen enthielten sich der Stimme. Damit ging die Vorlage an den Ständerat.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

In der Debatte um die parlamentarische Initiative von Thomas Aeschi (svp, ZG), der eine Neuregelung für die Zusammensetzung des Büros-NR verlangte, konkretisierte der Zuger sein Anliegen: Die Zusammensetzung solle analog zur Zusammensetzung der Gerichtskommission erfolgen. Dort werden in einem ersten Schritt die Sitze nach Fraktionsstärke zugewiesen und in einem zweiten Schritt wird darauf geschaut, dass alle Fraktionen berücksichtigt werden. Roland Büchel (svp, SG), der den Minderheitenantrag unterstützte, argumentierte, dass es für eine Demokratie eigentlich selbstverständlich sei, dass eine Fraktion in einem so wichtigen Gremium wie dem Büro angemessen vertreten sein müsse. Angemessen heisse eben proportional zur Sitzstärke. Aufgrund der wechselnden Präsidien könne es aber immer wieder dazu kommen, dass einzelne Fraktionen über- und andere untervertreten seien. Dem müsse entgegengewirkt werden, vor allem, weil das Büro «verstärkt legislativ tätig ist». Edith Graf-Litscher (sp, TG) argumentierte als Sprecherin für die Mehrheit des Büro-NR, dass im Parlamentsgesetz verankert sei, dass das Büro aus Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern und eben nicht parteipolitisch zusammengesetzt sei, was sich in der Arbeitsweise des Büros niederschlage. Es sei keine politische Organisation, sondern habe die Funktion, den Ratsbetrieb vorzubereiten. Eine proportionale Vertretung wäre nur mit einer Erhöhung der Mitgliederzahl im Büro zu erreichen – ein entsprechender Vorstoss der SPK-NR sei aber 2015 wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgezogen worden. Die Volkskammer sprach sich schliesslich mit einer deutlichen Mehrheit von 115 zu 64 Stimmen gegen Folge geben aus. Die befürwortenden Stimmen stammten allesamt aus der SVP-Fraktion.

Zusammensetzung des Büros

Das Büro-NR hiess die vom Büro-SR angebrachte Modifizierung der Motion Frehner (svp, BS) für einen digitalen Ratsbetriebs mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung gut und empfahl entsprechend die Annahme des veränderten Vorstosses. Die von der Motion verlangte Umsetzungsfrist sei in der Tat nicht realistisch und der lange Weg zum papierlosen Ratsbetrieb müsse besser schrittweise gegangen werden. Der Auftrag an die Verwaltungsdelegation sei deshalb zielführend.
Dies sah eine Minderheit des Büros allerdings anders: Wie Thomas Aeschi (svp, ZG) für ebendiese Minderheit im Rat argumentierte, sei das Problem, dass die Verwaltungsdelegation immer mehr Kompetenzen erhalte. Dies sei auch deshalb stossend, weil nicht immer alle Fraktionen in diesem Gremium vertreten seien. Die Parlamentarische Informatik-Testgruppe (PIT) würde sich hier besser eignen. Damit aber nicht der Eindruck entstehe, er sei gegen den papierlosen Ratsbetrieb, ziehe er den Minderheitsantrag zurück. Der Sprecher des Büros, Balthasar Glättli (gp, ZH), wies darauf hin, dass die Verwaltungsdelegation wohl auch die PIT beiziehen werde. Mit der Annahme der Motion könne die Digitalisierung des Ratsbetriebs vorangetrieben werden. Dies sah auch die Ratsmehrheit so, die die modifizierte Motion mit 130 zu 44 Stimmen bei 6 Enthaltungen annahm. 43 der ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion, begleitet von Albert Vitali (fdp, LU) von der FDP-Fraktion.

Digitaler Ratsbetrieb

Die Büros der beiden Kammern spielen eine wichtige Rolle, wenn es um das Agenda-Setting geht: Sie bestimmen das Sessionsprogramm und sind neben der Wahl der einzelnen Kommissionspräsidien auch für die Zuweisung der verschiedenen Geschäfte an die unterschiedlichen Kommissionen verantwortlich. Anders als die Sachbereichs- und Spezialkommissionen sind die Büros nicht repräsentativ, also nicht gemäss Fraktionsstärke zusammengesetzt, sondern setzen sich aus Funktionsträgerinnen und -trägern zusammen. Konkret bilden jeweils der Präsident oder die Präsidentin eines Rats, die ersten und zweiten Vizepräsidentinnen oder -präsidenten, vier Stimmenzählende und alle Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten das Büro. 2018 setzte sich das Büro-NR also aus je drei Mitgliedern der SVP-, der SP- und der FDP-Fraktion, zwei der CVP-Fraktion und je einem aus der Grünen-, der GLP- und der BDP-Fraktion zusammen.
Diese Zusammensetzung des Büros-NR zu ändern, war nun Ziel einer parlamentarischen Initiative von Thomas Aeschi (svp, ZG). Der Zuger begründete seinen Vorstoss damit, dass sich das Büro nicht nur um organisatorische Belange kümmere, sondern legislativ zu wirken beginne. Er verwies auf eine parlamentarische Initiative des Büros-NR selber, mit der verschiedene Vorstösse für eine Neuregelung der Bezüge der Parlamentarierinnen und Parlamentarier zusammengefasst werden sollten. Nachdem diese Büro-Initiative von der Schwesterkommission abgelehnt worden war, hatte das Büro-NR sein eigenes Anliegen zurückgezogen.

Das Büro-NR beschäftigte sich Anfang November 2018 mit dem Anliegen und beantragte mit 10 zu 3 Stimmen der Initiative keine Folge zu geben – einzig die drei Mitglieder der SVP-Fraktion stellten den Antrag auf Folgegeben. Die Mehrheit betrachtete den Vorstoss laut Kommissionsbericht als «unnötig und untauglich». Zwar schwanke der Anteil der Fraktionen aufgrund der unterschiedlichen und sich verändernden Zusammensetzung, dies sei aber bisher nie ein Problem gewesen und habe eine adäquate Arbeitsweise erlaubt. Die Forderung nach einer repräsentativen Zusammensetzung – so die Erwägungen des Büros weiter – sei zudem nur umsetzbar, wenn die Anzahl Mitglieder des Büros erhöht werden würde. Dies würde aber die Arbeit des Gremiums erschweren, weil Diskussionen unnötig verlängert würden. Der Vorstoss gelangte in der Folge in die grosse Kammer.

Zusammensetzung des Büros

Nachdem die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-SR) die Idee eines Vetos gegen bundesrätliche Verordnungen gleich zwei Mal abgelehnt hatte – eine parlamentarische Initiative Fournier (cvp, VS) aus den eigenen Reihen wurde im Ständerat versenkt und einer parlamentarischen Initiative Aeschi (svp, ZG), der von der SPK-NR Folge gegeben wurde, entsagte die SPK-SR ihre Zustimmung – gelangte die Initiative Aeschi in den Nationalrat. Die SPK-NR empfahl ihrem Rat erneut, das Anliegen gutzuheissen. Sie verwies dabei auf die Voten im Ständerat, der die mit der parlamentarischen Initiative Fournier angeregte Reform zwar abgelehnt hatte, dabei aber in zahlreichen Voten Missbehagen aufgezeigt habe. Dies lasse hoffen, dass dieser Anlauf – in den letzten Jahren hatte es aus der Volkskammer insgesamt sechs Vorstösse in Richtung Verordnungsveto gegeben – erfolgreich sein könnte. Auch der Ständerat habe bemerkt, dass Verordnungen teilweise zu detailliert seien und dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr entsprächen. In umstrittenen Fällen brauche es deshalb ein griffiges Kontrollinstrument. Die vor allem aus SP-Mitgliedern bestehende Kommissionsminderheit warnte davor, dass dies vom Ständerat als Zwängerei aufgefasst würde. Man habe zudem genügend Instrumente, um die Verordnungsgebung des Bundesrates zu beeinflussen. Das Instrument, das in einigen Kantonen angewendet werde und dort gut funktioniere, laufe Gefahr auf Bundesebene, aufgrund des Zweikammersystems, zu Blockaden zu führen. Der Vorschlag von Aeschi sieht vor, dass Quoren in beiden Räten erreicht werden müssten, um ein Veto einlegen zu können. Freilich – dies war auch ein Gegenstand in der Ratsdebatte – stünde eine genaue Ausgestaltung der Regelung noch bevor. Bei der Abstimmung stand eine satte bürgerliche Mehrheit an 120 Stimmen 52 Stimmen von Links-Grün, zusammen mit 12 Stimmen aus der CVP-Fraktion, gegenüber und der Initiative wurde Folge gegeben.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Schon einige Male – zuletzt 2012 – gab es zwischen den beiden Räten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob das Parlament ein Veto gegen bundesrätliche Verordnungen haben soll oder nicht. In der Regel fand die Idee einer stärkeren Mitsprache der Legislative beim Erlass von Verordnungen durch die Exekutive in der grossen Kammer viel Rückhalt, stiess aber in der kleinen Kammer auf genau so viel Skepsis. Eine im Ständerat eingereichte parlamentarische Initiative (14.421) des Walliser Kantonsvertreters Jean-René Fournier (cvp, VS) wurde nun allerdings als positives Zeichen gewertet, dass es auch im Ständerat zunehmend Skeptiker gegen die Versuchung der Verwaltung gebe, mit Ausführungsverordnungen den Willen des Gesetzgebers zu umgehen – so die Begründung von Fournier, der forderte, dass alle Verordnungen dieser Art dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt werden müssen.
Auch Thomas Aeschi (svp, ZG) wertete diesen ständerätlichen Vorstoss als positives Zeichen und doppelte im Nationalrat nach. In seiner parlamentarischen Initiative (14.422) wollte er allerdings nicht so weit gehen und forderte lediglich die Möglichkeit eines Vetos gegen rechtsetzende Verordnungen und Verordnungsänderungen. Diese sollen dann eine Bestätigung benötigen, wenn mindestens ein Drittel der Mitglieder eines Rates innerhalb von zwei Wochen ein Veto ergreift.
Während die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) Aeschis Idee noch im Januar mit 18 zu 4 Stimmen deutlich guthiess, sprach sich die SPK-SR im August gegen beide parlamentarischen Initiativen aus. Mit 6 zu 6 Stimmen bei Stichentscheid der Präsidentin Verena Diener Lenz (glp, ZH) fiel der Entscheid gegen den ständerätlichen Vorstoss allerdings nur knapp aus. Die 11 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung gegen die Initiative Aeschi war hier deutlicher. Die ständerätliche Kommission argumentierte, wie schon bei früheren ähnlichen Vorstössen, dass es bereits genügend Instrumente für die Bundesversammlung gebe, mit denen Einfluss auf die Verordnungsgebung genommen werden kann. So können Kommissionen verlangen, bei Verordnungsentwürfen konsultiert zu werden, oder es kann bei der Gesetzgebung eine Genehmigung für Ausführungsbestimmungen explizit vorgesehen werden. Ein Verordnungsveto stelle hingegen nicht nur eine Gefahr für die Gewaltentrennung dar, sondern sei auch ein Einfallstor für Lobbyisten, welche hier Einzelfallinteressen wirksam vertreten könnten. Die Virulenz des Themas zeigte sich auch in der ständerätlichen Debatte in der Herbstsession. Nur ganz knapp, mit 20 zu 18 Stimmen (ohne Enthaltungen), entschieden sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter gegen Folge geben der Initiative Fournier. Während der Vorstoss von René Fournier damit erledigt ist, muss die Initiative Aeschi nach dem Nein der SPK-SR im Nationalrat noch behandelt werden.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates

Eine Motion Aeschi (svp, ZG) wollte dem Projekt „Digitales Parlament“ Beine machen und den papierlosen Legislativbetrieb bis zu den Wahlen 2015 umsetzen. Das Projekt war bereits 2004 eingeleitet worden und hatte unter anderem das Extranet hervorgebracht, auf dem die Ratsmitglieder Unterlagen für ihre Kommissions- und die Ratsgeschäfte abrufen können. Einige Ratsmitglieder verzichten bereits vollständig auf die postalische Zustellung von Dokumenten. Auch die Öffentlichkeitsarbeit via Internet (parlament.ch oder Curia Vista) sind wichtige Bestandteile des „Digitalen Parlaments“. Aeschi beanstandete, dass es zwar viele Einzelprojekte gebe, dass diese aber zu wenig gut koordiniert seien, worunter auch die Effizienz der Ratsarbeit leide. Das Büro des Nationalrates empfahl die Motion zur Ablehnung, weil es der Auffassung war, dass das Projekt bereits auf gutem Wege sei. Zuerst folgte die Mehrheit der grossen Kammer der Empfehlung des Büros und lehnte die Motion mit 102 zu 61 Stimmen ab. Nach einem gutgeheissenen Ordnungsantrag Wermuth (sp, AG) – die SP-Fraktion habe aufgrund einer internen Falschinformation nicht korrekt abgestimmt – kippte das Resultat allerdings: Mit 88 zu 81 Stimmen passierte das Begehren die grosse Kammer. Die kleine Kammer machte dann in der Wintersession allerdings kurzen Prozess und lehnte die Motion ab. Der Sprecher des Büros des Ständerats machte dabei unter anderem geltend, dass sich der Ständerat schon immer systematisch gegen die Nutzung elektronischer Geräte im Saal ausgesprochen habe. Mit der Motion müsste zu rasch ganz auf Papier verzichtet werden.

Digitales Parlament