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  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Regazzi, Fabio (mitte/centre, TI) NR/CN

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Während zwischen 1974 und 1997 im Schnitt rund 680 parlamentarische Vorstösse pro Jahr eingereicht worden seien, seien es im Jahr 2020 total 1'936 und im Jahr 2021 deren 1'897 gewesen – die rund 1'200 Fragen pro Jahr nicht eingerechnet, erklärte Fabio Regazzi (mitte, TI) in der Begründung einer im Juni 2022 eingereichten parlamentarischen Initiative. Diese Zahl sei auch deshalb «beängstigend», weil Vorstösse Kosten verursachten, etwa für die Bearbeitung durch die Verwaltung, aber auch, wenn etwa Expertinnen und Experten zur Beantwortung eines Postulats einen Bericht verfassten. Aufgrund einer Interpellation Spuhler (svp, TG; Ip. 07.3176) seien diese Kosten pro Vorstoss einst auf CHF 6'120 veranschlagt worden; in der Zwischenzeit dürften sie gestiegen sein. Der Bundesrat stelle sich zwar bei entsprechenden Vorstössen auf den Standpunkt, dass es unverhältnismässig sei, die Kosten von parlamentarischen Vorstössen auszuweisen, jedes KMU müsse aber Zeit und Aufwand im Vorfeld eines Projektes für die Offertstellung schätzen. Dies könne man daher auch von der Verwaltung im Vorfeld von Vorstössen verlangen, argumentierte Regazzi, was er mit seiner parlamentarischen Initiative denn auch tat.
In der Ratsdebatte während der Frühjahrssession 2023, die nötig geworden war, weil die SPK-NR der parlamentarischen Initiative mit 13 zu 11 Stimmen (1 Enthaltung) keine Folge gegeben hatte, fügte Regazzi das Beispiel seines Heimatkantons an, der eine solche Kosteneinschätzung für Vorstösse vornehme; wenn dies für den Kanton Tessin möglich sei, müsse dies auch für die Bundesverwaltung gelingen. Zudem könne mit dem Wissen über die Kosten, die letztlich die Steuerzahlenden berappen müssten, im Parlament einfacher entschieden werden, ob sich die Investition lohne, ein Vorstoss also angenommen werden solle oder nicht. Letztlich gehe es ihm mit seinem Vorschlag auch um eine Sensibilisierung: Parlamentsmitglieder müssten sich bewusster werden, dass Vorstösse Kosten verursachen. Dies solle auch dazu führen, dass weniger Vorstösse eingereicht würden, so der Initiant.
Die Mehrheit der SPK-NR habe das Setzen eines «Preisschildes» unter jeden Vorstoss aus verschiedenen Gründen als nicht zielführend erachtet, argumentierten Greta Gysin (gp, TI) und Corina Gredig (glp, ZH): In den zwei Kantonen, in denen diese Massnahme eingeführt worden sei (TI, AG), habe sich der erhoffte Rückgang der Zahl der Vorstösse nicht gezeigt; fundierte Antworten aus der Verwaltung hätten ihren Preis und es helfe letztlich niemandem, wenn Kostendruck entstehe und sich die Qualität der Arbeit der Verwaltung dadurch verringere. Die «Balance zwischen Parlament und Verwaltung» würde zudem zugunsten der Verwaltung aus dem Gleichgewicht geraten, wenn das Preisschild nicht nur an einen Vorstoss, sondern indirekt auch an ein Parlamentsmitglied geheftet werden könne. Letztlich liessen sich Demokratie und die Ausübung der Parlamentsrechte nicht mit finanziellen Kriterien messen, weshalb die SPK-NR empfehle, der Initiative keine Folge zu geben.
Gregor Rutz (svp, ZH) ergriff das Wort für die starke Kommissionsminderheit. Er habe bei der Diskussion um die parlamentarische Initiative bemerkt, dass die Bundesangestellten nicht aufschrieben, für welche Projekte sie wie viel Zeit benötigten. Dies müsse sich dringend ändern. Zudem sei das von der Mehrheit der SPK-NR vorgebrachte Argument, die parlamentarischen Rechte würden eingeschränkt, wenn die Kosten für Vorstösse ausgewiesen würden, «absurd». Auch Diana Gutjahr (svp, TG), die kurz vor der Behandlung der Initiative Regazzi mit einem ähnlichen Vorstoss gescheitert war, wollte in der Folge wissen, was die Kommission davon halte, dass in der Verwaltung keine Stundenerfassung bestehe. Kommissionssprecherin Gredig erklärte, dass es im Gegensatz zur Privatwirtschaft, wo mehrere Offerten eingeholt werden könnten, in Bundesbern nur eine Verwaltung gebe, die genau jene Arbeit verrichte, die für einen Vorstoss nötig sei.
Mit 98 zu 91 Stimmen folgte der Nationalrat schliesslich seiner Kommission. Eine knappe Mehrheit der Mitte-EVP-Fraktion, ein Mitglied der FDP-Fraktion und die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, GLP und GP lehnten den Vorstoss ab.

Kosten von parlamentarischen Vorstössen ausweisen (Pa.Iv. 22.435)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Das von Balthasar Glättli (gp, ZH) mittels parlamentarischer Initiative geforderte Obligatorium für die freie Rede bei Ratsdebatten löste in der Sommersession 2022 im Nationalrat ein von einiger Heiterkeit begleitetes Frage-Antwort-Spiel aus. Der Initiant legte dar, dass es zu Beginn des Parlamentsbetriebs, also vor 172 Jahren, verboten gewesen sei, eine Rede abzulesen. Er glaube, dass frei gesprochene Reden nicht nur spannendere, sondern auch verständlichere Debatten nach sich ziehen würden, was «der Demokratie guttäte». Wer frei spreche, habe sich mit dem Thema besser auseinandergesetzt, als wer einfach ablese. Er fordere kein Verbot von Unterlagen, aber er wolle verhindern, dass eine Rede lediglich abgelesen werde. Auf die Frage von Roger Nordmann (sp, VD), ob sich Glättli bewusst sei, dass es sprachliche und rhetorisch nicht so begabte Minderheiten gebe, für die die freie Rede nicht so einfach sei – ein Punkt, den auch das Büro-NR in seinem Bericht gegen die parlamentarische Initiative vorgebracht hatte –, erwiderte der Initiant, dass es in der Tat nicht gut sei, dass man einander nicht verstehe, dies aber mit der freien Rede nichts zu tun habe. Beat Flach (glp, AG) wollte von Glättli wissen, ob er mit einem Verbot nicht überschiesse. Hier brachte der Initiant das Beispiel Grossbritanniens vor, wo man ebenfalls ein Ableseverbot kenne, das freilich mit Augenmass umgesetzt werde: «Aber es gibt dann im britischen Parlament auch den Moment, wo es aus den Reihen schallt ‹He is reading!›, weil man merkt, dass jemand nicht mehr bei der Sache ist, sondern nur noch am Papier klebt. Das will ich verhindern.». Ob denn die freie Rede nicht einfach «in zielloses, polemisches Geschwafel» ausarte, wollte Kurt Fluri (fdp, SO) wissen. Man müsse hierfür wohl zuerst Erfahrungen sammeln und dann allenfalls korrigieren, verteidigte sich Glättli. Es brauche keine Kontrolle, sondern individuelle Abwägung, wie viel man von einem Spickzettel ablesen wolle, antwortete Glättli eine Frage von Lorenz Hess (mitte, BE) und auch die Frage von Benjamin Roduit (mitte, VS), ob denn mit freier Rede nicht die Gefahr eines Überziehens der Zeit bestehe, konterte Glättli: Auch diese Regel müsste eigentlich überdacht werden und auch hier könnte man eine gewisse «souplesse» oder Flexibilität walten lassen.
Das Büro hatte zuvor mit 10 zu 1 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) entschieden, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Neben den in den Fragen angesprochenen Kritikpunkten (Überforderung von Minderheiten, schwierige Kontrolle, Bedeutung der «Legiferierung» statt Debattenkultur in der Schweiz) fügte das Büro im Bericht auch noch das Argument der nötigen Präzision von Reden an: Komplexe Geschäfte sowie die Berichterstattung von Kommissionsdiskussionen bedingten eine möglichst präzise und doch möglichst knappe Sprache. Dies sei in freier Rede kaum möglich. Mit Ausnahme der GLP- und der FDP-Fraktion fanden sich aus allen Fraktionen Unterstützerinnen und Unterstützer des Antrags. Die insgesamt 30 befürwortenden Stimmen reichten allerdings gegen die 129 Stimmen, die der Initiative keine Folge geben wollten, nicht aus. Ins Auge fielen die 32 Enthaltungen, die wiederum mit Ausnahme der FDP-Fraktion aus allen parlamentarischen Gruppen stammten. Damit ist die parlamentarische Initiative erledigt.

Freie Rede einführen (Pa.Iv. 21.500)

Bevor der Nationalrat in der Sommersession über die Umsetzung der parlamentarischen Initiative Aeschi (svp, ZG) zur Einführung eines Verordnungsvetos debattierte, hatte sich der Bundesrat in die Diskussion eingebracht. In ihrer Stellungnahme beantragte die Regierung, nicht auf das Geschäft einzutreten. Sie machte dabei geltend, dass dem Parlament bereits wirksame Instrumente (Motion, parlamentarische Initiative, Konsultationsrechte) zur Verfügung stünden, um Einfluss auf die Verordungsgebung des Bundesrats zu nehmen. Ein Veto würde hingegen nicht nur zu Verzögerungen führen, sondern sei – weil es die Gewaltenteilung verletze – auch verfassungswidrig. Im Falle eines Eintretens verlangte der Bundesrat Ausnahmen etwa im Falle völkerrechtlicher Verpflichtungen, für Verordnungen rein technischen Inhalts oder für Verordnungen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit. Zudem seien Verordnungen auszunehmen, die bei dringlichen Bundesgesetzen erlassen werden müssen. In seiner Stellungnahme äusserte sich der Bundesrat zudem zu den verschiedenen Anträgen der von der SPK-NR ausgearbeiteten Vorlage.

Der Entwurf der SPK-NR sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder eines Rates innerhalb von 15 Tagen nach deren Veröffentlichung gegen Verordnungen des Bundesrats ein Veto einlegen kann. Nach höchsten 60 Tagen muss die verantwortliche Kommission über den Antrag befinden. Lehnt sie diesen ab, ist er erledigt; stimmt sie ihm zu, wird er von den Räten in der nachfolgenden ordentlichen Session behandelt. Diese entscheiden dann, ob eine Verordnung der Ansicht des Gesetzgebers widerspricht und folglich neu verfasst werden muss oder nicht. Ziel sei es, dem Eindruck zu begegnen, dass die Umsetzung von vom Parlament beschlossenen Gesetzen durch die bundesrätlichen Verordnungen nicht immer dem Willen des Gesetzgebers entsprächen. Das Veto hätte so also auch präventive Wirkung, warb Kommissionssprecher Matthias Jauslin (fdp, AG) in der Eintretensdebatte für die Vorlage.
Diese Eintretensdebatte wurde ziemlich ausführlich geführt und machte die Kontrahentinnen und Kontrahenten sichtbar, die sich insbesondere am zentralen Element der Gewaltenteilung rieben. Die vom Bundesrat unterstützte, gegen Eintreten optierende Minderheit, bestehend aus den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der GP sowie aus Minderheiten der CVP- und der FDP-Fraktion, erachtete das Veto gegen Verordnungen als Instrument, mit dem die Teilung der Gewalten je nach Lesart «geritzt» oder gar «verletzt» werde. Die gesetzgebende Gewalt dürfe sich nicht in die technische Arbeit der vollziehenden Gewalt einmischen, wurde argumentiert. Angelo Barrile (sp, ZH) warnte mit Blick auf die Vernehmlassungsantworten, in denen sich die «Lobbys» für ein Verordnungsveto ausgesprochen hätten, dass der Einfluss von Interessenorganisationen mit dem neuen Instrument auch auf die Umsetzung von Gesetzen ausgedehnt würde. Die Minderheit verwies zudem auf das «Verzögerungs- und Blockadepotenzial» des Verordnungsvetos, so etwa Nadine Masshardt (sp, BE). Das Veto lade zudem dazu ein, politisch zu taktieren, und erteile keinen Auftrag, weil man mit ihm Verordnungen nur ablehnen oder gutheissen könne, monierte Marianne Streiff-Feller (evp, BE) für die Minderheit der CVP-Fraktion. Und Balthasar Glättli (gp, ZH) wies darauf hin, dass das Parlament mit der parlamentarischen Initiative ja ein viel stärkeres Instrument habe, selber Gesetze zu verfassen. Die Mehrheit beharrte hingegen darauf, dass der Bundesrat sich mit Verordnungen immer wieder dem Willen des Souveräns widersetze. Wirklich stossende Abweichungen der Gesetzgebung durch Verordnungen müssten darum sozusagen mittels «Notbremse» verhindert werden können, so Beat Flach (glp, AG) für die GLP-Fraktion. Es handle sich um ein staatsrechtliches Experiment, auf das man sich einlassen und das man diskutieren solle. Es gehe nicht um die Frage, ob dieser Vorstoss verfassungskonform sei oder nicht – nahm Gregor Rutz (svp, ZH) für die SVP-Fraktion Stellung –, sondern um den Schutz der Verfassung selber. Man habe zwar kein Verfassungsgericht, aber die Kontrolle gegen ein Gesetz könne mittels Referendum wahrgenommen werden. Dies sei nun aber bei Verordnungen eben nicht möglich. Heute stamme ein Drittel aller Regelungen aus Verordnungen und lediglich 12 Prozent aus Gesetzen. Deshalb sei ein Korrekturinstrument dringend. Für die FDP-Fraktion ergriff schliesslich Kurt Fluri (fdp, SO) das Wort: Es sei wichtig, zu sehen, dass das Veto kassatorisch sei. Es gehe eben gerade nicht darum, neue Regelungen zu diskutieren oder anzustossen – was mit den parlamentarischen Anstossinstrumenten mitunter Jahre dauere –, sondern einzig darum, den Bundesrat aufzufordern, Gesetze im Sinne des Parlaments und nicht «seinen eigenen Willen» umzusetzen. Fluri ging zudem auf die Erfahrungen in seinem Kanton Solothurn ein, der ein Verordnungsveto kennt. In den 30 Jahren zwischen 1988 und 2018 sei lediglich gegen 77 von 1115 Verordnungen ein Veto eingelegt worden, acht dieser beanstandeten Verordnungen seien von der Regierung zurückgezogen und etwa jede fünfte korrigiert worden. Es könne – zumindest im Kanton Solothurn – nicht von systematischer Blockade gesprochen werden. Bundeskanzler Walter Thurnherr äusserte sich am Schluss der Eintretensdebatte im Namen des Bundesrats und warnte vor der Vermischung der Gewalten und einem unverhältnismässigen Aufwand. Zudem fehle aus Sicht der Regierung die verfassungsmässige Grundlage für das neue Instrument. Mit 115 zu 64 Stimmen wurde dann – aufgrund der Positionen der einzelnen Fraktionen eher wenig überraschend – Eintreten beschlossen.
Bei der Detailberatung wurden alle Vorschläge des Bundesrates für zusätzliche Ausnahmen abgelehnt.Auch ein Minderheitsantrag der SVP, wonach nicht die Kommissionsmehrheit das letzte Wort haben soll, sondern ein Minderheitsantrag auch im Rat diskutiert werden sollte, fand keine Mehrheit. Es soll also die Kommission beziehungsweise deren Mehrheit sein, die entscheidet, ob über einen Antrag auf ein Veto abgestimmt wird oder nicht. Das gleiche Schicksal der Ablehnung ereilte ein Minderheitsantrag der SP, mit dem die Erläuterungen zu den Verordnungen im Bundesblatt hätten veröffentlicht werden sollen. Alle weiteren Minderheitsanträge, mit denen Ausnahmen geschaffen werden sollten, lehnte die Ratsmehrheit ab. Mit ein Grund dafür war wohl das von Kommissionssprecher Jauslin vorgebrachte Argument, dass hier ein neues Instrument geschaffen werde und man zuerst Erfahrungen sammeln müsse, um dann vielleicht später in einzelnen Bereichen Ausnahmen zu schaffen. In der Gesamtabstimmung erhielt die unveränderte Vorlage der SPK-NR 113 Stimmen. Die 67 Gegenstimmen stammten von allen anwesenden GP- (11) und SP-Mitgliedern (40) sowie von 10 Mitgliedern der FDP- und 6 der CVP-Fraktion. Sechs der acht Grünliberalen enthielten sich der Stimme. Damit ging die Vorlage an den Ständerat.

Veto gegen bundesrätliche Verordnungen (Pa. Iv. 14.422)
Dossier: Vorstösse für ein Veto des Parlamentes gegen Verordnungen des Bundesrates